Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2023

Was geschah mit Melody?

Melody
0

Als nach dem Tod seines Vaters die monatlichen Zahlungen ausbleiben, ist der 34-jährige Langzeitstudent Tom Elmer gezwungen, einen Job anzunehmen. Es trifft sich günstig, dass der einstige Nationalrat ...

Als nach dem Tod seines Vaters die monatlichen Zahlungen ausbleiben, ist der 34-jährige Langzeitstudent Tom Elmer gezwungen, einen Job anzunehmen. Es trifft sich günstig, dass der einstige Nationalrat Dr. Peter Stotz einen Juristen sucht, der seinen Nachlass ordnen, Wichtiges von Unwichtigem trennen und alles etwas beschönigen soll. Dafür bietet er als Gegenleistung eine großzügige Bezahlung samt Wohnung und Verpflegung in seiner Villa. Bereits bei seinem Einzug fällt Tom das Portrait einer jungen Frau auf, deren Foto auch in jedem Raum des Hauses präsent ist. Es handelt sich um Melody Alaoui, die ehemalige Verlobte seines Arbeitgebers, die vor vierzig Jahren spurlos verschwand – drei Tage vor ihrer Hochzeit. Diesen Verlust konnte Dr. Stotz nie verwinden. In täglichen Gesprächen am Kamin erzählt er Tom von seiner großen Liebe, von ihrem Verschwinden und seiner vergeblichen Suche nach ihr …

Martin Suter, geb. 1948, ist ein Schweizer Schriftsteller. Nach seiner Ausbildung zum Werbetexter schrieb er Reportagen, eine wöchentliche Kolumne sowie zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen. Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm 1997 mit seinem ersten Roman „Small World“. Für seine zahlreichen Romane, die alle im Diogenes Verlag erschienen und auch international sehr erfolgreich sind, erhielt Suter mehrere Preise und Auszeichnungen. Nach Wohnsitzen auf Ibiza, in Guatemala und in Marrakesch lebt Martin Suter heute mit seiner Familie in Zürich.

„Melody“ ist ein Roman, dessen Plot mich sofort in seinen Bann zog. Die Geschichte ist unterhaltsam, birgt viele Geheimnisse und ist spannend wie ein Krimi. Was verbirgt Dr. Stotz? Warum will er seine Vita in besserem Licht erscheinen lassen? Was enthüllen die Unterlagen in seinem Archiv? Nicht minder interessant ist das Rätsel um Melody und ihrem mysteriösen Verschwinden. Wer war sie? Warum verschwand sie? Wurde sie entführt? Beide Handlungsabläufe hat Suter hervorragend miteinander verwoben und bietet sie dem Leser häppchenweise dar, wodurch der Spannungsbogen stets aufs Äußerste gespannt ist.

Der Schreibstil ist sehr ansprechend, liest sich angenehm flüssig und lässt den Leser am Geschehen teilhaben. Die einzelnen Charaktere sind großartig ausgearbeitet und wirken in ihrem Tun und Handeln äußerst authentisch. Der Roman ist die Geschichte einer Liebe, aber keine der üblichen Liebesgeschichten, denn nach vierzig Jahren erscheint vieles in anderem Licht. Einige unerwartete Wendungen und ein überraschendes Ende runden das Geschehen stimmig ab.

Fazit: Suter hat es wieder einmal geschafft, mich mit seiner Geschichte zu fesseln und zu überraschen – ein Lesevergnügen, das ich gerne weiter empfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.03.2023

Ein leidenschaftliches Leben

Violeta
0

„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt sind es achtzig Jahre“ (Psalm 90, Vers 10) – Violeta ist bereits einhundert Jahre alt als sie die Briefe an ihren Enkel Camilo, einem katholischen ...

„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt sind es achtzig Jahre“ (Psalm 90, Vers 10) – Violeta ist bereits einhundert Jahre alt als sie die Briefe an ihren Enkel Camilo, einem katholischen Priester, über ihr Leben verfasst: Im Jahre 1920, als sie geboren wurde, herrschte Pandemie, die Spanische Grippe ging um – 2020, im Jahr in dem sie sterben wird, herrscht wieder Pandemie, Corona. Zunächst in der Hauptstadt in begütertem Elternhaus mit englischem Kindermädchen aufgewachsen, musste sie bereits als Kind in ihrer südamerikanischen Heimat viel erleben. Weltwirtschaftskrise, Umsturz und Diktatur zwangen die Familie zur Flucht ins Exil nach Nahuel, einer entlegenen Gegend im kalten Süden des Landes. Sie schreibt über ihre frühe Ehe mit Fabian, einem deutschen Einwanderer, berichtet ohne Scheu über ihre exzessive Leidenschaft zu Julián, von dem sie zwei Kinder bekam, erzählt von anderen kurzen oder längeren Affären und von ihrem ehrgeizigen Aufstieg zur erfolgreichen Geschäftsfrau. Sie schildert den Tod ihrer drogenabhängigen Tochter und wie sie sich danach um ihn, ihren Enkel, kümmerte …

Isabel Allende, 1942 in Lima, Peru, geboren, verbrachte nach der Trennung ihrer Eltern 1945 den größten Teil ihrer Kindheit bei ihrer Mutter in Santiago de Chile. Von ihrem 18. Lebensjahr an arbeitete sie als Journalistin. Isabel Allende ist die Nichte des ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador Allende, der 1973 bei Pinochets Militärputsch erschossen wurde. 1975 ging Isabel Allende ins Exil und schlug sich mit verschiedenen Tätigkeiten durch, bis sie 1982 ihren ersten Roman, den Welterfolg "Das Geisterhaus" herausbrachte. Isabel Allende lebt heute in Kalifornien.

Etliche der in „Violeta“ behandelten Themen kennen wir bereits aus anderen Romanen der Autorin. Politische Umbrüche, Militärputsch, Diktatur, verschwundene und vermisste Menschen und die Entdeckung von Massengräbern - um nur einige zu nennen. Gescheiterte Ehe, leidenschaftliche Liebe, Tod der Tochter, Leben in Kalifornien und eine Stiftung um in Not geratene Frauen zu unterstützen sind vermutlich an Allendes eigenes Leben angelehnt. Die Familiensaga über vier Generationen ist packend und mitreißend geschrieben, etliche der Schicksale gehen unter die Haut und wechseln sich mit oft unfreiwillig komischen Szenen ab – ein leichter, plaudernder Erzählstil ist vorherrschend, sowohl Landschaft als auch die Protagonisten sind bildhaft und lebendig beschrieben.

Fazit: Das Leben einer interessanten Frau und ein Stück Zeitgeschichte – lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2023

Abgebrannt und ausgebrannt

Der Brand
0

Ein Brand im gebuchten Feriendomizil in den Bergen war die Ursache, dass Rahel und Peter nun auf einem Bauernhof in der Uckermark gelandet sind. Anstatt beim Wandern ihre in die Jahre gekommene Ehe aufzufrischen ...

Ein Brand im gebuchten Feriendomizil in den Bergen war die Ursache, dass Rahel und Peter nun auf einem Bauernhof in der Uckermark gelandet sind. Anstatt beim Wandern ihre in die Jahre gekommene Ehe aufzufrischen und wieder zueinander zu finden, versorgen sie nun Haus, Garten und Tiere einer alten Freundin, die mit ihrem Mann nach dessen Schlaganfall zur Reha ist. Alles ist wie zu Hause, sie langweilen sich und leben nebeneinander her, ohne ein klärendes Gespräch zu führen. Dann kommt plötzlich ihre Tochter mit ihren beiden kleinen antiautoritär erzogenen Kindern angereist, um ihre Eheprobleme bei den Eltern abzuladen. Auch der in München studierende Sohn kommt unverhofft vorbei – das Chaos ist perfekt …

Daniela Krien, geb. 1975 in Mecklenburg-Vorpommern, wuchs in Jena und im Vogtland auf und studierte in Leipzig Kultur-, Kommunikations- und Medienwissenschaft. Seit 2010 ist sie freie Autorin und lebt heute mit zwei Töchtern in Leipzig. Für ihre Romane erhielt sie 2020 den Sächsischen Literaturpreis.

Das Buch überrascht zunächst mit einem sehr lebendigen, flüssigen Schreibstil, der die herrschende Atmosphäre zwischen den Eheleuten treffend erfasst, sodass der Einstieg in das Geschehen leicht gelingt. Beherrschendes Thema ist die Entfremdung und die erloschene Liebe zwischen Rahel und Peter, das Nachdenken darüber und das Bemühen, etwas zu ändern – so jedenfalls interpretierte ich den Klappentext.

Leider wurden meine hohen Erwartungen bald gedämpft. Ich konnte mich in keine der Personen einfühlen, es geschieht zu viel Oberflächliches und das eigentliche Thema tritt in den Hintergrund. Rahels Gedanken, Reaktionen und Handlungen auf gewisse Situationen waren mir unverständlich – als Psychologin müsste sie meiner Meinung nach anders agieren und reagieren. Zudem werden eine Fülle anderer Probleme oberflächlich angerissen (Geschlechtsidentität, Abtreibung, Suche nach unbekanntem Vater, schwieriges Mutter-Tochter-Verhältnis, sexuelle Untreue, Corona-Virus, Selbstmord etc.), von denen jedoch keines in die Tiefe geht und die einfach so stehen gelassen werden. In Erinnerung bleiben eine Uckermark-Idylle mit Badesee, ein marodes Bauernhaus, ein lahmer Storch, ein altes Pferd und eine verschwundene Katze.

Fazit: Wenn man ohne große Erwartungen an das Buch geht, dann ist es eine humorige, sehr gut geschriebene Unterhaltungsliteratur – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.03.2023

Vater und Sohn

Erstaunen
0

Nach dem Tod seiner Frau Aly muss Theo Byrne seinen 9jährigen Sohn Robin alleine großziehen. Keine leichte Aufgabe für den engagierten Astrobiologen, denn der Junge hat das Asperger-Syndrom. Er ist verhaltensauffällig, ...

Nach dem Tod seiner Frau Aly muss Theo Byrne seinen 9jährigen Sohn Robin alleine großziehen. Keine leichte Aufgabe für den engagierten Astrobiologen, denn der Junge hat das Asperger-Syndrom. Er ist verhaltensauffällig, leicht reizbar, neigt zu Wutanfällen und dreht durch, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft. Dabei ist er hochbegabt und interessiert sich brennend für Tiere und Pflanzen und deren Arterhaltung in Zeiten des Klimawandels. Theo weigert sich das Verhalten des Jungen als Krankheit zu sehen und ihm Medikamente zu geben, stattdessen fährt er mit ihm einige Tage in die Smoky Mountains in der Hoffnung, dort Besserung zu erzielen. Wieder zurück in Madison weigert sich Robin zur Schule zu gehen und das Jugendamt droht Theo mit Kindesentzug. Ein Lichtblick bietet sich dem besorgten Vater durch die neuartige Möglichkeit, die Hirnaktivität therapeutisch zu beeinflussen. Tatsächlich zeigt die Behandlung gute Erfolge – bis die Regierung dem Labor die Fördermittel streicht und weitere Experimente verbietet …

Richard Powers, geb. 1957, ist einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Er ist bekannt dafür, in seinen Werken komplexe naturwissenschaftliche und philosophische Themen zu verarbeiten. Er veröffentlichte bisher sieben Romane - mit „Erstaunen schaffte er es 2021 auf die Shortlist des Booker Prize. Der Autor lebt heute in Urbania/Illinois.

Wie in allen seinen Büchern behandelt der Autor auch in
„Erstaunen“ wieder brisante, aktuelle Themen. Neben der bewegenden Vater-Sohn-Beziehung ist es eine Liebeserklärung an die Natur - und eine Anklage an die Menschheit über den allzu sorglosen Umgang mit ihr. Wir erfahren, wie ein Astrobiologe sich Leben im Universum auf weit entfernten Planeten vorstellt und lesen kritisch über ein reaktionäres Amerika unter einem Präsidenten, dessen Handlungen uns leider noch allzu gut in Erinnerung sind.

Wie gewohnt schreibt Powers flüssig, präzise und schnörkellos und ist in der Lage, dem Leser auch die kompliziertesten naturwissenschaftlichen Vorgänge verständlich zu beschreiben. Er erzählt die Geschichte aus Sicht des Vaters, so dass man seine zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankenden Gefühle hautnah miterlebt. Neben Anlehnungen an Greta Thunbergs Aktionen zum Klimaschutz und großartigen Naturbeschreibungen erfährt man auch noch ganz nebenbei Neuigkeiten in Sachen Neurologie und Gehirnforschung.

Fazit:* Ein Buch das ich gerne weiter empfehle, da es eine Fülle von Emotionen beim Leser hinterlässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2023

Sein Leben war Mühsal und Arbeit - aber trotz allem lebenswert

Ein ganzes Leben
0

Nach dem Tod seiner Mutter kommt der etwa vierjährige Andreas Egger im Sommer 1902 auf den Hof seiner Verwandten in einem österreichischen Bergdorf. Dort erwarten das Kind harte Arbeit und viel Schläge, ...

Nach dem Tod seiner Mutter kommt der etwa vierjährige Andreas Egger im Sommer 1902 auf den Hof seiner Verwandten in einem österreichischen Bergdorf. Dort erwarten das Kind harte Arbeit und viel Schläge, was der Bub klaglos hinnimmt. Als er acht Jahre alt ist, bricht ihm der Bauer bei einer Prügelattacke das Bein, den Knochen wächst krumm zusammen und Andreas hinkt fortan. Trotzdem wird aus ihm ein besonders kräftiger junger Mann, der sich nach seinem 18. Geburtstag einem Angriff des Bauern widersetzt und ihm droht, ihn umzubringen. Er verlässt daraufhin den Hof und nimmt jede Arbeit an, bis er von dem verdienten Geld ein kleines, steiniges Grundstück mit einer Hütte oberhalb des Dorfes pachten kann. Er lernt Marie kennen, die neue Hilfskraft in der Dorfwirtschaft. Um ihr einen Heiratsantrag zu machen und eine Familie gründen zu können, arbeitet er nun beim Bautrupp der Firma, die die neue Seilbahn auf den Berg errichtet. Marie nimmt seinen Antrag an und zieht zu ihm in seine Hütte. Die beiden verbringen eine glückliche Zeit miteinander, bis das Schicksal grausam zuschlägt …

Robert Seethaler, geb. 1966 in Wien, ist ein österreichischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Schauspieler, der an Theatern in Wien, Berlin, Stuttgart und Hamburg mitwirkte. Für seine Romane erhielt er eine Reihe von Preisen und Stipendien. „Ein ganzes Leben“ stand 2016 auf der Shortlist für den Internationalen Booker Prize. Seethaler, der an einem angeborenen Augenfehler leidet (minus 17 Dioptrien), ist Vater eines 2009 geborenen Sohnes und lebt in Berlin-Kreuzberg und Wien.

Der Schreibstil des Autors ist klar und schnörkellos, dennoch einfühlsam mit sehr viel Tiefgang. Mit einfachen Worten entführt er uns in die Bergwelt zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, erzählt von dem kargen, entbehrungsreichen Leben der Bergbauern und lässt uns den allmählichen Wandel zur Moderne miterleben. Wir sind mit Andreas Egger im Krieg, erleben die Grausamkeiten russischer Gefangenschaft und seine Rückkehr ins heimische Bergdorf, wo er bald als Wanderführer sein Auskommen hat. Ohne zu jammern nimmt dieser schweigsame Mann, der stets ein Außenseiter ist, seine Schicksalsschläge hin und wir bekommen einen Eindruck davon, was ein Mensch in der Lage ist zu ertragen. Mit 79 Jahren, kurz bevor ihn ein sanfter Tod heimsucht, blickt er staunend auf sein Leben zurück – und wir staunen mit ihm.

Fazit: Eine ebenso einfache wie ergreifende Geschichte, schön und poetisch erzählt – sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere