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Veröffentlicht am 04.03.2020

Rassistische bzw. rechte Denkmuster psychologisch erklärt

Woher kommt der Hass?
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In einer Zeit, in der Rassismus wieder gängiger wird und das auch akzeptiert wird, extrem rechte Parteien in Regierungen gewählt werden, einige Menschen explizit nach autoritären Strukturen verlangen und ...

In einer Zeit, in der Rassismus wieder gängiger wird und das auch akzeptiert wird, extrem rechte Parteien in Regierungen gewählt werden, einige Menschen explizit nach autoritären Strukturen verlangen und andere menschenverachtendes Gedankengut verbreiten, ist es besonders wichtig, sich bewusst dagegen zu stellen.

Nicht immer fühlt man sich aber einer politischen Diskussion gewachsen. Nicht immer kann man verstehen, was in der anderen Person vorgeht und woher ihre rassistischen Gedanken und rechte Einstellung kommen. Anne Otto hat in diesem Buch mögliche Ursachen von rechtsextremen Einstellungen und von Hass auf eine sehr ansprechende Weise erklärt und veranschaulicht. So beleuchtet sie innere und äußere Vorgänge, wie solche Einstellungen entstehen und verstärkt werden können, aber auch, was jede/r einzelne tun kann, um Hass vorzubeugen.

Das Buch ist in drei große Teile eingeteilt: In 1. die Wurzeln rechtsextremer Einstellungen, 2. wie diese Einstellungen verstärkt werden und 3. was wir tun können, um sie zu erkennen und dagegen zu arbeiten. Ich fand die Aufteilung sehr gelungen, da sie einen groben Rahmen gibt, was innen in einer Person passiert und was von außen Einfluss nehmen kann. Die Autorin hat sehr viele unterschiedliche Erkenntnisse aus der modernen Tiefenpsychologie, der empirischen Sozialwissenschaft, der klassischen Sozialpsychologie und der systemischen Psychologie herangezogen, um die Komplexität rechter Gesinnung aufzuzeigen. Ich empfehle das allerletzte Kapitel als erstes zu lesen und nach der dem Lesen des Rests, dieses nochmal zu lesen.

Im Grunde heißt das, dass Otto sich mit Prägungen aus Familie, Bildung, Freunde sowie Staat und Wirtschaft auseinandersetzt, Gruppendynamiken analysiert, auf Gefühle eingeht und die Sprache genau ausleuchtet. Ich fand alle Themen sehr spannend und sie empfiehlt auch sehr interessante weiterführende Lektüre. Ihre Ausführungen waren sehr flüssig und verständlich zu lesen und ich konnte sehr viel Wissenswertes für mich herausholen, vor allem die Aufschlüsselung von Sprache bzw. Kommunikationsstrategien haben es mir besonders angetan.Was Vieleicht noch erwähnt werden sollte ist, dass viele politische Beispiele nur auf Deutschland bezogen sind.


Fazit

Wichtige Anhaltspunkte und psychologische Einsichten wie rechtsextreme Einstellungen bzw. Hass gesät und bestärkt werden und was man dagegen tun kann. Für mich war es ein sehr lesenswertes und aufschlussreiches Buch, das die Thematik aus psychologischer Perspektive sehr gut behandelt.

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Veröffentlicht am 04.03.2020

Es ist Zeit zu handeln

Handeln statt hoffen
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Im Juni 2019 rettete die Kapitänin Carola Rackete mit ihrem Team 53 Menschen auf ihr Schiff, da diese Menschen mit einem Schlauchboot von Libyen kommend das Mittelmeer überqueren wollten und in Seenot ...

Im Juni 2019 rettete die Kapitänin Carola Rackete mit ihrem Team 53 Menschen auf ihr Schiff, da diese Menschen mit einem Schlauchboot von Libyen kommend das Mittelmeer überqueren wollten und in Seenot geraten sind. Als die Politik und die Behörden keine Lösung für diese Menschen fanden und Rackete durch das Ausharren mit ihren Gästen selbst in eine Notlage auf ihrer SeaWatch3 kam, entschloss sie sich dazu, ohne Erlaubnis in den Hafen von Lampedusa einzufahren.

Durch diese Aktion erlangte sie durch die Medien eine ungewollte Bekanntheit, nutzt diese jetzt jedoch, um auf Missstände hinzuweisen, die momentan auf unserer Welt herrschen. Sie bringt die Klimakatastrophe, Migrationsbewegungen, Wirtschaftswachstum und globale Ungerechtigkeit zu einem großen Ganzen zusammen, erklärt Zusammenhänge und gibt Lösungsansätze auf politischer Ebene. Gleichzeitig erzählt sie, was damals wirklich auf der SeaWatch3 passiert ist.

Jedes der fünf Kapitel startet mit einem persönlichen Blick auf die Ereignisse der damaligen Rettungsmission. Ausgehend davon spricht Rackete viele Punkte an, die dazu geführt haben und immer noch führen, dass auf unserer Erde so viel schief läuft. Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Klimakrise und eine Krise der globalen Gerechtigkeit. Dass wir scheinbar tatenlos zuschauen, wie unser Planet von uns selbst zerstört wird und wir langsam unsere Menschlichkeit und Solidarität gegenüber anderen Menschen verlieren, ist für sie das schlimmste Verbrechen an uns selbst.


Spannend fand ich die Erklärungen zu Seerechten und Seenotrettung im Speziellen. Man muss sehr viel wissen und beachten und sich den Konsequenzen bewusst sein. Zusätzlich schreibt sie über Fluchtursachen, Umweltschutz, Konsumverhalten und gewaltfreien Protest. Ich mochte ihre Art zu schreiben sehr. Je nachdem über was sie schreibt, ändert sie ihren Schreibstil. So liest man fast schon literarisch von ihrer Zeit auf dem Schiff, sachbuchartig erklärt sie Zusammenhänge und Hintergründe unseres Daseins und mit einem großen Appell schreibt sie, wenn es darum geht, ihre Leser*innen aufzufordern, endlich zu handeln. Das Buch ist dadurch kurzweilig und abwechslungsreich. Die Fakten sind komprimiert dargestellt, ich fand ihre Art mit Studien und Quellen umzugehen jedoch sehr gelungen. Nur ein besserer Quellenverweis wäre noch super gewesen.


Fazit

Unbedingt lesen! Carola Racketes klare Worte, ihre präzise formulierten Beispiele, ihr besonderer Blick auf das große Ganze waren für mich eine große Bereicherung. Ihr Appell an die Menschen, endlich etwas für eine bessere Zukunft zu tun, ist bei mir angekommen.

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Veröffentlicht am 04.03.2020

Eine Geschichte über Verlust

Die Karte der zerbrochenen Träume
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In Syrien herrscht Krieg, sodass Nour und ihrer Familie nichts anderes übrig bleibt, als davor zu flüchten. Das junge Mädchen erzählt hier zwei Geschichten. Einerseits ihre eigene Fluchtgeschichte, die ...

In Syrien herrscht Krieg, sodass Nour und ihrer Familie nichts anderes übrig bleibt, als davor zu flüchten. Das junge Mädchen erzählt hier zwei Geschichten. Einerseits ihre eigene Fluchtgeschichte, die von vielen Entbehrungen, Gewalt, Verlust und Angst gezeichnet ist, andererseits erzählt sie von Rawiya, die vor hunderten Jahren in ein Abenteuer aufbricht und als Heldin zurückkehrt. Beide gehen einen ähnlichen Weg, aber mit unterschiedlichen Intentionen. Diese beiden Geschichten verbinden sich auf einer zusätzlichen Ebene, die man erst mit der Zeit erkennt. Das fand ich sehr schön.

Am Anfang hat mich der Wechsel der Geschichten noch aus dem Lesefluss gebracht, ich konnte mich aber relativ schnell darauf einstellen und habe dann bei beiden Erzählsträngen mitgefiebert. Joukhadar ist es meiner Meinung nach hervorragend gelungen, Nours Fluchtgeschichte authentisch und realitätsnah erfahrbar zu machen.

Die Geschichte ist fiktiv, trotzdem passieren ähnliche Szenarien zurzeit überall auf der Welt. Was die Menschen durchmachen müssen, ist einfach grausam. Nour sieht die Welt anders, sie denkt in Farben. Ebenso farbenprächtig ist der Schreibstil des Autors. Er konnte die Gedanken- und Gefühlswelt von Nour hervorragend beschreiben - und in Worte fassen, was oft überhaupt zu schwer ist, irgendwie auszudrücken. Es wird auch manchmal sehr philosophisch, was ich sehr mochte. Der Autor überdramatisiert nichts, die Flucht an sich ist schon dramatisch genug. Eingeteilt ist das Buch in unterschiedliche Reiseabschnitte, die beginnen, wenn Nour mit ihrer Familie ein neues Land betritt.

Mich konnte die Geschichte sehr bewegen. So eine Flucht hautnah mitzuerleben ist nichts für schwache Nerven. Mich wird die Geschichte noch lange begleiten, da sich die Bilder bei mir eingebrannt haben.


Fazit

Lesen! Zeyn Joukhadar schafft es wunderbar, die Flucht des jungen Mädchens Nour und seiner Familie zu erzählen, obwohl dieses Thema immens schwierig ist. Nour habe ich bald ins Herz geschlossen und die Geschichte, die sie in ihrer Geschichte erzählt, zeigt, dass es eben diese Geschichten sind, die man sich erzählt, an denen man sich immer und überall festhalten kann, egal wo man ist.


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Veröffentlicht am 04.03.2020

Wir sollten alle Feministinnen sein! - Chimamanda Ngozi Adichi

We are Feminists!
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Die "Kurze Geschichte der Frauenrechte" ist - naja sie ist kurz. Und trotzdem schafft es das Buch 150 Jahre Frauengeschichte festzuhalten und die wichtigsten Ereignisse und Personen prägnant darzustellen. ...

Die "Kurze Geschichte der Frauenrechte" ist - naja sie ist kurz. Und trotzdem schafft es das Buch 150 Jahre Frauengeschichte festzuhalten und die wichtigsten Ereignisse und Personen prägnant darzustellen. Beim Feminismus spricht man oft von Wellen, so ist das Buch auch in die drei großen und die aufkommende vierte Welle eingeteilt.
Das Buch lebt von seiner Optik. Durch viele Grafiken und Übersichtsseiten sowie einer chronologischen Abfolge von Ereignissen, hat man hier eine kurzweilige Übersicht, die perfekt für Feminismuseinsteiger*innen ist und zum weiteren Recherchieren einlädt. So schön das Buch auch aufbereitet wurde, schränkt es die Darstellung natürlich sehr ein. Wenn man nur eine Doppelseite Platz hat, um etwas zu präsentieren, muss im Vorfeld natürlich selektiert werden und ich hätte manchmal noch gerne mehr gelesen. Trotzdem finde ich die Umsetzung sehr gelungen. Text, Bilder und Grafiken harmonieren und stehen in einem guten Verhältnis zueinander. Es ist innen genauso bunt wie es von außen scheint. Da ich mich vermehrt mit Feminismus beschäftige, wusste ich vieles schon, doch auch für mich war viel Neues dabei. Vor allem aus der ersten Welle des Feminismus und ganz viele Frauennamen, die durch ihre Taten Geschichte geschrieben haben. Vieles wird nur angerissen und kurz erwähnt, aber das liegt der Aufmachung des Buches zugrunde. Es gibt: Grafiken zur Einführung des Frauenwahlrechts oder des Rechts auf Scheidung; Übersichten zu feministischem Journalismus, Literatur, Kunst, Bildung sowie Porträts und Statements wichtiger Frauen.


Fazit

Dieses Buch liefert einen kurzweiligen Überblick über 150 Jahre Frauengeschichte und den immer noch bestehenden Kampf um Frauenrechte. Bunte, visuelle, prägnante Darstellung der wichtigsten Ereignisse und Personen. Perfekt zum Verschenken!

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Veröffentlicht am 30.11.2019

Soziale Kontrolle

Schamlos
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Die drei jungen Frauen Amina Bile, Sofia Srour und Nancy Herz sehen sich selbst als Vorreiterinnen in ihrer Sache. Nämlich dem Kampf für ein schamloses und freies Leben für muslimische Mädchen. In ihrem ...

Die drei jungen Frauen Amina Bile, Sofia Srour und Nancy Herz sehen sich selbst als Vorreiterinnen in ihrer Sache. Nämlich dem Kampf für ein schamloses und freies Leben für muslimische Mädchen. In ihrem Buch führen sie Gespräche miteinander und brechen damit Tabus auf, die in der muslimisch geprägten Kultur noch weit verbreitet sind. Sie sprechen über Schwimmunterricht, den Hidschab, generell Kleidervorschriften, Doppelleben- und moral, Liebe, den Jungfernhäutchenmythos und vor allem über soziale Kontrolle.

Das Buch richtet sich an junge Mädchen und Jugendliche, die gerade herausfinden wollen, wer sie sind und wohin sie gehören, und sich zwischen mehreren Kulturen zurechtfinden müssen. Die Aufbereitung des Themas ist für diese Altersgruppe sehr gelungen. In kleine Lesehäppchen aufgeteilt und mit wunderschönen Illustrationen versehen wird "Schamlos" zu einem besonderen Leseerlebnis.

Was auffällt ist, dass dieses Buch extrem persönlich ist. Die Autorinnen geben tiefe Einblicke in ihr Leben. Ihre Erfahrungen, Reflexionen und Forderungen legen einen Grundstein für eine Debatte, die längst überfällig ist. Sie versuchen junge Menschen zu erreichen, um alten Mustern entgegenzuwirken. Sie greifen viele Themen auf, gehen jedoch nicht immer so in die Tiefe. Das ist manchmal schade. Jemand, der mit Vorurteilen dieses Buch liest, wird sich in manchen Vorurteilen bestärkt sehen. Die Abgrenzung davon, dass nicht jede muslimische Familie gleich funktioniert und jedes muslimische Mädchen die gleichen Erfahrungen macht, fehlte mir ein bisschen. Die Probleme, die die Autorinnen ansprechen, sind aber augenöffnend und ich habe selbst als nicht Muslimin viel dazugelernt.

Manche Texte und Gespräche fand ich persönlich besser als andere. Mit besser meine ich aussagekräftiger, informativer, interessanter. Im Grunde ist das ganze Buch aber stimmig. Neben den Gesprächen, die wirklich wie ein Chat aufgebaut sind, findet man auch Fotos, Grafiken und Listen und immer wieder "Ratschläge" für ehrbare Mädchen, die sehr lächerlich sein können, das alles rundet das Buch sehr gut ab. Unter sozialer Kontrolle verstehen sie den negativen gesellschaftlichen Druck in Minderheitsgemeinschaften, der durch die eigene Familie, aber auch andere angehörige dieser Minderheit ausgeübt werden kann.


Fazit

Das Leben von muslimischen Mädchen wird durch manche Mechanismen sehr erschwert. Die Autorinnen haben sich dem Thema "soziale Kontrolle" angenommen und versuchen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sehr sie eigentlich darunter leiden, wenn die Ehre der Familie und was andere denken viel mehr Wert ist als man selbst als Mensch. Als Einsteigerbuch in die Thematik findet man hier sehr persönliche Einblicke und Erfahrungen. Es ist wichtig, dass darüber geredet wird und muslimische Mädchen ihre Erfahrungen teilen können und die Autorinnen anderen mit ihren Geschichten helfen. Eine Leseempfehlung für jede*n!