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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.07.2018

Nicht ernst zu nehmender „Ratgeber“ …

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg
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Die Journalistin Alexandra Reinwarth ist Verfasserin zahlreicher humorvoller, nicht ganz ernst zu nehmender, Ratgeber. Sie wurde 1973 in Nürnberg geboren, hat einen Sohn und lebt heute in Valencia/Spanien. ...

Die Journalistin Alexandra Reinwarth ist Verfasserin zahlreicher humorvoller, nicht ganz ernst zu nehmender, Ratgeber. Sie wurde 1973 in Nürnberg geboren, hat einen Sohn und lebt heute in Valencia/Spanien.

Das vorliegende Buch „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg: Wie sich dein Leben verbessert, wenn du dich endlich locker machst“ ist hauptsächlich für Leserinnen geschrieben und soll uns Anregungen geben, das Leben leichter zu nehmen und uns von unnötigen Verpflichtungen zu befreien. Der Schreibstil ist humorvoll, angenehm flüssig und gut verständlich. Leider schildert die Autorin nur ihre eigenen Erlebnisse, sodass es als Ratgeber für die Leserschaft nur bedingt brauchbar ist. Anfangs fand ich es noch recht amüsant und musste sogar ab und zu schmunzeln, doch mit der Zeit fand ich es mehr und mehr langweilig. Gefühlte tausend Mal liest man das Wort „Arsch“, das in jeder gerade passenden Situation gebraucht wird, und mindestens einhundert Mal zum Beispiel erzählt die Autorin, dass ihr Partner seine Socken überall rumliegen lässt. Einen Nutzwert kann ich daraus für mich leider nicht sehen – aber vielleicht kann die eine oder andere Leserin etwas davon verwerten.

Fazit: Als Ratgeber nur bedingt brauchbar – bisweilen ganz unterhaltsam, wenn man nur häppchenweise liest.

Veröffentlicht am 26.06.2018

Heute nennt man es Mobbing …

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
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Wie um 1900 während der k. u. k. Monarchie üblich, besuchte auch der junge Törleß das Konvikt einer frommen Stiftung, in dem die Söhne der besten Familien des Landes ihre Ausbildung für den späteren Militär- ...

Wie um 1900 während der k. u. k. Monarchie üblich, besuchte auch der junge Törleß das Konvikt einer frommen Stiftung, in dem die Söhne der besten Familien des Landes ihre Ausbildung für den späteren Militär- oder Staatsdienst erhielten. Die ersten Jahre waren geprägt von Heimweh und Einsamkeit, doch nun hat Törleß Freunde gefunden, Reiting und Beineberg, zwei etwas ältere Jungen. Diese Freundschaft gerät ins Wanken, als ein weiterer Mitschüler, Basini, von Reiting beim Diebstahl ertappt wird. Anstatt den Diebstahl vorschriftsmäßig der Anstaltsleitung zu melden beschließen die drei, Basini auf ihre eigene Weise zu bestrafen. Dieser wird nun regelmäßig nachts auf dem Dachboden des Konvikts misshandelt und missbraucht, körperlich und sexuell. Törleß ist dabei mehr der interessierte Beobachter, der die Psyche Basinis zu ergründen versucht. Wie lange kann dieser die sadistischen Handlungen ertragen, bevor er zusammenbricht? Wie lange kann er die nächtlichen Demütigungen noch erdulden? Warum bereitet es Vergnügen, Macht über einen anderen Menschen auszuüben? Doch dann ändert sich plötzlich die Lage, das Drama nimmt seinen Lauf …

Der Autor Robert Musil (1880-1942) besuchte von 1892 bis 1897 eine Militär-Kadettenanstalt mit dem Ziel, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Seine Erlebnisse und Erfahrungen dieser Internatsjahre verarbeitete er später in seinem ersten Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“, der 1906 erschien. Musil brach seine Militärlaufbahn ab und studierte Maschinenbau. 1911 heiratete er die sechs Jahre ältere Jüdin Martha, war Reserveoffizier im I. Weltkrieg und lebte danach abwechselnd in Wien und Berlin. 1938 flüchtete er mit seiner Frau ins Exil in die Schweiz, nachdem seine Bücher durch den Reichsführer SS bereits verboten worden waren. Sie lebten dort in ärmlichen Verhältnissen und fanden Hilfe beim schweizerischen ‚Hilfswerk für deutsche Gelehrte‘. Musil starb 1942 in Genf an einem Hirninfarkt. Sein Erstlingswerk wurde 1965 von Volker Schlöndorff unter dem Titel „Der junge Törless“ verfilmt und war zu jener Zeit auch eine oft im Schulunterricht verwendete Lektüre.

Das Buch lebt hauptsächlich von der psychologischen Betrachtungsweise des Geschehens, was zweifellos Musils Stärke war. Es finden sich interessante Aspekte, die zwar den Geist der Zeit widerspiegeln, dennoch aber zum Teil heute noch Gültigkeit haben. Wenig hat sich im Zwischenmenschlichen geändert, Brutalität und unmenschliches Verhalten kann man auch heute unter Jugendlichen und Heranwachsenden finden. Der Sprachstil war sicherlich zur Zeit der Entstehung des Romans ausgezeichnet und intelligent ausgedrückt – heute ist er jedoch nicht mehr zeitgemäß. Umständliche Formulierungen und verschachtelte Sätze schränken die Lesbarkeit des Textes deutlich ein und erschweren das Verständnis zum Inhalt.

Fazit: Gefallen fand ich an der Lektüre nicht unbedingt! Die Handlung ist zwar sehr interessant, aber durch die nicht mehr zeitgemäße Sprache schwierig zu lesen. Kann man lesen, muss man aber nicht!

Veröffentlicht am 20.06.2018

Probleme über Probleme …

Willems letzte Reise
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Bauer Willem aus Ostfriesland lebt schon lange allein, seine Frau ist vor 17 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und mit seinen beiden erwachsenen Kindern hat er so gut wie keinen Kontakt mehr. ...

Bauer Willem aus Ostfriesland lebt schon lange allein, seine Frau ist vor 17 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und mit seinen beiden erwachsenen Kindern hat er so gut wie keinen Kontakt mehr. Jetzt ist er im Rentenalter und ahnt, dass er krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Aber vorher hat er noch einen Plan. Er möchte mit seinem 9jährigen Enkel Finn, den er gelegentlich betreut wenn seine Mutter keine Zeit hat, das John-Deere-Traktorenwerk in Mannheim besichtigen und anschließend am jährlichen Bulldog-Treffen in Speyer teilnehmen - und zwar mit dem alten Lanz Bulldog. Der Junge liebt Traktoren über alles und war ihm behilflich, den alten Trecker, der unbenutzt in der Scheune stand, wieder fahrbereit zu machen. Willem regelt alles, verkauft die Kühe, packt seinen alten Koffer und schließt den Hof ab. Jetzt könnte es losgehen – doch Finn ist während der Sommerferien im Ferienlager im Sauerland …

Laut Eintrag im Buch ist Jan Steinbach das Pseudonym eines, 1973 geborenen, erfolgreichen deutschen Schriftstellers. Nach Jahren in Berlin soll er einen Sommer in seiner alten Heimat auf dem Lande verbracht haben, was ihm die Anregung zu diesem Buch gab. „Willems letzte Reise“ ist der erste Roman unter diesem Pseudonym.

Eigentlich ein nettes Thema für ein paar unbeschwerte Lesestunden, sollte man glauben. Doch leider hat der Autor an familiären und anderen Problemen reingepackt, was nur irgendwie möglich ist. Alter, Krankheit, Unfalltod, Homosexualität und Scheidung, um nur einige zu nennen. Hinzu kommen Probleme in der Landwirtschaft, Entfremdung innerhalb der Familie, über Jahre hinweg nicht miteinander reden, wohin mit dem Kind nach der Trennung usw. usw. Hierbei sind die Gefühle und Gedanken des Kindes bemerkenswert gut heraus gearbeitet. Großen Raum nehmen auch Details und Erklärungen über Trecker, Bulldogs bzw. Traktoren ein. Wer auf diesem Gebiet sein Wissen erweitern möchte, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Der Schreibstil ist einfach, gut lesbar und besteht sehr viel aus wörtlicher Rede. Durch Willems Rückerinnerungen während der Reise springen die Zeiten kapitelweise hin und her. Dadurch erfährt der Leser wie es zu den einzelnen Situationen kam, die das Familienleben heute so sehr belasten. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, jedoch Fehler und Missverständnisse in der Gegenwart bereinigen und für die Zukunft seine Lehren daraus ziehen, dies müssen sich alle Beteiligten während Willems Reise eingestehen. Vielleicht wird sich auch der eine oder andere Leser in der Geschichte wiederfinden und dadurch etwas in seinem Leben ändern können. Für Willem und seine Familie wird sich zukünftig vieles ändern …

Fazit: Keine große Literatur, aber unterhaltsam und eine gute Anregung zum Nachdenken!

Veröffentlicht am 17.06.2018

Glückliche Jahre in Paris

Paris, ein Fest fürs Leben
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Als Ernest Hemingway im Jahre 1956 mit seiner vierten Ehefrau Mary Paris besuchte, ließ er sich im Hotel „Ritz“ seinen Koffer aushändigen, den er dreißig Jahre zuvor dort im Keller deponiert hatte. Er ...

Als Ernest Hemingway im Jahre 1956 mit seiner vierten Ehefrau Mary Paris besuchte, ließ er sich im Hotel „Ritz“ seinen Koffer aushändigen, den er dreißig Jahre zuvor dort im Keller deponiert hatte. Er enthielt Skizzen, Aufzeichnungen und Tagebücher über die Zeit, als er mit seiner ersten Ehefrau Hadley in Paris lebte. Dieses Material bildete die Grundlage seiner Biografie über die Zeit von 1921 bis 1926, an der er dann bis zu seinem Selbstmord 1961 arbeite. Das Ergebnis wurde posthum 1964 unter dem Titel „A Moveable Feast“ veröffentlicht und erschien erstmals 1965 bei Rowohlt unter dem Titel “Paris – Ein Fest fürs Leben“.

Es war wohl für Hemingway eine unbeschwerte, glückliche Zeit in Paris, als er sich entschlossen hatte, nicht mehr als Journalist zu arbeiten, sondern sich nur seiner Schreibkunst zu widmen. Geld war zwar knapp und öfters wurde auch gehungert, wenn er aber eine Geschichte verkaufen konnte, wurde ordentlich gefeiert. Man trank Champagner, ging in die besten Restaurants zum Essen und vergnügte sich auf der Rennbahn. Die Winter verbrachte das Paar in Schruns/Vorarlberg beim Skilaufen. Das Geld hierzu wurde oftmals von Freunden geliehen. Freunde hatte Hemingway während dieser Zeit reichlich. Da war zunächst Gertrude Stein. Die Freundschaft zu ihr war ihm anfangs sehr hilfreich, als er sie jedoch nicht mehr benötigte, brach er den Kontakt ab. Weitere mehr oder weniger gute Freunde waren Ezra Pound, Scott Fitzgerald, T.S. Eliot und zeitweise auch James Joyce.

Hemingway zeichnet hier ein atmosphärisch dichtes Bild von Paris in den 20ern und seiner Bewohner. Er hat dabei ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Sehr warmherzig schreibt er über seine Freunde und erwähnt auch einige Male liebevoll seine Frau und seinen Sohn. Die ganze Schilderung ist von gelassener Heiterkeit und hoffnungsvoller Zuversicht durchdrungen, von der schwierigen finanziellen Situation und der drückenden Armut ist wenig zu spüren. Lebendige Dialoge und detaillierte Beschreibungen vermeintlicher Belanglosigkeiten runden den guten Gesamteindruck ab.

Fazit: Ein interessanter Abschnitt aus Hemingways Leben – für Leser die ihn und seine Bücher mögen beinahe ein Muss!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Hadley Hemingway – Biografie zwischen Fakten und Fiktion

Madame Hemingway
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Hadley Richardson aus St. Louis ist bereits 28 Jahre alt, als sie von ihrer Freundin Kate im Herbst 1920 nach Chicago eingeladen wird. Bisher hatte sie ihre Mutter gepflegt, jetzt trifft sie auf eine andere ...

Hadley Richardson aus St. Louis ist bereits 28 Jahre alt, als sie von ihrer Freundin Kate im Herbst 1920 nach Chicago eingeladen wird. Bisher hatte sie ihre Mutter gepflegt, jetzt trifft sie auf eine andere Welt, auf eine Welt der Sorglosigkeit und des Vergnügens – und auf den 20jährigen Ernest Hemingway. Beide sind sich gleich sympathisch und merken sofort, dass sie füreinander bestimmt sind. Ein reger Briefwechsel zwischen Chicago und St. Louis entsteht, ein Heiratsantrag folgt und ein Jahr später wird geheiratet. Das junge Paar zieht nach Paris wo Ernest hofft, seinem Traum als Schriftsteller näher zu kommen. Es ist das Paris der turbulenten goldenen Zwanziger, die Zeit des Wandels, der Bohème und der freien Liebe. Die amerikanische Bourgeoisie der Dichter und Denker trifft sich bei Gertrude Stein, nächtelang wird gefeiert, geredet und getrunken, viel getrunken und Beziehungen geknüpft. Keine leichte Zeit für Hadley, die das einfache Leben bevorzugt. Dennoch hält sie treu zu Ernest, erträgt geduldig seine Launen und ermutigt ihn immer wieder zum Schreiben. Einen ernsten Riss erhält ihre Beziehung, als ihr, infolge ihrer eigenen Unachtsamkeit, Hemingways sämtliche bisher geschriebenen Manuskripte gestohlen werden. Auch die Geburt ihres Sohnes Jack, den sie Bumby nennen, kann die Beziehung nicht mehr verbessern, denn ein Kind passt nicht in seine Zukunftspläne. Als Hemingway sich dann in Hadleys Freundin Pauline Pfeiffer verliebt und in eine Dreierbeziehung mit den Frauen eingehen will, widersetzt sich Hadley zum ersten Mal seinen Plänen. Es kommt zur Scheidung …

Mit Ihrem Roman „The Paris Wife“ (Madame Hemingway), der in 34 Sprachen übersetzt wurde, gelang der US-amerikanischen Schriftstellerin Paula McLain sofort der Sprung auf die Bestsellerliste der New York Times. McLain wurde 1965 in Fresno/Californien geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Cleveland/Ohio.

Der Roman ist eine Mischung zwischen historischen Tatsachen und fiktiven Szenen. Am Ende des Buches erläutert die Autorin, wie sie an ihr Wissen kam und gibt auch die Quellen dazu an. Bisher wurde die erste Ehefrau Hemingways in diversen Publikationen meist nur am Rande erwähnt, hier bekommt sie den ihr gebührenden Rahmen, bekommt eine eigene Stimme. Hadley war es, die den vom Kriegseinsatz im I. Weltkrieg traumatisierten jungen Mann wieder erdete, unerschütterlich zu ihm stand, ihm Liebe schenkte und ihm das Vertrauen in sein Können zurück gab. Es ist sehr fraglich, ob er ohne seine erste Ehefrau Hadley das geworden wäre was er letztendlich wurde, ein berühmter Schriftsteller.

Dass er in dem Buch nicht besonders gut wegkommt, versteht sich beinahe von selbst. Wenn man der Autorin und den von ihr recherchierten Zeitzeugen glauben darf, dann war der spätere Literaturnobelpreisträger ein selbstsüchtiger egoistischer Macho, besessen von seiner Arbeit. Auf seinem Weg nach oben waren Freunde nur so lange interessant, solange sie ihm nützlich sein konnten, danach beendete er meist die Kontakte. Obwohl bekannt ist, wie die Ehe zwischen Hadley und Ernest endete, überrascht doch die allmähliche, beinahe unmerkliche Zerrüttung, das Ende einer zunächst unerschütterlichen Liebe. Dass Hemingway jedoch eine ganz andere Erinnerung an die Pariser Zeit hatte, ist in seinem Buch „Paris, ein Fest fürs Leben“, das zwischen 1957 und 1960 entstanden und postum 1964 erschienen ist, nachzulesen.

Fazit: Eine interessante fiktive Biografie über Hemingways erste Ehefrau, die sich trotz einiger Längen zügig lesen lässt.