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Veröffentlicht am 04.08.2018

Drei Frauen – drei Schicksale …

Alligatoren
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In den Sümpfen von South Carolina, 1924: Eine armselige Hütte, vier Kinder, nichts zu essen und einen gewalttätigen, ständig besoffenen Mann - das ist Gertrudes Leben. In ihrer Verzweiflung bringt sie ...

In den Sümpfen von South Carolina, 1924: Eine armselige Hütte, vier Kinder, nichts zu essen und einen gewalttätigen, ständig besoffenen Mann - das ist Gertrudes Leben. In ihrer Verzweiflung bringt sie die drei ältesten Mädchen ins nahe Dorf zu ihrem Bruder Berns, wo sie ihm auf den Baumwollfeldern helfen sollen. Berns schickt Gertrude zu Annie Coles, in deren Fabrik sie die Stelle einer verstorbenen Näherin erhält und die ihr gleichzeitig ein kleines Häuschen zur Miete überlässt. Die 6jährige kranke Mary gibt Gertrude bei Oretta ab, einer Schwarzen, die bei Annie Haushälterin ist und die für ihre Heilkünste bekannt ist. Nun kann sie sich, mit einer Flinte bewaffnet, zurück auf den gefährlichen Weg durch den Sumpf machen, um ihre paar Habseligkeiten in dem alten Zuhause zu holen. Plötzlich bleibt sie wie angewurzelt stehen, ein riesiger Alligator versperrt ihr den Weg – sie legt an, ein Geräusch, ihr Mann torkelt heran, die Bestie bewegt sich, ein Schuss fällt …

So aufregend beginnt „Alligatoren“, der erste Roman von Deb Spera, der Leiterin eines amerikanischen TV-Produktions-Unternehmens. Sie wuchs in Louisville, Kentucky, auf. Deb Spera veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten in namhaften Journalen und war Finalistin des Montana Literaturpreises und zweimalige Finalistin des Kirkwood Literaturpreises. Heute lebt sie mit Mann und zwei ihrer drei Kinder in Los Angeles.

Gertrude, Annie und Oretta, drei starke Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können, deren Schicksal jedoch eng miteinander verwoben ist. Eins haben sie gemeinsam, sie wollen ihr Leben selbst bestimmen, frei und unabhängig sein:

Annie scheint alles erreicht zu haben. Sie ist mit einem reichen Plantagenbesitzer verheiratet und hat ihre eigene kleine Fabrik. Doch sie hat einen Feind, da wo sie es nicht vermutet und auch lange nicht wahrhaben will, was ihrem jüngsten Sohn bereits das Leben kostete, ihre Mädchen vertrieben hat und auch sie in Todesgefahr bringt. – Oretta, Annies schwarze Haushälterin, besitzt viel Lebensweisheit und wird von metaphysischen Wahrnehmungen heimgesucht. Die Sklaverei ist zwar abgeschafft, dennoch hat sie unter ihrer Hautfarbe zu leiden. Von allen Seiten erfahren sie und ihr ebenfalls schwarzer Mann Demütigungen, Vorurteile von Weißen sind alltäglich. – Gertrude hat nichts als Sorgen, täglich muss sie ums Überleben für sich und ihre vier Mädchen kämpfen. Außerdem führt sie einen schier aussichtslosen Kampf gegen die Natur, gegen ihr Umfeld und gegen ihr Gewissen …

Ein großes Lob gebührt der Autorin für dieses Erstlingswerk. Es gelingt ihr großartig, die Atmosphäre der Südstaaten Mitte der 20er Jahre wiederzugeben und den Figuren Leben einzuhauchen. Kapitelweise abwechselnd lässt sie die Frauen selbst zu Wort kommen, was dem Buch eine authentische Lebendigkeit verleiht. Der Schreibstil ist sehr ausdrucksstark und angenehm flüssig, Aktionen und Landschaften sind anschaulich erfasst und treffend in Szene gesetzt. Die Handlung ist solide konstruiert mit etlichen dramatischen Wendungen, schonungslos offen und erschreckend, die dem Geschehen eine völlig neue, tragische Richtung verleihen und zu einem unerwarteten Ende führen.

Fazit: Eine ergreifende Geschichte, spannend und mitreißend – ein wundervolles Buch!

Veröffentlicht am 19.07.2018

Überleben und weitermachen …

Der Sprengmeister
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Eine Zündung zur falschen Zeit und das Leben des jungen Sprengmeisters Oskar Johansson nimmt einen ganz anderen Verlauf. Schrecklich entstellt und von seiner Freundin verlassen sieht er zunächst keine ...

Eine Zündung zur falschen Zeit und das Leben des jungen Sprengmeisters Oskar Johansson nimmt einen ganz anderen Verlauf. Schrecklich entstellt und von seiner Freundin verlassen sieht er zunächst keine Zukunft – bis er Elvira kennen lernt. Die beiden heiraten, bekommen drei Kinder, und führen ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben. Oskar ist weiterhin als Sprengmeister beschäftigt und ist nebenbei politisch aktiv. Nach Elviras Tod kauft er in den Schären ein Saunahäuschen, wo er zukünftig die Sommer in aller Abgeschiedenheit beim Fischfang verbringt. Gelegentlich erhält er Besuch, dem er einiges aus seinem Leben erzählt. Nicht alles, nicht zu viel, an manches will er sich auch gar nicht mehr erinnern - Oskar hat sein eigenes Tempo. So vergeht die Zeit, so vergeht ein Leben …

„Der Sprengmeister“ ist der erste Roman des später weltberühmten Autors Henning Mankell (1948-2015). Die schwedische Originalausgabe erschien erstmals 1973. Schon hier zeigt sich Mankells Neigung zu sozialkritischen Themen und das einfühlsame Übermitteln von Problemen benachteiligter Menschen. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges über Schwedens Politik und das Weltgeschehen zwischen 1911 und 1962.

Der Schreibstil gefällt mir außerordentlich gut. Kurze prägnante Sätze, kein Wort zu viel – und dennoch ist alles klar verständlich. In rascher Folge wechseln die Zeiten, mal ist Oskar Johansson ein junger Mann, mal in hohem Alter – aber man weiß immer sofort, in welchem Abschnitt seines Lebens man sich befindet. Mankell lässt den Sprengmeister nur ganz sporadisch selbst erzählen, meist berichtet ein Freund oder eine dritte, unabhängige Person, über ihn. Oftmals sind wir auch Zeuge eines Gesprächs zwischen Oskar und einer anderen Person, was aber, entsprechend Oskars Mentalität sehr knapp und auf das Wesentliche beschränkt, ausfällt. Am Ende jedoch kennt man seine ganze Geschichte, erfasst sein ganzes Leben.

Fazit: Ein großartiges Buch, ein bei uns bisher unentdeckter Schatz, in dem das Können des damals 25jährigen Henning Mankell bereits sehr gut erkennbar ist.

Veröffentlicht am 07.07.2018

Ein Kommissar am Tiefpunkt …

Weißglut
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Kriminalkommissar Axel Steen ist am Tiefpunkt angelangt – von Frau und Kind verlassen hat er ohne Haschisch seine Ängste nicht mehr im Griff und zu allem Unglück wird auch noch der neue Mann an der Seite ...

Kriminalkommissar Axel Steen ist am Tiefpunkt angelangt – von Frau und Kind verlassen hat er ohne Haschisch seine Ängste nicht mehr im Griff und zu allem Unglück wird auch noch der neue Mann an der Seite seiner Ex, Jens Jessen, sein neuer Vorgesetzter. Mitten in diesem Chaos bekommt er einen neuen Fall, die Vergewaltigung einer jungen Frau, der ihn an den ungeklärten, vier Jahre zurück liegenden, Mordfall eines 18jährigen Mädchens erinnert. Als auch noch die DNA des Täters übereinstimmt, ist Steen wild entschlossen, den sadistischen Vergewaltiger und Mörder zu finden. Dazu ist ihm jedes Mittel recht, er ergreift dabei auch illegale Maßnahmen und zieht sich das Missfallen seiner Kollegen zu …

Nach „Unruhe“ ist „Weissglut“ der zweite Fall für Kommissar Axel Steen, „Bedrängnis“ und „Aisha“ folgen. Eine Verfilmung der ersten drei Bände ist in Planung. Autor dieser erfolgreichen Serie ist der dänische Journalist Jesper Stein, der in Kopenhagen als Kriminalreporter tätig ist. Er lebt in Nørrebro, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Jesper Stein ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem »Goldenen Lorbeer«, dem wichtigsten dänischen Literaturpreis. (Kiepenheuer & Witsch)

Obwohl ich Kommissar Steen ziemlich unsympathisch fand, war ich von dem Buch gefesselt. Der Leser erhält Einblick in die alltägliche, realistische Polizeiarbeit, die sehr von manch anderen Krimis abweicht. Auch Polizisten können drogenabhängig werden, auch sie können Probleme haben, auch sie verstehen sich nicht immer mit ihren Kollegen und können verschiedener Meinung sein. Viele falsche Spuren führen sowohl die Ermittler als auch den Leser in die Irre und lassen sie lange Zeit im Dunkeln tappen.

Sehr gut gefallen hat mir der Schreibstil des Autors. Bildhaft und einprägsam, aber trotzdem realistisch, beschreibt er seine Protagonisten und zeichnet ein exaktes Bild Kopenhagens im Hochsommer bei flirrender Hitze. Dennoch ist die Grundstimmung düster und die Atmosphäre bedrückend, man vergisst namlich nie, dass ein sadistischer Serientäter sein Unwesen treibt.

Fazit: Ein Krimi der mich überzeugt hat, fesselnd und glaubhaft, den ich mit gutem Gewissen weiter empfehlen kann.

Veröffentlicht am 17.06.2018

Glückliche Jahre in Paris

Paris, ein Fest fürs Leben
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Als Ernest Hemingway im Jahre 1956 mit seiner vierten Ehefrau Mary Paris besuchte, ließ er sich im Hotel „Ritz“ seinen Koffer aushändigen, den er dreißig Jahre zuvor dort im Keller deponiert hatte. Er ...

Als Ernest Hemingway im Jahre 1956 mit seiner vierten Ehefrau Mary Paris besuchte, ließ er sich im Hotel „Ritz“ seinen Koffer aushändigen, den er dreißig Jahre zuvor dort im Keller deponiert hatte. Er enthielt Skizzen, Aufzeichnungen und Tagebücher über die Zeit, als er mit seiner ersten Ehefrau Hadley in Paris lebte. Dieses Material bildete die Grundlage seiner Biografie über die Zeit von 1921 bis 1926, an der er dann bis zu seinem Selbstmord 1961 arbeite. Das Ergebnis wurde posthum 1964 unter dem Titel „A Moveable Feast“ veröffentlicht und erschien erstmals 1965 bei Rowohlt unter dem Titel “Paris – Ein Fest fürs Leben“.

Es war wohl für Hemingway eine unbeschwerte, glückliche Zeit in Paris, als er sich entschlossen hatte, nicht mehr als Journalist zu arbeiten, sondern sich nur seiner Schreibkunst zu widmen. Geld war zwar knapp und öfters wurde auch gehungert, wenn er aber eine Geschichte verkaufen konnte, wurde ordentlich gefeiert. Man trank Champagner, ging in die besten Restaurants zum Essen und vergnügte sich auf der Rennbahn. Die Winter verbrachte das Paar in Schruns/Vorarlberg beim Skilaufen. Das Geld hierzu wurde oftmals von Freunden geliehen. Freunde hatte Hemingway während dieser Zeit reichlich. Da war zunächst Gertrude Stein. Die Freundschaft zu ihr war ihm anfangs sehr hilfreich, als er sie jedoch nicht mehr benötigte, brach er den Kontakt ab. Weitere mehr oder weniger gute Freunde waren Ezra Pound, Scott Fitzgerald, T.S. Eliot und zeitweise auch James Joyce.

Hemingway zeichnet hier ein atmosphärisch dichtes Bild von Paris in den 20ern und seiner Bewohner. Er hat dabei ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Sehr warmherzig schreibt er über seine Freunde und erwähnt auch einige Male liebevoll seine Frau und seinen Sohn. Die ganze Schilderung ist von gelassener Heiterkeit und hoffnungsvoller Zuversicht durchdrungen, von der schwierigen finanziellen Situation und der drückenden Armut ist wenig zu spüren. Lebendige Dialoge und detaillierte Beschreibungen vermeintlicher Belanglosigkeiten runden den guten Gesamteindruck ab.

Fazit: Ein interessanter Abschnitt aus Hemingways Leben – für Leser die ihn und seine Bücher mögen beinahe ein Muss!

Veröffentlicht am 03.06.2018

Falsche Zeit – falscher Ort …

Das Geheimnis des Goldschmieds
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Nur eine Frau hat der erfolgreiche Goldschmied jemals in seinem Leben geliebt. Jetzt, 1999, befindet sich der namenlose Erzähler auf dem Weg in das Dorf seiner Kindheit und Jugend, um Abschied zu nehmen ...

Nur eine Frau hat der erfolgreiche Goldschmied jemals in seinem Leben geliebt. Jetzt, 1999, befindet sich der namenlose Erzähler auf dem Weg in das Dorf seiner Kindheit und Jugend, um Abschied zu nehmen von seinen Erinnerungen. Drei Monate dauerte damals, 1974, seine leidenschaftliche Affäre als 19jähriger mit Celia, einer wesentlich älteren Frau. Dann verließ sie ihn und brach ihm das Herz, genau wie ihres 20 Jahre zuvor gebrochen wurde, als ihr Verlobter nicht zur Hochzeit erschien.

Als der Mann im Dorf ankommt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, plötzlich befindet er sich in den fünfziger Jahren. Dort begegnet er einem jungen Mädchen, das ihm seltsam vertraut ist. Die beiden verlieben sich leidenschaftlich ineinander und planen ihre Hochzeit. Am Tag vor der Trauung beginnt das Drama, das Schicksal nimmt seinen Lauf …

Die spanische Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Elia Barceló wurde 1957 in der Provinz Alicante geboren. Sie studierte in London, München, Paris, Florenz, Rom und Innsbruck und schrieb etliche Romane, Kurzgeschichten und Jugendbücher, von denen einige in Deutsch übersetzt wurden. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Heute lebt die zweifache Mutter mit ihrem österreichischen Mann in Innsbruck und unterrichtet an der dortigen Universität.

„Das Geheimnis des Goldschmieds“ ist ein wunderbares kleines Buch voller Poesie, eine kurze, intensive Geschichte über die Suche nach einer verflossenen Liebe, über Sehnsucht und Treue. Gekonnt spricht die Autorin die Fantasie des Lesers an und spielt dabei mit den Zeiten, die sie geschickt verschachtelt und ineinander überfließen lässt. Man fühlt sich in einer Zeitschleife gefangen und hofft nach den knapp 100 Seiten, dass das Wunder 1999 um Mitternacht auf der Dachterrasse doch noch geschehen wird …

Fazit: Ein Kabinettstückchen der Erzählkunst, ein Lesevergnügen der besonderen Art, eine Geschichte, die sich angenehm von den üblichen abhebt.