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Veröffentlicht am 26.09.2023

Erinnere dich nicht, sonst musst du sterben

Ein Fluss so rot und schwarz
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Ein Mann erwacht auf einem Schiff und kann sich an nichts erinnern, er kennt nicht mal seinen Namen. Auf seinem Arm entdeckt er eine Tätowierung, »Huxley«. Mit ihm sind noch fünf weitere Menschen an Bord, ...

Ein Mann erwacht auf einem Schiff und kann sich an nichts erinnern, er kennt nicht mal seinen Namen. Auf seinem Arm entdeckt er eine Tätowierung, »Huxley«. Mit ihm sind noch fünf weitere Menschen an Bord, alle ohne Erinnerung – und ein Toter. Das Schiff, ein militärisch ausgerüstetes Patrouillenboot, wird von einem Autopiloten gesteuert, auf den sie keinen Einfluss haben. Auf einem plötzlich aufleuchtenden Monitor erkennen sie, dass sie sich offenbar auf der Themse befinden. Im dichten Nebel hören sie vom Ufer her unmenschliche Schreie. Was ist hier nur geschehen? Welche Gefahren lauern auf sie? Da taucht in der Ferne die Themse-Sperre auf, die London vor Überflutung schützen soll. Über ein Satelliten-Telefon erhalten sie nun ihre Anweisungen und während die Schreie immer lauter werden, werden sie unaufhaltsam in ein zerstörtes London gesteuert …

Anthony Ryan, geb. 1970, ist ein schottischer Fantasy- und Science-Fiction-Autor. Er hat einen Abschluss in mittelalterlicher Geschichte und arbeitete als Forscher, bevor er 2013 mit dem Schreiben begann. Inzwischen schrieb er mehrere Serien und Kurzgeschichten, die auch in Deutsch erhältlich sind. Derzeit lebt er in London.

Der Autor präsentiert uns hier einen Horror-Thriller voller Action und Spannung. Schon der Anfang von „Ein Fluss so rot und schwarz“ fesselt und sofort setzt das Kopfkino ein, denn allein die Vorstellung dieser postapokalyptischen Welt ist beängstigend und verstörend. Ohne durchzuatmen fliegt man über die Seiten und hetzt in rasendem Tempo mit den Protagonisten den Fluss entlang. Fragen über die Hintergründe tun sich auf, und ganz allmählich werden die Vermutungen zur Gewissheit. Eine bedrohliche Situation jagt die nächste, ein kleiner Fehler bedeutet den sicheren Tod. Einige extrem brutale, ja ekelerregende Szenen verlangen vom Leser starke Nerven und der äußerst unerwartete, aber sehr passende, Schluss trägt auch nicht zur Beruhigung bei.

Fazit: Ein Horror-Schocker mit interessanten Charakteren, der Gänsehaut-Feeling garantiert.

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Veröffentlicht am 25.09.2023

„Das Fastenmädchen“

Das Wunder
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Wir befinden uns in Irland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo die katholische Bevölkerung noch tief gläubig ist. Die englische Krankenschwester Lib (Elizabeth) Wright ist auf dem Weg nach Athlone, ...

Wir befinden uns in Irland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo die katholische Bevölkerung noch tief gläubig ist. Die englische Krankenschwester Lib (Elizabeth) Wright ist auf dem Weg nach Athlone, einem Dorf, in dem sich angeblich ein Wunder ereignet. Die elfjährige Anna O’Donnell soll seit dem Tag ihrer Firmung vor vier Monaten keine Nahrung mehr zu sich genommen haben, mit Gottes Hilfe aber immer noch gesund und munter sein. Zusammen mit einer Nonne hat Lib den Auftrag, das Mädchen zwei Wochen lang zu überwachen und danach einem Komitee Bericht zu erstatten. Als sie aber nach einigen Tagen die Bewachung abbrechen will, da sie nicht länger zusehen kann, wie sich ein kleines Mädchen unter den Augen des Priesters, des Arztes und der bigotten Eltern zu Tode hungert, findet sie nirgendwo Gehör. Doch dann bekommt sie unverhofft Hilfe von William Byrne, einem ebenfalls angereisten Journalisten …

„Das Wunder“ (2016 The Wonder) ist der neunte Roman der kanadischen Schriftstellerin irischer Herkunft Emma Donoghue. Sie wurde 1969 in Dublin geboren, verlegte nach ihrem Studium in Dublin und Cambridge ihren Wohnsitz 1998 nach Kanada. 2004 erwarb sie die kanadische Staatsangehörigkeit und wohnt heute mit ihrer Lebensgefährtin und ihren Kindern in London/Ontario.

Wie die Autorin in einem Nachwort erwähnt ist die Geschichte frei erfunden, wirkte jedoch auf mich beim Lesen sehr realistisch. Die damalige Zeit in Irland, die nach der großen Hungersnot noch immer vom Elend geprägt war und in der sich Glaube, Aberglaube und religiöser Wahn ausbreiten konnte, ist ausgezeichnet beschrieben und sehr anschaulich geschildert. Unvorhersehbare Wendungen verleihen dem manchmal beunruhigend realen Geschehen seine Spannung und lassen den Leser seine eigenen Vermutungen anstellen. Warum verweigert Anna die Nahrung? Täuscht sie vielleicht ihre Umgebung? Steckt ihr jemand heimlich Essen zu? Wird das Mädchen vom Arzt oder gar vom Priester beeinflusst? Oder ist es vielleicht doch ein Wunder?

Die einzelnen Charaktere sind sehr lebensecht dargestellt, besonders die Beziehung zwischen Lib und Anna ist berührend in ihrer allmählichen Entwicklung. Anfangs bezeichnet die Krankenschwester das Kind noch als Betrügerin, doch nach und nach wächst Anna ihr immer mehr ans Herz und sie sorgt sich um ihr Wohlergehen. Es machen sich auch andere Emotionen breit, besonders Hass auf die gleichgültige Mutter und Ärger auf die Umgebung des Kindes, die sich offenbar keiner Schuld bewusst sind. Man ist als Leser ganz bei Lib und ihren Gefühlen und hofft ständig, dass sich alles noch zum Guten wenden wird. Sprachlich ist das Buch ganz dem Geschehen angepasst, anfangs ist der Schreibstil noch recht nüchtern, mit Fortschreiten der Geschichte wird er mehr und mehr emotional.

Fazit: Ein außergewöhnliches Thema ist hier mitreißend und spannend umgesetzt worden. Schwer verdaulich, dennoch kann ich das Buch wärmstens empfehlen!

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Faszination Raumfahrt

Höllenritt durch Raum und Zeit
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Der Astronaut und Autor dieses Buches, der in München lebende und an der TU lehrende Inhaber des Bundesverdienstkreuzes Prof. Dr. Ulrich Walter, Jahrgang 1954, ist studierter Physiker und einer von elf ...

Der Astronaut und Autor dieses Buches, der in München lebende und an der TU lehrende Inhaber des Bundesverdienstkreuzes Prof. Dr. Ulrich Walter, Jahrgang 1954, ist studierter Physiker und einer von elf Deutschen, die bereits im Weltall waren. 1993 umrundete er im europäischen Raumlabor Spacelab an Bord der Raumfähre Columbia zehn Tage lang die Erde und berichtet hier von seinen Erlebnissen. Bereits die Schilderung vom Start lässt uns erahnen, welchen Höllenritt die Astronauten dabei durchmachen und wie gefährlich besonders die Minuten nach dem Start sind. Er erzählt uns, wie sie mit der Angst umgehen, wie sie in der Schwerelosigkeit essen, trinken und schlafen und wie dort oben ein Toilettengang vonstattengeht. Alles ist für den Laien gut erklärt und wird durch Fotos näher verdeutlicht.

„Höllenritt durch Raum und Zeit“ ist jedoch nicht nur für den Laien aufschlussreich, sondern auch für begeisterte Fans der Raumfahrt und der Erforschung des Weltalls generell. Wir erfahren mehr über die verschiedenen Möglichkeiten der Raketenantriebe, über den Warp-Antrieb, über Zeitreisen und über eventuelle zukünftige Missionen. Auch vergangenes wird zum Thema, so die Entwicklung von Wernher von Braun bis zu Elon Musk und SpaceX. Die Gefährlichkeit von Weltraummüll für die ISS und für stationäre Satelliten wird ebenso erläutert, wie auch künftige Pläne der NASA, der ESA und die Aktivitäten diverser anderer Nationen. Ein Kapitel über die Zukunft der Astronautik und einige von Ulrich Walter gesammelte Aphorismen über Raumfahrt runden das Werk gekonnt ab.

Fazit: Spannend und faszinierend - sowohl für Laien, als auch für Interessenten und Fans der Raumfahrt sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 19.09.2023

Sieg der Wissenschaft über eine Geisel der Menschheit

Die Formel der Hoffnung
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In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und in den 1940er Jahren unter erschwerten Bedingungen ihr Medizinstudium in San Francisco abgeschlossen, hat es Dr. Dorothy Horstmann schwer, in der dominanten ...

In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und in den 1940er Jahren unter erschwerten Bedingungen ihr Medizinstudium in San Francisco abgeschlossen, hat es Dr. Dorothy Horstmann schwer, in der dominanten Männerwelt eine ihrer Ausbildung angemessene Stelle zu finden. Durch einen glücklichen Zufall, man hält sie für einen Mann, wird sie im Vanderbilt-Hospital in Nashville als Assistenzärztin angestellt. Dort wird sie hautnah mit dem Elend der weltweit grassierenden Polio-Pandemie konfrontiert, die überwiegend Kinder befällt und sie zeitlebens in den Rollstuhl oder gar in die Eiserne Lunge zwingt. Dorothy beschließt einen Impfstoff zu entwickeln, um diese heimtückische Krankheit zu besiegen. Dafür opfert sie ihre ganze Kraft und setzt dabei sogar ihr Leben und ihr privates Glück aufs Spiel …

Die US-amerikanische Schriftstellerin Lynn Cullen wuchs in Fort Wayne/Indiana in einer kinderreichen Familie auf. Nach dem Besuch der Indiana University in Bloomington und in Fort Wayne belegte sie Schreibkurse an der Georgia State University. Sie begann mit dem Schreiben von Kinderbüchern und veröffentlichte danach mehrere historische Romane, die in den USA zu Bestsellern wurden. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in Atlanta.

Wie die Autorin im Nachwort ausführt, handelt es sich hier um einen Roman und nicht um eine Biografie. Das Leben der Dorothy Horstmann (1911-2001) wie es hier geschildert wird beruht auf dem, was sie aus Artikeln, Briefen, Büchern, Erzählungen und mündlichen Quellen zusammentragen konnte – die anderen Charaktere beruhen teils auf realen Vorbildern >Dr. Jonas Edward Salk (1914-1995) und Dr. Albert Bruce Sabin (1906-1993)<, oder sie sind teils komplett erfunden. Jedenfalls könnte der Kampf gegen die Kinderlähmung so oder so ähnlich passiert sein. Man darf daher keine wissenschaftliche Abhandlung erwarten, sondern eine gefühlsbetonte Geschichte über 20 Jahre im Leben einer Ärztin und Wissenschaftlerin, die maßgeblich an der Entwicklung des Impfstoffes gegen Polio beteiligt war.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, die Suche nach einem Impfstoff ist sehr spannend und auch für den medizinischen Laien gut verständlich beschrieben. Es wird klar hervorgehoben, dass wir Frau Dr. Dorothy Horstmann sehr viel zu verdanken haben, auch wenn die männliche Ärzteschaft letztendlich die Lorbeeren ihrer Arbeit einsammeln konnte. Eine Auflistung am Ende des Buches über die in der Geschichte handelnden Personen ist sehr hilfreich und trägt zum guten Verständnis bei.

Fazit: Spannender Roman über das Leben der Ärztin Dr. Dorothy Horstmann, ohne die es den Impfstoff gegen Polio nicht gegeben hätte. Interessant und sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Blauschmuck - Geschenke der Männer

Blauschmuck
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Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei als siebtes von zehn Kindern auf. Beinahe alle Frauen dort tragen „Blauschmuck“, ein Geschenk ihrer Männer, das sie großzügig verteilen. Einige tragen ...

Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei als siebtes von zehn Kindern auf. Beinahe alle Frauen dort tragen „Blauschmuck“, ein Geschenk ihrer Männer, das sie großzügig verteilen. Einige tragen ihn am Hals, andere wiederum an Händen, Armen, Handgelenken oder Fesseln, manche auch am ganzen Körper. Die Farbe wechselt von hellblau bis beinahe schwarz, sie ist abhängig von der Intensität der Schläge und den dafür benutzten Gegenständen. Auch Filiz wird bald Blauschmuck tragen, nachdem sie heimlich ihr Elternhaus verlassen und Yunus geheiratet hat. Statt des versprochenen Lebens in Europa ist sie nun seine Leibeigene und die Dienstmagd seiner Mutter. Anstatt Jeans trägt sie jetzt Burka, wird gedemütigt und geschlagen und gebärt ihm in den nächsten Jahren drei Kinder. Oft schlägt Yunus sie halbtot, um ihr kurz darauf seine Liebe zu beteuern. Das ändert sich auch nicht, als sie nach Österreich auswandern, wo er im Immobilienhandel viel Geld verdient. Filiz und die drei Kinder leben dort wie im Gefängnis und werden weiterhin brutal misshandelt. Als Yunus sie eines Tages beinahe totschlägt, verständigen aufmerksame Nachbarn Notarzt und Polizei …

Katharina Winkler, geb. 1979 in Wien, ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie wuchs in Oberösterreich auf, studierte an der Universität in Wien Theaterwissenschaft und Philosophie und promovierte im Fach Germanistik. Nach Schauspielstudium in Wien wirkte sie in Theater- und Filmproduktionen mit. „Blauschmuck“ ist ihr Debütroman, der 2016 erschien, internationale Preise und Auszeichnungen erhielt und in mehr als 10 Sprachen übersetzt wurde. Der Inhalt des Romans beruht auf wahren Begebenheiten. Die Autorin lebt mit ihrem Sohn in Berlin.

So schön der Titel auch klingt, umso brutaler ist die Geschichte über Gewalt, Missbrauch und Abhängigkeit in der Ehe. Es ist oftmals kaum auszuhalten wenn man bedenkt, dass die Ereignisse auf tatsächlichen Begebenheiten beruhen. Die einfache, nüchterne und reduzierte Sprache der Autorin verringert die Distanz zwischen der Protagonistin und dem Leser und gibt Filiz’s Gedanken und Gefühlen Raum. Man kann sich diesem Leid nicht entziehen, fühlt sich dem Geschehen, das man sich kaum vorstellen kann, hilflos und ohnmächtig ausgeliefert. Dabei drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob die Männer dieser Kulturen das Tragen von Burka und Totalverschleierung eventuell deshalb vorschreiben und strikt verteidigen, um ihre Gräuel- und Missetaten zu verdecken?

„Du schlägst mich tot, aber du kommst mir nicht nahe“ (S.194). Dieser Satz sagt vieles aus, über den Mut und die Stärke dieser gequälten Frau. Wie das Leben von Filiz, Yunus und den drei Kindern weiter geht, erfährt man in einem kurzen Kapitel im Nachsatz.

Fazit: Eine Geschichte die erschüttert und aufrüttelt, die im Gedächtnis bleibt und hoffen lässt, dass sich die Situation aller muslimischen Frauen irgendwann mal ändern wird.

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