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Veröffentlicht am 09.07.2021

Geliehene Schönheit

Ein letzter Frühling am Rhein
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Worum geht es? Aufgrund eines anonymen Hinweises findet die Polizei ein junges, bildschönes Model vergiftet in seiner luxuriösen Wohnung, zusammen mit einer kryptischen Nachricht, deren Sinn und Entschlüsselung ...

Worum geht es? Aufgrund eines anonymen Hinweises findet die Polizei ein junges, bildschönes Model vergiftet in seiner luxuriösen Wohnung, zusammen mit einer kryptischen Nachricht, deren Sinn und Entschlüsselung sogar für den beigezogenen Psychologen eine Herausforderung darstellt.
Ich war nicht sofort in der Geschichte, aber von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel schätzte ich den Schreibstil, die bildhaften Schilderungen von Eindrücken, Gedanken und Beobachtungen immer mehr.
Der Fokus liegt in diesem Kriminalroman in der aufwändigen Kleinarbeit der Kriminalpolizei, in den Befragungen jener Personen, die das Umfeld der Ermordeten bildeten, auf der Suche nach dem Motiv, nach dem Mörder bzw. der Mörderin. Obwohl der Fall in der Gegenwart spielt, habe ich es als wohltuend empfunden, dass es in erster Linie auf die Befragungstechnik, die Kombinationsgabe und die grauen Zellen der Ermittler ankommt, und weniger auf DNA-Analysen, Ergebnisse der Spurensicherung oder Internetrecherchen.
Zu Beginn irritierte mich der religiöse Touch, doch die Thematik Gott – Kirche – Religion und Glaube zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, machte zunehmend mehr Sinn und beschäftigt auch die Ermittler, die immer wieder auf die Diskrepanz zwischen der Herkunft der Toten - sie ist auf dem Land aufgewachsen und war stets streng gläubig - und der Oberflächlichkeit des Jetset-Lebens in der Modewelt stoßen, in der die junge Frau zwar hektisch und im Trubel existierte, letztlich jedoch einsam blieb.
Es schwebt eine gewisse Tristesse über der Lektüre, in Form der Gleichgültigkeit der Nachbarn, die in dem Mehrparteienhaus nebeneinander her leben, uninteressiert, nichts gehört und nicht gesehen haben (wollen).
Das überschaubare Ermittlerteam, es besteht lediglich aus Kriminalhauptkommissar Kilian Stockberger, Oberkommissarin Cosima Winkler und Kommissar Miko Reichenhall, erweckte meine Sympathie insbesondere durch deren Umgang miteinander, wo man sich durchaus auch mal aufzieht und auch nach Dienstschluss noch freundschaftlich Kontakt miteinander pflegt.
Die Charaktere – sowohl der Kriminalisten als auch der von ihnen Befragten – sind anschaulich dargestellt, wobei ich vor allem den fast poetischen Schreibstil so mochte, diese über das rein realistisch Äußerliche hinausgehenden Beschreibungen, wenn z.B. das Gehabe eines Ehepaares mit einem Affenpärchen verglichen wird. Dadurch erhält der Roman auch einen humorvollen Anstrich, bringt einen zum Schmunzeln.
Solche Sprachbilder, wie ich es für mich bezeichnet habe, ziehen sich durch das gesamte Buch, witzige Assoziationen, Gedanken, Kopfkino malende Wortschöpfungen, die mich begeisterten.
„Ein letzter Frühling am Rhein“, der Auftakt zu einer neuen Reihe, besticht in erster Linie sprachlich, weniger aufgrund der erzeugten Spannung, obwohl der Fall interessant ist und letztlich schlüssig gelöst wird.

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Veröffentlicht am 08.07.2021

Die Sünden der Väter

Abgründige Wahrheit
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Nachdem ich bislang nur das humorvolle Buch des Autors „Urlaub, bis der Arzt kommt“ kannte, war es für mich besonders interessant, wie er sich als Thriller-Autor schlägt. Und Bernd Richard Knospe hat nicht ...

Nachdem ich bislang nur das humorvolle Buch des Autors „Urlaub, bis der Arzt kommt“ kannte, war es für mich besonders interessant, wie er sich als Thriller-Autor schlägt. Und Bernd Richard Knospe hat nicht nur Vielseitigkeit bewiesen, sondern ihm ist ein ganz besonderer Thriller gelungen.
Worum geht es?
Einerseits um den Schriftsteller Eric und die Verlegerin Daniela, die ihn beauftragt, die Lebensgeschichte ihres kürzlich verstorbenen Vaters in einem Buch zu verarbeiten, und andererseits um das Team der Kriminalpolizei, das in einer grauenvollen Mordserie ermittelt, die auf einen 30 Jahre zurückliegenden Polizeieinsatz zurückzugehen scheint, infolgedessen damals der Psychopath Walker gefasst wurde, der seither im Gefängnis sitzt. Es stellt sich nicht nur die Frage, wer und warum dieser Jemand bestialische Morde an seinerzeit mit Walker in Verbindung stehenden Frauen verübt, sondern was diese beiden Handlungsstränge verbindet.
Was habe ich mir von dem Thriller erwartet? Neben Spannung und Action, natürlich Nervenkitzel, Gänsehaut und Schauer, wenn das Grauen zwischen den Zeilen hervorquillt. Das alles ist B.R. Knospe gelungen und viel mehr. Denn neben Spannungsbogen und Handlungsverlauf hat mich vor allem die Lebendigkeit der handelnden Personen in den Bann gezogen.
Der Autor hat nicht nur Romanfiguren geschaffen, sondern facettenreiche Charaktere, Menschen mit Stärken und Schwächen, sympathischen Zügen, aber auch mit Ecken und Kanten, Protagonisten, deren Handlungen und Eigenheiten von Kindheit an bzw. durch ihr bisheriges Leben und die gemachten Erfahrungen geprägt sind. Genauso wie die Ermittler in kleinen Schritten sich der Lösung der Mordfälle, dem Mörder nähern, dringt man so nach und nach immer mehr durch die Oberfläche, durch das optische Augenscheinliche in deren Seele, empfindet mehr oder weniger Sympathie, ahnt zunächst nur, erhält letztendlich dann Gewissheit, hinter welcher Fassade sich das personifizierte Böse tatsächlich verbirgt.
Auch das Martyrium der Opfer wird primär nicht aktiv beschrieben, anhand der folternden Handlungen der Täter, sondern bezieht sich vorwiegend auf die Gedanken der Opfer, die letztlich ihr Leben Revue passieren lassen.
Der Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen, der stetige Wechsel zwischen Handlungsorten und Protagonisten belebt und ist abwechslungsreich. Zudem steigern die immer wieder eingebauten Cliffhanger die Spannung, sodass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte – bis sich im dramatischen Showdown alles klärt, das Böse besiegt ist und das große Geheimnis enthüllt wird.
Ein Buch, das ich wärmstens empfehle! Lediglich der Print-Leserschaft würde ich raten, sich eine Leseposition zu suchen, wo man den immerhin fast 600 Seiten dicken Wälzer auflegen kann, ansonsten ist das Halten schon recht armmuskelfordernd.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass „Abgründe Wahrheit“ bereits der zweite Band der Eric Teubler-Reihe ist – kann aber problemlos ohne Kenntnis des ersten Bandes „Blue Note Girl“ gelesen werden.

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Veröffentlicht am 01.07.2021

Verhängnisvolle Lebensversicherung

Utkiekermord auf Spiekeroog. Ostfrieslandkrimi
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„Utkiekermord auf Spiekeroog“ ist bereits Band 13 einer Reihe von Rolf Uliczka, kann jedoch problemlos ohne Kenntnis der vorhergehenden Bände gelesen werden.
Im Zuge einer Wattwanderung auf Spiekeroog ...

„Utkiekermord auf Spiekeroog“ ist bereits Band 13 einer Reihe von Rolf Uliczka, kann jedoch problemlos ohne Kenntnis der vorhergehenden Bände gelesen werden.
Im Zuge einer Wattwanderung auf Spiekeroog sucht sich ein junges Liebespaar ein einsames Plätzchen zum Kuscheln. Da wird es aus heiterem Himmel überfallen, der junge Mann bewusstlos geschlagen und als er aus seiner Ohnmacht erwacht, findet er seine Freundin ermordet vor. Als Leser hat man gegenüber den Ermittlern zwar einen Wissensvorsprung, doch wer diese Frau getötet hat und warum, da kann man ausgiebig miträtseln, stellt Mutmaßungen an und erlebt dennoch am Ende eine Überraschung.
Obwohl sich die Polizeiarbeit für das Ermittler-Duo Nina und Bert und ihr Team als mühsam erweist und man nur in kleinen Schritten vorankommt, ist diese jedoch so lebendig geschildert und deckt immer wieder Unerwartetes auf, sodass die Spannung nie abreißt. Dass in diesem Fall zur Unterstützung von Nina und Bert auch das Ermittlerteam einer anderen Krimireihe tätig wird, fand ich personell gesehen etwas unüberschaubar, da ich einerseits die andere Reihe gar nicht kenne und von dieser Reihe auch erst zwei Bände.
In die Mordsache mit hinein verwoben sind recht aktuelle Themen, wie das Fotografieren von Unfallopfern, der private Einsatz von Drohnen, die Veröffentlichung von allem und jedem in den sozialen Medien und die Wahrung von Persönlichkeitsrechten.
Durch den flüssigen Schreibstil und die übersichtliche Kapiteleinteilung liest sich das Buch leicht und zügig. Das ostfriesische Umfeld wird anschaulich geschildert. Jemandem wie mir, der Ostfriesland noch nie besucht hat, wird unaufdringlich so nebenbei so einiges über Bräuche und Eigenarten vermittelt, ob es sich nun ums Teetrinken handelt oder um Boßeln. Auch die hie und da eingestreuten plattdeutschen Wörter machen die Lektüre sehr authentisch und lebendig. Mir gefiel insbesondere auch das Cover, wodurch ich mir nicht nur die Landschaft besser vorstellen konnte, sondern vor allem auch die Skulptur des Utkiekers.
Die Protagonisten sind sympathisch und effizient, auch Nebencharaktere sind prägnant dargestellt, ob es sich um überhebliche und aufsässige Blogger handelt oder bodenständige Ostfriesen.
Für mich war es wieder ein spannendes Lesevergnügen, gepaart mit einem Eintauchen in eine mir fremde Landschaft, die mir von Buch zu Buch vertrauter wird.

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Veröffentlicht am 01.07.2021

Wenn Träume sich erfüllen

Die Insel der Wünsche - Stürme des Lebens
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Anna Jessen versteht es blendend, Stimmungen und Ereignisse anschaulich zu schildern, ob einen Sonnenaufgang oder die Vorweihnachtszeit, das Treiben am Hafen oder Festlichkeiten.
Die Milieuschilderungen, ...

Anna Jessen versteht es blendend, Stimmungen und Ereignisse anschaulich zu schildern, ob einen Sonnenaufgang oder die Vorweihnachtszeit, das Treiben am Hafen oder Festlichkeiten.
Die Milieuschilderungen, ob Gängeviertel oder das Leben auf Helgoland sind derart anschaulich, dass man buchstäblich hineingesogen wird in die Atmosphäre, in diese Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in Tines Leben. Mit Begeisterung habe ich den Werdegang des armen Blumenmädchens zur Hotelchefin mit verfolgt, wie sie ihren Traum in Wirklichkeit umsetzt, habe dieses fleißige, willensstarke Mädchen bewundert, wie es allen Widrigkeiten zum Trotz schwierige Zeiten und Schicksalsschläge bewältigt und sich empor kämpft. Infolge der wechselhaften Geschehnisse bleibt das Buch durchgehend spannend. Tine ist mir richtig ans Herz gewachsen und mit ihr so manche Person aus ihrem Umkreis. Ich habe mit ihr letzten Endes mit getrauert, aber auch Hoffnung geschöpft – denn immerhin war dies ja erst der Auftakt zu einer Triologie.
Es ist einerseits ein gefühlvoller, romantischer Roman, mit viel Menschlichkeit, Herzlichkeit, aber auch menschlichen Schwächen, andererseits bietet er historisch gesehen viel Interessantes und Wissenswertes für jemanden wie mich, der zuvor keinerlei Kenntnisse über Helgoland und dessen wechselhafte Geschichte hatte
Nicht unerwähnt möchte ich die am Beginn des Buches befindliche Skizze von Helgoland lassen, mit deren Hilfe man sich wunderbar auf dieser Insel zurecht findet.
Mir hat das Buch erquickliche Lesestunden beschert und ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 23.06.2021

Schatten der Vergangenheit

Leopoldstadt
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„Leopoldstadt“ spielt im Jahr 1966 in Wien. Der Krimi hat mir Schlagzeilen und Geschehnisse in Erinnerung gerufen, die ich als damals 12jährige nicht wirklich verinnerlicht habe. Vor allem die Nachwirkungen ...

„Leopoldstadt“ spielt im Jahr 1966 in Wien. Der Krimi hat mir Schlagzeilen und Geschehnisse in Erinnerung gerufen, die ich als damals 12jährige nicht wirklich verinnerlicht habe. Vor allem die Nachwirkungen des 2. Weltkriegs und der Nazizeit bekam ich nicht bewusst zu spüren. Das alles war weder in meinem Elternhaus, noch in der Schule ein Thema, auch in den Folgejahren nicht, was letztlich ein ziemliches Wissensvakuum bei mir hinterlassen hat. Die Lektüre hat mich jedenfalls angeregt, mich bei Gelegenheit etwas tiefer mit dieser Materie zu beschäftigen.
Sabina Naber hat exzellent recherchiert und das Leben und die Stimmung jener Zeit anschaulich dargestellt, vom politischen Geschehen über die vom Weltkrieg und nationalsozialistischem Gedankengut beeinflussten Menschen, bis hin zur Stellung der Frau, diversen neuen Strömungen, wie Minimode, Fernsehen oder dem Modetanz Letkiss. Damals durfte noch überall geraucht werden und von Political Correctness war bei weitem keine Rede, daher hatten damals auch Worte wie z.B. Neger noch nicht diesen negativen Beigeschmack.
Vor dem Hintergrund dieser Zeit ermitteln Chefinspektor Wilhelm Fodor und sein Team. Ein Afroamerikaner wird ermordet aufgefunden. Offensichtlich ein amerikanischer Besatzungssoldat, angeblich bei der Botschaft unbekannt. Wie sich bald herausstellt, war der Ermordete nicht nur auf der Suche nach seinem unehelichen Kind, sondern auch noch einem 20 Jahre zurückliegenden Vorfall auf der Spur. Ein verzwickter, laufend Überraschungen offenbarender Fall hält nicht nur das Ermittlerteam auf Trab, sondern nimmt auch den Leser gefangen. Alles klärt sich, logisch und nachvollziehbar, der Täter wird entlarvt.
Die Charaktere sind lebendig, geprägt von Herkunft und Erlebnissen, die Protagonisten sind vielfach mit sich selbst nicht im Reinen und auch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen sind problematisch, auf ihren Seelen lasten die Erlebnisse der Vergangenheit.
Vor allem als Wienerin fühlte ich mich wohl, nicht nur sprachlich, sondern auch örtlich, auf vielen Plätzen und Strassen war auch ich schon unterwegs.
Ein beeindruckender Kriminalroman mit Niveau, der nicht nur spannende Lesestunden beschert, sondern der den Zeitgeist authentisch widerspiegelt, auch die Problematik jener Zeit und die psychischen Nachwirkungen des Krieges aufzeigt. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich der Zeit und durch den Wiener Dialekt dem Ort angepasst, doch neben charmanter Lockerheit und der Zuwendung zu Neuem, Modernen verspürt man auch die Schatten der Vergangenheit.

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