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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.05.2017

Irritierend

Der Brief
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Marie Kluge, freie Journalistin in Hamburg, erhält einen an sich harmlosen, handschriftlichen Brief von ihrer früheren Schulfreundin Christine. Aber dieser Brief ist sonderbar. Als Anschrift ist eine Ihr ...

Marie Kluge, freie Journalistin in Hamburg, erhält einen an sich harmlosen, handschriftlichen Brief von ihrer früheren Schulfreundin Christine. Aber dieser Brief ist sonderbar. Als Anschrift ist eine Ihr unbekannte Adresse in Paris angegeben. Trotzdem ist er in Hamburg bei ihr angekommen. Auch der Absender gibt Marie zu denken. Soviel sie weiß wohnt ihre Schulfreundin noch mit ihrer Familie in ihrem Heimatort, angegeben ist aber eine Adresse in Berlin. Auch der Inhalt des Briefes stimmt nicht mit Maries Realität überein. Dieser Brief stellt das Leben von Marie und ihrer Lebensgefährtin auf den Kopf. Marie versucht in Paris dem Rätsel auf die Spur zu kommen und erlebt eine Überraschung.

Irgendwie hat mich dieses Buch enttäuscht. Ich hatte nachdem ich die Leseprobe gelesen habe, eine andere Vorstellung von diesem Buch. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, einen Phantasieroman zu lesen, was gar nicht mein Fall ist.
Das Buch ist sehr gut geschrieben. Obwohl ich zwischendurch immer wieder das Gefühl hatte, das ist nichts für mich, habe ich trotzdem immer weiterlesen müssen, weil ich immer noch Hoffnung hatte, dass sich die Geschichte auf eine logische Weise auflöst und weil es einfach spannend war.
Maries Suche nach ihrem anderen Ich oder ihrem Leben in Paris war interessant beschrieben, auch ihre Rückschläge und Zusammenbrüche waren für mich nachvollziehbar und spannend geschrieben.
Die eigentliche Intension der Autorin und das Ende waren für mich aber leider nicht greifbar.
Schade

Veröffentlicht am 22.05.2017

Suche nach Wahrheit

Glaube Liebe Tod (Ein Martin-Bauer-Krimi 1)
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Auf der Brücke steht ein Polizist und er will springen. Polizeiseelsorger Martin Bauer kann ihn überlisten und glaubt ihn zur Umkehr bewegt zu haben. Vier Stunden später liegt der Polizist im Hof eines ...

Auf der Brücke steht ein Polizist und er will springen. Polizeiseelsorger Martin Bauer kann ihn überlisten und glaubt ihn zur Umkehr bewegt zu haben. Vier Stunden später liegt der Polizist im Hof eines Parkhauses. Für die Polizei ist es Suizid, Martin Bauer hat so seine Zweifel. Hat er den Polizisten falsch eingeschätzt, kann er sich nicht mehr auf seine Intuition verlassen? Nachdem er der Familie die Todesnachricht überbracht hat und deren Reaktion gesehen hat, begibt er sich auf die Suche nach der Wahrheit. Diese Suche verlangt ihm alles ab und er riskiert nicht nur sein eigenes Leben.

Dies ist ein Krimi ganz nach meinen Geschmack. Er ist teilweile aus dem Blickwinkel des Polizeiseelsorgers geschrieben, was für mich überraschend und spannend war. Martin Bauer ist fast liebevoll beschrieben, als leicht übergewichtiger, unsportlicher Gemütsmensch, der seine Frau und Tochter genauso umsichtig und nachsichtig behandelt wie jeden Mitmenschen in seiner Umgebung. Er sucht seine Heimat in Gott, vertraut aber nicht blind und hegt immer wieder große Zweifel an seinen Glauben und seiner Intuition, die er von Gott gegeben ansieht. Er zitiert auch nicht ständig Psalmen, sondern redet wie alle anderen kurz und direkt. Es wird zwar kein Duisburger Slang gesprochen, aber die kurzen knappen Dialoge kommen der Duisburger Redensart schon sehr nah. Die Story fand ich durchgehend spannend. Bauer und die Hauptkommissarin Verena Dohr finden nach und nach ein Puzzleteilchen nach dem anderen und machen den Fall nachvollziehbar. Es fehlen nicht die Grabenkämpfe innerhalb der Behörde. Der enttäuschte, bei der Beförderung übergangene, ehemals gleichrangige Kollege sägt an Dohrs Stuhl und wird dabei von einem um seine Karriere fürchtenden Vorgesetzten unterstützt. Nicht neu, aber immer wieder aktuell.
Auch das Ende hat mir gefallen, vielleicht weil es untypisch für Krimis ist, aber für Polizeiseelsorger Martin Bauer eher typisch.
Ich denke „Glaube Liebe Tod“ ist der Beginn einer Reihe, die ich mir nicht entgehen lassen werde.

Veröffentlicht am 17.05.2017

June - was für eine Frau!

June
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June ist Cassandra Danvers Großmutter. Nach Junes Tod zieht Cassie in das halb verfallende Herrenhaus „Two Oaks“, das sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Ab ihrem achten Lebensjahr wurde sie von ihrer ...

June ist Cassandra Danvers Großmutter. Nach Junes Tod zieht Cassie in das halb verfallende Herrenhaus „Two Oaks“, das sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Ab ihrem achten Lebensjahr wurde sie von ihrer Großmutter aufgezogen. Ein Autounfall hatte sie zur Waise gemacht. In den letzten Jahren hat ihre Großmutter sich wieder auf „Two Oaks“ zurückgezogen. Cassie ist verzweifelt darüber, dass sie die tödliche Erkrankung ihrer Großmutter erst sehr spät erkannt hat.
In ihre Trauer und Zurückgezogenheit platzen plötzlich die Nachkommen des Schauspielers Jack Montgomery in ihr Leben. Zunächst teilen sie ihr mit, dass sie die Alleinerbin des Schauspielers wäre, da sie seine Enkelin wäre. Dann wird jedoch klar, dass sie das Testament anfechten wollen und Cassie mithilfe eines DNA-Test vom Erbe ausschließen möchten.
Jetzt beginnt für Cassie eine turbulente Zeit, die sie auf den Spuren ihrer Großmutter wandeln lässt und ihr ermöglicht sie endlich richtig kennenzulernen.

June ist ein wundervoller Roman. In zwei Zeitebenen wird die Lebensgeschichte der June Danvers erzählt. Ihr Leben wird langsam, mit vielen Unterbrechungen, die der Gegenwart geschuldet sind, und mit eine Art Weichzeichner erzählt.
Im Jahre1955 schnuppert die Kleinstadt St. Jude Hollywoodluft, mit allen Aufregungen, Intrigen und Skandale. Das Provinzstädtchen und seine Bewohner werden meisterhaft beschrieben. Die kleinen Scharmützel der Bewohner, politische Intrigen dubioser Geschäftemacher, die es damals natürlich auch schon gab, reihen sich nahtlos an dem Kampf um die Komparsenrollen und um die Beachtung durch die Schauspieler an. Die einzelnen Szenen sind so lebhaft und bildhaft dargestellt, dass der Leser sich mitten im Geschehen sieht.
June wird als junge Frau sehr zurückhaltend dargestellt und doch kann man erkennen, dass sie weiß, was sie will und dass sie ihren eigenen Weg geht.
Der stetige Wechsel zwischen den zwei Zeitebenen hat mir nicht immer gefallen. Er nahm immer wieder das Tempo aus dem Erzählfluss. Das führte dann zu unnötigen Längen. Der Einfall, dass die alte Dame, die Cassie stets beobachtet, Lindie ist, spannt den Bogen und rundet die Geschichte formvollendend ab.
Bemerkenswert finde ich auch, dass die Kleinstadt im Jahr 2015 so realitätsnah beschrieben wird. Nachdem die politischen Intrigen der 1955er Jahre fehlgeschlagen sind, konnte sich diese Stadt nicht entwickeln und stellt sich 2015 ziemlich verlassen und verstaubt vor.
Das träumende, lebendige Haus ist natürlich Phantasie, aber beim Lesen dieses Romans kann man es sich gut vorstellen.
Liebe, Leidenschaft, Intrigen, Verlust, Zeitgeschichte und nochmal ganz viel Liebe sind in diesem Roman vereint. Ich habe ihn richtig gern gelesen und werde ab jetzt die Augen aufhalten nach Büchern von Miranda Beverly-Whittemore.

Veröffentlicht am 24.04.2017

Spannend und beängstigend realitätsnah

Lena Halberg: London '05
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London 2005: In der Nähe der Station am King’s Cross explodiert eine Bombe im Triebwagen der Piccadilly-Linie. Die Menschen stehen geschockt und starr auf den Bahnsteigen bevor die meisten von ihnen fluchtartig ...

London 2005: In der Nähe der Station am King’s Cross explodiert eine Bombe im Triebwagen der Piccadilly-Linie. Die Menschen stehen geschockt und starr auf den Bahnsteigen bevor die meisten von ihnen fluchtartig das Weite suchen. Nur einer lässt sich von der Panik nicht anstecken, Tom. Er rennt in den Tunnel und versucht zu helfen.
Jahre später recherchiert die Journalistin Lena Halberg für eine Story und entdeckt in den Unterlagen, die Hawk, ein Freund und Informant, ihr zugespielt hat, unfassbare Übereinstimmungen.
Laut diesen Recherchen steht der Bombenanschlag von London mit anderen Anschlägen, die über mehrere Jahre verteilt waren, in Zusammenhang. Es soll der gleiche Sprengstoff benutzt worden sein. Für Lena steht fest, dass sie den Schuldigen finden will. Sie riskiert dabei nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Leben.

London ’05 ist ein rasanter, spannender und auch beklemmender Thriller. Hart an der Realität zeichnet er ein Szenario, das einem das Fürchten lehren kann.
Im Prolog wird der Leser sofort in eine Katastrophe hineinkatapultiert und die Szene so eindringlich beschrieben, dass man glaubt den Pulvergeruch zu riechen. Der Schock der Wartenden am Bahnsteig, ihre Starre und ihre Unfähigkeit zur Hilfe sind eindrucksvoll dargestellt worden. Nur wenige sind in der Lage zu helfen, aber es gibt sie, die sich selber in Gefahr bringen um anderen zu helfen.
Terror, Attentate und Selbstmordattentate entstammen einem weitverzweigten und unübersichtlichen Geflecht. Journalisten, wie Lena Halberg, begeben sich mit ihren Recherchen auf ein fast unüberwindliches Minenfeld.
Durch ständigen Szenenwechsel erleben wir, wie Politiker, die mit Geheimdiensten und Anti-Terror-Einheiten kooperieren, auf Lenas Recherche reagieren.
Obwohl ich wenig Ahnung davon habe, erscheinen mir ihre Reaktionen doch beängstigend realitätsnah. Besonders interessant fand ich die Reaktion des Politikers Jan Nimhaaven, ein erklärter Gegner Isaraels. Als er in eine andere Suite einquartiert wird, weil in seiner Suite ein Sprengstoffattentat auf Lena und ihn vereitelt wurde, ist er einfach nur empört über die Absage des Interviews und einige nichtige Unannehmlichkeiten. Bezeichnend, sieht man darin den Tunnelblick mit dem Politiker nur auf ihre eigenen Interessen fixiert sind.
Als Thriller liest sich diese Geschichte spannend, brisant und Aktion geladen und bietet viel Raum zu Spekulationen und Diskussionen. Er ist gut recherchiert und zieht einen weiten Bogen. Eine runde Geschichte hat er für mich, weil alle Protagonisten, die während der Geschichte auftauchen, wobei dem Leser noch nicht ganz klar ist, welche Bedeutung sie haben werden, geben zum Ende hin ihren Auftritten einen Sinn oder auch eine andere Bedeutung. Aber er ist verdammt nah an der Realität und das ist dann doch beängstigend.

Veröffentlicht am 13.04.2017

Faszinierende Welten

Demnächst in Tokio
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Am 26.Juni1934, drei Monate vor ihrem 19. Geburtstag, widerfährt Elisabeth der Tag, der das Schicksal ihres Leben einschneidend ändert. Ihr Vater kommt überraschend früh zum Mittagstisch. Völlig aufgeregt ...

Am 26.Juni1934, drei Monate vor ihrem 19. Geburtstag, widerfährt Elisabeth der Tag, der das Schicksal ihres Leben einschneidend ändert. Ihr Vater kommt überraschend früh zum Mittagstisch. Völlig aufgeregt treibt er seine Frau und Tochter an, sich herauszuputzen um zum Standesamt zu fahren. Elisabeth wird ohne gefragt worden zu sein, Ernst-Wilhelm von Traunstein, den Sohn des Firmeninhabers von Traunstein, heiraten. Im Gegenzug wird Elisabeths Vater Kompagnon und darf eine kleine Villa beziehen.
Ernst-Wilhelm von Traunstein verlässt aus politischen Gründen direkt nach der Eheschließung Deutschland und wird in Tokio einen Posten in der Botschaft annehmen. Elisabeth wird ihm folgen und ca. acht Jahre in Tokio leben. Es werden glückliche und auch unruhige Jahre, ständig beobachtet von den treuen Hitleranhängern. Ernst-Wilhelm, Alexander Arend, Journalist der FAZ, der sich nach kurzer Zeit als naher Freund erweist, und Elisabeth sind keine blinden Anhänger des 3.Reichs und müssen bei zunehmender Nazifizierung mit den Folgen leben.

Lang gewartet und dann viel zu schnell ausgelesen. Dieser Roman ist eine unheimlich spannende Geschichte dreier Menschen in den Wirren und Verwicklungen des 2. Weltkrieges. Das für mich faszinierende ist der Schauplatz der Geschichte, Tokio in den 30er und 40er des vergangenen Jahrhunderts. Bis jetzt habe ich wenig darüber gelesen.
Frau Seewald beschreibt so lebhaft die Gerüche, Bilder und vor allem die Menschen, dass der Leser sich in die Zeit und den Ort versetzt sieht. Die einzelnen Protagonisten sind sehr detailliert beschrieben. Der Schreibstil und das Stilmittel die Geschichte als Brief an die Tochter zu schreiben ist sehr gut gelungen.
Elisabeth, ziemlich naiv, aber trotzdem die einzelnen Personen zunehmend durchschauend, wird vom ängstlichen Mädchen zur Frau, die sich ihren Gefühlen stellt. Stillschweigend führt sie mit Ernst-Wilhelm eine Freundschaftsehe und später sogar eine Ehe zu dritt. Ernst-Wilhelm verfolgt ruhig und ausgleichend seine Karriere ohne seine Frau und seinen Freund je bloßzustellen. Aber die Politik lässt sie nicht in Ruhe.
So ist die Politik im Hintergrund oder manchmal auch im Vordergrund der Geschichte immer wieder zu spüren. Der geschichtliche Hintergrund ist so gekonnt in den Roman eingeflochten, dass ich mehr wissen will und somit auch zur eigenen Recherche angeregt werde. Was will man mehr.......