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Veröffentlicht am 25.08.2019

Infame Intrige und späte Rache

Die Wanderhure
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Konstanz, 1410. Marie, die Tochter des angesehenen Bürgers Matthis Schärer, soll mit Magister Ruppertus Splendidus, einem Bastard des mächtigen Reichsgrafen Heinrich von Keilburg, vermählt werden. Der ...

Konstanz, 1410. Marie, die Tochter des angesehenen Bürgers Matthis Schärer, soll mit Magister Ruppertus Splendidus, einem Bastard des mächtigen Reichsgrafen Heinrich von Keilburg, vermählt werden. Der Ehevertrag ist bereits unterschrieben, als Marie durch eine heimtückische Intrige beschuldigt wird, keine Jungfrau mehr zu sein. Selbstverständlich kann Ruppertus keine Dirne heiraten und beschuldigt sie der bewussten Täuschung. Marie kommt ins Gefängnis, wird vom Gericht verurteilt und nach dreißig Schlägen mit der Rute aus der Stadt gejagt. Nun hat sie alles verloren, ihre Ehre, ihr Bürgerrecht und ihre Familie. Um zu überleben wird sie zur Wanderhure und hat fortan nur ein Ziel – Rache …

Unter dem Namen Iny Lorentz verbirgt sich das Münchener Autoren-Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath, die bereits mit ihrem ersten historischen Roman „Die Kastratin“ großen Erfolg hatten. Mit „Die Wanderhure“ gelang ihnen der große Durchbruch. Das Buch wurde verfilmt und ist auch als Theaterstück sehr erfolgreich. Es folgten weitere historische Romane, die sich durch ihre akribische Recherche auszeichnen und auf den Bestseller-Listen landeten. Für ihre Bücher, die in zahlreiche Länder verkauft werden, erhielt das Autorenpaar mehrere Preise und Auszeichnungen.

Schon gleich zu Beginn ist man gefesselt von den schockierenden Ereignissen, die die junge Marie so unvermutet überfallen. Man leidet mit ihr, man hofft mit ihr und bewundert gleichzeitig den Mut und die Stärke, mit der sie das Leben auf der Straße meistert. Dank des plastischen Erzählstils von Iny Lorentz kann man sich alles anschaulich vorstellen. Gekonnt wird hier Fiktion mit Tatsachen verbunden und besonders das beschwerliche Leben der Hübschlerinnen wird dem Leser eindringlich nahe gebracht. Es ist erstaunlich, wie leicht und lebendig ein so ernstes Thema beschrieben werden kann und auch schreckliche Ereignisse werteneutral in Worte gefasst werden können.

Fazit: Packende mitreißende Handlung, angenehmer Schreibstil und gute Recherche – für Fans von historischen Romanen die ideale Lektüre.

Veröffentlicht am 23.08.2019

Ein seltsames Trio …

Letzte Rettung: Paris
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Nachdem sie innerhalb zwanzig Jahren das immense Vermögen des verstorbenen Ehemanns sinnlos verprasst haben, bleibt Frances Price und ihrem erwachsenen Sohn Malcolm nur ein Ausweg: abhauen. Zuvor wird ...

Nachdem sie innerhalb zwanzig Jahren das immense Vermögen des verstorbenen Ehemanns sinnlos verprasst haben, bleibt Frances Price und ihrem erwachsenen Sohn Malcolm nur ein Ausweg: abhauen. Zuvor wird rasch noch alles, was sich irgendwie zu Geld machen lässt, verkauft. Mit einhundertsiebzigtausend Euro in der Handtasche und dem Kater Kleiner Frank im Gepäck begeben sie sich Richtung Paris, nicht ohne vorher noch ihr Hotel in New York heimlich durch die Hintertür zu verlassen. Dort angekommen beziehen sie das Apartment einer Freundin und schließen auch bald neue Bekanntschaften. Als dann Kleiner Frank, der ja die Reinkarnation des verblichenen Ehemanns sein soll, plötzlich verschwindet, tauchen allerhand skurrile Personen auf, die bei der Suche nach dem verschwundenen Kater helfen möchten. Dazu quartieren sie sich im Apartment der Prices ein, welches bald heillos überfüllt ist …

Patrick deWitt wurde 1975 auf Vancouver Island in Kanada geboren. Sein Roman „Die Sister Brothers“ war für den Man Booker Prize, den Giller Prize sowie den Walter Scott Prize nominiert und wurde von Publishers Weekly, der Washington Post sowie der Canadian Booksellers Association zu den besten Romanen des Jahres 2011 gezählt. Der Autor lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn in Portland, Oregon.

Nach dem Lesen der Inhaltsangabe erwartete ich eine humorvolle Geschichte, ähnlich wie „Die Sister Brothers“, die neben der heiteren Seite auch existenzielle Probleme des Lebens anspricht – doch leider wurde ich enttäuscht. Wenn auch der Schreibstil recht annehmbar ist, merkwürdige Personen mit skurrilen Ansichten und seltsamen Handlungsweisen ergeben noch lange keinen guten Roman. Das Geschehen empfand ich weder lustig noch humorvoll und absolut nicht nachvollziehbar. Die Protagonisten waren mir unsympathisch und wirkten gekünstelt, auf einige interessante Nebenfiguren wurde nicht weiter eingegangen und die Beziehung zwischen Mutter und Sohn war für mich mehr als seltsam. Was der Autor dem Leser mit diesem Buch sagen möchte, hat sich mir leider nicht erschlossen!

Veröffentlicht am 09.08.2019

Auf der Suche nach der Wahrheit …

Am See
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Im Fischerdorf Boros am großen See wächst Nami bei den Großeltern auf, Vater ist unbekannt und über die verschollene Mutter wird nicht geredet. Früher war der See sehr schön und es gab viele Fische, doch ...

Im Fischerdorf Boros am großen See wächst Nami bei den Großeltern auf, Vater ist unbekannt und über die verschollene Mutter wird nicht geredet. Früher war der See sehr schön und es gab viele Fische, doch seit einiger Zeit zieht sich er sich zurück, der Salzgehalt steigt, das Wasser wird immer giftiger. Die Menschen dort glauben an den Seegeist, der erzürnt sei und nach Opfer verlange. Doch auch als Großvater beim Fischfang im Sturm nicht mehr zurück kommt, ist der Seegeist noch nicht besänftigt, so wird ihm auch Großmutter nach einem Sturz geopfert. Nami ist nun auf sich alleine gestellt und beschließt, in die ferne Hauptstadt zu gehen. Aber auch dort ist das Leben nicht besser. Es erwarten ihn harte, schwere und dreckige Arbeiten, bis er auf eine gütige alte Dame trifft. Jetzt hat er endlich die Kraft und den Mut, seine Mutter zu suchen …

Bianca Bellová wurde 1970 in Prag geboren und hat bulgarische Wurzeln. Die ersten zwanzig Jahre ihres Lebens lebte sie hinter dem "Eisernen Vorhang", was ihre Romane sehr authentisch macht. Für den aktuellen Roman „Am See“, der in mehreren Sprachen erschien, erhielt sie den tschechischen Buchpreis Magnesia Litera, sowie den European Union Prize für Literature.

In einer außerordentlich bildreichen, aber dennoch schlichten Sprache erzählt die Autorin die Geschichte von Nami, dessen Leben untrennbar mit dem See verknüpft ist. Der See ist es auch, der neben Nami die zweite Hauptrolle spielt. Zwar ist weder der See, noch die Gegend namentlich benannt, doch da von den „verhassten Russen“ die Rede ist, ist anzunehmen, dass es sich um den Aralsee handeln muss. Auch er war einst sehr fischreich und wurde, wie der See im Roman, seit den 60/70er Jahren systematisch ausgebeutet. Die Zuflüsse wurden zur Baumwollfelder-Bewässerung umgeleitet, sodass er um die Jahrtausendwende kurz vor der Austrocknung stand. Diese Umweltzerstörung, deren Ursache die Menschen im Buch nicht erkennen wollten, sondern durch einen zürnenden Seegeist beschönigen, bestimmt maßgeblich deren Leben und Gesundheit und ist auch einer der Kernpunkte des Romans.

Bianca Bellová schont den Leser nicht, ja sie schafft es eine Geschichte zu erzählen, die jeden bis ins Innerste treffen und lange im Gedächtnis bleiben wird. Brutale Szenen werden bis ins kleinste Detail geschildert, über sexuelle Bedürfnisse wird ohne Umschweife geredet und die Diktatur der Russen wird offen beim Namen genannt. Wir lesen von den unzumutbaren, menschenverachtenden Bedingungen, in der sich der junge Nami zurecht finden muss, und über eine Welt, die von verrohten Männern beherrscht wird. Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die Namis Entwicklung vom Kind über die Pubertät zum jungen Mann schildern, bis er im vierten Teil dann die Wahrheit erfährt. Dazwischen passiert sehr viel, ein junger Mensch dem nichts erspart bleibt und der manchmal Unmenschliches erleiden muss.

Fazit: Ein Buch, für das man starke Nerven braucht und das man nach dem Lesen nicht einfach weglegen und zur Tagesordnung übergehen kann. Für Leser, die sich darauf einlassen können, ein absoluter Gewinn.

Es gibt offenbar wieder Hoffnung – wer sich informieren möchte: http://www.newsderwoche.de/welt/asien/524-kasachstan-schenkt-dem-aralsee-ein-neues-leben.html

Veröffentlicht am 08.08.2019

Wenn die Worte fehlen …

Am Strand
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Edward Mayhew und Florence Ponting, beide 22 Jahre alt, sind frisch verheiratet und befinden sich nun in einem Landhaushotel am Strand von Chesil Beach an der Küste von Dorset, wo sie ihre Hochzeitsnacht ...

Edward Mayhew und Florence Ponting, beide 22 Jahre alt, sind frisch verheiratet und befinden sich nun in einem Landhaushotel am Strand von Chesil Beach an der Küste von Dorset, wo sie ihre Hochzeitsnacht und die Flitterwochen verbringen möchten. Sie sind zwar sehr verliebt, haben aber (man schreibt das Jahr 1962) noch keinerlei sexuelle Erfahrung. Entsprechend nervös sitzen sie in ihrer Suite beim Abendessen und machen sich die unterschiedlichsten Gedanken, wie es nun weiter gehen wird. Darüber sprechen können sie nicht, es fehlen ihnen die Worte. Während Edward stark erregt ist, macht sich bei Florence Panik breit. Sie ahnt, sie wird sich vor dem was nun kommen wird ekeln, möchte aber Edward keinesfalls enttäuschen. Edward hingegen hat bestimmte Vorstellungen, weiß diese jedoch nicht richtig anzuwenden. So steuern sie auf ein Desaster zu, das ihr Leben für immer verändern wird …

Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot/England geboren. Er studierte Englische Literatur an der Universität Sussex, besuchte Kurse für kreatives Schreiben und machte seinen Master an der University of East Anglia in Norwich. Seine Masterarbeit bestand aus einer Reihe von Kurzgeschichten, die später unter dem Titel „First Love, Last Rites“ veröffentlicht wurden. McEwan schrieb zahlreiche erfolgreiche Romane, die auf den Bestsellerlisten landeten und für die er mehrere englische Literaturpreise erhielt. Heute lebt er in London.

Wie häufig in den Büchern McEwans geht es auch in „Am Strand“ um zwischenmenschliche Beziehungen, um tragische Verwicklungen, fatale Irrtümer und schicksalhafte Missverständnisse. Beinahe minuziös schildert uns der Autor die dramatischen Geschehnisse in der Hochzeitsnacht, immer wieder unterbrochen von zeitlichen Rückblenden und von gedanklichen Erinnerungen der Protagonisten. So erhalten wir Einblick in ihr Seelenleben und ihre Gefühlswelt, erfahren von ihren Hoffnungen und Wünschen und von Erlebnissen in ihrer Kindheit. Dabei wird dem Leser allmählich bewusst, dass Florences Widerwille gegen alles sexuelle wohl auf ein traumatisches Erlebnis mit ihrem Vater zurückzuführen ist. Am nächtlichen Strand findet dann eine Aussprache mit gegenseitigen Vorwürfen statt, die jedoch wiederum missverständlich endet. Mehr soll hier nicht verraten werden!

Fazit: Ein großartiges Buch, beinahe ein Kammerstück, das aufwühlt und sehr nachdenklich macht.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Gesucht und gefunden

Mit Gobi durch die Wüste - eine wahre Geschichte
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Dion Leonard, der Autor, ist Läufer über Langstrecken und Marathon. Bei einem „Etappen-Ultramarathon“, einem 7-Tage-Lauf durch die Wüste Gobi im Nordwesten Chinas, schließt sich ihm eines Morgens eine ...

Dion Leonard, der Autor, ist Läufer über Langstrecken und Marathon. Bei einem „Etappen-Ultramarathon“, einem 7-Tage-Lauf durch die Wüste Gobi im Nordwesten Chinas, schließt sich ihm eines Morgens eine kleine Hündin an und weicht nicht mehr von seiner Seite. Zunächst widerwillig duldet er ihre Begleitung, doch nach und nach verliebt er sich in die Kleine. Ihre Ausdauer und ihr Mut beeindruckten ihn sehr, sodass sich Dion entschließt, sie in seine Heimat nach Schottland mitzunehmen. Doch die Ausreise der kleinen „Gobi“, wie er sie inzwischen nennt, aus China gestaltet sich schwieriger als zunächst gedacht …

Mit schlichten, einfachen Worten erzählt uns der Autor Dion Leonard die Geschichte von Gobi, einer kleinen, mutigen Hündin. Wir erfahren, wie sie ihn bei extremer Hitze begleitete, wie er seine knappen Vorräte an Wasser und Nahrung mit ihr teilte und wie das Wohl dieses kleinen Hundes plötzlich wichtiger war als ein Sieg. Doch um Gobi heim nach Schottland zu holen, mussten noch viele Hürden genommen werden. Letztendlich war dies nur möglich durch Spenden von Menschen aus aller Herren Länder und durch die selbstlose Hilfe einiger chinesischer Freunde.

Aber nicht nur über die Liebe zu einem kleinen Hund erfahren wir hier, der Autor berichtet auch über seine Passion zum Laufen, über die oftmals unmenschlichen Strapazen eines Ultra-Marathons und über Kameradschaft und Rivalität unter den Läufern. Wir lernen einige liebenswerte Menschen in China kennen und erfahren mehr über einen der härtesten Laufwettbewerbe der Welt in einer unwirtlichen Gegend, der Wüste Gobi.

Fazit: Eine berührende Geschichte über Tierliebe, Menschenliebe, Freundschaft und Hilfsbereitschaft.