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Veröffentlicht am 25.09.2022

Sie nannten sie Marschmädchen

Der Gesang der Flusskrebse
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Mit Blutergüssen und Platzwunden im Gesicht, die vom letzten Wutausbruch ihres jähzornigen Mannes stammen, verlässt die Mutter frühmorgens für immer die armselige Hütte – zurück bleiben fünf Kinder. Auch ...

Mit Blutergüssen und Platzwunden im Gesicht, die vom letzten Wutausbruch ihres jähzornigen Mannes stammen, verlässt die Mutter frühmorgens für immer die armselige Hütte – zurück bleiben fünf Kinder. Auch die ergreifen nach und nach die Flucht, bis die sechsjährige Kya noch alleine mit dem alkoholkranken Vater zurückbleibt. Sie ist zu jung um auch abzuhauen, hat aber gelernt sich vor den Gewaltexzessen des Vaters zu schützen, indem sie sich in den Weiten der Marschlandschaft North Carolinas versteckt. Irgendwann ist dann auch der Vater verschwunden, Kya ist nun allein und muss lernen, in und mit der Natur zu überleben. Die Jahre vergehen, sie wächst zur jungen Frau heran und bald interessieren sich auch die jungen Männer des Dorfes für die seltsame Einsiedlerin. Dann wird eines Tages der allseits beliebte Chase Andrews tot im Sumpf aufgefunden. Unfall oder Mord? Der Verdacht fällt auf das „Marschmädchen“, wie sie von allen genannt wird. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt …

Delia Owens, geb. 1949 als Cordelia Dykes in Thomasville, Georgia, ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Zoologin. Nach ihrer Schulzeit studierte sie an der University of Georgia in Athens und an der University of California in Davis Zoologie und Animal Behavior, was sie mit einem Bachelor of Science abschloss. 1972 heiratete sie den Biologen Mark Owens. „Der Gesang der Flusskrebse“ ist ihr Debütroman, der 2019/2020 monatelang die internationalen Bestsellerlisten anführte.

Die Autorin befasst sich hier nicht, wie es ihr Beruf und Buchtitel vermuten lassen, überwiegend mit der Tierwelt, sondern mehr mit der Erbarmungslosigkeit des Verlassenwerdens, der Einsamkeit und dem Überlebenswillen eines kleinen Mädchens. In Zeitsprüngen und Rückblenden verdeutlicht sie, wie Kya zu einer ungewöhnlichen und äußerst intelligenten Frau heranreift, in welchem Verhältnis diese zu dem Toten im Sumpf stand und wie dieser zu Tode kam. Neben dieser gut konstruierten Kriminalgeschichte ist es auch ein Buch über eine unvergleichliche Landschaft, den Sümpfen der Küstenregion North Carolinas, mit seinen Salzwiesen und Sandbänken, wo die Grenze zwischen Land und Wasser fließend ist.

Dieses Buch ist eines der wenigen, die mich von Anfang an gefesselt haben. Allein das Heranwachsen des kleinen Mädchens zur jungen Frau und ihre vielfältigen Erlebnisse in der Natur beinhalten bereits eine geheimnisvolle Spannung, hinzu kommen noch die Ermittlungen im Todesfall des jungen Mannes, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Der Schreibstil ist beeindruckend, ein angenehm flüssiger Sprachrhythmus, gepaart mit einer gut konstruierten Story und wunderbaren Landschaftsschilderungen, intensiv und atmosphärisch beschrieben, mit einem nicht vorhersehbaren Ende – kurzum, ein ganz besonderes Lesevergnügen!

Fazit: Literatur wie sie sein soll, ernsthaft und trotzdem unterhaltend – sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 22.09.2022

Kann man dem Schmerz und der Trauer entfliehen?

Insel im Sommer
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Er war nicht mehr er selbst, seit er eines Morgens seinen Sohn tot auffand. Der Schmerz war so groß, dass er sich komplett in sich zurück zog und niemanden mehr an sich ran ließ. So verlor er alle Freunde ...

Er war nicht mehr er selbst, seit er eines Morgens seinen Sohn tot auffand. Der Schmerz war so groß, dass er sich komplett in sich zurück zog und niemanden mehr an sich ran ließ. So verlor er alle Freunde und auch seine Frau verließ ihn. Dieser Zustand änderte sich jedoch allmählich, nachdem er eines Tages von einer fremden Frau angesprochen wurde. Ihr Wesen berührte in tief im Inneren, er ließ eine Freundschaft zu, die bald in Liebe überging. Doch dann stellte sie ihm eine Forderung, die zu erfüllen er nicht bereit war. Auf der Flucht vor sich selbst reist er zunächst nach Paris und dann nach Südfrankreich, Orte, an denen er mit seinem Sohn glücklich war. Er wohnt dort bei Freunden, die einzigen die ihm noch verblieben sind, und findet endlich so etwas wie inneren Frieden. Doch erst ein kleines Mädchen öffnet ihm die Augen für eine neue Dimension der Wahrnehmung …

Wolfgang Hermann ist ein österreichischer Schriftsteller. Er wurde 1961 in Bregenz geboren, wuchs in Dornbirn (Vorarlberg) auf, studierte Philosophie in Wien, wo er 1986 mit einer Arbeit über Friedrich Hölderlin zum Doktor promovierte. Seit 1987 ist er freier Schriftsteller und schreibt Prosa, Lyrik, Theaterstücke und Hörspiele. Seine Publikationen wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Wolfgang Hermann ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und lebt heute in Wien.

Es ist schier unglaublich, wie leicht und lebendig man über ein so ein ernstes Thema schreiben kann. In wunderbarer, schon beinahe poetischer Sprache, führt uns der Autor durch den Schmerz und das Leid eines großen Verlustes zu einem hoffnungsvollen Neubeginn. Es entsteht eine ganz besondere Atmosphäre die den Protagonisten, und mit ihm den Leser, aus dem schwarzen Loch der Leere allmählich ins helle Licht einer schrittweisen Genesung und Verheißung auf bessere Tage holt. Man spürt die Leichtigkeit des südfranzösischen Klimas, fühlt den Sommerwind und riecht beinahe den Duft der Kräuter – und das alles auf gerade mal 70 Seiten.

Fazit: Das dünne Buch liegt leicht in der Hand, sein literarisches Gewicht ist jedoch beachtlich.

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Ausbeutung oder doch Liebe?

Jahre mit Martha
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Zeljko, der sich gerne Jimmy nennen lässt, wohnt mit seinen Eltern und Geschwistern in Ludwigshafen. Die Einwandererfamilie aus Bosnien lebt sehr bescheiden in einer kleinen Wohnung, der Vater ist ständig ...

Zeljko, der sich gerne Jimmy nennen lässt, wohnt mit seinen Eltern und Geschwistern in Ludwigshafen. Die Einwandererfamilie aus Bosnien lebt sehr bescheiden in einer kleinen Wohnung, der Vater ist ständig unterwegs auf Montage und die Mutter ist mit ihren drei Putzstellen auch vollauf beschäftigt. Eine dieser Putzstellen ist bei Martha Gruber, einer 40jährigen verheirateten Professorin mit einem Kind, die in Heidelberg wohnt. Eines Tages, Jimmy ist 15 Jahre alt, lernt er Martha kennen - und ist sofort von ihr begeistert, ja er verliebt sich in sie. Sie hat alles, was er nicht hat: Geld, Bildung, Lebensart, Bücher und viel Selbstbewusstsein. Auch Martha ist von dem Jungen angetan und bemüht sich sehr um ihn. Sie lädt ihn ins Theater ein, schenkt ihm Bücher und verbringt viel Zeit mit ihm. Es beginnt eine seltsame Liebesbeziehung zwischen den beiden …

Martin Kordić wurde 1983 in Celle geboren und wuchs in Mannheim auf. Er studierte in Hildesheim und Zagreb. Seit über zehn Jahren arbeitet er als Lektor in Buchverlagen, zunächst in Köln, heute in München. Für seinen Debütroman „Wie ich mir das Glück vorstelle“ erhielt er den Albert-von Chamisso-Förderpreis sowie die Alfred-Döblin-Medaille. „Jahre mit Martha“ ist sein zweiter Roman. Quelle: Fischerverlag

Dieses Buch zu beurteilen fällt mir ausgesprochen schwer. Der Schreibstil ist zweifellos sehr ansprechend, die Geschichte liest sich angenehm flüssig und hätte schon aus diesem Grund eine gute Bewertung verdient – inhaltlich jedoch bin ich zwiegespalten. Dass sich ein unreifer Junge in eine sehr viel ältere Frau verliebt mag ja noch angehen, aber dass dann die Frau Professorin den Jungen förmlich anlockt, ihn für kleine Gefälligkeiten großzügig bezahlt und ihm später sogar ihre Kreditkarte zur unbeschränkten Verfügung überlässt, finde ich doch recht unglaubwürdig. Das nenne ich Prostitution unter umgekehrten Voraussetzungen - so etwas kann sich doch nur ein Mann ausdenken. Dass dann der junge Mann während seiner Studienzeit auch noch ein homosexuelles Verhältnis hat, währenddessen aber Marthas Kreditkarte fleißig weiter benutzt, ist schon grenzwertig. Dies alles hat mit Liebe, wie das Buch suggerieren möchte, nichts zu tun. Ein weiterer Kritikpunkt für mich ist, dass Jimmy für alles was ihm widerfährt seinen Migrationshintergrund verantwortlich macht, anstatt dankbar zu sein, dass die Familie in Deutschland leben darf. Sicher, sie müssen hart arbeiten, wenn sie es zu einem gewissen Wohlstand bringen wollen – aber das müssen alle anderen auch, auch ohne staatliche Hilfe. Diese Art von Selbstmitleid ist mir zuwider.

Fazit: Aufgrund des gefälligen Schreibstils gebe ich dem Buch deshalb wohlwollende drei Sterne.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Wenn das Gewissen über den Verstand siegt …

Untrennbar zerrissen
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Georg ist jetzt Mitte vierzig, verheiratet, Vater zweier Mädchen und Schriftsteller. Tagsüber schreibt er Geschichten und Romane und, wenn es seine Gesundheit gerade erlaubt, versorgt er nebenbei noch ...

Georg ist jetzt Mitte vierzig, verheiratet, Vater zweier Mädchen und Schriftsteller. Tagsüber schreibt er Geschichten und Romane und, wenn es seine Gesundheit gerade erlaubt, versorgt er nebenbei noch seine Kinder. Vor vielen Jahren, als er gerade 18 war, geschah ein Unglück, bei dem sein kleiner Bruder sein Leben verlor. Georg fühlt sich schuldig an seinem Tod, sein Schmerz ist übermächtig, und er meint, er hätte es verhindern können. Er leidet seither an schweren Depressionsanfällen mit Angststörungen und ist ständiger Gast beim Psychologen und in Nervenheilanstalten. Sein Verstand sagt ihm zwar, dass er im Hier und Heute lebt, sein Gewissen jedoch führt ihn jede Nacht ins Damals zurück, ins Jahr 1991. In seinen sehr realen nächtlichen Träumen lebt sein Bruder noch und Georg versucht alles, diesen Zustand aufrecht zu erhalten …

Georg Haderer, geb. 1973 in Kitzbühel (Tirol) ist ein österreichischer Autor von Kriminalromanen. Nach dem Besuch des Gymnasiums in St. Johann (Tirol) und einem abgebrochenen Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Schuhmacher. Nebenbei jobbte er auch als Redakteur, Barkeeper, Landschaftsgärtner und Skilehrer. Heute lebt Haderer in Wien und arbeitet neben dem Krimischreiben auch als Werbetexter. „Untrennbar zerrissen“ ist sein erster autofiktionaler Roman über seine psychische Gesundheit und seine Rolle als Vater.

Wie geht man damit um wenn man glaubt, man hätte den Tod des Bruders verhindern können? Wie lebt es sich im Heute, wenn das Gestern zu sehr belastet und ein Morgen nicht mehr denkbar ist? Der Autor versucht diese Fragen zu lösen, indem er sich jede Nacht in selbsthypnotischen Träumen auf eine Zeitreise begibt. Er lebt wieder im Elternhaus, wird wieder zum Sohn seines Vaters und zum großen Bruder, erlebt Nacht für Nacht die Gedanken und Gefühle seines 18jährigen Ichs und weiß, dass sein kleiner Bruder schon bald ums Leben kommen wird. Wie Sisyphos mit seinem Stein, so kämpft Georg mit seinen Gefühlen.

Dass auch ein Autor von Kriminalromanen ausgezeichnete Literatur schreiben kann, hat Georg Haderer hier bewiesen. Schonungslos setzt er sich mit sich selbst auseinander, kehrt sein Inneres nach außen und zieht so seine Leserschaft in den Bann. Er nimmt uns mit in seine Parallelwelt, in die 1990er nach Kitzbühel zu seinen Eltern und in die Gegenwart nach Wien, wo er mit seiner Familie lebt. Dadurch entstand für mich eine subtile Spannung, ein Sog, der mich immer tiefer in das Geschehen zog und hoffen ließ, dass Georg letztendlich in der Lage wäre, das Unglück noch abzuwenden.

Fazit: Eine Biografie, ein autofiktionaler Roman, bei dem Realität, Fiktion und Illusion verschwimmen – großartig gemacht, sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 30.08.2022

Auf der Suche nach dem passenden Mann

Ich liebe was, was du nicht siehst
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Franziska und Paula sind Freundinnen, beide sind Mitte dreißig und arbeiten im gleichen Callcenter – und beide sind momentan ohne Mann. Das soll sich möglichst bald ändern, deshalb fahren sie, ohne zu ...

Franziska und Paula sind Freundinnen, beide sind Mitte dreißig und arbeiten im gleichen Callcenter – und beide sind momentan ohne Mann. Das soll sich möglichst bald ändern, deshalb fahren sie, ohne zu wissen was sie erwartet, nach Bad Örzen an der Schlurf zu einem mehrtägigen „Transformations-Seminar“. Dort angekommen gibt es für die beiden reichlich zu nörgeln. Die Unterkunft ist alt und einfach, die anderen Kursteilnehmen sind nicht wie erwartet und zu allem Überfluss kreuzt auch noch ihr Chef samt Freundin auf …

Die Autorin Mia Blumkist ist nach eigenen Angaben an den Rändern der deutschen Sprache (Österreich?) aufgewachsen. Ursprünglich wollte sie Seiltänzerin werden, heute arbeitet sie jedoch als Werbetexterin. Sie schreibt gerne und viel – „Ich liebe was, was du nicht siehst“ ist ihr erster Roman.

Die Idee, zwei Frauen jenseits des Teenager-Alters sind beste Freundinnen, fand ich sehr gut – leider jedoch konnte mich die Umsetzung nicht befriedigen. Die Freundschaft der beiden war für mich nicht glaubwürdig. Paula bestimmte das Geschehen und Franziska tat alles, um sie zufrieden zu stellen – Freundschaft sieht für mich anders aus. Die Autorin lässt Franziska als Ich-Erzählerin berichten, so dass man die Ereignisse immer aus erster Hand erfährt. Der Schreibstil ist ganz annehmbar, jedoch manche Szenen wirken sehr übertrieben. Einige Passagen die witzig sein sollten, fand ich auch nicht ganz geglückt. Dennoch ein Buch, das an verregneten Urlaubstagen eine annehmbare Unterhaltung bietet.

Fazit: Eine unterhaltsame Geschichte, ganz nett für zwischendurch.

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