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Veröffentlicht am 13.11.2023

Ein Klassiker, immer noch aktuell

Mario und der Zauberer
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Die Novelle „Mario und der Zauberer“ von Thomas Mann ist Ende Oktober 2023 zum ersten Mal in einer attraktiven Leinenausgabe aufgelegt worden, wurde aber 1930 erstmals publiziert. Der Schriftsteller lässt ...

Die Novelle „Mario und der Zauberer“ von Thomas Mann ist Ende Oktober 2023 zum ersten Mal in einer attraktiven Leinenausgabe aufgelegt worden, wurde aber 1930 erstmals publiziert. Der Schriftsteller lässt darin einen Protagonisten „ein tragisches Reiseerlebnis“, wie es auch im Untertitel heißt, schildern.
Der unbenannte Ich-Erzähler ist gemeinsam mit seiner Frau, der acht Jahre alten Tochter und dem etwas jüngeren Sohn an die italienische Mittelmeerküste gereist. Bereits im ersten Satz fasst er mit der Bezeichnung „atmosphärisch unangenehm“ zusammen, wie er im Rückblick gesehen, den Urlaub empfunden hat.
Bei den Touristen und dem Personal des Grand Hotels, in dem die Familie zunächst gastiert, nimmt er einen Hang dazu wahr, jede Handlung der Mitmenschen zu bewerten und sich schnell über vermeintlich von den Normen abweichenden Verhaltens zu empören. Familie Mann macht damit selbst eine unangenehme Erfahrung. Dennoch beschließen sie, nicht abzureisen. Für die Kinder steht bald eine besondere Attraktion in dem Besuch einer Zauberdarbietung bevor. Jedoch erweist sich die Veranstaltung unerwartet als Vorführung einiger willenlosen Publikumskandidaten, zu denen Mario gehört, ein Kellner, den auch die Manns kennengelernt haben. Die Novelle endet unerwartet dramatisch.
Gerade heutzutage ist die Geschichte wieder auf der Höhe der Zeit. Die Schilderungen lassen auf eine Reise der Familie Mann im Jahr 1926 schließen und auch der Schriftsteller bestätigt, dass die Begebenheiten auf wahren Ereignissen basieren. Zur damaligen Zeit wurde Italien von einem faschistischen Regime regiert. Das Niedergeschriebene ist voller Gefühl, die Abneigung der neuen Stimmungslage durch den Autor ist deutlich zu spüren und wird von ihm durch Beispiele untermauert.
Die Darbietung des Zauberers macht deutlich, wie leicht es ist, andere zu manipulieren und zum Mitmachen zu veranlassen. Sie zeigt aber auch einen Vorführer beziehungsweise Verführer, der sich an der Aufmerksamkeit seiner Zuschauer labt und dadurch zur Höchstform aufläuft. Die Ereignisse stimmten mich beim Lesen nachdenklich.
Thomas Mann beschreibt in seiner Novelle „Mario und der Zauberer“ ein persönliches Urlaubserlebnis in einer am Mittelmeer gelegenen Kleinstadt in Italien am Ende der 1920er Jahre, reichert es mit seiner Fantasie an und schafft dadurch ein Abbild der Gesellschaft im beginnenden Faschismus des südlichen Lands. Ich hoffe, dass das Werk noch viele Lesende finden wird, vor allem weil es bestechend aktuell ist.

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Veröffentlicht am 13.11.2023

Ein gruseliges Lesevergnügen

Biblioteca Obscura: Frankenstein
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Mary Shelleys Buch „Frankenstein“ ist ein Schauerroman mit Elementen aus dem Sciene Fiction. Die Geschichte ist verschachtelt geschrieben und zum ersten Mal l1818 veröffentlicht. Darin schreibt der Abenteurer ...

Mary Shelleys Buch „Frankenstein“ ist ein Schauerroman mit Elementen aus dem Sciene Fiction. Die Geschichte ist verschachtelt geschrieben und zum ersten Mal l1818 veröffentlicht. Darin schreibt der Abenteurer Robert Walton während einer Fahrt in den Norden, bei der er sich die Entdeckung neuer Länder erhofft und die Lüftung des Geheimnisses des Magnetismus, an seine Schwester in England von einer Begegnung besonderer Art. Während das Schiff, auf dem er als Kapitän unterwegs ist, von Eisschollen eingeschlossen ist, nehmen sie den aus Genf stammenden Naturwissenschaftler Frankenstein an Bord, dem es ein dringendes Bedürfnis zu sein scheint, sein Leben zu erzählen.
Robert Walton hört ihm zu und macht weitreichende Aufzeichnungen, die er an seine Schwester schickt. Dennoch wird die Haupthandlung des Romans in der Ich-Form von Frankenstein erzählt. Aufgrund seines regen Interesses hat er sich sämtliches bekanntes Wissen über Chemie und Physik angeeignet und damit aus unbelebten Teilen ein Monster geschaffen, vor dem er selbst Angst bekommt, als es erwacht. Mehrere Jahre später stellt Frankenstein fest, dass ein geliebtes Familienmitglied von dem Unwesen ermordet wurde. Das Monster sucht ihn auf und fordert, dass er für ihn eine Gefährtin konstruiert. Sollte er ihm nicht Folge leisten, werden seine Freunde nach und nach getötet werden.
Mary Shelley nennt keine Details über die Erschaffung des Monsters. Sie schrieb das Buch in einer Zeit, in der Galvinismus und Elektrizität neu entdeckt und eifrig diskutiert wurden. Die Überlegungen sind hochaktuell, denn so wie damals über die Belebung des menschlichen Körpers spekuliert wurde, so wird heute darüber nachgedenkt, inwieweit Künstliche Intelligenz den menschlichen Intellekt ersetzen kann. Die Autorin schafft in ihrem Werk Kontraste zwischen bezaubernden Naturlandschaften und der meist vorherrschenden düsteren Stimmung von Frankenstein. Sowohl Schöpfer wie Geschaffener sehnen sich nach Liebe, um der Einsamkeit zu entkommen. Die Geschichte zeigt, welche Ausmaße möglich sind, wenn körperliche Überlegenheit gegen Intellekt eingesetzt wird, wobei keiner der Kontrahenten dazu bereit ist, seine Macht aufzugeben.
Die Schmuckausgabe aus der Serie Biblioteca Obscura der arsEdition stattet den Roman „Frankenstein“ von Mary Shelley opulent aus, sowohl optisch wie auch haptisch. Der polnische Gegenwartskünstler Marcin Minor hat das Buch passend zum Inhalt mit finsteren Illustrationen in grauen und blutroten Farbtönen ausgestattet. Ein wahrlich gruseliges Leseereignis!

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Veröffentlicht am 03.11.2023

Ein Buch zum Ansporn des Selbstvertrauens

Be Your Own F*cking Hero
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Das Buch „Be your own fucking Hero” der Unternehmerin und Investorin Tijen Onaran ist ein durchgängiges Plädoyer dafür, in der Öffentlichkeit den Mut aufzubringen, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Beim ...

Das Buch „Be your own fucking Hero” der Unternehmerin und Investorin Tijen Onaran ist ein durchgängiges Plädoyer dafür, in der Öffentlichkeit den Mut aufzubringen, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Beim Schreiben wurde sie von der Journalistin Dagmar Zimmermann unterstützt. Die Aufforderung von Tijen Onaran richtet sich vor allem an Frauen, aber nicht nur. In fünfzehn Kapiteln schreibt sie zu verschiedenen Themen wie beispielsweise Herkunft, Kleidung, finanzielle Unabhängigkeit und die Wahl der richtigen Wegbegleiter(innen). Der Schreibstil ist frisch, unterhaltsam und aktivierend.
Tijen Onaran greift immer wieder auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, um dem Lesenden zu verdeutlichen, wie es gelingen kann, sich selbst zu verwirklichen, ohne sich für andere anpassen zu müssen. Damit meint sie sowohl das Stylen des eigenen Erscheinungsbilds als auch das Äußern seiner Meinung.
Über die Kapitel hinweg konnte ich über den beeindruckenden Karriereweg der Autorin lesen, aus dem sie gerne Beispiele anführt, um ihre Statements zu unterstreichen. Sie wuchs als Kind türkischer Eltern in Karlsruhe auf und begann nach dem Abitur ein Studium in Heidelberg. Als Zwanzigjährige kandidierte sie für ein Mandat bei der Landtagswahl, leitete später ein Wahlkreisbüro und arbeitete weiter in verschiedenen Jobs im politischen und unternehmerischen Umfeld, bis sie sich 2018 mit Global Digital Women Community selbständig machte.
Diversität, Netzwerken und die Verbesserung der Sichtbarkeit von Frauen in der Wirtschaft liegen Tijen Onaran besonders am Herzen, was man auch im vorliegenden Buch spürt. Bereits der Titel und die auffallend rote Einbandgestaltung sind im Vergleich zu vielen anderen Büchern auffallend, was das Anliegen der Autorin zusätzlich verdeutlicht. Sie setzt sich dafür ein, dass man sich traut, schwer erreichbar scheinende Ziele anzustreben, auch wenn man dabei Rückschläge einstecken muss. Ihrer Meinung nach kann man sich Wissen aneignen, mit Niederlagen sollte man umzugehen lernen. Auch dazu gibt sie ihre Erfahrungen weiter und verweist darauf, dass es wichtig ist, Kontakte aufzubauen und zu pflegen.
Tijen Onaran plädiert in ihrem Buch „Be Your Own F
cking Hero” dafür, dass man sich gegenüber anderen so geben soll, wie man sein will. Dabei richtet sie sich insbesondere an Frauen. Mit Beispielen aus ihrer eigenen Karriere wird sie zur Mutmacherin für viele Lebenslagen, in denen Frau/Mann für sich einstehen soll. Daher empfehle ich das Buch zum Ansporn des Selbstvertrauens gerne weiter.

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Veröffentlicht am 28.10.2023

Gaukeleien und Intrigen, Liebe und Hass, Pflicht und Freiheitsliebe im elisabethanischen London

Das Vogelmädchen von London
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Die Vögel verehrenden Aviscultarier werden auch Flapper genannt, was gleichbedeutend mit Wahrsager ist. Die Zukunft lesen sie aus deren Zug bei der regelmäßig stattfindenden Murmuration, aber auch aus ...

Die Vögel verehrenden Aviscultarier werden auch Flapper genannt, was gleichbedeutend mit Wahrsager ist. Die Zukunft lesen sie aus deren Zug bei der regelmäßig stattfindenden Murmuration, aber auch aus Karten. Shay, die titelgebende Figur des Romans „Das Vogelmädchen von London“ von Mat Osman, ist eine von ihnen. Mit ihren gerade mal 16 Jahren obliegt ihr nach dem Tod der Mutter die Aufgabe, ein Vorbild für den Nachwuchs zu sein. Außerdem sorgt sie für ihren inzwischen blinden Vater, der sie gelehrt hat, Falken auszubilden. Sie leben in einem eigenen Viertel außerhalb Londons, aber Shay verrichtet in der Stadt Botengänge. Als sie eines Tages über die Dächer Londons vor jemandem flieht, begegnet sie dem etwa gleichaltrigen Nonesuch, der ihr beisteht.

Nonesuch ist ein weiterer Protagonist und gehört zu einer Gruppe von Jungen, die dazu genötigt werden, für das Blackfriars-Theater zu spielen. Ihre Zuschauer sind gutsituierte Bürger Londons, aber bei speziellen Gelegenheiten haben sie besondere Rollen in Spielen einzunehmen, die Adlige veranstalten. Shay hilft bei ihnen als Souffleuse aus und ist tief beeindruckt von den Leistungen der Darbietenden und dem Umfeld. Als ihr für ihre Tätigkeiten ein finanzieller Anreiz geboten wird, bleibt sie und bald wird aus der Freundschaft zu Nonesuch eine tiefe Zuneigung. Shays Fähigkeiten verbreiten sich in der Stadt, bis hin zur Königin, die sie nicht mehr unbeobachtet lässt.

Die Geschichte spielt zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In den Armutsvierteln Londons halten sich die auf engem Raum lebenden Menschen gerade so mit Gelegenheitsjobs am Leben und Krankheiten verbreiten sich in Windeseile. In den Hinterzimmern wird auf dubiose Wettkämpfe von Tieren gewettet und die Darbietung von Kleinkunst bietet angenehmen Abwechslung vom Alltag. Dem Autor gelingt es, ein opulentes Bild der damaligen Hauptstadt Londons zu schaffen. Die Jugendlichen sind ganz dem Diktat der wohlhabenden Bevölkerung ausgesetzt. Lange gelingt es Shay, sich einen gewissen Freiraum zu erhalten, bis auch sie zum Spielball im Kampf ums Überleben und um gesellschaftliches Ansehen wird.

Die adoleszenten Figuren haben inmitten einer Welt, die ihnen nur wenig Freude bietet, den Wunsch nach Selbstbestimmung. Während aber Shay dazu ihre Fähigkeiten einsetzt und ehrlich ihre Hilfe anbietet, bleibt Nonesuch wenig durchschaubar. Sein Schauspiel zeigt Bestleistungen, aber sein Wille, Unabhängigkeit zu erlangen, lässt ihn tief in die Trickkiste greifen, auch wenn er dabei förmlich über Leichen gehen muss.

Die Geschichte beinhaltet fantastische Elemente, mit denen der Autor die Vielfalt seines Schreibens zeigt. Dennoch kommt es im mittleren Teil zu einer gewissen Länge durch die detaillierte Beschreibung von Nebenhandlungen. Die Atmosphäre ist meist düster gehalten und Mat Osman scheut sich nicht, seine jugendlichen Figuren schweren Prüfungen auszusetzen. Er zeigt die Täuschungsmöglichkeiten durch das Schauspiel und setzt dem die Faszination der Natur durch die Unbedarftheit der Tiere entgegen.

Mat Osman erschafft in seinem Roman „Das Vogelmädchen von London“ eine vorstellbare bildhafte Version der englischen Hauptstadt zum Ende der Regierungszeit Elisabeths I., über die er einen Hauch von Magie zieht. Gaukeleien und Intrigen, Liebe und Hass, Pflicht und Freiheitsliebe bilden das Gerüst der Geschichte, die mit einer überraschenden Wendung zum Ende hin aufwartet. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende weiter, die historische Romane mit Elementen der Fantasy mögen.

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Liebe, Verärgerung, Aufregung und Freude im verschneiten Wallis

Stille Nacht im Schnee
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Zunächst erscheint es wie ein Heiliger Abend, den einige der Lesenden des Romans „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker vielleicht selbst so oder ähnlich bereits erlebt haben. Das Setting liegt ...

Zunächst erscheint es wie ein Heiliger Abend, den einige der Lesenden des Romans „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker vielleicht selbst so oder ähnlich bereits erlebt haben. Das Setting liegt in den Schweizer Bergen, die tief verschneit sind und die erwachsenen Kinder besuchen mit ihren Partner(inne)n ihre Eltern im Ferienhaus, um gemeinsam die Weihnachtstage zu verbringen. Das Cover sorgt für ein behagliches Gefühl beim Betrachten, noch bevor man das Buch aufschlägt.

Pascal und Elisabeth sind seit vielen Jahren verheiratet und genießen, wie in den Vorjahren, ihren Urlaub im Wallis. Die beiden fragen sich, welches ihrer drei Kinder als erstes eintriffen wird und wundern sich nicht, dass es der ältere Sohn samt nörgeliger Frau, rüpelhaftem fünfjährigem Sohn und Haustier ist. Doch am Rande des ganz normalen Chaos, bemerkte ich die Zuneigung von Pascal und Elisabeth, in die sich jedoch ein Störelement einmischte, eine Andeutung darauf, dass die kommenden Stunden gewiss einen anderen Verlauf nehmen, als in der Familie sonst üblich ist. Bis sich am Ende meine Vermutung bestätigte, beschreibt der Autor einen Vorweihnachtstag mit amüsanten Szenen. Gleichzeitig lässt er auch Themen einfließen, die unsere Welt bewegen und sowohl Figuren wie aus den Lesenden nachdenklich stimmen, beispielsweise den Klimawandel und gesunde Ernährung.

Die Figuren, die Alexander Oetker gestaltet sind vielfältig und interessant in ihrer Zusammenstellung. Pascal und Elisabeth sorgen für einen respekt- und verständnisvollen Umgang miteinander. Obwohl die Geschichte nur über wenige Stunden handelt, durchlebt die Familie einige turbulente Höhen und Tiefen miteinander.

Bis es zum Schluss hin nochmals zu einer unerwarteten Wendung in Form der Aufklärung der bis dahin im Hintergrund knisternder Anspannung der Eltern kommt, erlebte ich Liebe, Verärgerung, Aufregung und Freude zwischen den handelnden Personen, die den Roman „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker unvergleichbar machten. Leider war die Handlung, die mich bestens unterhalten hat, nach etwa 150 Seiten allzu schnell vorbei. Das Buch passt von der Stimmung her vor allem zum Lesen in der Adventszeit. Gerne empfehle ich es weiter.

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