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Veröffentlicht am 09.04.2024

Überleben um die Zukunft zu erleben

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Gemeinsam mit seinem Bruder Sverre fuhr Großvater Konrad als Funker während des II. Weltkrieges auf einem Handelsschiff zur See. 1943 werden sie auf dem Weg nach Australien im Indischen Ozean von einem ...

Gemeinsam mit seinem Bruder Sverre fuhr Großvater Konrad als Funker während des II. Weltkrieges auf einem Handelsschiff zur See. 1943 werden sie auf dem Weg nach Australien im Indischen Ozean von einem japanischen U-Boot torpediert und versenkt. Während Sverre gefangen genommen wurde, gelang Konrad in einem Rettungsboot die Flucht. Nach 19 Tagen auf See strandete er, mehr tot als lebendig, auf einer indonesischen Insel. Im dortigen Krankenhaus verliebt sich Konrad in die Krankenschwester Sigrid. Die beiden machen Pläne für eine gemeinsame Zukunft nach dem Krieg, doch dann kommen sie in getrennte japanische Internierungslager. Es herrschen dort schreckliche Zustände und jeder muss ums nackte Überleben kämpfen. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu …

Die Autorin Trude Teige wurde 1960 in einem kleinen Ort an der Küste Norwegens geboren. Sie ist ausgebildete Übersetzerin und Journalistin und arbeitete viele Jahre als Reporterin und Nachrichtensprecherin beim norwegischen Sender TV2. Als Schriftstellerin debütierte sie 2002 mit einem historischen Roman, in dem sie viele Erlebnisse ihrer Urgroßmutter verarbeitete. Sie hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrer Familie am Oslofjord. Das Original des Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ war bereits 2015 ein Bestseller in Norwegen, bei uns stand der erste Band der Generationen-Reihe monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste von 2023. Der zweite Teil „Und Großvater atmete mit den Wellen“ ist am 27.03.2024 erschienen.

Das Buch umfasst die Zeitspanne von 1943 bis 1947. Im Fokus steht Konrad, der Großvater von Juni, die diesmal nur im Vor- und Nachwort vorkommt. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und Sichtweisen der Protagonisten Konrad und Sigrid, so dass man als Leser deren Empfindungen und Gefühle intensiv erfährt. Zu Anfang ist das Erzähltempo recht hoch, wird jedoch bedächtiger wenn es um die Geschehnisse im Lager geht. Diese werden sehr anschaulich geschildert, sei es die Willkür der japanischen Besatzung, der Mangel an Nahrung, die hygienischen Verhältnisse und die damit verbundenen Krankheiten. Dabei zeigt sich, dass es bei Zusammenhalt und Zuversicht möglich sein kann, auch bei widrigsten Bedingungen zu überleben. Es scheint am Ende alles gut zu werden, doch dann schlägt das Schicksal unerbittlich zu …

Fazit: Ein fesselndes und aufrüttelndes Buch, das uns ganz nebenbei die weniger bekannte Seite des Krieges mit der Schreckensherrschaft der Japaner im Pazifik aufzeigt.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Anatomie einer Ehe

Jahre später
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April ist jetzt 30 Jahre alt und angehende Schriftstellerin. Sie lebt immer noch in Berlin, ihr Sohn Julius ist bereits im Teenageralter. Bei einer Lesung lernt sie den charismatischen Chirurgen Ludwig ...

April ist jetzt 30 Jahre alt und angehende Schriftstellerin. Sie lebt immer noch in Berlin, ihr Sohn Julius ist bereits im Teenageralter. Bei einer Lesung lernt sie den charismatischen Chirurgen Ludwig kennen, dessen besitzergreifende Art ihr imponiert. Als er ihr einen Antrag macht, scheint für April ein normales bürgerliches Leben möglich. Sie zieht zu ihm nach Hamburg und heiratet ihn, obwohl sie ihn nicht liebt. Bald fühlt sie sich unglücklich, sieht ihre Träume entschwinden, daran ändert auch die Geburt des gemeinsamen Kindes Samuel nichts. Doch was will sie eigentlich, welche Träume hat sie? Es folgen Trennung, Rückkehr nach Berlin und ein erbitterter Scheidungskrieg – und April ist immer noch unglücklich …

Angelika Klüssendorf ist eine deutsche Schriftstellerin, die 1958 in Ahrensburg/Schleswig Holstein geboren wurde und in der DDR aufwuchs. 1985 übersiedelte sie nach Westdeutschland. Sie schrieb einige Erzählungen und Romane, darunter die Trilogie „Das Mädchen“, „April“ und „Jahre später“, die wegen ihrer außergewöhnlichen Sprache in Literaturkreisen große Beachtung fanden und für die sie zahlreiche Ehrungen und Preise erhielt. Die Autorin hat zwei Kinder und war mit dem Vater ihres Sohnes, dem Journalisten und FAZ-Mitherausgebers Frank Schirrmacher, verheiratet. Seit 2017 ist der Schriftsteller Torsten Schulz ihr zweiter Ehemann.

In „Jahre später“, dem dritten Band der stark autobiografischen Reihe, können wir das Leben der inzwischen erwachsenen April weiter verfolgen und sie in ihrer schwierigen Ehe begleiten. Noch immer ist sie einzelgängerisch, voller Extreme und häufig verzweifelt, aber dennoch voller Kraft und innerer Stärke. Als Ehefrau ist sie auf Dauer ihrem narzisstischen Mann, der sich oft nicht im Griff hat und sich in Lügen verstrickt, nicht gewachsen. Die Pressekritik erlaubte sich dabei, zwischen Aprils Ehemann, dem Chirurgen Ludwig, und Klüssendorfs erstem Ehemann Frank Schirrmacher Parallelen zu ziehen.

Es ist keine leichte Kost, die uns die Autorin hier serviert. Ihr Schreibstil ist präzise und unverblümt, dabei jedoch immer zurückhaltend, leise und diskret. In den kurzen Sätzen ohne schnörkelige Umschreibungen kommt die innere Zerrissenheit, in der sich April befindet, sprachlich gut zum Ausdruck. Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten sind manchmal sehr sensibel und gefühlvoll, dann aber wieder voll brutaler Gleichgültigkeit und zerstörerischem Misstrauen. Da Klüssendorf nicht verurteilend schreibt, bleibt dem Leser genügend Raum für eigene Gedanken.

Fazit: Gut gelungener, logischer und stimmiger Abschluss dieser lesenswerten Trilogie.

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Veröffentlicht am 01.04.2024

Was zählt wirklich im Leben?

25 letzte Sommer
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Normalerweise verbringt er die Wochenende zusammen mit seiner Familie, doch diesmal ist er alleine in seinem kleinen Haus auf dem Lande, der vielbeschäftigte Manager. Sein Kopf ist voller Gedanken an die ...

Normalerweise verbringt er die Wochenende zusammen mit seiner Familie, doch diesmal ist er alleine in seinem kleinen Haus auf dem Lande, der vielbeschäftigte Manager. Sein Kopf ist voller Gedanken an die Arbeit, seine Gedanken kreisen unentwegt um Unerledigtes, während er frühmorgens seine Laufrunde startet. Als er am See vorbei kommt, steigt gerade ein nackter Mann aus dem Wasser. Der Fremde fordert unseren Erzähler auf, ebenfalls im kalten Wasser des Sees ein erfrischendes Bad zu nehmen, und lädt ihn danach zum Frühstück in seinem nahe gelegenen Hof ein. Karl, wie er sich nennt, ist Bauer und pflanzt Kartoffeln an. Die beiden Männer könnten nicht unterschiedlicher sein, dennoch sind sie sich sofort sympathisch. Es beginnt ein Gespräch darüber, was wirklich wichtig ist im Leben, über unerfüllte Träume und heimliche Sehnsüchte. Sie stellen dabei fest, dass sie noch etwa 25 Sommer vor sich haben, die es sinnvoll zu leben gilt …

Stephan Schäfer, geb. 1974 in Witten, war viele Jahre als Journalist, Redakteur, Vorstand und Top-Manager tätig, bis er 2022 aus seinem Job ausstieg, um zu schreiben. „25 letzte Sommer“ (erschienen 14.03.2024 bei park x ullstein) ist sein erster Roman. Der Autor lebt mit seiner Familie in Hamburg und an der Schlei.

Wie Stephan Schäfer sich selbst äußerte, wollte er mit dem Schreiben seinem Leben eine Wendung geben und betrachtet diese literarische Aufarbeitung als eigenen Neuanfang. Mit diesem Buch bringt er auch uns Leser dazu, über unser bisheriges Leben nachzudenken. Was ist wichtig für mich? Bin ich auf dem richtigen Weg? Ist mein Leben im Gleichgewicht? Was kann ich in Zukunft ändern? Das dünne Buch ist dank seines angenehm warmherzigen Schreibstils gut zu lesen. Die beiden sympathischen Protagonisten wirken absolut lebensnah, ihre Gedanken und Gefühle sind realistisch und nachvollziehbar.

Fazit: Ein Buch wie ein Schatzkästchen – man muss nur die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Meine absolute Empfehlung!

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Richard, Eigenbrötler und Sonderling

Löwenherz
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Nach dem Tod der Mutter bricht die Familie Helfer auseinander – der trauernde Vater zieht sich mit seinen Büchern in ein Kloster zurück, Monika und ihre beiden Schwestern wachsen bei Verwandten in Bregenz ...

Nach dem Tod der Mutter bricht die Familie Helfer auseinander – der trauernde Vater zieht sich mit seinen Büchern in ein Kloster zurück, Monika und ihre beiden Schwestern wachsen bei Verwandten in Bregenz auf, während der damals fünf Jahre alte Richard, der vom Vater stets „Richard Löwenherz“ genannt wurde, von einer Tante in Feldkirch aufgenommen wurde. Der Kontakt zwischen den Geschwistern bricht vorläufig ab und wird erst als Erwachsene wieder aufgenommen. Da ist Richard bereits ein junger Mann mit einer Ausbildung zum Schriftsetzer, der gerne malt und sich zum Eigenbrötler und Sonderling entwickelt hat. Er braucht Monikas Hilfe, nachdem eine flüchtige Bekannte ihre dreijährige Tochter Putzi bei ihm abgeliefert hat und danach verschwunden ist. Obwohl selbst noch sehr jung, sorgt Richard rührend für das Mädchen, das ihn nun Vati nennt. Er ist fünfundzwanzig, als sein Leben eine entscheidende Wende erfährt …

Monika Helfer, geb. 1947 in Au/Vorarlberg, ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie veröffentlichte bereits mehrere Romane, Erzählungen und Kinderbücher, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Die Themen ihrer Bücher sind oft Familiengeschichten, in die sie ihre Vorfahren und ihre Herkunft mit einbezieht. Seit 1981 ist sie in zweiter Ehe mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier verheiratet. Sie hat vier Kinder, zwei davon aus erster Ehe. Eine Tochter verstarb 2003 bei einem Unfall, ihr Roman „Bevor ich schlafen kann“ von 2010 ist ihrem Andenken gewidmet. Das Paar lebt in Hohenems/Vorarlberg und in Wien.

Nach ihren Romanen „Die Bagage“ 2020 und „Vati“ 2021 ist „Löwenherz“2022 der dritte Roman (keine Biografie), den die Autorin über ihre Familie geschrieben hat. Darin stellt sie ihren sechs Jahre jüngeren Bruder Richard, ein Künstler und Sonderling ohne Ehrgeiz und Energie, vor, der einfach alles auf sich zukommen lässt. So schweigsam wie ihr Bruder war, so verhalten berichtet auch die Autorin von dessen Leben. Sie geht dabei nicht chronologisch vor, sondern erzählt einzelne Episoden, wie sie gerade aus ihrer Erinnerung auftauchen. Sie bezieht dabei auch ihren zweiten Ehemann, den Schriftsteller Michael Köhlmeier, mit ein, der mit ihrem Bruder Richard befreundet war. In buntem Wechsel kommen und gehen ihre Gedanken und Erinnerungen, sie reflektiert, verwirft und hinterfragt ihre Überlegungen.

Fazit: Eine Geschichte zwischen Fiktion und Realität, der Versuch zu erklären, warum Richard, der Bruder der Autorin, mit seinem Leben gehadert hat.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

„Ich bin James“

James
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Alle nennen ihn Jim, doch eigentlich heißt er James. Er ist sehr gebildet, kann Lesen und Schreiben und sich exzellent ausdrücken - doch er muss sich dumm stellen und sein Wissen geheim halten, der schwarze ...

Alle nennen ihn Jim, doch eigentlich heißt er James. Er ist sehr gebildet, kann Lesen und Schreiben und sich exzellent ausdrücken - doch er muss sich dumm stellen und sein Wissen geheim halten, der schwarze Sklave von Miss Watson. Als Jim erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er zusammen mit Huck, einem Jungen, der seinen Tod vorgetäuscht hat, um seinem gewalttätigen Vater zu entkommen. Auf dem Weg in die vermeintliche Freiheit haben die beiden gefährliche Abenteuer zu bestehen. Schlangen kreuzen ihren Weg, Sturm und Überschwemmung erschweren das Weiterkommen, sie treffen auf Diebe und Betrüger, Jim tritt als Sänger auf und sie erleiden Schiffbruch auf dem Mississippi. Dann bricht der Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten aus …

Percival Everett, geb. 1956 in Fort Gordon/Georgia, ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Professor für Englisch an der University of Southern California. Schon während seines Studiums verfasste er seinen ersten Roman, der 1983 veröffentlicht wurde. Inzwischen hat er sich mit mehr als 30 Romanen einen Namen gemacht und ist auch erfolgreich als bildender Künstler in der Malerei tätig. Er ist verheiratet mit Danzy Senna, die ebenfalls Autorin ist, und lebt mit ihr und den beiden gemeinsamen Söhnen in Los Angeles.

„James“ (erschienen 18.03.2024 im Hanser-Verlag) ist das neueste Werk des Autors, in dem es um Rassismus und die Frage der Identität und Daseinsberechtigung geht. Er verleiht Mark Twains Roman eine neue Dimension, indem er mit dem schwarzen Sklaven Jim einen liebenswerten Helden erschaffen hat, den er seine Geschichte selbst erzählen lässt. Herausgekommen ist dabei ein aufrüttelnder Roman über Menschenrechte und zugleich eine Abenteuergeschichte vom Feinsten.

Fazit: Lesenswert!

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