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Veröffentlicht am 15.10.2023

Ein Tag wie jeder andere, alles ganz normal?

Das Vermächtnis unsrer Väter
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Es geschah vor 20 Jahren auf der kleinen, abgeschiedenen schottischen Hebriden-Insel Litta, als John Biard unversehens zur Schrotflinte griff und seine Frau Katrina, seinen 10jährigen Sohn Nicky, seine ...

Es geschah vor 20 Jahren auf der kleinen, abgeschiedenen schottischen Hebriden-Insel Litta, als John Biard unversehens zur Schrotflinte griff und seine Frau Katrina, seinen 10jährigen Sohn Nicky, seine einjährige Tochter Beth und sich selbst erschoss. Nur der 8jährige Tommy überlebte im Kleiderschrank versteckt das Massaker. Er wurde von Malcolm, dem Bruder seines Vaters, und seiner Frau Heather aufgenommen und lebte bei ihnen, bis er als Halbwüchsiger die Insel verließ. Jetzt ist er plötzlich zurückgekehrt, was für viel Aufregung unter den Bewohnern sorgt. Schuldgefühle und verdrängte Erinnerungen kehren zurück. Welche Schuld trifft Freunde und Verwandte? Hätte man das unbegreifliche Geschehen verhindern können?

Die Autorin Rebecca Wait wurde 1988 geboren und war als Kind viel in den schottischen Highlands und auf den Hebriden. Sie studierte an der Oxford University und schloss ihr Englischstudium 2010 mit Bestnote ab. Für ihre Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke gewann sie bereits zahlreiche Preise. Sie lebt in London und arbeitet dort als Lehrerin.

In dem 2021 beim Kein & Aber erschienenen Roman „Das Vermächtnis unsrer Väter“ erzählt uns die Autorin ein Geschichte von Schuld, verdrängten Erinnerungen und von Verantwortung gegenüber seiner Familie und gegenüber sich selbst. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten, dem längsten Teil, nehmen wir Teil am Familienleben der Biards, lernen die Nachbarn und Freunde kennen und erfahren einiges über das Leben auf der einsamen, abgeschiedenen Insel – und lesen über die für alle unfassbare Tat. Der zweite Teil versetzt uns zurück in das kurze Leben der Mutter Katrina, von ihrer Kindheit bis zur Heirat mit John, die ihr plötzlich jegliche Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit nahm. Der dritte Teil dann bringt etwas mehr Aufklärung in die Geschichte, die bis dahin viele Fragen aufwarf. Wir erfahren von der Gewissenslast, die Tommy als Erwachsener immer noch mit sich rumschleppt, aber auch von Schuld und Unterlassung anderer Inselbewohner.

Der Schreibstil ist sehr gut dem jeweiligen Geschehen angepasst und zieht den Leser förmlich rein in die Geschichte. Man fragt sich unwillkürlich, welche Schuld Verwandte, Freunde und Nachbarn auf sich geladen haben. Sind unsere Charaktermerkmale angeeignet, Veranlagung oder sind sie vererbt? Tragen wir tatsächlich die Fehler unserer Väter (oder Mütter) in uns? Spannende Fragen, dem sich der Protagonist und auch wir stellen müssen und die letztendlich jeder für sich selbst entscheiden muss.

Fazit: Ein lesenswerter Roman der uns anregt über die Umstände nachzudenken, die uns zu dem Menschen gemacht haben, der wir heute sind.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

Rom, die Ewige Stadt - und eine vergängliche Liebe

Der letzte Sommer in der Stadt
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Um der Tristesse seines Elternhauses in Mailand zu entfliehen, nimmt der beinahe 30jährige Leo Gazzarra einen unbedeutenden Job als Korrespondent bei einer medizinisch-literarischen Zeitschrift in Rom ...

Um der Tristesse seines Elternhauses in Mailand zu entfliehen, nimmt der beinahe 30jährige Leo Gazzarra einen unbedeutenden Job als Korrespondent bei einer medizinisch-literarischen Zeitschrift in Rom an. Die mäßige Bezahlung nimmt er gerne inkauf, wichtig ist ihm das Flair der Stadt und die Nähe zum Meer. Doch bald wird das Büro geschlossen und Leo ist ohne Einkommen, Gelegenheitsjobs halten ihn nun über Wasser. Von Freunden, die beruflich einige Zeit im Ausland leben müssen, darf er die leer stehende Wohnung benutzen und kann auch deren Alfa Romeo übernehmen. Jetzt kann er sich ganz dem Dolce Vita hingeben, an der Piazza Navona herumhängen, das Nachtleben der Stadt genießen, betrunken durch die Bars ziehen und die Tage verkatert am Strand von Ostia vertrödeln. Er lernt Arianna kennen und lieben. Die junge Frau ist exzentrisch und labil, sie lockt ihn immer wieder an, um ihn gleich wieder wegzustoßen, denn sie hat andere Pläne. Sie ist auf der Suche nach einem reichen Villenbesitzer, mit einem Verlierer wie Leo sieht sie keine Zukunft. Als auch noch sein bester Freund stirbt, verliert Leo jeden Halt …

Gianfranco Calligarich, geb. 1947 in Asmara/Eritrea, ist ein italienischer Schriftsteller und stammt aus einer Triester Familie. Er wuchs in Mailand auf, zog dann nach Rom, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. Die Originalausgabe seines Romans „Der letzte Sommer in der Stadt“ erschien bereits 1973, wurde aber jetzt erst ins Deutsche und in weitere zwanzig Sprachen übersetzt.

Gleich zu Beginn des Romans sitzt Leo in seiner Lieblingsbucht am Meer, wo wir ihn auch am Ende der Geschichte wieder antreffen. Dazwischen erzählt er uns über seine Zeit in Rom, seine Erlebnisse, seine Hochs und Tiefs. Wir erfahren vom Zauber Roms, von Sehnsüchten und Wunschträumen – und von gescheiterten Existenzen. Wir begleiten ihn in durchzechten Nächten und an sonnenheißen Tagen, treffen vermeintliche Freunde und teilen mit ihm Schicksalsschläge und psychische Probleme.
Der Schreibstil des Autors ist ausgezeichnet, sehr intensiv und voll poetischer Sehnsüchte. Im Ich-Erzähler kann man einiges aus der Vita Calligarichs erkennen, auch er zog von Mailand nach Rom, um sich dort als Autor zu etablieren. Sehr vielschichtig und differenziert, mit all ihren menschlichen Schwächen und Fehlern, sind die handelnden Personen dargestellt. Die Beschreibung der wunderschönen Stadt, der romantischen Bucht am blauen Meer und der südländischen Atmosphäre weckt die Sehnsucht nach Urlaub und Abenteuer, die aber durch die Melancholie und Tristesse, die das ganze Buch unterschwellig durchzieht, wieder gemildert wird.

Fazit: Ein wunderbarer Roman, ein kleines Meisterwerk, das wiederentdeckt und nun endlich ins Deutsche übersetzt wurde – empfehle ich gerne weiter!

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Alte Birnensorten – neue Freundschaften

Alte Sorten
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Die siebzehnjährige Sally ist eine Außenseiterin, sie kann und will sich nicht anpassen. Wieder einmal ist sie abgehauen, diesmal aus einer psychiatrischen Klinik, in der man sie zurechtbiegen wollte. ...

Die siebzehnjährige Sally ist eine Außenseiterin, sie kann und will sich nicht anpassen. Wieder einmal ist sie abgehauen, diesmal aus einer psychiatrischen Klinik, in der man sie zurechtbiegen wollte. Am Rande eines Dorfes trifft sie auf Liss, eine ältere, verschlossene und wortkarge Frau, die keine Freunde hat und alleine einen alten Bauernhof bewirtschaftet. Sie gewährt Sally für eine Nacht Unterschlupf – und es werden Wochen daraus. Sally hilft Liss bei den anfallenden Arbeiten im Hof, auf dem Feld, im Wald und bei der Weinlese. Diese Tätigkeiten in der Natur helfen der jungen Frau, sich zu erden und ihren Frust abzubauen - und auch Liss profitiert davon, indem sie aus ihrer Isolation und Vereinsamung herausgerissen wird. Ganz langsam kommen sich die beiden Frauen näher und ganz allmählich kommen auch ihre bisher unterdrückten Gefühle und erlittenen Verletzungen ans Tageslicht …

Ewald Arenz, geb. 1965 in Nürnberg, ist ein deutscher Schriftsteller. Er machte sein Abitur in Fürth, studierte an der Universität in Erlangen-Nürnberg zunächst Jura, wechselte dann das Studienfach zu Anglistik, Amerikanistik und Geschichte. Für seine literarischen Arbeiten wurde er bereits mit zahlreichen Kulturpreisen ausgezeichnet. Arenz ist Gymnasiallehrer in Nürnberg, wo er Englisch und Geschichte unterrichtet. Er ist Vater von drei Kindern und lebt in der Nähe von Fürth.

Ein Autor, ein Mann der über Frauen und ihre Gemütslage schreibt, das kann doch wohl nicht gut gehen? Doch, es geht sogar sehr gut, wie man hier feststellen kann. Arenz hat die seelischen und körperlichen Situationen, die mentale Verfassung und momentanen Stimmungen der beiden Frauen brillant erfasst und großartig zu Papier gebracht. Vom ersten Zusammentreffen an spürt man eine Harmonie zwischen ihnen, eine Seelenverwandtschaft, wie sie sonst nur zwischen Mutter und Tochter zu spüren ist bzw. zu spüren sein sollte.

Doch nicht nur die beiden Frauen sind Thema dieses Buches, eine wesentliche Rolle spielt auch die Natur. Mit Sally lernen wir die verschiedenen Obstsorten kennen, sind bei der Kartoffelernte und der Weinlese dabei, zeichnen im Wald die Bäume an und helfen den Bienen gut zu überwintern. Der Schreibstil ist dabei ausdrucksvoll und fesselnd von Anfang an. Besonders die beiden Protagonistinnen, aber auch alle Nebenfiguren, sind klar und präzise herausgearbeitet. Nach anfänglich ruhigem Dahingleiten nimmt die Geschichte ab etwa der Hälfte des Buches ordentlich Fahrt auf, um dann in einem unerwarteten, aber völlig realistischen Ausblick in eine hoffnungsvolle Zukunft zu enden.

Fazit: Ein stilles, unaufgeregtes Buch voller Zuversicht, das berührt und nachdenklich stimmt. Empfehle ich gerne weiter!

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Veröffentlicht am 02.10.2023

Winterzeit – Lesezeit

Literarische Schlittenfahrt
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Eine neue Ausgabe des beliebten Klassikers winterlicher Geschichten „Literarische Schlittenfahrt“, die mir als eBook vorliegt. Fünfzehn Kurzgeschichten verschiedener Autoren, z.B. Charles Dickens, Oscar ...

Eine neue Ausgabe des beliebten Klassikers winterlicher Geschichten „Literarische Schlittenfahrt“, die mir als eBook vorliegt. Fünfzehn Kurzgeschichten verschiedener Autoren, z.B. Charles Dickens, Oscar Wilde, Luise Büchner, E.T.A. Hoffmann, Ludwig Thoma u.a. - und im Vorspann ein kleines Gedicht von Goethe. Aufgelockert werden die Geschichten durch dazwischen eingefügte wunderschöne Zeichnungen, die uns großartig auf den bevorstehenden Winter und die besinnliche Weihnachtszeit einstimmen.

Da ich bereits vom Inhalt des eBooks voll überzeugt bin, werde ich das gedruckte Buch an liebe Freunde und Verwandte verschenken. Es ist ein optisches Highlight und besticht durch seine hochwertige Ausstattung mit Goldfolie auf dem Cover und einem interessanten Wickelknopf-Verschluss. Zudem kann jede Seite aufgetrennt werden, was dem Leser eine ganz besondere Beziehung zu dem Buch vermittelt.

Fazit: Literarisch und optisch ein Highlight und eine wunderbare Geschenkidee.

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Veröffentlicht am 28.09.2023

Flucht ins Ungewisse

Die Kinder des Don Arrigo
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Natan ist 11 Jahre alt, als sein Vater nachts von den Braunhemden abgeholt wird. Es ist für Juden sehr gefährlich geworden in Berlin, deshalb versucht eine Organisation um Frau Recha Freier wenigstens ...

Natan ist 11 Jahre alt, als sein Vater nachts von den Braunhemden abgeholt wird. Es ist für Juden sehr gefährlich geworden in Berlin, deshalb versucht eine Organisation um Frau Recha Freier wenigstens die Kinder in Sicherheit zu bringen. In kleinen Gruppen geht’s mit dem Zug nach Wien, dann nach Graz und von dort auf einem LKW zur Grenze nach Jugoslawien, wo sie im Schneetreiben vergeblich auf einen Schleuser warten. Ein hilfsbereiter Bauer bringt sie über die Grenze ins nächste Polizeirevier, von wo aus man sie weiter nach Zagreb schickt. Aber auch dort tauchen bald die Häscher in den braunen Hemden auf. Mit falschen Papieren kommen die Kinder weiter nach Slowenien, wo sie in einem alten Schloss für etwa ein Jahr in Sicherheit sind. Danach geht‘s mit dem Zug weiter nach Italien, zunächst nach Modena und dann weiter in den kleinen Ort Nonantola, wo sie in der alten verlassenen Villa Emma Unterschlupf finden. Hier können sie bleiben und zur Ruhe kommen, obwohl ihr Ziel eigentlich Israel ist. Die Dorfgemeinschaft unter Pfarrer Don Arrigo tut alles, dass sich die Kinder wohlfühlen. Doch dann tauchen auch hier die ersten Nazi-Soldaten auf …

Der italienische Schriftsteller Ivan Sciapeconi, geb. 1969, ist Grundschullehrer und schrieb bisher Kinder- und Jugendbücher. Seine Begeisterung für Geschichte brachte ihn zur Recherche für seinen ersten Roman für Erwachsene „Die Kinder des Don Arrigo“ (2023). Der Autor lebt mit seiner Frau in Modena.

Seine akribischen Recherchen veranlassten Sciapeconi, diesen Roman nach einer wahren Geschichte zu schreiben. Der Protagonist und Erzähler des Geschehens, Natan, ein zu Beginn elfjähriger jüdischer Junge, ist eine ausgedachte Figur. Es sind hauptsächlich seine Gedanken, seine Gefühle, seine Erlebnisse und seine Ängste, die uns so berühren. Alle anderen Charaktere, auch die Betreuer der Gruppe, sind sehr authentisch und ihre Handlungsweisen gut nachvollziehbar. Der Schreibstil ist dabei eher ruhig gehalten. Der Roman ist eine Hommage an den Mut der vielen, teils unbekannten, Retter und an die Bevölkerung des Dorfes Nonantola, die die jüdischen Kinder vor den Nazis schützten und versteckten. Am Ende des Buches sind die 85 Namen der Kinder, Jugendlichen und ihrer Begleiter, die dort in der Villa Emma Unterschlupf fanden, aufgeführt. Im Nachwort des Autors berichtet er über das weitere Schicksal einiger Helfer, damit ihre Namen nie in Vergessenheit geraten werden.

Fazit: Roman nach einer wahren Geschichte über eine schier unglaubliche Flucht – ein Stück Zeitgeschichte. Sehr lesenswert!

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