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Veröffentlicht am 03.04.2019

Ein Wälzer ohne Wirkung

Eine eigene Zukunft
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Victoria, Mona und Luz – diese drei temperamentvollen Spanierinnen haben ihren Vater kaum gekannt, war er doch ständig auf See und kam nur selten in seinem Heimatland vorbei. Trotzdem folgen sie mit ihrer ...

Victoria, Mona und Luz – diese drei temperamentvollen Spanierinnen haben ihren Vater kaum gekannt, war er doch ständig auf See und kam nur selten in seinem Heimatland vorbei. Trotzdem folgen sie mit ihrer Mutter seinem Ruf nach New York, wo er endlich sesshaft geworden ist und ein Restaurant zusammen mit seiner Familie führen möchte. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen: Kaum haben die vier ein wenig in der neuen Welt Fuß gefasst, kommt der Vater bei einem Hafenunglück ums Leben. Auf sich allein gestellt, suchen die drei Schwestern nach einem Weg in dieser großen fremden Stadt zu überleben.

Zunächst muss ich erwähnen, dass der Klappentext des Romans den Leser in die Irre führt. So habe ich aufgrund der Formulierung „Sie verwandeln das väterliche Lokal in einen Nachtklub, mit abenteuerlichen Folgen...“ natürlich angenommen, dass sich alles darum drehen würde, wie die drei Schwestern einen Nachtklub gründen und wie sie ihn führen. Tatsächlich soll der Leser nicht einen Tag in diesem Nachtklub erleben. Die Idee dafür kristallisiert sich zwar nach ungefähr einem Drittel des Romans heraus und eine der drei Schwestern widmet sich eingehend diesem Projekt, doch eröffnet wird es nie – aus welchen Gründen, das möchte ich nun aber nicht mehr spoilern. Wie dem auch sei – ich finde es äußerst unbefriedigend, wenn der Klappentext nicht mit dem Inhalt eines Buches übereinstimmt und völlig falsche Erwartungen aufbaut.

Obwohl sich die Autorin augenscheinlich viel Mühe gibt, lebhafte Charaktere zu skizzieren und eine spannende Handlung mit amourösen wie kriminellen Aspekten aufzubauen, ist es ihr nach meinem Empfinden nicht gelungen eine runde und überzeugende Geschichte zu erzählen. Die Lesersympathien für ihre Protagonistinnen versucht sie viel zu verkrampft zu gewinnen, Zufälle und schicksalsverändernde Begebenheiten häufen sich auf eine geradezu schreiende fiktionale Art und Weise und vieles wirkt einfach nur fehl am Platz. Äußerst ermüdend ist auch die Vorgehensweise der Autorin von jeder neu eingeführten Figur die Lebensgeschichte ausrollen zu wollen, bevor sie die Haupthandlung weiter fortsetzt. Spannungsfördernd ist diese Vorgehensweise bei weitem nicht und aus rückblickender Perspektive für das Funktionieren des Romans auch nicht zwingend notwendig gewesen.

Aber genau das ist das Problem: Der Roman funktioniert einfach nicht. Jeder Leser kennt es: Entweder verzaubert ein Roman durch seine Leichtigkeit oder durch seinen Tiefgang. Der vorliegende Roman ist weder der einen noch der anderen Kategorie zuzuordnen. „Eine eigene Zukunft“ hat mir weder vergnügliche Lesestunden bereitet noch hat er mich berührt oder zu eigenen Reflexionen angeregt. Nachdem ich diesen fast sechshundertseitigen Wälzer zugeschlagen habe, war ich lediglich erleichtert darüber, den Roman nun endlich beendet zu haben. Das ist wirklich schade, denn die Autorin wollte mit ihrem Werk offenkundig allen Emigranten dieser Welt im Allgemeinen und den spanischen Auswanderern im Speziellen ein feierliches Denkmal setzen.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Studie eines Menschenlebens

Die Angehörigen
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„Vielleicht ist das Bedauern die nützlichste Art der Erinnerung.“

Nach 49 Ehejahren stirbt Maida, Genes Ehefrau, ganz plötzlich. Nun hat Gene nicht nur mit Verlust und Trauer zu kämpfen, sondern auch ...

„Vielleicht ist das Bedauern die nützlichste Art der Erinnerung.“

Nach 49 Ehejahren stirbt Maida, Genes Ehefrau, ganz plötzlich. Nun hat Gene nicht nur mit Verlust und Trauer zu kämpfen, sondern auch mit vielen quälenden Fragen bezüglich ihres gemeinsamen Ehelebens. Der Tod seiner Frau wird zum Anlass für einen tiefgehenden Rückblick auf die mit Maida verbrachten Lebensjahre, aber auch für eine Auseinandersetzung mit seinem Leben, wie er es gelebt hat, und mit seinen Rollen als Ehemann und Vater.

Nachdem ich den Klappentext zu dem Roman gelesen habe, hatte ich eigentlich eine andere Erwartung bezüglich dessen, was ich während der Lektüre erleben würde. Ich habe viele Gespräche und Auseinandersetzungen zwischen Gene und seiner Tochter, Dary, erwartert sowie zwischen Gene und seinen lebenslangen Freunden Ed und Gayle. Tatsächlich finden in dem Roman nur zwei Gespräche statt, in denen es um Maida geht. Einmal während einer Diskussion mit seiner Tochter, in der sie der Frage nachgehen, ob Maida in ihrem Beruf Glück und Erfüllung gefunden hätte, und einmal mit Ed, in dem es um das Verhältnis zwischen diesem und Maida ging.

Auch die Zweifel, die als tiefgreifend beschrieben werden und der „entsetzliche Verdacht“, von dem im Klappentext die Rede ist, sind hoffnungslos überzeichnet und nicht der Art, wie sie tatsächlich sind – im Kontext betrachtet nehmen sie sich ganz anders aus. Trotzdem tut dies dem Roman keinen Abbruch. Es geht eben nicht um die Studie eines Ehelebens, sondern um die Studie EINES Menschenlebens. Und diese Studie ist durchaus als gelungen zu bezeichnen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass es sich bei „Die Angehörigen“ um einen Debütroman handelt, der aus der Feder einer Frau stammt, die sich in eine männliche Figur – aus meiner Sicht nahezu fehlerfrei – eingefühlt hat. Genes Gedanken und Gefühle waren für mich zum größten Teil nachvollziehbar. Bis auf diese Art „Liebesgeschichte“ zwischen Gene und seiner Haushaltshilfe, Adele, die sich während seines Witwerdaseins entspinnt. Diese Episode scheint Genes Trauer um Maida Lügen zu strafen, denn wie ist es möglich, so schnell für einen Menschen Gefühle zu entwickeln, nachdem man sein ganzes Leben lang nur eine Frau geliebt hat?

Persönlich war mir auch Genes Tochter, Dary, äußerst unsympathisch, sodass ich mit ihr nicht besonders viel anzufangen wusste. Aber wenn man es recht bedenkt, so ist keine der im Roman auftretenden Figuren – auch der Protagonist Gene nicht – ein Sympathieträger. Eine gewisse Distanz zwischen Leser und Figuren ist von der Autorin sichtlich angelegt und gewollt, sodass man nicht emotional involviert wird, sondern aus der Distanz heraus beobachtet und seine Schlüsse zieht. Bei Katharine Dions Roman handelt es sich um ein sprachlich ausgereiftes Werk, das zu (Selbst-)Reflexion anregt – und nicht um eine rührselige Sensationsgeschichte.

Veröffentlicht am 22.03.2019

Sag dem Abenteuer, du hättest mich mitgenommen

Sag dem Abenteuer, ich komme
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„Ich reise, weil ich Lust darauf habe. Weil ich mich als Reisende lebendig fühle.“

Eines schönen Tages lässt Lea Rieck alles stehen und bricht zu dem Abenteuer ihres Lebens auf – einer Weltumrundung auf ...

„Ich reise, weil ich Lust darauf habe. Weil ich mich als Reisende lebendig fühle.“

Eines schönen Tages lässt Lea Rieck alles stehen und bricht zu dem Abenteuer ihres Lebens auf – einer Weltumrundung auf dem Motorrad! Und wir, die Leser, dürfen sie auf ihrer abenteuerlichen Reise begleiten. „Das Alleinreisen gibt jedem von uns die Chance, zu sein, wer immer wir sein wollen. Es gibt keine Erwartungen.“

Die Autorin erzählt uns über die Orte, die sie bereist und die sie prägen. Eindringlich beschreibt sie ihre Naturerlebnisse und zeigt uns deutlich wie sehr die Begegnungen auf einer solchen Reise einen Menschen verändern. „Wie kann ich den zu Hause Gebliebenen erklären, dass mein Leben nicht mehr so ist, wie es einmal war, weil ich inzwischen unzählige verschiedene Leben gelebt und wieder aufgegeben habe? Wie kann ich ihnen begreiflich machen, dass all diese Leben so anders waren als das Leben, das ich zuvor mit ihnen zu Hause geteilt habe? Wie kann ich den Schmerz beschreiben, wenn eines dieser Leben plötzlich zu Ende geht?“

Als reines Reiseabenteuerbuch kann man „Sag dem Abenteuer, ich komme“ nicht bezeichnen, es ist so viel mehr als das – es ist nachdenklich und hinterfragend. Lea Rieck lässt uns ganz offen an ihren Erlebnissen und Gedanken teilnehmen, so dass wir nicht nur Zeugen ihres Mutes, ihrer Abenteuerlust und ihres Unternehmergeistes werden, sondern auch ihrer Ängste, ihrer Tränen und ihrer täglichen Zweifel. „Ich weine um alles, was mich berührt. Ich weine um jeden Menschen, den ich zurückgelassen habe, um die guten und um die verlorenen Seelen. Ich weine, weil ich Schönheit nicht konservieren kann und weil ich Schönheit sehen durfte. Ich weine um die Länder, die mich fasziniert haben und in denen ich gerade nicht bin. Ich weine um die Orte, die mich schockiert haben und wo ich niemandem helfen konnte. Ich weine um alles, was ich niemals weitergeben kann. Ich weine um die Vergangenheit und weine um die Zukunft, ich weine um die Ungerechtigkeit der Welt und ihre Güte. Dann weine ich um alle Momente des Glücks. Davon habe ich in den letzten Monaten so viele gesammelt, dass ich sehr lange weinen muss.“

Es sind bewegende Momente, die sie schildert, berührende und kontemplative. Besonders lebhaft sind die vielen bereichernden Gespräche, die sie mit den Menschen führt, denen sie auf ihrem Weg begegnet. Da ist die einsame Familie in Pakistan, der weise Sikh in Indien oder die Frau in Nepal, die nichts besitzt und mit Lea trotzdem ihr letztes Geld teilen möchte. Wer nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber einigen Kulturen oder Ländern gewesen ist, der ist es nach der Lektüre von Riecks Sachbuch bestimmt!

Am Ende hat Lea nicht nur die Welt besser kennen und verstehen gelernt, sondern auch sich selbst. „Bin ich plötzlich dieser Mensch geworden, der ich immer sein wollte? Jemand, der fällt, wieder aufsteht und weitermacht, ohne dazwischen an sich selbst zu zweifeln?“

Viele geniale Fotos der Autorin werten das Buch zusätzlich auf. Am Ende findet sich auch eine Liste mit Tipps für eine gelungene Weltreise – alle dringendsten Fragen von A bis Z werden abgedeckt.

Fazit: Ein in doppelter Hinsicht mutiges Buch! Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 18.03.2019

Eine bunt zusammengewürfelte Mischung ins Leere führender Ideen

Ein Tropfen vom Glück
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Bobs und Goldies größter Wunsch war es immer, einmal gemeinsam nach Paris zu reisen. Der aus Milwaukee stammende Amerikaner ist nun auf dem Weg nach Paris, aber leider ohne seine geliebte Goldie. Er kommt ...

Bobs und Goldies größter Wunsch war es immer, einmal gemeinsam nach Paris zu reisen. Der aus Milwaukee stammende Amerikaner ist nun auf dem Weg nach Paris, aber leider ohne seine geliebte Goldie. Er kommt auf der Rue Edgar-Cherallier unter, wo er Hubert, den Eigentümer der Hausnummer 18 kennenlernt, der gerne von sich zu sagen pflegte, er wäre seit 1868 hier. Wenig später lernt er auch Magalie, die Restauratorin, und Julien, den Barmann, kennen, die ebenfalls unter der Nummer 18 wohnen. Zusammen trinken sie am Abend eine Weinflasche aus dem Jahr 1954, die aus dem Weingebiet Charmally-les-Vignes stammt. Was die vier nicht wissen: In diesem Jahr ist Pierre Chaveau, Winzer in dem Gebiet, für immer spurlos verschwunden. Der Legende nach habe ihn eine fliegende Untertasse entführt. Und so kommt es, wie Hubert in seinem Trinkspruch prophezeit: „Liebe Freunde, wir werden mehr als einen Wein trinken. Wir werden Zeit trinken.“

Von diesem Roman habe ich mir sehr viel versprochen. Eine Reise ins Paris der 50er Jahre – was für eine Fülle an Möglichkeiten, die sich einem bietet! Sich unter das Volk mischen und in einem Pariser Kaffeehaus an einer philosophischen Diskussionsrunde teilnehmen, im Montmartre und an der Seine den Künstlern über die Schulter schauen und in einem Abendlokal Charleston, Foxtrott oder Swing tanzen!

Leider ist davon nichts eingetreten – lediglich auf Bobs Spuren wandern wir ein wenig im früheren Paris umher; dabei werden aber vor allem die Dinge erwähnt, die noch nicht vorhanden sind, wie zum Beispiel der „Passe-muraille“ im Montmartre oder die Pyramide beim Louvre – statt dessen führt der Autor mehrere Erzählstränge ein, die mehr oder weniger nichtssagend sind oder einfach ins Leere führen. Besonders unoriginell ist die Romanstelle, in der Julien einen Professor für Astronomie aufsucht, um zu erfahren, wie er und seine Freunde wieder in das Jahr 2017 zurückkehren könnten – diese liest sich wie eine Copy-&-Paste-Version von „Zurück in die Zukunft“.

Auch die künstlerischen Berühmtheiten, die in dem Roman vorkommen und auf die ich sehr gespannt war, treten lediglich dem heutzutage gern genutzten und zugleich verpöntem Namedropping gleich in Erscheinung, ohne irgendwelche persönlichen Charakteristika im Auftreten oder im Ausdruck aufzuweisen.

Eine Fülle von erzählinternen Unstimmigkeiten hat den Lesefluss ebenfalls gestört. So wachen alle vier Hauptcharaktere am nächsten Morgen nach dem Leeren der Weinflasche im Jahr 1954 auf. Wie sich herausstellt, wird Huberts Wohnung von seinem Großvater und seiner Frau bewohnt. Konsequenterweise hätte Hubert die beiden in der Wohnung antreffen müssen, nachdem er aufgewacht ist. Statt dessen ist er allein und hört zu allem Überfluss die Radionachrichten von 2017. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.

Hinzukommend ist in der Übersetzung die Überführung der von den Arbeitern der „Les Halles“ verwendeten Verlan-Spielsprache ins Deutsche ebenfalls ziemlich missglückt, wodurch der mutmaßliche Charme des Originals gänzlich verloren gegangen ist.

Das alte Paris, fliegende Untertassen, ein Schatz, eine Liebesgeschichte, ein Wunder – für jeden Geschmack ist etwas dabei, könnte man sagen. So viele verschiedene Elemente, die aber leider keine zusammenhängende Einheit bilden. Mein Fazit: Der Autor hat mit „Ein Tropfen vom Glück“ nichts Halbes und nichts Ganzes geschaffen. Ein Roman, der mich weder fesseln noch berühren konnte.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Ein psychologisch tiefgründiger Roman

Worauf wir hoffen
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„Wie kann man wissen, welche Momente einen Menschen prägen?“

Die junge Fatima Farheen Mirza zeichnet ein tiefschürfendes, detailliertes, psychologisch stimmiges Bild einer indischen Familie muslimischen ...

„Wie kann man wissen, welche Momente einen Menschen prägen?“

Die junge Fatima Farheen Mirza zeichnet ein tiefschürfendes, detailliertes, psychologisch stimmiges Bild einer indischen Familie muslimischen Glaubens, die in Kalifornien lebt. Sie befasst sich eingehend mit dem Thema Familie, wie die Bindungen zwischen den Familienmitgliedern untereinander sind und was die Familie als Ganzes ausmacht. Auch der Glaube und die muslimische Tradition spielen eine große Rolle – für die einzelnen Figuren in unterschiedlicher Gewichtung sowie für die Autorin selbst, wie man als Leser deutlich spürt.

Zentrum der psychologischen Betrachtung sind vier Figuren. Da sind die Eltern, Rafik und Laila, sowie ihre Kinder Hadia, Huda und Amar. Während Huda eine eher schemenhafte Figur bleibt, da sie vor allem eine romanstrukturimmanete Funktion hat, tauchen wir tief in die Innensicht Lailas, Hadias und Amars ein. So kommt in den ersten drei Teilen des Romans der personale Erzähler abwechselnd aus der Sicht Lailas, Hadias und Amars zum Einsatz. Die Geschichte beginnt mit Hadias Hochzeit und im dritten Teil geht die Zeremonie dort weiter, wo sie im ersten Teil erzählerisch abgebrochen wird. Die Beschreibung der Hochzeit bildet somit einen Rahmen. Den Teil dazwischen füllen scheinbar bunt zusammengewürfelte, nicht chronologische Momentaufnahmen aus dem Leben Amars, Hadias und Lailas, die in irgendeiner Weise bedeutsam sind. Diese Szenen vereinen auf eine ganz besondere Art psychologischen Tiefgang und symbolische Aussagekraft.

Die Autorin geht in ihrer Erzählstrategie sehr geschickt vor, indem der Vater im Dunkeln bleibt. Dabei dreht sich so vieles um ihn. Der Leser erfährt sein Handeln und seine Wirkung nur durch die Augen der anderen. Während seine Töchter Musterschülerinnen und empfänglich für den Glauben der Eltern sind, ist Amar ein Problemkind – er ist schlecht in der Schule und missachtet die Anweisungen seines Vaters. Seine zentrale Charaktereigenschaft ist jedoch seine große Empfindsamkeit, mit der Rafik nichts anzufangen weiß. Die Kluft zwischen ihnen wird immer größer und schließlich kommt es zu dem endgültigen Bruch. Dabei war es niemals sein Vater, der Amars Vertrauen missbrauchte und – mit zum Teil guten Absichten, ja – wider ihn gehandelt hat, nein, es waren Laila und Hadia. Doch deren Loyalität hat Amar nie in Frage gestellt. Im letzten Teil des Romans kommt nur noch er, der Vater, als Ich-Erzähler zu Wort und spricht dabei seinen Sohn, Amar, direkt an. So wird der Kreis geschlossen, und alles, was für den Leser bisher nicht begreifbar gewesen ist, wird ersichtlich.

Es gibt so viele Stellen in dem Roman, an denen man innehalten muss oder so stark berührt ist, dass man nur mit Mühe die Tränen zurückhalten kann. Das unendlich Tragische an der Geschichte ist, dass es trotz so großer Liebe in der Familie zu Missverständnissen, Verletzungen und einem Bruch kommen musste. Und es wird deutlich, dass der Grund, warum Amar gegangen ist, ein anderer war, als der Vater die ganze Zeit über geglaubt hat. »Sag ihm: Komm zurück, wir werden einen Weg finden. [...] Ich habe die falschen Worte gewählt. Ich habe falsch gehandelt. Ich werde warten, bis du bereit bist. Ich werde immer auf dich warten.«

Zurecht wird Mirzas Werk „Worauf wir hoffen“ für seine Reife gelobt. Die Autorin schreibt mit einer Weisheit weit jenseits ihres jungen Alters. Es ist genau, wie Sarah Jessica Parker gesagt hat: „Ich verspreche jedem: Wenn er dieses Buch am Ende zuschlägt, wird er ein anderer sein.“