Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2024

Leben im Rückblick, wie verstreute Lichtungen im Wald

Lichtungen
0

Sechs Wochen waren sie unterwegs in der Schweiz und in Frankreich, nun sind sie auf der Rückreise in die Heimat, zurück nach Rumänien, Lev und Kato. Sie kennen sich seit ihrer Schulzeit, seit Kato während ...

Sechs Wochen waren sie unterwegs in der Schweiz und in Frankreich, nun sind sie auf der Rückreise in die Heimat, zurück nach Rumänien, Lev und Kato. Sie kennen sich seit ihrer Schulzeit, seit Kato während Levs Krankheit ihm die Hausaufgaben bringen musste, seither sind sie enge Freunde. Nun sind beide Mitte Dreißig. Während Kato die letzten Jahre als Pflastermalerin mit Freund Tom in ganz Europa unterwegs war, blieb Lev zurück in der Heimat und arbeitete im dortigen Sägewerk – bis er aus Zürich eine Einladung von Kato bekam. „Wann kommst Du?“ stand auf der Postkarte, mehr nicht, aber Lev verstand …

Iris Wolff, geb. 1977 in Hermannstadt/Siebenbürgen, ist eine deutsche Schriftstellerin die ihre Kindheit im Banat verbrachte, bis sie 1985 mit ihrer Familie nach Deutschland auswanderte. Sie studierte Deutsche Sprache, Literatur, Religionswissenschaft sowie Grafik und Malerei an der Universität in Marburg. Seit 2018 ist sie als freie Schriftstellerin tätig und lebt heute in Freiburg/Brsg.

Der Roman „Lichtungen“ (2024) ist die rückwärts erzählte Geschichte einer Freundschaft, aus der später Liebe wird. Man beginnt bei Kapitel neun und arbeitet sich zurück bis zu Kapitel eins. Da die einzelnen Kapitel jedoch chronologisch erzählt werden, springt man in der Zeit ständig vor und zurück. Hinzu kommen immer wieder neue Personen, die aber später (vorher im Buch) keine Rolle mehr spielen. Das ist sehr verwirrend und tut der Geschichte nicht gut, da sie auseinander gerissen wird und ein roter Faden fehlt. Man erfährt zwar einiges über die rumänische Geschichte und den Wandel in Europa, doch das ist zeitlich schwierig einzuordnen. Die Öffnung der Grenzen verändert das Leben der Protagonisten und ihre Beziehung zueinander, was man aber bereits ein Kapitel zuvor bereits erfahren hat. Dadurch wirken auch die Protagonisten ziemlich blass, obwohl der Schreibstil der Autorin recht gut und facettenreich ist.

Fazit: Inhaltlich und sprachlich nicht schlecht, doch die Erzählweise konnte mich nicht überzeugen.

(Eine wunderbar rückwärts erzählte Geschichte ist z.B. „Die Überlebenden“ (2022) von Alex Schulman. Da stimmt alles und am Schluss schließt sich Anfang und Ende harmonisch zum Kreis.)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.01.2024

Zwischen Leben und Tod

Das späte Leben
0

Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – ...

Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – es bleiben ihm höchstens noch zwölf Wochen zu leben. Für ihn stürzt eine Welt ein, wollte er doch noch so viel mit seinem kleinen Sohn unternehmen. So bleibt ihm nur abzuwägen was noch zu tun ist, seine Gedanken zu ordnen und seinem Sohn einen langen Brief zu hinterlassen. Als er dann auch noch feststellen muss dass ihn seine Frau betrügt, gilt es in sich zu gehen, sich mit dem Schicksal abzufinden und mit allem zu versöhnen …

Der Autor Bernhard Schlink wurde 1944 in Bielefeld geboren, wuchs in Heidelberg auf, studierte in Heidelberg und Berlin Jura, promovierte 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. und habilitierte sich 1981 in Freiburg/Brsg. zum Professor für Öffentliches Recht. Er lehrte an den Universitäten in Bonn, Frankfurt/Main und Berlin und war von 1987 bis 2006 Richter am Verfassungsgerichtshof. Seinen Erfolg als Schriftsteller hatte er ab 1987. Inzwischen veröffentlichte er einige Sachbücher und vierzehn Romane, für die er zahlreise Auszeichnungen und Preise erhielt. Schlink ist Mitglied der SPD und lebt heute in New York und in Berlin.

„Das späte Leben“ (2023) ist ein Roman, der tief unter die Haut geht. Wie fühlt man sich mit dem Wissen um den nahen Tod und dazu der Erkenntnis, dass man vom Partner betrogen wird? Trotz seines schlichten und eher nüchternen Schreibstils schafft es der Autor wunderbar, uns die Gefühle und Gedanken des alten Mannes zu seinem baldigen Tod und seine Sorge um die Zukunft seines Sohnes und seiner Ehefrau zu vermitteln. Er dramatisiert nichts, beschönigt nichts, lässt einfach die Gefühle und Empfindungen fließen, die ständig zwischen Hilflosigkeit und der Suche nach einem Sinn schwanken. Die Geschichte beginnt recht behutsam, mit der verrinnenden Zeit jedoch steigt die Spannung, um dann sanft in einem offenen Ende auszuklingen.

Fazit: Ein bewegendes Buch über das Leben und den Tod, der unweigerlich dazu gehört – nachdenklich, aber nicht traurig. Meine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.01.2024

Kreuzberger Provinzklamauk

Wiener Straße
0

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden ...

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden Möchtegernkünstler Karl Schmidt und H.R.Ledigt. Ein Nachbar renoviert die Wohnung, Frank übernimmt das Putzen im Café, Chrissie bekommt einen Job hinter der Theke und die beiden Künstler arbeiten an ihren Werken für die große Kunstausstellung „Haut der Stadt“, dessen Kurator Wiemer sich in Chrissies Mutter Kerstin verguckt hat. Das Fernsehen kommt auch in die Wiener Straße. Sie wollen in dem von P.Immel, seinem Kumpel Kacki und der österreichischen Arsch-Art-Gruppe besetzten Haus filmen. Als dann noch ein Kontaktbereichsbeamter, der einen abgesägten Alleebaum sucht, erscheint, kommt Unruhe in der Straße auf …

Sven Regener, geb. 1961 in Bremen, ist ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker, der hauptsächlich durch seine Romane der „Lehmann-Serie“ bekannt wurde. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin-Prenzlauer Berg.

Durch begeisterte Presseberichte wurde ich auf den Autor und das Buch aufmerksam, doch leider konnte es meine Erwartungen nicht erfüllen. Humor und Witz suchte ich in der Geschichte vergeblich, allenfalls etwas Situationskomik blitzte dann und wann durch. Warum ein Autor seinen Protagonisten Namen wie P.Immel oder Kacki gibt und eine Gruppe Arsch-Art und eine Band Dr. Votz nennt, ist mir unerklärlich. Ist das der viel gepriesene Humor? Lobenswert ist allenfalls der Einfallsreichtum Regeners, dem es gelungen ist, die absurdesten Szenen in Slapstick-Manier in die Geschichte einzubauen. Aber ein abgewirtschaftetes Café, ein ehemaliger Intimfriseurladen, ein besetztes Haus, eine Kettensäge, ein abgesägter Baum und ein paar schräge Typen machen noch lange keinen guten Roman.

Fazit: Etwas Situationskomik, ansonsten Klamauk und Albernheiten - für mich enttäuschend.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2024

Geschichten aus einer Kleinstadt in Kentucky

Irgendwann wird es gut
0

„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. ...

„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. Alles spielt sich in derselben Kleinstadt und etwa zur selben Zeit ab. Es gibt einige Überschneidungen zwischen den Storys, doch die Hauptfigur ist jedes Mal eine andere. Das Thema Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Geschichten. Die Protagonisten haben psychische Probleme, sind auf der Suche nach einem Partner, wünschen sich generell Kontakt zu anderen Personen, sind jedoch emotional nicht dazu in der Lage. Erfreulich ist, dass die einzelnen Erzählungen alle, im Gegensatz zu vielen anderen Kurzgeschichten, einen eindeutigen Abschluss haben und man somit nicht lange über das Ende grübeln muss.

Fazit: Ideales Buch für Leser/innen die gerne innerhalb kurzer Zeit in sich abgeschlossene Geschichten lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2024

Wenn die Stille zu laut wird …

Die Wand
0

Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar ...

Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar noch eine im Tal gelegene Gaststätte auf, während die Frau alleine mit Hund Luchs zurückbleibt. Als das Paar am nächsten Morgen noch nicht zurück ist geht die Erzählerin mit dem Hund los, um nachzusehen. Plötzlich stoßen die beiden an ein Hindernis. Eine unsichtbare Mauer hat sich über Nacht gebildet, auf deren anderer Seite alles Leben erstarrt zu sein scheint. Was ist passiert? Plötzlich ist sie allein in den Bergen, gefangen und isoliert von jeglicher Zivilisation, nur mit Hund Luchs als Begleiter. Zum Glück sind im Jagdhaus reichliche Vorräte vorhanden, die sie, bis die erhoffte Hilfe eintrifft, am Leben erhalten werden. Doch außer eine Kuh und einer verwilderten Katze, die ihr zulaufen, kommt niemand. So richtet sich die Frau nach und nach ein, versorgt die Tiere, geht auf die Jagd, sammelt die Früchte des Waldes, baut Kartoffeln und Bohnen an, hackt Holz und hält das Haus in Ordnung. So vergehen zwei Jahre, dann geschieht eines Tages etwas völlig Schockierendes. Im darauffolgenden Winter, dem dritten Winter ihrer Gefangenschaft, beginnt die Frau diesen Bericht zu schreiben. Sie schreibt bis das Papier ausgeht, ohne zu wissen, ob ihn irgendwann jemand lesen wird …

Marlen Haushofer, geb. 1920 in Frauenstein, gest. 1970 in Wien, war eine österreichische Schriftstellerin. „Die Wand“ (1963) ist der dritte, und auch erfolgreichste, Roman der damals 43jährigen Autorin. Die Geschichte wurde verfilmt und kam 2012 in die Kinos.

Es ist ein ruhiger, dennoch sehr ergreifender und intensiver Roman, den die Autorin vor über 60 Jahren geschrieben hat, und der auch heute noch aktuell ist. Eine namenlose Frau - allein mit sich selbst, ihren unaufhörlich schweifenden Gedanken ausgeliefert, nur beschäftigt mit ihren Tieren und der manchmal gnadenlosen Natur – sie offenbart uns den Sinn des Lebens und zeigt uns was wirklich wichtig ist. Der Schreibstil ist ruhig und harmonisch und betont dadurch das Außergewöhnliche der Situation. Die Autorin lässt die Protagonistin ihre Erlebnisse in Form eines Tagebuches niederschreiben, drei Jahre lang, bis ihr das Papier ausgeht, wodurch eine enge Vertrautheit und Intimität entsteht. Großartig beschrieben sind die Vorgänge in der Natur, der Wandel der Jahreszeiten und die Tierwelt in Wald und Gebirge. Trotz der meist bedrückenden Stimmung klingt die Geschichte versöhnlich aus – die Frau scheint sich mit ihrer Situation abgefunden zu haben und blickt optimistisch in die Zukunft.

Fazit: Ein ergreifender und zu Herzen gehender Roman mit offenem Ende, nachdenklich und lesenswert trotz überwiegend bedrückender Stimmung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere