Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.09.2024

Stille Gefühle und leise Gedanken

Akikos stilles Glück
0

Seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren, lebt die neunundzwanzigjährige Akiko Nakamura allein und sehr zurückgezogen in Tokio. Einzige Ansprechpartner sind ihre Kollegen im Büro, wo sie als Buchhalterin ...

Seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren, lebt die neunundzwanzigjährige Akiko Nakamura allein und sehr zurückgezogen in Tokio. Einzige Ansprechpartner sind ihre Kollegen im Büro, wo sie als Buchhalterin arbeitet, und ihre Freundin Naoko, mit der sie gelegentlich spätabends nach Dienstschluss noch etwas Essen geht. Das Bedürfnis nach Nähe oder Gesellschaft empfindet sie nicht, bis sie eines Abends auf dem Heimweg Kento, einem ehemaligen Mitschüler, begegnet. Als Hikikomori lebt er völlig zurückgezogen, meidet die Menschen und verlässt seine Wohnung nur bei Dunkelheit. Behutsam nähern sich die beiden Einsamen einander an und fassen Vertrauen, indem sie gegenseitig ihre Bedürfnisse respektieren. Als Akiko im Nachlass ihrer Mutter eine beunruhigende Entdeckung macht und sie sich die Frage stellen muss wer sie wirklich ist, kann Kento ihr dabei helfen sich selbst zu mögen, sich zu akzeptieren, ihr Leben zu verändern und einen lange gehegten Traum zu verwirklichen …

Jan-Philipp Sendker, geboren 1960 in Hamburg, ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Von 1990 bis 1995 war er Amerika- und von 1995 bis 1999 Asienkorrespondent des Stern. Dabei hatte er Gelegenheit, Japan und die japanische Mentalität kennen zu lernen. Sein erster Roman wurde 2000 veröffentlicht, es folgten einige weitere. Mit weltweit über 4 Millionen verkauften Büchern ist er einer der aktuell erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. Sendker ist mit einer Kunsthistorikerin verheiratet und lebt heute als freier Autor mit seiner Familie in Potsdam.

Mit seinem neuen Roman „Akikos stilles Glück“ entführt uns der Autor nach Japan und bringt uns die Mentalität und die Lebensweise der Bevölkerung näher. Mit seinem empathischen und sensiblen Schreibstil schafft er es, die Gefühle und Empfindungen der beiden Protagonisten gut zu erfassen und gekonnt wiederzugeben. Ihre selbstgewählte Einsamkeit und ihr ‚in sich ruhen‘ sind wunderschön beschrieben, stimmen nachdenklich, machen traurig, beruhigen aber gleichzeitig. Der Gegensatz zum hektischen und pulsierenden Tokio ist deutlich spürbar und macht die Geschichte sehr lebendig. Lobenswert ist auch das Glossar am Ende des Buches, das die verwendeten japanischen Begriffe und Ausdrücke erklärt.

Fazit: Ein außergewöhnlich einfühlsamer Roman über Freundschaft, Vertrauen und die stille Suche nach sich selbst – meine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.09.2024

Alles ist möglich, in jedem Alter

Die Unmöglichkeit des Lebens
0

Einsam und freudlos verbringt die 72jährige ehemalige Mathematiklehrerin Grace Winters die Tage, bis sie völlig überraschend von einer längst vergessenen Freundin aus früherer Zeit ein kleines Haus auf ...

Einsam und freudlos verbringt die 72jährige ehemalige Mathematiklehrerin Grace Winters die Tage, bis sie völlig überraschend von einer längst vergessenen Freundin aus früherer Zeit ein kleines Haus auf Ibiza vererbt bekommt. Neugierig und ohne Plan fliegt sie auf die Insel im Mittelmeer um dort zu erfahren, dass Christina beim Tauchen im Meer unter mysteriösen Umständen ertrunken sein soll. Sie lernt den Tauchlehrer Alberto kennen, taucht mit ihm und wird dabei zu einer anderen Frau, mit einem völlig neuen Blick auf die Welt. Grace entwickelt eine innere Stärke die sie in die Lage versetzt, die Vergangenheit ruhen zu lassen, sich selbst wieder zu lieben und sich zu verzeihen. Mit ihren neuen magischen Fähigkeiten kann sie nun auch anderen Menschen helfen, das Leben wieder zu lieben und positiv zu sehen. Sie schreibt ihre Geschichte an Maurice, einem einstigen Schüler, der gerade an einem seelischen Tiefpunkt angelangt ist und sie um Hilfe gebeten hat …

Matt Haig, geb. 1975 in Sheffield/England, ist ein britischer Journalist und Bestseller-Autor. Er ist sowohl für fiktionale Romane als auch für Sachbücher bekannt, in denen er seine eigenen Erfahrungen mit Depressionen und Angststörungen verarbeitet. Auch sein neuester Roman „Die Unmöglichkeit des Lebens“ (2024) befasst sich mit diesem Genre. Der Autor ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Brighton.

Trauer, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe und Angstzustände – Gefühle, die wohl jeder von uns schon einmal mehr oder weniger erlebt hat – werden in diesem Buch behandelt. Der Autor dringt dabei tief in die menschliche Psyche ein und führt uns vor Augen, was es bedeutet zu leben und wir auch für Kleinigkeiten dankbar sein sollten. Die Schönheit der spanischen Insel Ibiza und des umgebenden Meeres bildet dabei eine großartige Kulisse. Gleichzeitig macht uns Matt Haig jedoch auch auf die Bedrohung der Natur durch die hohe Anzahl von Touristen, die Ansiedlung riesiger Hotelkomplexe und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen aufmerksam.

Der Schreibstil ist fließend, wunderbar zu lesen und voller Poesie. Die kurzen Kapitel tragen dazu bei, die Handlung interessant zu gestalten und der Geschichte Tempo zu verleihen. Man sollte sich auf das Unfassbare einlassen und das vermeintlich Unnatürliche zulassen, um sich von der Geschichte verzaubern zu lassen. Ein modernes Märchen, teilweise abseits jeder Realität, in dem der Geist über die Materie siegt und versucht, unsere Gedanken auf das Wichtigste im Leben zu lenken: die Besinnung auf sich selbst.

Fazit: Eine wunderbare Geschichte, wenn man sich darauf einlässt – sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.08.2024

Tee mit Betty - Cheers!

Tee auf Windsor Castle
0

Obwohl Kate aus dem Glasgower East End kein Fan der Royals ist, lässt sie sich von ihrer Freundin Zaira überreden, an einer Führung durch Schloss Windsor teilzunehmen. Auf der Suche nach einer Toilette ...

Obwohl Kate aus dem Glasgower East End kein Fan der Royals ist, lässt sie sich von ihrer Freundin Zaira überreden, an einer Führung durch Schloss Windsor teilzunehmen. Auf der Suche nach einer Toilette verirrt sie sich und landet in einer Küche. Dort trifft sie auf eine ältere Dame mit ihrem Corgie, offensichtlich eine ehemalige Hausdame der Queen, die sie sofort zu einer Tasse Tee und einem Plausch einlädt. Betty, wie sie sich nennt, kennt sich ausgezeichnet im Schloss aus und ist mit den dortigen Gepflogenheiten bestens vertraut. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich an, und aus der Teestunde wird ein Tag und eine Nacht gemeinsamer munterer Unternehmungen, bei denen die alte Dame förmlich aufblüht …

„Tee auf Windsor Castle“ (2024) ist der erste Roman der britischen Journalistin Claire Parker. Obwohl sie die Demokratie bevorzugt, hat sie eine Schwäche für das britische Königshaus und hat bereits alle deren öffentlich zugänglichen Schlösser besucht. Dank ihrer deutschen Mutter ist sie zweisprachig aufgewachsen.

Keine große Literatur, aber eine gut und unterhaltsam geschriebene hinreißende Geschichte. Die Begegnung zweier so unterschiedlicher Frauen, deren jeweiliges Sprachniveau sehr gut herausgearbeitet ist und die gelegentlich eingestreuten Lebensweisheiten der alten Dame sind bemerkenswert. „Manche Dinge erkennt man besser aus der Entfernung“ (eine dieser Weisheiten), diese Erkenntnis kommt Kate plötzlich am Bahnhof, als sie auf Ioana, eine andere alte Dame, trifft – während uns Leser vermutlich schon früher ein Licht aufgegangen ist. Die Auflösung dieser märchenhaften Geschichte ist sehr gut und nachvollziehbar getroffen.

Fazit: Eine charmante kleine Geschichte mit Humor und Esprit – einfach nur lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2024

Heimat, was ist das und wo ist sie?

Die Unschärfe der Welt
0

Wir befinden uns Ende der 1960er-Jahre, als Samuel als Sohn des Dorfpfarrers Hannes und seiner Frau Florentine im rumänischen Banat unter dramatischen Umständen zur Welt kommt. Bereits die Geburt von Vater ...

Wir befinden uns Ende der 1960er-Jahre, als Samuel als Sohn des Dorfpfarrers Hannes und seiner Frau Florentine im rumänischen Banat unter dramatischen Umständen zur Welt kommt. Bereits die Geburt von Vater Hannes war ungewöhnlich, er erblickte in den 30er-Jahren das Licht der Welt, während seine Eltern Johann und Karline gerade bei einer Schiffsbesichtigung waren. Jahre später, man schreibt die 80er, der Ostblock beginnt sich allmählich aufzulösen, begleitet Samuel seinen Freund Oz auf der Flucht nach Deutschland. Er trennt sich ohne Abschied von seiner Heimat, seinen Eltern und von Stana, seiner großen Liebe …

Iris Wolff, geb. 1977 als Tochter eines Pfarrers im siebenbürgischen Hermannstadt in Rumänien, ist eine deutsche Schriftstellerin. Ihre Kindheit verbrachte sie an ihrem Geburtsort und im Banat, bis ihre Eltern nach Deutschland auswanderten als sie acht Jahre alt war. Später studierte sie Deutsche Sprache, Literatur, Religionswissenschaft sowie Grafik und Malerei in Marburg. Sie verfasst hauptsächlich Romane und Kurzgeschichten, ihr Debüt gab sie bereits 2012, seit 2018 ist sie als freie Schriftstellerin tätig. „Die Unschärfe der Welt“ (2020) ist ihr vierter veröffentlichter Roman. Die Autorin lebt heute in Freiburg/Brsg.

Sieben Personen aus vier Generationen einer Familie stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte. Die sieben Kapitel des Buches befassen sich mit jeweils einer dieser Figuren und deren Umfeld, ihren Nachbarn und Freunden, die alle irgendwie miteinander verzahnt sind. Der Pfarrhof ist hier das geruhsame Zentrum, in dem sich alle irgendwann einfinden. Die alles miteinander verbindende zentrale Person ist dabei Samuel. Auch nach seiner Flucht vor dem Ceausescu-Regime nach Deutschland bleibt für ihn die Erinnerung an das stille Heimatdorf und den Pfarrhof lebendig.

Der Schreibstil der Autorin ist feinsinnig und schnörkellos, beinahe schon poetisch. Es gelingt ihr, mit ihrer Ausdrucksweise ein wunderbares Bild der Landschaft im Banat zu zeichnen, sodass man sich die ländliche Idylle und das Leben im Pfarrhof äußerst plastisch vorstellen kann. Ganz nebenbei erwähnt sie auch die politischen Ereignisse im Rumänien der jeweiligen Zeit und ihre Auswirkungen auf die einzelnen Familienmitglieder. Wir erfahren vom Dorfleben vor dem Hintergrund verschiedener Herkunft und Sprache, von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten und davon, was trotzdem allen dort lebenden Menschen die Heimat bedeutet. Wir lesen von Veränderungen, Verlust und Neuanfang, von Freundschaft und Liebe, von Vereinsamung und selbstloser Aufopferung. Dies alles in einer Sprache die Leichtigkeit vermittelt und sich sehr schön lesen lässt.

Fazit: Ein wunderbares Buch, das ich gerne weiter empfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.08.2024

Eine Nacht allein im Museum

Der Duft der Blumen bei Nacht
0

Eine vorübergehende Schreibblockade ist für Leila Slimani der Anlass, das Angebot ihrer Lektorin anzunehmen, im Rahmen eines Projektes eine Nacht alleine im Museo Punta della Dogana in Venedig zu verbringen. ...

Eine vorübergehende Schreibblockade ist für Leila Slimani der Anlass, das Angebot ihrer Lektorin anzunehmen, im Rahmen eines Projektes eine Nacht alleine im Museo Punta della Dogana in Venedig zu verbringen. Das in Form eines Schiffsbugs errichtete Bauwerk war einst das Zollgebäude der Serenissima und beherbergt heute ein Museum für moderne Kunst. Im Zentrum stehen zwei schwarze Monolithe. Es sind Terrarien die mit Nachtjasmin bepflanzt sind, einer Pflanze, die die Autorin aus ihrer Kindheit in Rabat kennt. Ihre Blüten öffnen sich nur nachts und verströmen dann einen Wohlgeruch: „Der Duft der Blumen bei Nacht“. Diese Installationen inspirieren sie und wecken Erinnerungen an ihre marokkanische Heimat. Sie reflektiert über Stationen in ihrem Leben als Frau und als Schriftstellerin und erlaubt uns einen tiefen Blick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Dabei gelingt es ihr ausgezeichnet, diese Fragmente vollendet zusammen zu fügen und daraus ein kluges, zum Nachdenken anregendes Buch zu gestalten.

Fazit: Ein Buch mit tiefsinnigen Gedanken, dennoch leicht zu lesen. Ein Lesevergnügen, das ich gerne weiter empfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere