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Veröffentlicht am 27.10.2022

Warten kann ganz schön unterhaltsam sein

Rille: Wann ist bald?
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„Wann ist denn dieses Bald vorbei?“

Gorilla Rille entdeckt im Dschungel ein einsames Ei. Wer daraus wohl schlüpft? Rille legt das Ei in ein geschütztes Nest. Jetzt braucht es nur noch eines: viel Geduld. ...

„Wann ist denn dieses Bald vorbei?“

Gorilla Rille entdeckt im Dschungel ein einsames Ei. Wer daraus wohl schlüpft? Rille legt das Ei in ein geschütztes Nest. Jetzt braucht es nur noch eines: viel Geduld. Rille hofft, dass es bald so weit ist und das Ei seinen Bewohner offenbart. Doch wann ist eigentlich bald? Zusammen mit seinen Dschungelfreunden und den kleinen Lesern wartet er und erlebt am Ende eine echte Überraschung….

Die Geschichte ist kindgemäß, schön bildhaft und abwechslungsreich formuliert. Prima, dass die kleinen Leserinnen und Leser direkt in der zweiten Person mit „du“ angesprochen werden, dadurch Teil der Geschichte sind und zum aktiven Mitlesen und Mitmachen animiert werden.
Nikolai Renger hat zur Geschichte faebenfrohe, lebendige, motivierende, liebevolle und ansprechende Bilder gezeichnet, die gute Laune verbreiten. Das Buch richtet sich an Kinder ab drei Jahren.

Die Figurentruppe ist ziemlich originell und vielfältig: ein Gorillajunge, eine ältere Gürteltierdame mit Stock, ein blauer Papagei, drei Wasserschweine, ein junger Tapir, ein Jaguar und ein Überraschungsgast. Eine Personenkonstellation so bunt wie der Dschungel selbst. Die witzigen Figuren werden sicherlich gut bei Kindern ankommen.

„Wann ist bald“ zeigt auf humorvolle Weise, dass Geduld zu haben gar nicht so einfach ist und einen langen Atem braucht. Während es die Tiere kaum erwarten können und ihnen von der Warterei langweilig wird, ist das Buch selbst absolut kurzweilig zu lesen, denn die kleinen Leser werden immer wieder mit einbezogen. Sie sollen genau hingucken, pusten, klopfen, singen, das Buch drehen, streicheln, zählen, erzählen oder gar mitbrüten. Sehr phantasievolle Ideen des Mitlesens, die auch nach der wiederholten Lektüre noch ziehen. Mein vierjähriger Mitleser hat Rille und seine Freunde sofort ins Herz geschlossen und wurde nicht müde zu fordern, das Buch immer wieder von vorne vorgelesen zu bekommen. So macht Warten definitiv Spaß.

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Veröffentlicht am 26.10.2022

Wohligwarme Romanze mit sympathischen Figuren

Fast bis zum Nordkap
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„Andererseits braucht es den ganzen Weg, man kann nicht starten und sofort auf dem Gipfel stehen.“

In Beas Leben läuft es eigentlich perfekt. In ihrem Job in der Werbeagentur ist sie sehr erfolgreich, ...

„Andererseits braucht es den ganzen Weg, man kann nicht starten und sofort auf dem Gipfel stehen.“

In Beas Leben läuft es eigentlich perfekt. In ihrem Job in der Werbeagentur ist sie sehr erfolgreich, ihr winkt gar die Partnerschaft in der Firma. Privat ist sie mit ihrem Arbeitskollegen Marco liiert, außerdem lebt sie in einer traumhaften, stylischen Hamburger Wohnung. Dennoch ist Bea nicht glücklich. Sobald sie ihren Arbeitsplatz betritt, macht sich ein unangenehmes Gefühl in ihr breit. Bea beschließt, sich eine Auszeit zu nehmen. Sie möchte mit einem alten Bulli bis ans Nordkap fahren. Doch weit kommt sie nicht. Im kleinen Örtchen Sjöhyttan macht das Auto schlapp. Bea muss zwangsläufig eine Pause einlegen. Sie begegnet Per, dem alleinerziehenden Vater zweier Töchter. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch. Da trifft es sich gut, dass die Reparatur von Beas Bus etwas länger dauert und die beiden viel Zeit miteinander verbringen…

Judith Pinnow schreibt leicht und unkompliziert in der Gegenwart. Ihre Figuren sprechen sehr viel in wörtlicher Rede miteinander, was den Schreibstil recht lebendig und direkt gestaltet.

Hauptfigur Bea ist mit ihrem aktuellen Leben überfordert. Obwohl alles nach Plan läuft, ist sie gestresst, steht unter Druck. Nachts schläft sie nicht. Bea zieht die Reißleine, nimmt sich Zeit für sich und ihre Träume. Doch sie weiß immer noch nicht, was genau ihr eigentlich fehlt.
Per, der Tiny-Häuser baut und sich rührend um seine beiden Töchter kümmert, zeigt ihr neue Sichtweisen auf. Sein Leben in der schwedischen Provinz ist genau das Gegenteil von Beas. So ungleich die Ausgangsposition, so gut scheinen sich Bea und Per zu verstehen. In beide Figuren konnte ich mich gut hineinversetzen. Und dann treten noch zahlreiche sympathische Nebenfiguren wie Cafebesitzerin Nanni, Urlauberin Frau Schluttberg oder Pers Tochter Olivia auf. Da sieht man gerne über manche, etwas klischeebehaftete Charaktere hinweg.

Findet Bea das, was sie sucht? Und welche Rolle spielt Per dabei?
Judith Pinnow kennt den Stoff für wunderschöne, leichte, glücklichmachende Liebesgeschichten zum Wegträumen. Sie hat eine zuckersüße Eskapimus-Romanze geschrieben, die die Leser „fast bis zum Nordkap“ entführt, in die idyllische, liebenswerte schwedische Provinz, wo die Uhren noch etwas langsamer ticken und es trotzdem aufregend, überhaupt nicht langweilig und absolut lebenswert ist.
Wer wie Bea eine Auszeit vom Alltag sucht, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Ja, die Geschichte mag stellenweise etwas kitschig und naiv sein, aber sie ist einfach zum Seufzen schön.

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Veröffentlicht am 23.10.2022

Was uns die Natur alles erzählt - hochinteressantes, motivierendes „Naturdetektivbuch“

Die verborgenen Zeichen der Natur
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Die Natur steckt voller Geheimnisse und Hinweise, kann uns mehr viel erzählen, als wir für möglich halten. Das Buch „Die verborgenen Zeichen der Natur“ gibt zahlreiche Tipps und Anregungen, wie man die ...

Die Natur steckt voller Geheimnisse und Hinweise, kann uns mehr viel erzählen, als wir für möglich halten. Das Buch „Die verborgenen Zeichen der Natur“ gibt zahlreiche Tipps und Anregungen, wie man die versteckten Codes der Natur entschlüsseln kann: Welche Botschaften hat ein Regenbogen für uns? Was erzählen uns Wolken? Wie kann man sich sich im Schnee orientieren? Woran kann ich erkennen, ob es bald regnet? Wie kann ich anhand der Dünen die Windrichtung erkennen? Was verraten uns die Farben des Meers? Was zeigt uns der Seetang an der Küste? Wie lässt sich in der Wüste Wasser finden? Welche Geschichten erzählen Baumstümpfe? Welche Sprache sprechen Pilze? Was erkennt man an Tierwanderungen? Was verraten Schmetterlinge über die Natur? Was sagen Schafherden übers Wetter aus? Welche Vogelstimmen wecken uns? Wie kann man sich an der Sonne orientieren? Was verrät uns der Vollmond? Wie kann man die Himmelsrichtung mittels Polarstern bestimmen? Diese und ganz viele weitere Fragen werden hier beantwortet. Am Ende werden alle vorkommenden Fachbegriffe in einem Glossar aufgelistet und altersgerecht erläutert.

Die Texte sind klar strukturiert und kindgemäß formuliert. Es gibt auf jeder Themenseite jeweils einen längeren, etwas allgemein gehalteneren Fließtext und weitere kürzere Texte zu spezielleren Aspekten. Auf jeder Doppelseite findet sich eine große, zusammenhängende, bunte, hübsch und liebevoll gezeichnete Illustration, auf der es viel zu entdecken gibt. Die kürzeren Texte beziehen sich auf einzelne Ausschnitte des Bildes. Die detaillierten Zeichnungen laden zum genauen Hinschauen ein. Das Buch und das Cover sind hochwertig und ansprechend gestaltet und aufgemacht. Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren.

Dass es in der Natur viel zu entdecken gibt, wird in diesem spannenden Sachbuch auf jeder einzelnen Seite sehr deutlich. Die kleinen Leser werden angehalten, ihre Umwelt genau zu beobachten, ihren Geheimnissen auf den Grund zu gehen. Überall um uns finden sich ganz verschiedene Hinweise, die man deuten lernen kann: Was können wir aus dem Verhalten der Tiere schließen? Was erzählen uns Wetterphänomene? Die „Sprache der Natur“ ist vielfältig, hochinteressant und faszinierend, wenn man sich näher mit ihr beschäftigt. Und immer wieder wird dabei offensichtlich: Die Natur steckt voller Wunder. Auch Erwachsene werden aus diesem Buch noch sehr viel Neues erfahren.
Ein motivierend gestaltetes, schön aufgemachtes Naturdetektivbuch mit tollen Bildern zum immer wieder Anschauen, Staunen und Genießen.

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Wenn der Palast zum Käfig wird - die Geschichte einer vermeintlichen Märchenprinzessin

Sisi - Kaiserin wider Willen
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„Sisis Gedanken überschlugen sich. Sie würde Possenhofen verlassen und am prächtigen Wiener Hof leben. Sie würde eleganten Höflingen und Hofdamen begegnen und sehen, welche Kleidung man zurzeit trug. Das ...

„Sisis Gedanken überschlugen sich. Sie würde Possenhofen verlassen und am prächtigen Wiener Hof leben. Sie würde eleganten Höflingen und Hofdamen begegnen und sehen, welche Kleidung man zurzeit trug. Das wäre eine ganz andere Welt als das einfache Leben, das sie in Possenhofen führte. Sie begannen diesen Bildern zu schwelgen - und dann machten sie ihr plötzlich Angst.“

Die junge bayerische Prinzessin Elisabeth, Sisi, begleitet ihre Schwester Helene und ihre Mutter nach Ischl, wo Helene ihren zukünftigen Mann, den österreichischen Kaiser Franz Joseph, kennenlernen soll. Doch dann kommt alles ganz anders: Franz Joseph verliebt sich in Sisi und macht dieser einen Heiratsantrag. Sisi wird schließlich Kaiserin von Österreich. Aber das Leben am Hof, die strengen Regeln bringen Sisi an ihre Grenzen. Sisi fühlt sich bald sehr einsam…

Allison Pataki schreibt gut verständlich und flüssig. Das Buch lässt sich schnell und unkompliziert lesen. Einigen Kapiteln sind passende Original-Gedichte der Kaiserin vorangestellt, die zeigen wie sich Sisi wirklich empfand. Auch dass immer wieder Goethes Werke zitiert werden, die Sisi sehr schätzte, gefällt mir.

Sisi ist wohl die berühmteste Kaiserin der Welt. Beim Volk war die junge Frau sehr beliebt, gab sie sich doch charmant, volksnah und bodenständig. Im Buch wird sie zunächst als aufgeweckte, fröhliches Mädchen voller Gefühle beschrieben. Doch das Leben bei Hof verändert sie. Aus dem unbeschwerten Kind wird eine ernste, einsame Frau, deren Sehnsucht nach Liebe unerfüllt bleibt. Mit ihrer strengen Tante Sophie gibt es oft Konflikte.
Sisi wird bevormundet, kontrolliert, fühlt sich daher immer eingesperrt und einsam: „Sie war allein, stellte sie fest. Trotz der Menschen, die sie fortwährend umgaben, war sie vollkommen allein. Und das Gefühl war weitaus schlimmer, als auf ihre Tante eifersüchtig zu sein.“
Später entwickelt Sisi ein ungesundes Körpergefühl. Anfangs war mir Sisi sympathisch, später empfand ich ihr gegenüber eher Mitleid. Auch Franz Josephs Charakter wandelt sich, er fällt im Verlauf zunehmend unangenehm auf, scheint er doch fremdbestimmt, als hätte er keine eigenen Willen, keine eigene Persönlichkeit.

Gerade die erste Hälfte hat mir recht gut gefallen, sie liest sich flott und flüssig. Sisi wirkt am Anfang in ihrer Naivität sehr erfrischend und charmant, die Geschichte, die zu Beginn stark an die Sisi-Filme erinnert, lässt Kindheitserinnerungen an die Verfilmungen aufleben. Gegen Ende zieht sich die Handlung allerdings ein wenig. „Sisi- Kaiserin wider Willen“ ist eine Romanbiographie, einige Handlungsstränge sind daher fiktiv und der Phantasie der Autorin entsprungen. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass Sisi im Buch authentisch dargestellt wird: als einsamen Frau, die sich selbst verliert, obwohl sie doch eigentlich nur lieben und geliebt werden möchte.
Insgesamt für mich daher eine kurzweilige, unterhaltsame Romanbiographie mit kleinen Schwächen im Spannungsbogen.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Hochdramatisch, packend, emotional - ein perfekter Schmöker

Das Tor zur Welt: Träume
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„Irgendwann. Genau wie das Meer war das Wort immer da. Sie flüsterte es sich in Gedanken zu, wenn die Wirklichkeit sie zu erdrücken drohte. Es gab ihr Kraft, zu glauben, dass sich alles ändern konnte.“

Die ...

„Irgendwann. Genau wie das Meer war das Wort immer da. Sie flüsterte es sich in Gedanken zu, wenn die Wirklichkeit sie zu erdrücken drohte. Es gab ihr Kraft, zu glauben, dass sich alles ändern konnte.“

Die junge Ava lebt mit ihren Zieheltern und deren Tochter 1892 auf dem Moorhof im Alten Land, jeden Tag schuftet sie extrem hart, nie ist ihr eine Pause vergönnt. Ganz plötzlich soll sich ihr Leben ändern, als ihr Ziehvater entscheidet, alles hinter sich zu lassen und nach Amerika auszuwandern. Leider kommt es ganz anders als erhofft. Ava muss ihren Traum von einem Leben in Amerika zunächst aufgeben. Sie ist gezwungen, in der Auswanderstadt in Hamburg zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Dort trifft sie auf die begüterte Claire Conrad, die aus ganz anderen Gründen in den Auswanderhallen mitarbeitet. Die beiden ungleichen Frauen freunden sich allmählich an, doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu….

Miriam Georg schreibt angenehm flüssig und gut verständlich, meist in der dritten Person Vergangenheit aus der Sicht ihrer beiden Protagonistinnen. Zusätzlich werden noch Passagen in der ersten Person eingeschoben, Erinnerungen einer unbekannten Erzählerin aus der Vergangenheit. Wie diese Abschnitte mit der restlichen Handlung zusammenhängen, klärt sich im Verlauf. Aufgrund des unkomplizierten, klaren Schreibstil konnte ich mich sofort in die Handlung und die Personen hineinversetzen und war rasch von der Geschichte gefangen.

Ava hat sich schon immer fortgeräumt. Doch in der Realität ergibt sie sich ihrem Schicksal, erträgt Ungerechtigkeiten, arbeitet besonders hart und unternimmt jede Anstrengung, um für sich eines Tages ein besseres Leben zu erreichen. Bei Claire stehen hingegen die Zeichen eher auf Rebellion und Auflehnung. Sie möchte sich nicht dem fügen, was ihre Mutter für sie bestimmt, ist willensstark, voller Leidenschaft und in Extremsituationen zu allem bereit. Obwohl Ava und Claire aus völlig anderen Welten stammen, nähern sich die beiden an. Mit Ava, die sich nicht unterkriegen lässt, litt ich mit. Claire hingegen, die auf ganz andere Art leidet, fordert heraus, ist verwöhnt, hat durchaus Ecken und Kanten. Ihre Persönlichkeit mag weniger „gefällig“ sein, ist aber umso interessanter. Mit der Auswahl ihren beiden vielfältigen Hauptfiguren hat Autorin Miriam Georg für mich ins Schwarze getroffen. Auch die männlichen Figuren passen gut in die spannende Personenkonstellation, Quint beispielsweise ist kein Held aus dem Bilderbuch, hat auch sehr dunkle Seiten, die ihn faszinierend machen.

Einmal mehr zeigen sich die zwei Gesichter des historischen Hamburgs: Reichtum, Prunk, fast Dekadenz einerseits, harte Arbeit, Armut, Hoffnungslosigkeit und katastrophale Bedingungen andererseits.
Überaus anschaulich beschreibt Miriam Georg die Zustände in den Hamburger Auswanderhallen, erschütternd und hautnah. Die Auswanderer hatten große Träume von einer besseren Welt, die von der erschreckenden Realität, von Hunger und Krankheit zerstört wurden und sich nicht selten zum Albtraum entwickelten. Die Geschichte um Ava und Claire hat mich bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen: hochdramatisch, fesselnd, voller Gefühle. Der erste Teil von „Das Tor zur Welt“ - Träume“ bietet alles, was ein perfekter Schmöker braucht. Nach „Elbleuchten“ und „Elbstürme“ erneut ein sehr lesenswertes Buch der zu Recht erfolgreichen Autorin.

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