Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.03.2020

Märchenhaft idealisiert

Ein Mädchen nicht von dieser Welt
0

Von ihren Müttern nachts aus dem Ghetto geschmuggelt treffen sie sich zufällig im Wald. Sie kennen sich, gingen in dieselbe 4. Klasse, als alles noch normal war - die beiden 9jährigen jüdischen Jungen ...

Von ihren Müttern nachts aus dem Ghetto geschmuggelt treffen sie sich zufällig im Wald. Sie kennen sich, gingen in dieselbe 4. Klasse, als alles noch normal war - die beiden 9jährigen jüdischen Jungen Adam und Thomas. Jetzt sind sie auf sich allein gestellt und müssen sich selbst helfen. Zunächst leben sie von den Früchten des Waldes, aber als der Winter naht brauchen sie Hilfe. Die finden sie in Mina, einem jüdischen Mädchen, das nicht von dieser Welt zu sein scheint und das sie heimlich mit Nahrung versorgt. Doch es kommt eine Zeit wo sie die Hilfe, die ihnen zuteil wurde, an andere Hilfsbedürftige zurückgeben können …

Der in Jerusalem lebende jüdische Autor und Professor für Literatur Aharon Appelfeld (geb. 1932) hat selbst Krieg und Verfolgung zeitweise in den ukrainischen Wäldern überlebt, bevor er 1946 nach Palästina kam. In „Ein Mädchen nicht von dieser Welt“ beschreibt er den Überlebenskampf zweier 9jähriger Jungen in den Wäldern nahe dem Ghetto. Er bedient sich dabei eines äußerst einfachen Schreibstils und schlichter Ausdrucksweise, was wohl dem Alter der Protagonisten entsprechen soll. Sehr einfühlsam wird aus Sicht der beiden Kinder erzählt wie sie versuchen, sich gegenseitig Trost und Mut zuzusprechen und ihre Ängste zu verbergen.

Eine an sich bewegende Geschichte mit traurigem Hintergrund, die jedoch leider sehr idealisiert rüber kommt und sich wie ein Märchen der Gebrüder Grimm liest. Die Kinder reden und handeln wie Erwachsene und wissen immer sofort was zu tun ist. Ein paar glückliche Zufälle zu viel und ein wahrhaft märchenhaftes Happy End nehmen dem Geschehen meiner Ansicht nach viel von seiner Realität. Die Wirklichkeit dürfte für alle Beteiligten weitaus schlimmer gewesen sein, als es hier zu lesen ist.

Dennoch lohnt es sich, zwei Stunden zu investieren und sich dem hübsch aufgemachten kleinen Büchlein zu widmen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.03.2020

Das Leben eines Genies

Raffael - Das Lächeln der Madonna
0

Raffael (Raffaello Sanzio da Urbino 1483-1520) war gerade mal 11 Jahre alt, als sein Vater verstarb und er bald schon dessen Malschule weiterführen musste. Unterstützung erhielt er dabei von seinem Onkel, ...

Raffael (Raffaello Sanzio da Urbino 1483-1520) war gerade mal 11 Jahre alt, als sein Vater verstarb und er bald schon dessen Malschule weiterführen musste. Unterstützung erhielt er dabei von seinem Onkel, der Raffaels außergewöhnliches Talent frühzeitig erkannte. Sehr früh erwarb er den Titel eines Maestro. Nach Aufenthalten und Weiterbildung in Perugia und Siena ging er als 21Jähriger nach Florenz, wo er von florentinischen Adligen bereits die ersten großen Aufträge erhielt. Im Alter von 25 Jahren zog es ihn nach Rom, um dort seine großen Vorbilder Michelangelo und Leonardo da Vinci zu treffen. Papst Julius II. beauftragte Raffael, zunächst die päpstlichen Gemächer im Apostolischen Palast mit monumentalen Fresken auszuschmücken, bevor er nach dem Ableben von Dombaumeister Bramante von Papst Leo X. zum neuen Baumeister der Peterskirche ernannt wurde. Neben seinen zahlreichen Arbeiten für den Vatikan erhielt er auch sehr viele private Aufträge, die er aus Zeitmangel teilweise von seinen Mitarbeitern und Schülern ausführen lassen musste.

Raffael blieb vermutlich unverheiratet, war jedoch lange Zeit mit Maria, einer Nichte Kardinal Dovizis verlobt und hatte bis zu seinem Tod eine Geliebte, Margaretha Luti, die unter dem Namen Fornarina bekannt ist und die er in mehreren seiner Werke verewigt hat. 1520, im Alter von nur 37 Jahren, verstarb er an einer unbekannten Krankheit mit hohem Fieber. Auf eigenen Wunsch wurde er im Pantheon in Rom bestattet.

„Raffael – Das Lächeln der Madonna“ ist der erste Roman des deutschen Autors Noah Martin, der in Berlin Kunstgeschichte studierte. Laut eigenen Angaben ist er fasziniert von der Zeit der Renaissance und ihren Künstlern. Nach zahlreichen Reisen an die Schauplätze in Italien entstand diese fiktive Geschichte, die jedoch die belegte Historie zum Hintergrund hat.

Am 6. April 2020 jährt sich der Todestag des Malers Raffaello (Raphaello) Sanzio da Urbino, der hierzulande unter dem Kurznamen Raffael bekannt ist, zum 500. mal, was für den Droemer-Verlag der Anlass war, dieses wunderschöne Buch herauszubringen. Doch nicht nur die Ausstattung des Buches mit seinem herrlichen Cover, dem ausführlichen Personenverzeichnis und der farbenprächtigen Landkarte im Innern begeistern, sondern auch die gründliche Recherche und der ausgereifte Schreibstil des Autors, die packende Handlung und die unglaublich lebendig beschriebenen faszinierenden Figuren. Neben Raffaels künstlerischem Werdegang erfährt man auch vieles aus der Zeit der Renaissance, nimmt Anteil an am Leben der Protagonisten, erlebt die Ausschweifungen des Klerus, taucht ein in die Ränkespiele des Vatikan und ist bei den daraus entstandenen blutigen Feldzügen hautnah dabei – eine aufregende und spannende Lektion in Kunst und Geschichte! Mich hat dieses Buch gefesselt und begeistert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.02.2020

Trauern ...

Nach Mattias
0

Mattias ist nicht mehr, ausgelöscht, tot. Er war doch erst Mitte dreißig und hatte noch so viel vor. Zurück bleiben Menschen, die mit ihrer Trauer und dem Verlust umgehen müssen. Amber vermisst ihren Lebensgefährten, ...

Mattias ist nicht mehr, ausgelöscht, tot. Er war doch erst Mitte dreißig und hatte noch so viel vor. Zurück bleiben Menschen, die mit ihrer Trauer und dem Verlust umgehen müssen. Amber vermisst ihren Lebensgefährten, Quentin seinen besten Freund und Kristianne ihren Sohn – und jeder versucht auf seine ganz eigene Weise mit dem Schmerz umzugehen. Auch auf andere Personen hat Mattias‘ Tod Auswirkungen und beeinflusst direkt oder indirekt ihr weiteres Leben …

Der 1983 in Nordholland geborene niederländische Schriftsteller Peter Zantingh schildert in „Nach Mattias“ sehr einfühlsam, welche Auswirkungen der plötzliche Tod eines Menschen auf sein Umfeld hat und welche Lücke er hinterlässt. Jedes Kapitel des Buches befasst sich mit einer anderen Person, die sich teils gar nicht untereinander kennen und die doch durch Mattias‘ Tod auf schicksalhafte Weise miteinander verbunden sind. Dabei gelingt es dem Autor recht gut, die Todesursache bis zum Schluss geheim zu halten und auf diese Weise die Spannung zu halten und zum Weiterlesen zu animieren.

Zu kritisieren hätte ich jedoch den Schreibstil, der für mich sehr gewöhnungsbedürftig ist und mir nicht gefällt. Ich empfinde die extrem kurzen Sätze als „abgehackt“, „holprig“ und „gewollt auf modern getrimmt“. So redet niemand, nicht einmal der Autor, wie man dem Interview am Ende des Buches entnehmen kann. Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich, dass Mattias zwar oft erwähnt, aber als Mensch der er war kaum beschrieben wird uns somit recht blass und schemenhaft bleibt. Schade, mehr über ihn zu erfahren wäre bestimmt interessant gewesen. Versöhnlich stimmt hingegen das absolut überraschende Ende, das die Geschichte dann wunderbar rund macht und bei mir als Leserin einen positiven Eindruck hinterlässt.

Fazit: Durchschnittlich - kann man lesen, muss man aber nicht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.02.2020

Neue Heimat Island

Frauen, Fische, Fjorde
0

Der isländische Bauernverband erließ 1949 in Lübeck einen Aufruf, in welchem sie Hilfskräfte suchten die bereit waren, auf abgelegenen Höfen in Island zu arbeiten. Es meldeten sich mehrere Hundert Frauen ...

Der isländische Bauernverband erließ 1949 in Lübeck einen Aufruf, in welchem sie Hilfskräfte suchten die bereit waren, auf abgelegenen Höfen in Island zu arbeiten. Es meldeten sich mehrere Hundert Frauen und einige Männer, die im Nachkriegsdeutschland keine Perspektive mehr sahen und die sich zunächst für ein Jahr verpflichteten. So begaben sich am 5. Juni 1949 zunächst 120 durch Krieg und Flucht traumatisierte junge Frauen und 79 Männer an Bord der Esja, um in Island ein neues Leben zu beginnen. Viele gingen nach einem Jahr zurück, aber erstaunlich viele blieben auch. Sie fanden dort die ersehnte Ruhe und den Frieden, heirateten Isländer und gründeten Familien.

Die deutsche Buchautorin, Radio- und TV-Journalistin Anne Siegel schrieb bereits einige Sachbücher, bevor sie sich in „Frauen, Fische, Fjorde“ mit diesen Einwanderinnen beschäftigte. Es gelang ihr, acht dieser Frauen und einen Mann, die nahe am Polarkreis eine neue Heimat und menschliche Wärme gefunden hatten, zu interviewen und über ihr Schicksal während des Krieges in Deutschland und über ihr Leben in Island zu berichten. Erstaunlich dabei ist, mit welcher Selbstverständnis und Herzlichkeit die Isländer die Frauen und Männer aufnahmen, die in unserem Land damals nur unerwünschte Flüchtlinge waren, und welche Bedeutung dies für die Gegenwart hat.

Fazit: Ein Sachbuch, kein Roman, aber dennoch sehr berührend und voller Spannung, da die Schilderungen und Erlebnisse der erzählenden Personen auf Tatsachen beruhen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.02.2020

Zwei junge Frauen – zwei verschiedene Lebenswege

Die Geschichte eines neuen Namens
0

Die „Neapolitanische Saga“ geht weiter: Lila hat den vermögenden Stefano geheiratet und ist nun Signora Carracci, doch die Ehe ist alles andere als ...

Die „Neapolitanische Saga“ geht weiter: Lila hat den vermögenden Stefano geheiratet und ist nun Signora Carracci, doch die Ehe ist alles andere als glücklich. Bereits in der Hochzeitsnacht kommt es zu einem heftigen Streit. Elena geht weiter zur Schule. Sie ist jetzt mit Antonio befreundet, schwärmt aber immer noch für Nino, der nun sein Studium begonnen hat. Als Lila eine Fehlgeburt erleidet und ihr vom Arzt Erholungsurlaub verordnet wird, lädt sie Elena ein, die Ferien gemeinsam in einem gemieteten Haus auf Ischia zu verbringen. Beide erleben einige entspannte Tage zusammen, bis plötzlich Nino dort auftaucht und sich für die verheiratete Lila interessiert. Es kommt zum Eklat – die Freundschaft der beiden jungen Frauen scheint am Ende …

Elena Ferrante ist das Pseudonym einer italienischen Schriftstellerin, deren Debütroman „L’amore molesto“ bereits 1992 in Italien und unter dem Titel „Lästige Liebe“ 1994 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Internationale Bekanntheit erreichte sie durch ihre Neapolitanische Saga, deren erster Band „Meine geniale Freundin“ 2016 in Deutschland erschienen ist. In einem schriftlichen Interview gab die Autorin einige Informationen zu ihrer Person bekannt. Sie sei in einem Außenbezirk von Neapel geboren und aufgewachsen, heiße im realen Leben auch Elena und sei Mutter von Töchtern. Die Schriftstellerei sei nicht ihr Hauptberuf …

„Die Geschichte eines neuen Namens“ ist der zweite Band der „Neapolitanischen Saga“, die insgesamt vier Bände umfasst. Er erschien bereits 2012 im italienischen Original und 2017 in deutscher Übersetzung beim Suhrkamp-Verlag und behandelt das Leben der beiden Freundinnen vom Ende der Jugendzeit bis hin zu jungen Frauen. Die Autorin lässt, wie schon im ersten Band, Elena erzählen, und gibt uns einen tiefen Einblick in das Leben von Rione, einem Armenviertel Neapels, in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Den Sommerurlaub, den die beiden Protagonistinnen zusammen auf Ischia verbringen, möchte ich als Kernpunkt der Geschichte bezeichnen, da danach die Lebenswege von Elena und Lila recht unterschiedlich verlaufen.

Ferrantes Schreibstil ist, wenn man sich erst einmal eingelesen und an die Vielzahl der Personen und Namen gewöhnt hat, flüssig und sehr gut zu lesen. Ein Personenverzeichnis der einzelnen Familienmitglieder und ihrer Stellungen befindet sich vorne im Buch und ist auch als Lesezeichen beigefügt, was sich als sehr nützlich erweist. Mir persönlich hat dieser zweite Band besser gefallen, da die kindlichen Probleme des ersten Bandes nun anderen, reiferen und erwachseneren Themen gewichen sind. Man ist als Leser sofort wieder mitten drin im Geschehen, leidet mit Elena und freut sich mit ihr über ihre zunehmenden Erfolge. Sie schreibt ein Buch, das von einem Mailänder Verlag veröffentlicht wird. Das Ende ist rundweg befriedigend und veranlasst, bedingt durch einen Cliffhanger, auch zum nächsten Band zu greifen …

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere