Wer ist schon normal?
Die TanzendenParis 1885. In der Salpêtrière, der berühmt-berüchtigten ‚Irrenanstalt‘ der Stadt, herrscht gespannte Erwartung. Bald soll der alljährliche Ball stattfinden, bei dem die Insassen tanzen und dabei von der ...
Paris 1885. In der Salpêtrière, der berühmt-berüchtigten ‚Irrenanstalt‘ der Stadt, herrscht gespannte Erwartung. Bald soll der alljährliche Ball stattfinden, bei dem die Insassen tanzen und dabei von der ‚feinen Gesellschaft‘ bestaunt werden - wie die Affen im Zoo. Besonders Geneviève, die Oberaufseherin der Anstalt, hat viel zu tun. Louise, die schon einige Jahre hier Patientin ist, soll vor versammeltem Auditorium unter Leitung von Dr. Charcot und Dr. Babinski einen epileptischen Anfall bekommen, was einiger Vorbereitung bedarf. Zudem macht ihr Eugénie, die von ihrem eigenen Vater mit dem Vorwurf, mit Toten zu reden und mit dem Teufel im Bunde zu sein, eingeliefert wurde, einige Probleme. Wie kann sie der jungen Frau helfen, von deren übernatürlichen Fähigkeiten sie sich selbst überzeugen konnte? Dann ist der Tag des Balles da, an dem sich das Schicksal von Louise, Eugénie und Geneviève entscheiden soll …
„Die Tanzenden“ ist der Debütroman der französischen Schriftstellerin Victoria Mas, die 1987 in Le Chesnay geboren wurde. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA, wo sie als Script Supervisor, Standfotografin und Übersetzerin beim Film arbeitete, kehrte sie nach Paris zurück, wo sie an der Sorbonne Literatur studierte. Bereits 2019 erschien der Roman in Frankreich unter dem Titel „Le bal des folles“ („Der Ball der Verrückten“). Er wurde in 16 Sprachen übersetzt und mit dem Prix Stanislas und dem Prix Renaudot des lycéens ausgezeichnet. Heute ist Victoria Mas als freie Autorin und Journalistin tätig.
Man kann es kaum glauben, dass diese tragischen und erschütternden Schicksale und Ereignisse in solch flüssig-leichten, ja beinahe beschwingten Schreibstil erzählt werden können. Es ist somit, trotz teilweise schockierender Passagen, eine angenehm zu lesende Lektüre, die den Leser/die Leserin keineswegs deprimiert zurücklässt. Die brutalen Heilmethoden, die die Ärzte damals anwendeten, gehören zum Glück der Vergangenheit an und traumatisierte Opfer sexueller Übergriffe erfahren aus heutiger Sicht eine andere Behandlung. Die verschiedenen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet und wirken, wie auch die gesamte Handlung, für die damalige Zeit sehr realistisch. Die im Roman tätigen Ärzte Charcot und Babinski gab es wirklich und die Salpêtrière ist heute ein Krankenhaus in Paris, das der Universität Pierre und Marie Curie und zu einem Teil der Sorbonne gehört.
Fazit: Eine Geschichte die berührt und erschüttert und letztendlich dankbar macht dafür, dass bei uns die Zeiten der Willkür und Unterdrückung der Frauen vorbei sind.