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Veröffentlicht am 21.06.2017

Ein ansprechender Zeitvertreib

Für dich würde ich sterben
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Mit „Für dich würde ich sterben“ liegen erstmals Texte von Francis Scott Key Fitzgerald in gedruckter Form vor, die zu Lebzeiten des Autors in der vorliegenden Fassung keinen Verleger fanden. Das Buch ...

Mit „Für dich würde ich sterben“ liegen erstmals Texte von Francis Scott Key Fitzgerald in gedruckter Form vor, die zu Lebzeiten des Autors in der vorliegenden Fassung keinen Verleger fanden. Das Buch enthält achtzehn Geschichten, davon sind vierzehn abgeschlossene Erzählungen, ein Fragment und drei Exposés zu Filmen. Die erste der im Buch enthaltenen Storys hat F. Scott Fitzgerald 1920 geschrieben, die anderen Texte viele Jahre später in den 1930ern.

Nach seinen großen Romanerfolgen wurde der Name des Autors in Verbindung mit Liebesgeschichten gebracht, in denen junge Männer aus minderbemitteltem Haus um Töchter reicher Eltern buhlten. Fitzgeralds eigene Eltern gehörten der oberen Mittelschicht an. Als Lieutenant bei der Army lernte er seine spätere Frau Zelda kennen, die eine Heirat aber zunächst aufgrund ungesicherter Lebensverhältnisse ablehnte. Doch nach ersten schriftstellerischen Erfolgen heirateten sie und führten ein mondänes Leben bei denen das zur Verfügung stehende Geld nicht ausreichte. Seine Erfahrungen flossen in seine Werke ein. So bewegt er sich in der ersten Geschichte „Spielschulden“ auf bekanntem Terrain in der Verlagswelt.

In den folgenden Jahren kam zu den Sorgen um‘s Geld die psychische Erkrankung seiner Frau hinzu, die immer wieder und zunehmend Aufnahme in psychiatrischen Kliniken suchte. Auch seine eigenen Probleme mit Alkohol und Gewaltanwendung gegen seine Frau blieben der Öffentlichkeit nicht verborgen. Bereits die zweite Geschichte „Böser Traum“ nimmt den Leser mit in eine psychiatrische Klinik und spielt mit dem Gedanken, ob sich klar trennen lässt, wer hier Patient oder Arzt ist. Die folgenden Erzählungen sind tragisch, schicksalhaft, erheiternd, aber grundsätzlich mit einer Spur von Dunkelheit versehen. Beispielhaft hierfür steht die Titelstory „Für dich würde ich sterben“, die vom Thema „Selbstmord“ durchzogen ist. Kurze Zeit nach Verfassen der Geschichte versuchte der Autor sich mit einer Überdosis Tabletten umzubringen. Seine Beliebtheit sank zunehmend, doch die Umarbeitung der einmal geschriebenen Erzählungen, um sie dem Geschmack des Publikums anzupassen, verweigerte er und so blieb eine Veröffentlichung aus.

Die Geschichten lesen sich leicht und unterhaltsam und wirken aus einer heutigen Perspektive gesehen modern, vielleicht weil gerade die beinhalteten Frauenfiguren meist sehr selbstbewusst agieren. Im Anhang des Buchs finden sich zahlreiche Erläuterungen und Stellenkommentare zu den einzelnen Geschichten. Für mich waren die Storys ein ansprechender Zeitvertreib, für Fans des Autors die auch an seinem Lebensweg Interesse haben, sind sie ein Muss.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Tief berührender Roman über eine frühe Alzheimer-Erkrankung

Du erinnerst mich an morgen
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Im Roman „Du erinnerst mich an morgen“ thematisiert die Engländerin Katie Marsh, dass die Krankheit Alzheimer auch schon ungefähr ab dem 50. Lebensjahr auftreten kann. Auch Gina, die Mutter der Protagonistin ...

Im Roman „Du erinnerst mich an morgen“ thematisiert die Engländerin Katie Marsh, dass die Krankheit Alzheimer auch schon ungefähr ab dem 50. Lebensjahr auftreten kann. Auch Gina, die Mutter der Protagonistin Zoe ist erst 54 Jahre alt, als sie erkrankt und ihre Erinnerung sich eintrübt. Immer mehr kleine Stückchen eines großen bunten Lebens verlassen ihr Gedächtnis so wie das Cover es symbolisch darstellt.

Ausgerechnet am Tag ihrer Hochzeit, kurz vor der Trauzeremonie, erhält Zoe einen Anruf von Ginas bester Freundin, die ihr mitteilt, dass ihre Mutter sich auf der Polizeiwache befindet und sie sofort zur Hilfe benötigt wird. Das Angebot ihrer Schwester, für sie einzuspringen, schlägt sie aus und macht sich selbst auf den Weg. Seit über 10 Jahren vermeidet Zoe den Kontakt mit ihrer Mutter, weil Gina damals eine Entscheidung für sie traf, die für sie inakzeptabel war. Zoe stellt in der folgenden Zeit fest, dass ihre Mutter zunehmend orientierungslos reagiert und nicht mehr allein zurechtkommt. Ihr noch junges Unternehmen macht wenig Gewinn und natürlich hat Jamie sie verlassen, nachdem sie ihn so kurzfristig vor dem Ja-Wort versetzt hat. Nichts scheint mehr so zu sein wie es vor der anstehenden Hochzeit war. Zoe steht zwischen Schuld, Pflichtbewusstsein und aufrichtiger Mitmenschlichkeit. Zum Glück hat Zoe Familie, Freunde und Bekannte in ihrer Umgebung, die ihre Unterstützung anbieten. So beginnt sie damit, über sich selbst und ihre Entscheidungen nachzudenken und in Frage zu stellen.

Zunächst war ich etwas verwirrt darüber, wieso Zoe die Hochzeit so einfach platzen lässt, um ihrer Mutter zu Hilfe zu eilen. Jahrelang hat Zoe den Kontakt zu ihr unterbunden. Ihre Eltern sind geschieden und ihr Verhältnis zum Vater ist gut. Dass sie so spontan auf den Hilferuf reagiert, hängt auch mit der derzeitigen Beziehung zu ihrem Bräutigam Jamie zusammen. Schon auf den ersten Seiten wirkt sie nicht wie eine freudestrahlende Braut, sondern es mischt sich da ein gewisses Zaudern vor dem letzten Schritt bei ihr ein. Es braucht ein wenig Geduld, bis die Hintergründe der Geschichte sich entfalten und zu einem Verständnis für die Beteiligten führen. Im Anschluss an jedes Kapitel, deren Fokus auf Zoe liegt, fügt die Autorin Briefe ein, die Gina zu fast jedem Geburtstag ihrer Tochter schreibt, auch während der Zeit, in denen die Verbindung abgebrochen ist. Daraus ergibt sich die Lebensgeschichte von Zoes Mutter, die schließlich den Streit aus Sicht von Gina schildert. Als Leser hatte ich so die Möglichkeit, beide Ansichten kennen zu lernen.

Leider konnte Zoe bei mir wenige Sympathiepunkte sammeln, zu schwach war ihr Mut dazu, ihre Fehler einzusehen und für Klarheit ein offenes Gespräch zu suchen. Katie Marsh versteht es vortrefflich, einfühlsam und realistisch die Folgen aus der Alzheimererkrankung sowohl für die Erkrankte wie auch für die Beteiligten im Umfeld zu schildern ohne dabei kitschig zu sein. Für Zoe ist es der Weg, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, ohne eine Zukunft mit ihrer Mutter zu haben. Doch glücklicherweise führt das tiefere Verständnis der Beweggründe Ginas für den langen Streit zu einem neuen Anfang für sie selbst und ihre Liebe.

„Du erinnerst mich an morgen“ ist eine tief ergreifende Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung, die ich Lesern empfehle, die sich gerne durch Geschichten berühren lassen.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Auseinandersetzung zwischen Leidenschaft und Verstand

Brausepulverherz
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Jiara und Jonas kennen sich schon seit Schultagen und sind seit Jahren miteinander liiert. Doch als Jiara im Sommer wie schon oft an die italienische Riviera fährt, um dort zu jobben, begegnet sie Milo, ...

Jiara und Jonas kennen sich schon seit Schultagen und sind seit Jahren miteinander liiert. Doch als Jiara im Sommer wie schon oft an die italienische Riviera fährt, um dort zu jobben, begegnet sie Milo, der ungeahnte Gefühle in ihr wachruft. Leonie Lastella hat die Geschichte von Jiara und Milo in ihrem Roman „Brausepulverherz“ aufgeschrieben. Sie ist zwar nur fiktiv, zaubert den Leser aber nach Italien mit viel Wärme, Strand und auch Musik. Das Cover fängt davon eine Menge ein und durchtränkt die Farbe der Sonne mit weiß und grün und roten Farbpunkten entsprechend den Farben der italienischen Flagge, so dass ich mich gleich an meine Urlaube in diesem schönen südlich von uns gelegenen Land erinnert fühlte.

Nach dem Abbruch ihres Medizinstudiums steht Jiara momentan davor, auch ihr Psychologiestudium aufzugeben. Gemeinsam mit Jonas, der kurz vor seinem Abschluss im BWL-Studium steht, um dann als Partner ins Unternehmen seines Vaters einzusteigen, wohnt sie in Hamburg. Schon sehr häufig ist sie in Finale Ligure an der Riviera gewesen, weil hier früher Onkel und Tante wohnten. Einmal hat auch Jonas sie begleitet. Geblieben ist eine tiefe Freundschaft mit dem Trattoriabesitzer Dario, bei dem sie sich als Aushilfe gerne ein wenig in den Semesterferien hinzuverdient. Eines Tages steht Darios langjähriger Freund Milo vor ihr, der kurzfristig eine Unterkunft sucht. Milo ist Musiker und tingelt mit seinen Liedern wenig erfolgreich durchs Land. Gleich bei der ersten Begegnung spürt Jiara eine unbändige Anziehungskraft, die von ihm ausgeht. Dennoch sagt ihr Verstand, dass Jonas in Hamburg auf sie wartet. Außerdem befürchtet sie, dass sie mit dem Ende ihrer Beziehung zu Jonas weitere Freundschaften verlieren wird. Und werden ihre Gefühle überhaupt im gleichen Maße von Milo erwidert und wenn ja, kann es eine Zukunft für die beiden geben?

Für beide Protagonisten ist ein Lebensweg von den Eltern vorgesehen worden. Während Jiaras Mutter ihre Tochter bereits als Ärztin gesehen hat, sind Milos Eltern davon ausgegangen, dass er mit seinem Bruder gemeinsam die Firma seines Vaters übernimmt. Milo stellt sich trotzig diesem Plan entgegen, aber Jiara lässt sich auf den Wunsch ihrer Mutter ein. Ihr Wunschberuf ist ein ganz anderer, doch letztlich fühlt sie sich den Erwartungen von Freunden und Familie verpflichtet. Milo bildet also nicht nur rein äußerlich einen Anziehungspunkt für Jiara, sondern steht ihr auch als Beispiel vor Augen wie man seine Träume leben kann. Allerdings sind ihr seine kurzen Liebschaften ein Dorn im Auge.

Jonas ist der perfekte Planer und nimmt ihr dadurch viele Entscheidungen ab. In Italien stellt sie fest, dass es ihr schwer fällt, Entscheidungen zu treffen und sie daher in ihrem Leben allein schlecht zurechtkommt. Milo ist auf seinem gewählten Weg ist glücklich, auch wenn ihn der Familienstreit über seinen Berufswunsch mehr nahe geht als er sich selbst eingesteht. Er macht Jiara Mut, sich selbst mehr zuzutrauen. Für die unschlüssige Jiara ist es eine Zerreißprobe zwischen zwei Männern und ihrem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben.

Auch die Autorin hat in Italien ihre Liebe gefunden, die man zwischen den Zeilen herauslesen kann. Einfühlsam schildert sie intime Szenen zwischen den beiden Protagonisten. Die Kapitel wechseln sich ab zwischen Milo und Jiara. Beide erzählen in der Ich-Form, so dass mir die Konflikte, die beide bewegen, nachvollziehen. Auch gemeinsam lässt sich hierzu keine einfache schnelle Lösung finden. Sehr lange verharrt daher die Erzählung bei diesen Problemen, was zu einigen Längen führt. Beide Protagonisten scheuen eine direkte Aussprache mit den betroffenen Personen, Milo wegen seiner Sturheit und Jiara aufgrund ihrer Unentschlossenheit.

Der Roman ist eine Auseinandersetzung zwischen Leidenschaft und Verstand. Die Geschichte ist leicht lesbar geschrieben und über allem liegt aufgrund des Settings eine warme Sommerbrise. Wer nach einem unterhaltsamen Roman für einige nette Lesestunden sucht ist hier richtig.

Veröffentlicht am 09.05.2017

Eine besondere Geschichte über Partnerschaft im Alter

Unsere Seelen bei Nacht
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„Unsere Seelen bei Nacht“ ist der letzte Roman des verstorbenen US-Amerikaners Kent Haruf. Der Autor wurde nur 71 Jahre alt und auch die beiden Protagonisten seines Buchs sind etwa in diesem Alter. Die ...

„Unsere Seelen bei Nacht“ ist der letzte Roman des verstorbenen US-Amerikaners Kent Haruf. Der Autor wurde nur 71 Jahre alt und auch die beiden Protagonisten seines Buchs sind etwa in diesem Alter. Die Geschichte spielt wie alle seine Romane in der von ihm erdichteten Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado, in dem er als Kind gelebt hat.

Addie ist Witwe und lebt in ihrem Einfamilienhaus allein. Ihr Sohn lebt mit Frau und Kind in der Hauptstadt Denver. Vor allem nachts fühlt sie sich einsam. Nachdem sie lange über ihre Idee, der Einsamkeit zu entkommen, nachgedacht hat, klingelt sie bei ihrem ebenfalls verwitwetem Nachbarn Louis. Sie fragt ihn, ob er sich vorstellen kann, die Nächte neben ihr zu liegen. Auf rein platonischer Ebene möchte sie mit ihm zusammen sein. Nach einer kurzen Bedenkzeit ist Louis einverstanden und gemeinsam entdecken sie, wie schön es ist, Zeit miteinander zu verbringen und sich im Gespräch auszutauschen. Auch der längere Aufenthalt von Addies sechsjährigem Enkel ist nach ersten Befürchtungen kein Problem für die beiden. Von den Bewohnern der Kleinstadt wird ihre Beziehung misstrauisch beobachtet, doch das haben beide nicht anders erwartet. Eine größere Sorge sind ihre Kinder, vor allem Addies Sohn Gene stellt sich gegen die gemeinsamen Pläne von Addie und Louis.

Kent Haruf hat seine Erzählung in einen schlichten Rahmen gepackt. Die Zahl der handelnden Personen ist überschaubar. Die Dialoge werden indirekt geführt. Nach einigen Seiten hatte ich mich daran gewöhnt und konnte problemlos die jeweiligen Sätze der entsprechenden Person zuordnen ohne dass diese erwähnt wird. Gleich zu Beginn kommt der Autor zum Hauptthema des Romans, der Einsamkeit im Alter. Da er selbst beim Schreiben des Buchs bereits älter als 70 Jahre war, bringt er in seine Schilderungen sicher auch eigene Erfahrungen und solche aus seinem Freundschafts- und Bekanntenkreis ein. Das macht die Erzählung authentisch.

Addie und Laurence kennen sich bereits seit langen Jahren, hatten aber nur gelegentlichen kurzen Kontakt zueinander. Ich fand es eine mutige Art von Addie, sich mit ihrem Wunsch ohne Umschweife an Laurence zu wenden. All die folgenden gemeinsamen Stunden sind realistisch beschrieben und gut vorstellbar. Die beiden Protagonisten nähern sich vorsichtig einander an und gehen auch im weiteren Verlauf fürsorglich miteinander um. Das tut beim Lesen richtig gut.

Das Misstrauen der Kinder in Bezug auf das Verhältnis ihrer Eltern war von Beginn an vorhanden. Verständlich ist eine gewisse Sorge um das Wohl des Elternteils, aber letztlich versteckt sich bei Gene dahinter vor allem die Angst vor dem Verlust des Erbes. Das Ende der Geschichte hat für mich nicht zum Charakter der Addie gepasst, die sich einen eigenen Weg aus der Einsamkeit gesucht und gefunden hat. Von ihr hätte ich mehr Selbstbewusstsein gewünscht.

Das Buch lässt sich in wenigen Stunden lesen. Obwohl nichts Aufsehenerregendes geschieht, war es schön, diese besondere Geschichte über Zuneigung und Beisammensein im Alter zu lesen, wenn mir auch das Ende nicht so ganz gefallen hat. Dennoch empfehle ich den Roman an einfühlsame Leser gerne weiter

Veröffentlicht am 01.05.2017

Ein Jugendbuch über Freundschaft, Vertrauen, Akzeptanz und Selbstfindung

Meine Mutter, sein Exmann und ich
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In seinem Jugendbuch „Meine Mutter, sein Exmann und ich“ nutzt T.A. Wegberg das Thema Transgender als Hintergrund für die aktuellen Probleme des 15-jährigen Joschka. Wie der Titel es bereits verdeutlicht, ...

In seinem Jugendbuch „Meine Mutter, sein Exmann und ich“ nutzt T.A. Wegberg das Thema Transgender als Hintergrund für die aktuellen Probleme des 15-jährigen Joschka. Wie der Titel es bereits verdeutlicht, hat nicht Joschka Probleme mit seiner Geschlechtsidentität, sondern er hat Frust darüber, dass seine Mutter ihren Körper entsprechend ihrer männlichen Gefühle anpassen möchte. Lebenswege sind verschieden und manchmal ist es schwierig den richtigen zu finden. Joschkas Gedanken kreisen darum Wege zu finden, beispielsweise um seinen Traumberuf zu realisieren und vor allem aber, seine Freunde nicht durch die Selbstverwirklichung seiner Mutter zu verlieren. Sehr gut wird das durch das Cover visualisiert.

Joschkas Eltern sind schon längere Zeit geschieden. Als er und seine Zwillingsschwester Liska zehn Jahre alt sind, spricht ihre Mutter offen an, dass sie mit einer Therapie und einer Hormonbehandlung beginnen möchte um ihre körperliche Umwandlung zu einem Mann zu beginnen. Fünf Jahre später steht die abschließende Operation an und Joschka hat sich immer noch nicht damit arrangiert. Er nennt seine Mutter weiter „Mama“ statt bei seinem neu gewählten Vornamen Frederik und sorgt dafür, dass seine Freunde ihn nicht zu sehen bekommen. Liska dagegen hat keine Probleme damit.

Schließlich zieht Joschka zu seinem Vater, der inzwischen wieder verheiratet ist und mit seiner zweiten Frau einen weiteren Sohn hat, obwohl er dabei einen sehr viel weiteren Weg zur Schule in Kauf nimmt. Mit dem nach den Sommerferien beginnenden Schuljahr erhält er mit Alexander einen neuen Klassenkameraden der an einer Krankheit leidet, die dieser zu verbergen sucht. Erst durch die Annäherung an Alexander und der wachsenden Liebe zu seiner Mitschülerin Emma beginnen sich seine Prioritäten in Sachen Freunde zu verschieben und so langsam wächst sein Verständnis für den Wunsch seiner Mutter ein Mann zu sein.

Der Roman ist gedacht ab einem Alter von ungefähr 14 Jahren. Der Autor schreibt aus der Sicht von Joschka und konfrontiert den Leser mit den Problemen eines 15-jährigen Jungen, der sich darüber sorgt, dass er wegen der Geschlechtsumwandlung von Frederik ausgelacht und aus dem Freundeskreis ausgeschlossen wird. Joschka verfügt über keine besonderen Fähigkeiten wie sportliche oder technische Begabung mit denen er bei seinen Freunden punkten könnte. Er verhält sich gerne konform, um akzeptiert zu werden.

Sehr schön fand ich den Kontrast, den T.A. Wegberg mit Liska setzt. Von Beginn an spricht sie mit ihren Freundinnen über die Geschlechtsumwandlung und so entsteht hier kein Geheimnis, das zu irgendwelchen Missverständnissen führen kann. Liska freut sich über den Besuch von Freunden und ihr neuer Vater hat die Möglichkeit sich als Persönlichkeit zu zeigen und so akzeptiert zu werden. Joschka hat nun diesen Zeitpunkt verpasst. Und genau das baut eine gewisse Spannung im Roman auf, die mich schnell weiter lesen ließ, denn ich glaubte, dass irgendwann doch endlich einer von Joschkas Freunden auf Frederik treffen würde. Ich wartete ungeduldig darauf, wie Joschka dann reagieren würde.

Joschka erzählt in der Ich-Form und auf diese Weise wusste ich auch, was er in welcher Situation denkt. Er sucht ständig den Vergleich mit Jungen in seinem Alter. Die Probleme seiner Mutter hat er zwar registriert, aber ausgeblendet. Sein Vater und seine Stiefmutter verschließen sich seinen Problemen. Sie verlangen von ihm, dass er Verantwortung übernimmt. Aber immer wieder scheitert er daran. Das trägt nicht dazu bei, sein Selbstbewusstsein zu steigern und so lobt er sich selbst für all das, was ihm gelingt. Seine Freundschaft zu Alexander zeigt ihm, wie es ist, vor einem Geheimnis zu stehen. Als er merkt, dass er damit umgehen kann und nun auch jemanden hat, den er ins Vertrauen ziehen kann, wird es deutlich einfacher für ihn sich gegenüber anderen zu öffnen. Jugendliche Leser des Romans werden hier allerdings genau wie Joschka keine abschließenden Antworten zum Thema Transgender finden.

„Meine Mutter, sein Exmann und ist“ ist ein Buch über Freundschaft, Vertrauen, Akzeptanz und Selbstfindung und darüber, dass es nicht auf das Äußere, sondern auf die Persönlichkeit ankommt. Der Schreibstil ist locker und amüsant. Daher vergebe ich gerne eine Leseempfehlung.