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Veröffentlicht am 05.11.2022

Resignieren oder aufbegehren?

Unsre verschwundenen Herzen
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Wir befinden uns in naher Zukunft in den USA. Das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, an der die asiatischen Staaten die Schuld tragen sollen. Alle Menschen mit asiatischen Wurzeln werden verfolgt, ...

Wir befinden uns in naher Zukunft in den USA. Das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, an der die asiatischen Staaten die Schuld tragen sollen. Alle Menschen mit asiatischen Wurzeln werden verfolgt, ihre Kinder werden abgeholt und bei Pflegeeltern untergebracht. Der zwölfjährige Noah, der sich selbst gerne Bird nennen lässt, lebt alleine mit seinem Vater – seine Mutter Margaret Miu, die asiatische Vorfahren hat, hat die Familie zu deren Sicherheit bereits vor Jahren heimlich verlassen. Eines Tages erhält Bird einen Brief ohne Absender, der nur eine seltsame Zeichnung enthält. Bird vermutet darin eine Nachricht seiner Mutter und macht sich auf die Suche nach ihr …

Celeste Ng ist eine us-amerikanische Schriftstellerin. Sie wurde 1980 in Pittsburgh als zweite Tochter ihrer aus Hongkong eingewanderten Eltern geboren. An der Harvard University und an der University of Michigan studierte sie Englisch und Kreatives Schreiben. Vor „Unsre verschwundenen Herzen“ schrieb Celeste Ng bereits zwei Romane, die auch international viel Beachtung fanden.

Der Anfang der Geschichte lässt sich sehr gut an: ein alleinerziehender Vater, die Mutter spurlos verschwunden, der Junge mit nur vager Erinnerung an sie. Als Leser ist man sofort im Sog des Geschehens da man erfahren und verstehen möchte, warum sie ihre Familie verlassen hat. Auf der Suche nach seiner Mutter entdeckt Bird die Bibliothek als Ort des konspirativen Widerstandes und erfährt dort einige Episoden aus seiner Kindheit. Er erkennt auch, dass die verwendete Parole der Widerstandsbewegung aus einem Gedicht seiner Mutter stammt und ihn zu ihr führen könnte. Hoffnung auf eine bessere Zukunft ohne Angst keimt auf.

Die Geschichte ist aus verschiedenen Blickwinkeln geschrieben, ohne die wörtliche Rede besonders hervorzuheben. Leider entsteht dadurch etwas Verwirrung da nicht immer klar zu erkennen ist, welche Person und wessen Gedankengänge gerade zu Wort kommen. Birds Gefühle sind klar zu erfassen und nachvollziehbar, während die Gefühlswelt der Mutter für mich rätselhaft und unverständlich ist. Einige Aspekte der Geschichte, wie z.B. die Ursachen die zu der Krise im Land führten, bleiben undurchsichtig und werden nicht näher erläutert. Durch häufig eingefügte Rückblenden auf frühere Begebenheiten zieht sich die Spurensuche nach Birds Mutter sehr in die Länge. Das Ende der Geschichte von Bird und seiner Mutter ist sehr gut gelöst, unbefriedigend und zum Nachdenken anregend, aber genau passend – und vieles bleibt weiterhin ungeklärt und rätselhaft.

Fazit: Ein dystopischer Roman der eine Gegenwart beschreibt, die unsere Zukunft sein könnte. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 06.10.2022

Zwei Familien – ein Jahrhundert

Über Carl reden wir morgen
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Anton und Rosa Brugger waren die einzigen überlebenden Kinder ihrer Eltern. Ihr Lebenslauf war bereits vorgezeichnet, Anton war der Erbe der Hofmühle im österreichischen Mühlviertel und sollte sie später ...

Anton und Rosa Brugger waren die einzigen überlebenden Kinder ihrer Eltern. Ihr Lebenslauf war bereits vorgezeichnet, Anton war der Erbe der Hofmühle im österreichischen Mühlviertel und sollte sie später an seinen Sohn übergeben, während Rosa heiraten sollte. Sie geht aber lieber als Dienstmädchen nach Wien, was ihr jedoch kein Glück bringt. Anton heiratet mit Mitte dreißig Alberta, die in rascher Folge drei Mädchen zur Welt bringt. Bei der Geburt des vierten Kindes, dem lang ersehnten Sohn und Erben Albert Brugger, stirbt Alberta. Jetzt kommt Rosa zurück um die vier Kinder des verwitweten Bruders aufzuziehen.

Als junger Mann zog es Albert Brugger in die Welt und als er nach zwölf Jahren zurück kam, war sein Vater tot. Er muss nun die Hofmühle übernehmen. Beim Willkommensfest zu seinen Ehren verliebt er sich in Franziska, die Tochter des verhassten Eder-Bauern. Da eine Heirat mit ihr nicht möglich ist, heiratet Albert kurze Zeit später Anna Svoboda, die Tochter eines Wiener Tischlermeisters, die wegen eines Skandals aus Wien verschwinden musste. Das Paar bekommt vier Kinder, die Zwillinge Carl und Eugen, Gustav und Elisabeth. Albert Brugger eröffnet neben der Mühle noch ein Handelsgeschäft mit Kaufhaus, das bald sehr gut floriert. Die Familie kommt zu Wohlstand, was viele Neider, so auch den Eder-Bauern, auf den Plan ruft. Als dann Albert gar Emil Wagner, Eders unehelichen Sohn, als Müllerburschen zu sich nimmt, kommt es zum Eklat. Zuerst brennt die Mühle, später auch das Kaufhaus.

Die dritte Generation der Bruggers ist zunächst weniger vom Glück gesegnet. Eugen zieht es nach Amerika, Carl muss im Ersten Weltkrieg an der Südfront kämpfen, Gustav fällt bereits in den ersten Kriegsmonaten und Elisabeth wird später seinen Kameraden Georg heiraten. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass sich die beiden zerstrittenen Familien aussöhnen. Als dann die Bruggers den Landarbeiter Thomás einstellen, wendet sich alles zum Guten …

Der österreichischen Autorin Judith W. Taschler, geb. 1970 in Linz, ist mit dem Roman „Über Carl reden wir morgen“ eine fesselnde Familiengeschichte gelungen, die eng an die Geschichte ihrer eigenen Familie angelehnt ist. Über drei Generationen begleiten wir die Bewohner der Hofmühle Brugger und des Ederhofs. Beide Familien bekriegen sich erbittert, obwohl ihre Schicksale eng miteinander verwoben sind. Der erste Weltkrieg schlägt erbarmungslos zu und hinterlässt bei allen seelische und körperliche Wunden.

Die fünf Kapitel des Buches sind nach Paaren benannt, die auf irgendeine Weise miteinander verbunden sind. So erfahren wir die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven, lernen die einzelnen Personen intensiv kennen und erleben hautnah die unterschiedliche Lebensweise zwischen Stadt und Land im 19. Jahrhundert. Durch die vielen Zeitsprünge und die große Anzahl immer neu auftretender Figuren ist jedoch das Lesen etwas anstrengend und bedarf einer gewissen Konzentration und Aufmerksamkeit. Intrigen, Heimlichkeiten, Missverständnisse und überraschende Wendungen, wie sie nun mal im Leben vorkommen, verleihen dem Geschehen eine kontinuierliche Spannung.

Fazit: Ein beeindruckender Familienroman, den ich gerne weiter empfehle!

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Von Basel bis ans Lagerfeuer von Sitting Bull

Susanna
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Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, ...

Susanna Faesch wächst Mitte des 19. Jhd. als 3. Kind einer angesehenen Familie in Basel auf. Als ihre Eltern sich scheiden lassen nimmt ihre Mutter sie mit nach New York, wohin sie dem Arzt Karl Valentiny, einem Freund ihres Mannes, folgt. Dieser wird Susannas Ersatzvater, ihre beiden älteren Brüder verbleiben in Basel beim Vater. Brooklyn, wo sie nun ihre Kindheit und Jugendzeit verbringt, wird sie für ihr weiteres Leben prägen. Schon früh beginnt Susanna Porträts zu malen und kann auch bald von dem Erlös leben. Sie heiratet einen Kollegen ihres Stiefvaters, hat eine kurze folgenreiche Affäre mit einem anderen Mann und wird daraufhin geschieden. Mit Hilfe ihrer Mutter zieht sie ihren Sohn Christie sehr liebevoll auf. Als dieser sich für die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner interessiert, fährt sie mit ihm auf eine abenteuerliche Reise nach Dakota …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in Frankreich als Sohn einer Schweizerin und eines Franzosen geboren. 1966 zog seine Mutter mit ihm in die Schweiz, wo er später an der Universität Basel Geschichte, Philosophie und Ethnologie studierte. Während und nach seinem Studium arbeitete er als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Schweizer Zeitungen. 1994 veröffentlichte er seinen ersten Erzählband - Kurzgeschichten, historische Reportagen und Romane folgten, für die er einige Auszeichnungen erhielt. Mit seinem Roman „Léon und Louise“ war er 2011 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Geschichtlich überlieferte Tatsachen recherchiert er sorgfältig und verknüpft diese gerne mit fiktiven Geschichten, die oft in der Schweiz spielen. Alex Capus ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen, er lebt heute als freier Schriftsteller in Olten in der Schweiz.

Wie oft bei Alex Capus liegt auch hier seinem Roman eine wahre Begebenheit zugrunde, und auch hier verbindet der Autor wieder geschichtlich überlieferte Gegebenheiten mit Erdachtem. Neben den wichtigsten Ereignissen aus dem Leben der Portrait-Malerin und Künstlerin Susanna Faesch (die in den USA als Bürgerrechtlerin Caroline Weldon bekannt ist), bekommen wir ein Sittenbild der schweizerischen Stadt Basel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts geboten, erhalten Einblick in die damaligen Gepflogenheiten der französischen Fremdenlegion, erfahren mehr über New York wie es früher war und nehmen teil am Leben der amerikanischen Ureinwohner, der Indianer unter Sitting Bull. Wir sind dabei bei der Einführung der Glühbirne, feiern mit bei der Eröffnung der Brooklyn Bridge und erfahren, wie Susanna den ersten starren Fotographien farbiges Leben einhaucht. Der Schreibstil ist dabei sehr ansprechend, flüssig und erstaunlich lebendig. Ausdrucksstarke Landschaftsbeschreibungen bereichern die Geschichte und machen das Lesen zu einem kurzweiligen Vergnügen.

Fazit: Ein lesenswertes Buch, das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 30.07.2022

Die Überlebenden

Der Sturm
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Um seiner Mutter dabei zu helfen den dementen Vater ins Heim umzusiedeln, ist Kieran Elliot nach zwölf Jahren erstmals wieder in seinen Heimatort auf der australischen Insel Tasmanien zurückgekehrt. Vor ...

Um seiner Mutter dabei zu helfen den dementen Vater ins Heim umzusiedeln, ist Kieran Elliot nach zwölf Jahren erstmals wieder in seinen Heimatort auf der australischen Insel Tasmanien zurückgekehrt. Vor zwölf Jahren hat er Evelyn Bay verlassen, nachdem bei einem verheerenden Sturm drei Menschen seinetwegen ihr Leben lassen mussten. Inzwischen hat er sich in Sydney mit Freundin Mia und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter Audrey ein neues Leben geschaffen und gehofft, seine alte Schuld zu vergessen. Doch kaum ist er zurück, wird am Strand die Leiche einer jungen Frau gefunden. Es gibt Parallelen zu damals, als am selben Strand ein Mädchen verschwand und nie gefunden wurde. Jetzt brechen die alten Wunden wieder auf und die Wahrheit, was seinerzeit wirklich geschah, muss endlich ans Tageslicht …

Die Autorin Jane Harper wurde 1980 in Manchester (England) geboren. Als sie acht Jahre alt war zog ihre Familie nach Australien, wo sie in einem Vorort von Melbourne lebten und die australische Staatsbürgerschaft annahmen. Später ging die Familie zurück nach England, wo Jane dann an der Universität von Kent Englisch und Geschichte studierte und als Journalistin arbeitete. 2008 zog sie zurück nach Australien, arbeitete dort für die „Herald Sun“ und absolvierte einen Lehrgang über das Schreiben von Romanen. Seither schreibt sie Thriller, für die sie bereits ausgezeichnet wurde und den „Gold Dagger“, den wichtigsten Krimipreis Großbritanniens, erhielt. Jane Harper ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Melbourne.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr ansprechend, angenehm lebendig, flüssig und leicht zu lesen. Leider zieht sich die Handlung anfangs etwas schleppend dahin und der als Thriller ausgelobte Roman „Der Sturm“ wird erst ab der Hälfte richtig spannend und legt an Fahrt zu. Die Handlung ist psychologisch gut durchdacht und die Auflösung des Geschehens vor zwölf Jahren ist stimmig und somit durchaus vorstellbar. Die einzelnen Charaktere in ihrer Vielschichtigkeit sind gut ausgearbeitet und die Beziehungen untereinander absolut nachvollziehbar. Der Schauplatz, die Küste Tasmaniens, ist in ihrer Wildheit großartig beschrieben, so dass man beim Lesen tief in das Geschehen eintauchen kann. Die Geschichte rund um das Monument „Die Überlebenden“ kommt so real und plastisch rüber, dass man bisweilen vergessen kann, dass alles nur Fiktion ist.

Fazit: Ein eher sanfter Thriller, der trotzdem fesselt und erst nach und nach sein Geheimnis preisgibt. Meine Empfehlung!

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Veröffentlicht am 19.07.2022

Vater und Sohn – ein nicht immer einfaches Verhältnis

Die Schuhe meines Vaters
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Wie ist es, wenn man plötzlich über den Tod des Vaters entscheiden soll? Mit dieser Frage sieht sich der Autor Andreas Schäfer konfrontiert, als er den Anruf einer Frankfurter Klinik erhält. Nach einer ...

Wie ist es, wenn man plötzlich über den Tod des Vaters entscheiden soll? Mit dieser Frage sieht sich der Autor Andreas Schäfer konfrontiert, als er den Anruf einer Frankfurter Klinik erhält. Nach einer Biopsie hat sein Vater eine Hirnblutung erlitten und liegt im künstlichen Koma - er wird sterben. Andreas muss nun entscheiden, wann die Maschinen abgestellt werden sollen. Auf dem Weg ins Krankenhaus kommen die Erinnerungen …

Andreas Schäfer ist Journalist und Schriftsteller. Er wurde 1969 in Hamburg geboren, studierte Germanistik, Kunstwissenschaft und Religionswissenschaft in Frankfurt, Kassel und Berlin und war danach bis 2003 fester Mitarbeiter bei der Berliner Zeitung. Seit 2006 schreibt er für den Tagesspiegel und veröffentlichte Beiträge in mehreren Literaturzeitschriften. Darüber hinaus schrieb er einige Romane, für die er verschiedene Auszeichnungen erhielt. Der Autor lebt in Berlin-Kreuzberg.

In aufrichtigen, tief berührenden Worten beschreibt der Autor sein Verhältnis zum Vater und versucht dabei, seine Trauer um ihn zu bewältigen. Im Rückblick auf frühere Begebenheiten benutzt er seine eigenen Erinnerungen und greift auch auf Aufzeichnungen, Briefe und Tagebücher aus dem Nachlass des Vaters zurück. Dabei stellt sich heraus, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn in früheren Jahren, besonders seit der Trennung von der Mutter, nicht immer harmonisch war. Durch diese Art der Trauerbewältigung gelingt es Andreas Schäfer jedoch, die Gedanken an seinen Vater, den vom Krieg traumatisierten, den Vielreisenden, den nach Harmonie strebenden Mann, in geordnete Bahnen zu lenken und seinen Frieden zu finden.

Fazit: Ein Buch das es wert ist gelesen zu werden und das ich gerne weiter empfehle.

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