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Veröffentlicht am 18.12.2016

Aus dem Leben eines berühmten Autors

Von Beruf Schriftsteller
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„Von Beruf Schriftsteller“ von Haruki Murakami ist das erste Buch, das ich von diesem japanischen Autor gelesen habe. Schon vielfach sind mir seine Romane im Buchhandel aufgefallen. Grundsätzlich interessiere ...

„Von Beruf Schriftsteller“ von Haruki Murakami ist das erste Buch, das ich von diesem japanischen Autor gelesen habe. Schon vielfach sind mir seine Romane im Buchhandel aufgefallen. Grundsätzlich interessiere ich mich für den Werdegang einer berühmter Persönlichkeit und durch seine Erfolge rechne ich Haruki Murakami dazu. Daher bekam ich Lust den Mensch hinter den Büchern näher kennenzulernen und das vorliegende Buch gab mir dazu die Gelegenheit. Schlicht, ohne Überflüssiges erscheint das Cover des Buches und spiegelt damit den Schreibstil des Autors wider nach dem dieser bereits zu Beginn seiner Karriere gesucht hat.

In 11 Essays erfuhr ich mehr zu Themen aus der literarischen Welt und auch zur Person Haruki Murakamis. Der Autor, dessen Werke inzwischen in 50 verschiedenen Sprachen erscheinen und dessen Leserzahlen mit jedem Buch steigen, schreibt zunächst über seine Anfänge als Schriftsteller. Nach seinem Studium eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau ein Lokal, wozu die beiden einiges an Geld aufnehmen mussten. Die ersten Jahre waren hart, Schulden mussten abgearbeitet werden. Doch es lief immer besser und an einem Tag, wenige Monate vor seinem 30. Geburtstag, hatte Haruki Murakami ein Schlüsselerlebnis das dazu führte, dass er sich neben seiner anstrengenden Tätigkeit dem Verfassen eines Erzähltextes widmete. Mit diesem Text in seiner Urfassung war er jedoch noch nicht zufrieden, doch er diente ihm dazu einen persönlichen Stil zu finden. Noch vor Ablauf eines Jahres wurde die Endfassung des Textes für einen Nachwuchspreis nominiert.

In einem weiteren Essay widmet sich der Autor kritisch eben jenen Literaturpreisen und deren Nutzen für die Preisträger. Doch vor allem schreibt er im Folgenden in seinen Abhandlungen sehr persönlich über die Gestaltung seines Arbeitsalltag als Schriftsteller zu der die Themensuche genauso gehört wie die Ausformulierung von Charakteren. Haruki Murakami folgt einem strengen Tagesrhythmus zu der neben dem Schreibprozess auch sportliche Betätigung gehört. Er schreibt von seiner Liebe zu Musik und Film, die er auch immer wieder bewusst in seine Romane einfließen lässt, über die Gründe ins Ausland zu ziehen und über den Umgang mit Kritiken zu seinen Romanen. Die Essays sind so geschrieben, als ob der Autor sie einem Publikum vorträgt. Sie sind über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden und haben ihm dazu gedient, über seine Arbeit nachzudenken und sich einen Überblick zu verschaffen, wie im Nachwort zu lesen ist.

Mit diesem Buch habe ich einen zurückhaltenden, unprätentiösen Autor kennengelernt, der seiner Tätigkeit diszipliniert nachgeht. Sicher hat auch die japanische Gesellschaft in der Haruki Murakami aufgewachsen und lange Zeit gelebt hat seinen Charakter mit geprägt und genau das finde ich so faszinierend beim Lesen des Buchs eines ausländischen Autors. „Von Beruf Schriftsteller“ hat mir Einblicke in Leben und Werk von Haruki Murakami gegeben und sicher werde ich demnächst einen Roman von ihm lesen und sehen ob sich das Bild, das ich mir über seinen Schreibstil gebildet habe, darin wiederfindet. Das Buch ist geeignet für Leser des Autors, die am Lebensweg von Haruki Murakami interessiert sind und Freunde von Biographien.

Veröffentlicht am 15.12.2016

Eine liebevoll erzählte familiäre Geschichte

Willkommen in der unglaublichen Welt von Frank Banning
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„Willkommen in der unglaublichen Welt des Frank Banning“ ist Alice Whitley im gleichnamigen Buch von Julia Claiborne Johnson. Sie ist 24, hat einen Collegeabschluss in Buchhaltung und bildender Kunst, ...

„Willkommen in der unglaublichen Welt des Frank Banning“ ist Alice Whitley im gleichnamigen Buch von Julia Claiborne Johnson. Sie ist 24, hat einen Collegeabschluss in Buchhaltung und bildender Kunst, ist technisch versiert und hat sich mit diversen Jobs weitere Fähigkeiten erworben, unter anderem hat sie an einer Privatschule unterrichtet. Als Leser lernte ich sie an der Seite der Titelfigur im Prolog des Romans während einer Fahrt mit dem Bus kennen. Bereits in diesem kurzen Abschnitt beschreibt die Autorin einige der Eigenheiten von Julian Francis, kurz Frank genannt und machte mir auf diese Weise Lust darauf, den 9-jährigen Jungen näher kennenzulernen. Gemeinsam mit Alice ist er auf dem Weg zum Krankenhaus um seine Mutter, die berühmte Schriftstellerein M.M.Banning, zu besuchen. Sie wurde dort zur psychiatrischen Beobachtung eingeliefert kurz nachdem es in ihrem Haus gebrannt hatte. Dieses tragische Ereignis wird auf dem Cover des Buchs in leichter Form umgesetzt. Doch Frank ist nicht der typische Skateboarder wie er auf der Rückseite zu finden ist, doch dazu später mehr.

Nur ein einziges Buch hat Mimi unter ihrem Pseudonym M.M. Banning bisher geschrieben und veröffentlicht. Damit sie ihr Leben und das von Frank weiterhin finanzieren kann ist es notwendig, dass sie endlich einen zweiten Roman schreibt. Ihr Verleger unterstützt sie dabei, indem er ihr seine eigene rechte Hand Alice als Hilfe für Sekretariatsarbeiten aber auch zur Haushaltsführung und Betreuung ihres Sohnes schickt. Rasch merkt Alice, dass Frank nicht so ist wie andere Kinder seines Alters. Er hasst T-Shirts und Jeans und kleidet sich stattdessen in Stoffhosen, Sakkos und Anzügen nach der Mode entsprechender Filmstars. Immer wieder ist die Rede von Filmen, von denen mir einige bekannt waren. Nach meinem Geschmack hat die Autorin diesem Thema einen zu großen Raum gegeben. Für das Zusammenleben mit Frank hat er eigene Regeln aufgestellt. Er darf nicht ohne vorherige Genehmigung von ihm angefasst werden. Das Gleiche gilt für Dinge die ihm gehören. Doch manches Mal wirkt er so schutzbedürftig, dass seine Regeln nicht einfach einzuhalten sind.

Alice ist die Ich-Erzählerin des Romans. Bisher lebte sie in einer kleinen, spärlich eingerichteten Wohnung in Brooklyn. Das Haus von Mimi und die Umgebung von Los Angeles bieten ihr eine nie gekannte Freizügigkeit. Doch sowohl Mimi wie auch Frank stehen ihr zunächst zurückhaltend gegenüber. Auf Mimi lastet der Druck, ein Buch möglichst bald fertig zu schreiben und Frank zeigt Anzeichen dafür, dass er seine Mutter vermisst, während sie sich zum Schreiben in ihr Arbeitszimmer zurückzieht. Insgesamt erschien Mimi mir sehr kühl im Auftreten und sie ist mit der Erziehung ihres Sohnes und dem gleichzeitigen Schreiben eines Buchs völlig überfordert. Alice fällt es daher schwer, deren Vertrauen zu gewinnen und die abneigende Haltung der beiden aufzubrechen.

Mimi und Frank leben zurückgezogen in ihrem Haus, das von einer Mauer umgeben ist und Frank ist Mimis einziger Lebenssinn. Sie unterstützt die Exzentrik ihres Sohns unter anderem damit, dass sie ihm die gewünschte Kleidung kauft und die Einhaltung seiner Regeln unterstützt. Sie agiert in dem guten Glauben Frank dadurch ein schönes Leben zu gestalten. Warum sie so handelt wird deutlicher als sie Alice von ihrer eigenen Kindheit und Jugend erzählt.

Frank konnte mit der Zeit meine Sympathie erlangen, denn er erscheint zwar manchmal neunmalklug, aber er kann genauso charmant auf seine ganz eigene Art sein. Er ist ein guter Beobachter. Seine auffällige Kleidung wirkt auf seine Mitschüler befremdend, so dass dies sicher mit ein Grund ist, dass er keinen Freund hat. Frank liebt enge Räumlichkeiten, eventuell weil sie ihm Schutz bieten vor erstaunten Blicken von anderen. Durch die faktische Betrachtungsweise von Frank und der Art wie er diese Fakten wieder gibt kommt es zu zahlreichen Situationen mit, aus seiner Sicht, ungewolltem Humor. Bewusst verzichtet Julia Claiborne Johnson Franks offensichtliche Störung zu benennen. Dadurch unterbleibt eine automatische Stigmatisierung und er hat die Möglichkeit zwar seine Eigenheiten auszuleben, aber sich dennoch ohne Einschränkungen seinen zukünftigen Platz im Leben zu sichern.

Der Roman zeigt auf eindrückliche Weise, dass bereits Kinder sehr verschiedenartig sind, wir Individualität akzeptieren sollten und durch diesen Prozess auch lernen können, sie wert zu schätzen. Zum Schluss erwartete mich als Leser noch eine überraschende Wendung. Frank konnte dadurch nochmals ein paar Sympathiepunkte bei mir hinzugewinnen. Gerne empfehle ich diese liebevolle, familiäre Geschichte weiter.

Veröffentlicht am 11.12.2016

Science Fiction vom Feinsten

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
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„Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ ist das Debüt der US-Amerikanerin Becky Chambers. Der Science-Fiction-Roman hat mich an der Seite der Crew von Captain Ashby Sanoso mit an Bord der„Wayfahrer“, ...

„Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ ist das Debüt der US-Amerikanerin Becky Chambers. Der Science-Fiction-Roman hat mich an der Seite der Crew von Captain Ashby Sanoso mit an Bord der„Wayfahrer“, einem in die Jahre gekommenen aber noch voll funktionsfähigen Tunnelerschiffs, genommen auf dem Weg durch das Weltall hin zu dem äußerlich abweisend wirkenden Planeten Hedra Ka. Das Cover lässt mich in das All schauen mit einer Vielzahl von Sternen, unbekannten Welten und Wesen. Der Lichtstreifen am Horizont, der sich von dem dunklen Raum abhebt, steht für mich symbolisch als Hoffnungsträger für die Zukunft, in die die Frau am unteren Bildrand aber auch wir selber blicken.

Rosemary Harper ist Mitte 20 und kommt vom Mars. Sie hat sich eine neue Identität besorgt und tritt nun ihre eine Stelle auf der „Wayfahrer“ als Verwaltungskraft an. Mit dem Tunnelerschiff stoßen Ashby Sanoso und seine Crew Wurmlöcher ins All um Verbindungen zwischen Galaxien zu schaffen. Die Mannschaft setzt sich nicht nur aus Menschen zusammen, sondern auch andere Lebensformen gehören dazu. Sie verständigen sich hauptsächlich auf Klip, aber jede Spezies hat auch ihre eigene Sprache, die manchmal nicht aus Wörtern oder Lauten sondern aus Gesten besteht. Der Captain ist stolz darüber, als er den großen Auftrag erhält einen Tunnel zu dem weit entfernten, unfreundlich wirkenden Planeten Hedra Ka stoßen zu dürfen. Die Anreise wird einige Zeit in Anspruch nehmen und so ist Rosemary mit den anderen Crewmitgliedern auf engem Raum eine sehr lange Zeit unterwegs.

Eigentlich hört sich die Zusammenfassung dieses Romans eher unspektakulär an: ein Raumschiff macht sich auf einen langen Weg zu einem unbekannten Planeten um dort einen Auftrag auszuführen. Was aber die Autorin aus diesem Stoff macht, ist ganz fein. Zunächst beschreibt sie die Mitglieder der Schiffsmannschaft, die sehr verschieden sind. Alle sind bestens für ihren Job ausgebildet und kommen aus den unterschiedlichsten Regionen des Weltalls. Während der Captain, der Treibstoffwart Corbin und die Techniker Kizzy und Jenks menschlicher Abstammung sind, wobei man hier noch nach deren Herkunft unterscheiden muss, gehören zur Crew außerdem die Pilotin Sissix, die zu den reptilienartigen Aandrisk gehört, der Grum Dr. Koch, der als Arzt und Koch fungiert, der Navigator Ohan, der als nachtaktives Sianatpaar beschrieben wird und die Künstliche Intelligenz (KI) Lovelace, kurz Lovey genannt.

Jede Spezies bringt aufgrund seiner Herkunft unterschiedliche Lebenserfahrungen und auch Ansichten mit, die oft kulturell bedingt sind. Es ist nicht immer einfach miteinander aus zu kommen und für jeden ein Wohlgefühl an Bord zu schaffen, beginnend bei der Raumtemperatur hin zu Kleidung und Essen. Becky Chambers thematisiert diese und andere Probleme und diskutiert sie mit viel Respekt für jede Lebensform. Die Lösung ist nicht immer die Beste, aber grundsätzlich die Fairste. Freundschaft, Verständnis und Hilfsbereitschaft stehen dabei im Vordergrund.

Im folgenden Verlauf nimmt die Crew auf ihrem langen Weg Kontakt zu weiteren Spezies auf, sei es um Ersatzteile und Essenszutaten zu beschaffen oder auch mal zum Vergnügen. Auch hier beweist die Autorin viel Einfühlungsvermögen, denn leider gibt es auch immer wieder Missverständnisse, die ausgeräumt werden müssen um den Bestand der Galaktischen Union, in dem die verschiedenen Spezies vereint sind, zu erhalten. Interessant sind auch die Gefühle, die die Lebewesen zueinander entwickeln. Beispielsweise gibt es eine Art, die ihr Geschlecht im Laufe des Lebens wechselt, bei einer anderen ist Liebe zwischen ständig wechselnden Partnern üblich und außerdem entwickelt ein Techniker eine ungewöhnlich anmutende zarte Bande zur KI an Bord.

Karin Will hatte es sicher nicht leicht, die Beschreibung all dieser außergewöhnlichen Spezies und ihrer Besonderheiten vor allem in der Verständigung ins Deutsche zu übersetzen. Es ist ihr sehr gut gelungen und ich konnte den Ausführungen problemlos folgen und sie mir gut vorstellen.

„Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ beschreibt dem Leser eine futuristische Welt. Jedoch zeigt die Autorin darin auch, wie ein respektvolles Zusammenleben in einer Multikulturellen-Gesellschaft möglich ist, ohne jedoch den Anspruch zu erheben, dass letztlich alle Probleme gelöst werden können und niemand Ärger macht.

Mit diesem Buch habe ich nach langer Zeit wieder einmal einen Science-Fiction-Roman gelesen. Ich hoffe nicht nur auf eine Fortsetzung des Romans, sondern auch darauf, dass wir fremden Kulturen so offen entgegentreten wie die Crew der Wayfahrer. Meine Leseempfehlung für alle Sci-Fi-Fans!

Veröffentlicht am 09.12.2016

High Fantasy mit Steampunk-Elementen und höfischem Szenarium

Der Winterkaiser
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Maia ist erst 18 Jahre alt als er durch den Unfalltod seines Vaters, dem Elfenkaiser, und seiner Brüder zum Thronerben wird. Seine Mutter war die vierte Frau seines Vaters und aus der herrschenden Linie ...

Maia ist erst 18 Jahre alt als er durch den Unfalltod seines Vaters, dem Elfenkaiser, und seiner Brüder zum Thronerben wird. Seine Mutter war die vierte Frau seines Vaters und aus der herrschenden Linie der Kobolde. Die Ehe basierte nicht auf Liebe, sondern wurde aus politischen Gründen arrangiert. Maias Mutter verstarb früh. Lange Jahre lebte er im Exil und wurde von einem Cousin nach strengen Regeln erzogen. Schnell wird ihm klar, dass er so bald wie möglich, die Nachfolge antreten muss. Trotz seiner Flugängste besteigt er wenig später ein Luftschiff um sich so schnell wie möglich zum Regierungssitz seiner Familie bringen zu lassen.

So beginnt der Fantasyroman „Der Winterkaiser“ von Katherine Addison. In der nun folgenden Geschichte begleitet der Leser Maia bei seinen täglichen Verrichtungen. Als erstes beschließt er seine Krönung und unmittelbar darauf hat die Beerdigung seines Vaters stattzufinden. Obwohl er nicht dazu erzogen wurde, Regierungsgeschäfte zu beschließen, sagt sein Verstand ihm, dass er als zukünftiger Kaiser die Entscheidungen ab sofort zu treffen hat, was er auch direkt in die Tat umsetzt. Damit gibt er eine klare Ansage an den bisherigen Berater seines Vaters. Maia bewegt sich auf dünnem Eis, denn er hat weder das Wissen dazu, den Elfenstaat zu führen, noch kennt er vertrauensvolle Personen von denen er sich Rat holen kann.

Katherine Addison, einem Pseudonym der Autorin Sarah Monette, schafft für ihren Roman eine eigene Welt von der der Leser auf der Innenseite der Klappbroschur eine Übersichtskarte erhält. Ihre Elfen sind ein altehrwürdiges Volk, sehr höflich und haben der allgemeinen Vorstellung entsprechend spitze bewegliche Ohren. Gewöhnungsbedürftig fand ich in diesem Zusammenhang die Form „Wir“ die Maia zu benutzen hat wenn er von sich selber spricht. Es gibt Hofrituale und Gesetze die uneingeschränkt auf für den Kaiser gelten. Bei Zuwiderhandeln drohen ein schneller Tod oder Verbannung. Die Namen der Elfen folgen eigens von der Autorin erdachten Regeln die im Anhang des Buches kurz erläutert werden. Für mich war es jedoch stellenweise schwierig, die Namen ihren jeweiligen Trägern zuzuordnen und dadurch wurde der Lesefluss gelegentlich gehemmt, zumal am Hof des Kaisers und in seinem Umfeld eine stattliche Anzahl Figuren angesiedelt sind. Im Anhang gibt es daher ebenfalls ein hilfreiches Verzeichnis dazu.

Maia wirkte auf mich durchgehend unwissend und unerfahren. Ohne um seinen Vater, zu dem er nie engeren Kontakt hatte, zu trauern, ist er sofort bereit die Thronfolge anzutreten. Er ist froh darüber, seinem bisherigen Lehrer, der ihn streng erzogen hat, aufgrund seiner neuen Machtbefugnisse eine neue Rolle fern von ihm zuzuordnen mit der Folge, dass er nun niemand Vertrautes mehr an seiner Seite hat. Reglementierungen hätte er ohnehin aufgrund seiner neuen Stellung von seinem Cousin nicht zu befürchten gehabt. Jetzt steht er im Fokus ohne dass er beurteilen kann, wer für ihn oder gegen ihn ist. Sein Handeln orientiert er daher sogar an den Beobachtungen, die er am Dienstpersonal im Exil gemacht hat. Und natürlich unterwirft sich nicht jeder diesem unerfahrenen, unbekannten Kaiser. Keine Figur des Buches konnte mir sympathisch werden, dazu agierte jeder Charakter zu sehr zu seinem eigenen Nutzen.

In dieser Fantasy werden Kämpfe nicht mit Waffen ausgetragen, sondern mit Worten. Die Autorin beschreibt gerne die Art und Weise der sprachlichen Mitteilung, wodurch der Leser erst ein Bild über die weitere Bedeutung erhält. Freundschaft und Liebe sind den Elfen zur Erhaltung ihrer Stellung im gesellschaftlichen Leben nicht wichtig. Ehen werden aus politischen Gründen geschlossen. Intrigen und Ränkespiele sind an der Tagesordnung. Auch besteht eine ständige Gefahr, selbst für den Kaiser, Unwillen auf sich zu ziehen und es nicht allen recht machen zu können.

Mir persönlich war die Fantasy etwas zu ruhig, das Gebaren am Hof zu aufgesetzt. Wer klirrende Schlachten und Zaubereien mag ist bei diesem Buch leider nicht richtig. Wer eine High Fantasy mit Elementen aus dem Steampunk und ein höfisches Szenarium mit politischen Rangeleien mag ist hier willkommen.

Veröffentlicht am 06.12.2016

Komplexer, gut konstruierter Thriller

Totenfang
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Der forensische Anthropologen Dr. David Hunter ermittelt im Buch „Totenfang“ von Simon Beckett zum fünften Mal. Der Fall zu dem er hinzugezogen wird führt ihn in die Backwaters, einem Flussmündungsgebiet ...

Der forensische Anthropologen Dr. David Hunter ermittelt im Buch „Totenfang“ von Simon Beckett zum fünften Mal. Der Fall zu dem er hinzugezogen wird führt ihn in die Backwaters, einem Flussmündungsgebiet in Essex. Die Wetterlage spült ihm Unerwartetes vor seine Füße, so dass der Titel des Thrillers zum Programm wird. Besonders gut finde ich die Aufmachung des Buchs. Obwohl die letzte Ermittlung an der Dr. Hunter beteiligt war schon ein paar Jahre zurückliegt hat das Cover eine ähnliche Aufmachung wie die bisherigen Bände der Reihe.

Seit den Geschehnissen im vierten Teil der Serie „Verwesung“ ist kein ganzes Jahr vergangen. Dr. Hunters Arbeitsvertrag mit der Universität läuft in wenigen Wochen aus, eine Verlängerung ist ungewiss. Als ihn Detective Inspector Lundy aus Essex anruft und um Mithilfe bei der Untersuchung einer Leiche bittet, überlegt er nicht sehr lange und verspricht sein sofortiges Kommen. Im Mündungsgebiet eines Flusses wurde ein Körper gesichtet, der nun an Land gebracht werden soll. Die Leiche ist bereits stark verwest, aber es besteht ein bestimmter Verdacht, wer es sein könnte. Die Kleidung deutet auf Leo Villiers hin, einem Mann knapp über 30 Jahre aus wohlhabendem Haus, der vor einigen Monaten verschwunden ist. Dr. Hunter erhält die Informationen, dass Leo Villiers kein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte. Außerdem unterhielt er wahrscheinlich ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau, die noch vor seinem eigenen Verschwinden als vermisst gemeldet wurde.
Der Funde der Leiche zieht einige Fragen nach sich: Hat Leo Villiers sich selbst gerichtet oder wurde er ermordet? Ist die verschwundene Frau ebenfalls tot und wenn ja, wer hat sie umgebracht? Noch bevor Dr. Hunter mit der Analyse des Materials beginnen kann wird ein Fuß angeschwemmt, der definitiv nicht zu dem bisherigen Fund passt …

Das Buch kann ohne Kenntnisse der vorigen Bände gelesen werden. Zu Beginn geht der Autor kurz auf die Vergangenheit von Dr. Hunter ein und leitet vom vorigen Buch zur Gegenwart über. Ich habe mich als Leser darüber gefreut, Dr.Hunter zunächst in seiner heimatlichen Umgebung zu begegnen, bevor er zu einem neuen Fall gerufen wurde. So konnte ich verfolgen, wie sich die Atmosphäre veränderte. Das Flussmündungsgebiet ist wenig besiedelt, Straßen werden häufig überschwemmt oder sind bei Flut manchmal gar nicht mehr zu erkennen, es regnet viel. Die Umgebung sorgte bei mir für ein Gefühl des Unwohlseins und auch Dr. Hunter hat sich dort nicht gerne aufgehalten. Unerklärbar verschwundene Personen und eine Familie bei der die Familienmitglieder immer wieder gereizt reagieren tragen ihren Teil zu einer düsteren, unheilvollen Stimmung bei.

Zunächst läuft die Story eher ruhig ab und der Leser wartet an Dr. Hunters Seite darauf, dass die allgemeine Annahme über die Identität des ersten Fundes bestätigt wird. Der forensische Anthropologe gerät derweil in missliche Situationen. Andererseits entwickelt er am Rande des Geschehens ein Gefühl der tieferen Zuneigung für eine der handelnden Personen. Ich habe ihm gerne ein wenig privates Glück gegönnt und gehofft, dass ihn seine Gefühle nicht täuschen werden und die betroffene Person sich nicht als Mordbeteiligte herausstellen würde. Über eine weite Strecke läuft die Handlung eher schleppend bis es durch eine überraschende Wendung einen deutlichen Spannungsanstieg gibt, der bis zum Ende gehalten wird.

Der Autor konnte mich mit seiner Figur des Dr. Hunter auch im vorliegenden Fall wieder überzeugen. Am Rande vermittelt er einiges Wissen über die Arbeit des forensischen Anthropologen zur Identifizierung von Skeletten und Knochen. Die Charaktere des Buches sind neben dem Protagonisten Menschen mit Ecken und Kanten, die in dem wenig besiedelten Gebiet der Flussmündung zurechtkommen müssen.

„Totenfang“ ist in der Reihe der Dr. Hunter-Bände meiner Meinung nach nicht unbedingt der Beste, aber dennoch ein komplexer, gut konstruierter Thriller den es sich zu lesen lohnt. Ich hoffe auf baldige Fortsetzung.