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Veröffentlicht am 03.09.2023

Sallie setzt sich durch

Vom Himmel die Sterne
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Sallie Kincaid ist die Tochter des Duke, des mächtigsten Mannes von Claiborne County in Virginia. Ihre Mutter starb nach einem Streit mit dem Vater als Sallie fünf Jahre alt war. Sie ist acht, als sie ...

Sallie Kincaid ist die Tochter des Duke, des mächtigsten Mannes von Claiborne County in Virginia. Ihre Mutter starb nach einem Streit mit dem Vater als Sallie fünf Jahre alt war. Sie ist acht, als sie mit ihrem dreijährigen Halbbruder einen schweren Unfall hat und daraufhin das herrschaftliche Anwesen verlassen muss. Fortan wächst sie bei Tante Faye auf, einer verarmten Schwester ihrer Mutter. Neun Jahre später kehrt sie zurück und erhält von ihrem Vater die Chance, als älteste Tochter ihren Platz in der Familie zurück zu erobern. Doch dann stirbt der Duke plötzlich und Sallie sollte sein Erbe antreten. Doch sie trifft auf harte Widerstände, nicht nur in der eigenen Familie, die ebenfalls Anspruch auf das Erbe erhebt, sondern auch bei den Bürgern der Stadt. Es ist die Zeit der Prohibition, es herrscht Lynchjustiz im Land und die Männer sind nicht gewillt, eine weibliche Herrin anzuerkennen. Doch mit ihrem scharfen Verstand und mit eisernem Willen sollte es ihr gelingen, sich als würdige Nachfolgerin ihres Vaters zu erweisen …

Jeannette Walls, geb. 1960 in Phoenix/Arizona, ist eine US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin. Sie studierte am Barnard College, arbeitete als Journalistin, schrieb Kolumnen und moderierte dreimal wöchentlich eine Live-Sendung des Morgenfernsehens. Seit der Veröffentlichung ihrer Autobiographie „Schloss aus Glas“ (2006) über ihre Kindheit, die sofort zum Bestseller wurde und ihr zu internationaler Bekanntheit verhalf, arbeitet sie hauptberuflich als Autorin. „Vom Himmel die Sterne“ (2023) ist ihr vierter Roman, an dem sie laut eigener Aussage sieben Jahre gearbeitet hat. Zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller John Taylor, lebt Jeannette Walls im ländlichen Virginia.

Mit „Vom Himmel die Sterne“ ist Jeannette Walls erneut ein überzeugender Roman gelungen. Es ist zwar keine Autobiographie, dennoch habe ich den Eindruck, dass sie auch hier sehr viel ihrer Liebe zu ihrem Vater („Schloss aus Glas“ 2006) verarbeitet hat. Die Geschichte spielt in Virginia/USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Prohibition etwa Mitte der 1930er Jahre und handelt von einer einflussreichen Familie, von Schwarzbrennern und von Intrigen, Rivalität und persönlichen Konflikten. Es wird gelebt, geliebt, gemordet und gestorben. Der Schreibstil ist wie gewohnt gradlinig, klar und sachlich, trotzdem jedoch von emotionaler Tiefe. Als Leserin sind die Gefühle ganz bei Sallie, die sich selbstbewusst und intelligent der brutalen Männerwelt widersetzt und für das Wohl aller kämpft.

Fazit: Ein gut geschriebener Roman über Probleme in der Familie, über Recht und Gerechtigkeit und über Rassismus, Gewalt und Brutalität und zugleich ein Sittengemälde der USA-Südstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wer die Geschichten von Jeannette Walls liebt, wird auch hier nicht enttäuscht werden.

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Blauschmuck - Geschenke der Männer

Blauschmuck
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Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei als siebtes von zehn Kindern auf. Beinahe alle Frauen dort tragen „Blauschmuck“, ein Geschenk ihrer Männer, das sie großzügig verteilen. Einige tragen ...

Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei als siebtes von zehn Kindern auf. Beinahe alle Frauen dort tragen „Blauschmuck“, ein Geschenk ihrer Männer, das sie großzügig verteilen. Einige tragen ihn am Hals, andere wiederum an Händen, Armen, Handgelenken oder Fesseln, manche auch am ganzen Körper. Die Farbe wechselt von hellblau bis beinahe schwarz, sie ist abhängig von der Intensität der Schläge und den dafür benutzten Gegenständen. Auch Filiz wird bald Blauschmuck tragen, nachdem sie heimlich ihr Elternhaus verlassen und Yunus geheiratet hat. Statt des versprochenen Lebens in Europa ist sie nun seine Leibeigene und die Dienstmagd seiner Mutter. Anstatt Jeans trägt sie jetzt Burka, wird gedemütigt und geschlagen und gebärt ihm in den nächsten Jahren drei Kinder. Oft schlägt Yunus sie halbtot, um ihr kurz darauf seine Liebe zu beteuern. Das ändert sich auch nicht, als sie nach Österreich auswandern, wo er im Immobilienhandel viel Geld verdient. Filiz und die drei Kinder leben dort wie im Gefängnis und werden weiterhin brutal misshandelt. Als Yunus sie eines Tages beinahe totschlägt, verständigen aufmerksame Nachbarn Notarzt und Polizei …

Katharina Winkler, geb. 1979 in Wien, ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie wuchs in Oberösterreich auf, studierte an der Universität in Wien Theaterwissenschaft und Philosophie und promovierte im Fach Germanistik. Nach Schauspielstudium in Wien wirkte sie in Theater- und Filmproduktionen mit. „Blauschmuck“ ist ihr Debütroman, der 2016 erschien, internationale Preise und Auszeichnungen erhielt und in mehr als 10 Sprachen übersetzt wurde. Der Inhalt des Romans beruht auf wahren Begebenheiten. Die Autorin lebt mit ihrem Sohn in Berlin.

So schön der Titel auch klingt, umso brutaler ist die Geschichte über Gewalt, Missbrauch und Abhängigkeit in der Ehe. Es ist oftmals kaum auszuhalten wenn man bedenkt, dass die Ereignisse auf tatsächlichen Begebenheiten beruhen. Die einfache, nüchterne und reduzierte Sprache der Autorin verringert die Distanz zwischen der Protagonistin und dem Leser und gibt Filiz’s Gedanken und Gefühlen Raum. Man kann sich diesem Leid nicht entziehen, fühlt sich dem Geschehen, das man sich kaum vorstellen kann, hilflos und ohnmächtig ausgeliefert. Dabei drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob die Männer dieser Kulturen das Tragen von Burka und Totalverschleierung eventuell deshalb vorschreiben und strikt verteidigen, um ihre Gräuel- und Missetaten zu verdecken?

„Du schlägst mich tot, aber du kommst mir nicht nahe“ (S.194). Dieser Satz sagt vieles aus, über den Mut und die Stärke dieser gequälten Frau. Wie das Leben von Filiz, Yunus und den drei Kindern weiter geht, erfährt man in einem kurzen Kapitel im Nachsatz.

Fazit: Eine Geschichte die erschüttert und aufrüttelt, die im Gedächtnis bleibt und hoffen lässt, dass sich die Situation aller muslimischen Frauen irgendwann mal ändern wird.

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Veröffentlicht am 31.08.2023

Auf der Suche nach sich selbst

Tage im warmen Licht
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Nachdem der arbeitslosen 39jährigen Maria auch ihre Wohnung gekündigt wurde, zieht sie mit ihrer 13jährigen Tochter Linnea von München aufs Land, in das von ihrer Großmutter geerbte Häuschen. Dort ist ...

Nachdem der arbeitslosen 39jährigen Maria auch ihre Wohnung gekündigt wurde, zieht sie mit ihrer 13jährigen Tochter Linnea von München aufs Land, in das von ihrer Großmutter geerbte Häuschen. Dort ist sie aufgewachsen, hat den Ort mit 19 Jahren verlassen und wollte nie wieder zurückkommen. Es ist ja „nur vorübergehend“, redet sie sich ein – doch das Schicksal hat andere Pläne. Bald trifft sie ihre alten Freunde wieder, knüpft neue Freundschaften, aber die Erinnerung an das Ereignis, weshalb sie den Ort damals Hals über Kopf verlassen hatte, wird wieder lebendig. Da hilft es auch nicht, dass sie sich eigentlich recht wohl fühlt und auch Linnea sich wunderbar eingelebt hat – Maria will unbedingt wieder weg …

Die Autorin Kristina Pfister wurde 1987 in Bamberg geboren. Sie studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften in Regensburg. Für ihren Debütroman „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ wurde sie 2017 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Nürnberg.

„Tage im warmen Licht“ ist der dritte Roman der Autorin, der in ihrem gewohnt klaren, flüssigen Schreibstil und nachvollziehbarem Geschehen daher kommt. Ihre unterschwellige Spannung bezieht die Geschichte durch das oftmals angedeutete Geschehen in der Vergangenheit, das man nur vage erahnen kann. Ob das der Grund ist, dass sich Maria so oft besäuft und dann kotzt, als wüsste sie in ihrem Alter nicht um die Wirkung des Alkohols? Auch wenn ihr früher etwas Unangenehmes oder Schlimmes passiert ist, dieses Benehmen vor den Augen ihrer 13jährigen Tochter ist nicht zu tolerieren.

Die Handlung der Geschichte ist überwiegend in der Gegenwart platziert, Gedanken und Geschehnisse von früher sind dazwischen in Kursivschrift eingefügt. Marias Stimmungsschwankungen und Linneas oftmals verzweifelten Versuche ihre Mutter davon zu überzeugen, dass sie sich auf dem Lande im Kreise lieber Nachbarn und alter Freunde der Großmutter wohl fühlt, sind ganz gut wiedergegeben. Mutter und Tochter werden schnell im Freundeskreis aufgenommen. Einem Neuanfang würde somit nichts im Wege stehen, wenn Maria sich endlich öffnen und zu dem Geschehen vor zwanzig Jahren Stellung nehmen würde, anstatt immer davor wegzulaufen. Ob dies gelingt?

Fazit: Eine nett zu lesende unterhaltsame Geschichte, bei der man ab und zu schmunzeln, sich aber auch mächtig aufregen und ärgern kann.

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Veröffentlicht am 24.08.2023

Sieg der Liebe über Hass und Feindschaft

Sophia oder Der Anfang aller Geschichten
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Vor vierzig Jahren ist Salman aus seiner Heimat Syrien geflohen. Er ist jetzt verheiratet, hat einen Sohn, lebt in Rom – und hat schreckliches Heimweh nach Damaskus. Obwohl er damals vom Geheimdienst gesucht ...

Vor vierzig Jahren ist Salman aus seiner Heimat Syrien geflohen. Er ist jetzt verheiratet, hat einen Sohn, lebt in Rom – und hat schreckliches Heimweh nach Damaskus. Obwohl er damals vom Geheimdienst gesucht wurde entschließt er sich nun, seine alte Heimat, seine Eltern und seine alten Freunde, zu besuchen. Kaum dort angekommen wird ihm klar, dass er noch immer auf den Fahndungslisten steht und sein Leben in Gefahr ist. Wo kann er sich verstecken und wer kann ihm helfen das Land wieder zu verlassen? Da erinnert sich seine Mutter Sophia an ihre Jugendliebe Karim, dem sie damals das Leben gerettet hatte. Er versprach ihr einst, sollte sie irgendwann in eine Notlage geraten, ihr jederzeit unter Einsatz seines Lebens beizustehen. Jetzt ist der Moment gekommen das Versprechen einzulösen. Kann Karim Sophias Sohn Salman helfen?

Der 1946 in Damaskus geborene Autor Rafik Schami lebt seit 1971 in Deutschland. Er setzte in Heidelberg sein in Damaskus begonnenes Chemiestudium fort und schloss es 1979 mit der Promotion ab. Seine schriftstellerische Tätigkeit begann er mit Märchen und Fabeln, bevor er zu Romanen wechselte. Heute gehört er zu den bedeutendsten Autoren deutscher Sprache. Für seine Werke, die in 34 Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Schami hat die Staatsbürgerschaften von Syrien und Deutschland. Er ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt seit vielen Jahren als freier Schriftsteller in der pfälzischen Gemeinde Marnheim im Donnersbergkreis.

Mit einem Flüchtlingsschicksal im Hintergrund liefert Rafik Schami hier mit „SOPHIA oder der Anfang aller Geschichten“ ein bedrückend lebendiges, äußerst farbenprächtiges Bild von Damaskus und Syrien, einem Land in dem Diktatur und Korruption herrschen und die Angst vor dem Geheimdienst allgegenwärtig ist. Sein Schreibstil ist gradlinig und klar und beeindruckt durch seine Kritik am System und an den Machenschaften des Geheimdienstes und des korrupten Polizeiapparates. Dabei ist jedoch seine Liebe zur Heimat, zu seinem Geburtsort Damaskus, jederzeit spürbar.

Seine Protagonisten durchleuchtet er bis ins kleinste Detail und schafft es mühelos, sie menschlich erscheinen zu lassen und ihre Motivationen verständlich und nachvollziehbar zu beschreiben. Auch wenn das Buch bereits 2015 erschienen ist und die Handlung zwischen 1927 und 2011 spielt, so hat man doch jederzeit, bedingt durch die derzeitige Flüchtlingskrise, den Eindruck aktuellsten Geschehens. Allerdings fand ich es doch ziemlich seltsam, dass beinahe alle Männer der verschiedenen Familien es bis zu Millionären geschafft hatten, oder doch mindestens gut betucht waren – beinahe so, als ob es in Syrien oder im Libanon keine Armut gäbe. Viel Vergnügen jedoch bereiteten mir die Frauen der Geschichte, die durchwegs mit einer starken Persönlichkeit und unbeugsamen Willen ausgestattet sind und ihrer Liebe, allen Konventionen zum Trotz, den Vorrang geben.

Fazit: Eine spannende, anspruchsvolle und informative Geschichte, die fesselt, aufwühlt und betroffen macht. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 17.08.2023

Bücher und Freunde

Der Buchspazierer
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Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit ...

Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit Hingabe, kennt er doch jeden persönlich und weiß um seinen Lesegeschmack. Eines Tages schließt sich ihm Schascha, ein neunjähriges Mädchen, an. Sie nennt Carl nur den „Buchspazierer“. So sind sie Abend für Abend unterwegs in den alten Gassen der Stadt und bald freuen sich Kollhoffs Kunden nicht nur auf ihre bestellten Bücher, sondern haben auch das aufgeweckte Mädchen ins Herz geschlossen. Doch dann geschieht etwas, das ihre gewohnte Routine durcheinander bringt …

Carsten Henn, geb. 1973 in Köln, ist ein deutscher Autor, Dramatiker und Journalist. In Köln und Adelaide/Australien studierte er Völkerkunde, Soziologie und Geographie mit dem Magisterabschluss. Danach war er bis 2008 in der Verwaltung seiner Heimatstadt Hürth angestellt, konzentriert sich jedoch seitdem nur noch auf seine schriftstellerische und journalistische Arbeit. Er schreibt hauptsächlich Kriminalromane und Sachbücher über Weinbau. Sein Roman „Der Buchspazierer“ erreichte Platz 6 auf der Jahresbestsellerliste 2021. Henn wohnt in Hürth und bewirtschaftet an der Mosel einen Weinberg, wo er seinen eigenen Wein anbaut.

Dieser märchenhafte, warmherzig geschriebene Roman spricht besonders all jene Leser an, die verrückt nach Büchern sind und gerne in Buchhandlungen stöbern. Auch wenn die Handlung nicht ganz überzeugen kann, so sprechen doch die dazwischen erwähnten Buchtitel und Zitate jeden Buchliebhaber an. Ein paar unerwartete Wendungen und das phantasievolle Ende sind weitere angenehme Pluspunkte. Doch wie es auch im Leben ist, ein paar Schattenseiten werden ganz nebenbei auch angesprochen. Analphabetismus, häusliche Gewalt, Einsamkeit und Armut im Alter sind ebenso erwähnenswerte Themen, wie auch die prekäre Lage vieler kleiner örtlicher Buchhandlungen.

Fazit: Keine große Literatur, aber eine nett zu lesende Geschichte über die Macht der Bücher, die Menschen verbindet und zu Freunden machen kann.

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