Wo selbst Gedanken gefährlich sein können
Im Land des FlüsternsBarbara Demick hat für eine Zeitung in Los Angeles lange Zeit in Korea gelebt und darüber geschrieben. In dieser Zeit lernte sie viele Flüchtlinge aus der nordkoreanischen Stadt Chongjin kennen und hat ...
Barbara Demick hat für eine Zeitung in Los Angeles lange Zeit in Korea gelebt und darüber geschrieben. In dieser Zeit lernte sie viele Flüchtlinge aus der nordkoreanischen Stadt Chongjin kennen und hat einige dieser Geschichten in diesem Buch zusammengefasst. Dabei lesen wir einige sehr verschiedene Biografien, die sich gegenseitig gut ergänzen.
Die Geschichten sind denkbar unterschiedlich: Da gibt es das junge Liebespaar Mi-ran und Jun-sang, ihr Vater stammt aus Südkorea, seine Familie aus Japan, beide haben einen entsprechend niedrigen Status. Frau Song ist überzeugte Anhängerin des Regimes - bis zur Hungersnot. Ihre älteste Tochter hingegen hat schon immer dagegen rebelliert. Dr. Kim ist eine junge Ärztin, deren Vater in den 1960er Jahren als ethnischer Koreaner aus China nach Nordkorea kam, um der dortigen Hungersnot zu entfliehen. Hyuck wurde früh zum Straßenkind und schlug sich irgendwie so durch. Sie alle verbindet am eines: Die Flucht.
Die Geschichten sind gut zusammengestellt und beleuchten verschiedene Gruppen, die es innherhalb der nordkoreanischen Gesellschaft gibt.
Insgesamt verläuft das Buch chronologisch. Es beginnt mit den 1960er Jahren, als Nordkorea zunächst besser dastand als Südkorea und durch die Hilfe von kommunistischen Bruderstaaten eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen. Später kommt es zum unvermeidlichen Kollaps der Planwirtschaft und zur großen Hungersnot. Fabriken werden geschlossen, die Menschen verlieren ihre Existenzen, Schwarzmärkte und eine zweite, geheime Wirtschaft entstehen. Immer mehr Menschen entwickeln Zweifel am Regime - oder gar ernsthafte Kritik. Das Buch versorgt einen außerhalb der persönlichen Schicksale auch mit Hintergrundinformationen. Dadurch eignet sich dieses Buch auch sehr für alle, die sich noch nie vorher mit Nordkorea beschäftigt haben.
Die Flucht gestaltet sich dann ebenso unterschiedlich, außer dass alle über China fliehen (müssen). Aber von China nach Südkorea finden sie wiederum ganz verschiedene Wege. Hier war mir die Informationslage teilweise zu dünn, da haben mir einige Aspekte gefehlt, die ich schon von anderswo kenne.
Auch über die erste Zeit in Südkorea erfahren wir zu jedem Protagonisten seine Geschichte.
Die Schicksale der Menschen waren wirklich spannend zu lesen und haben mich teilweise sehr berührt. Für unsereins ist das Leben dort schwer vorstellbar. Dennoch war dieses Buch nicht ganz so eindringlich, wie es eine Autobiografie sein kann, dafür aber vielseitiger.
Informatives Buch für alle, die sich für dieses Land interessieren. Die gewählten Geschichten ergänzen sich gegenseitig sehr gut und vermitteln umfassende Eindrücke über dieses Land. Trotzdem berührt es mich nicht so sehr, wie es eine Autobiografie kann und wirkt zum Teil etwas zu nüchtern. Insgesamt empfehlenswert, ich rate bei diesem Thema aber grundsätzlich immer dazu, noch andere Bücher darüber zu lesen.