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Veröffentlicht am 02.08.2022

Kein Jane-Austen-Lesegenuss, eher eine durchschnittliche Romanbiographie

Jane Austen und die Kunst der Worte
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„Was immer ihr geschah, sie hatte einen Ort, an den sie gehen konnte. In ihre Welt, jene, die sie anderen nahebringen konnte, indem sie beschrieb, was sie dort hörte, was sie sah, was die darin lebenden ...

„Was immer ihr geschah, sie hatte einen Ort, an den sie gehen konnte. In ihre Welt, jene, die sie anderen nahebringen konnte, indem sie beschrieb, was sie dort hörte, was sie sah, was die darin lebenden Figuren empfanden. Manchmal war ihr, als sei diese Welt ihr die liebere, während ihr die Wirklichkeit zu beschwerlich und traurig erschien, um der anderen je wahrhaft Konkurrenz zu machen.“

Jane Austen wächst als Pfarrerstochter im englischen Steventon auf. Ihre Eltern legen Wert darauf, dass sie Bildung erhält und viel liest. Doch Janes wahre Leidenschaft ist das Schreiben. Sie träumt davon, Schriftstellerin zu werden, etwas zu veröffentlichen. Als sich Janes Schwester Cass verlobt, fürchtet Jane, dass sie von ihrer Mutter ebenfalls zu einer Heirat gedrängt wird. Dabei möchte sie viel lieber nur von der Liebe schreiben. Doch dann verliebt sie sich tatsächlich selbst…

Autorin Catherine Bell, das Pseudonym der Schriftstellerin Kerstin Sgonina, erzählt aus Janes Perspektive in der ersten Person. Die Geschichte ist gut verständlich zu lesen, die Sprache wirkt aber, wenn man den Sprachstil mit den Romanen Jane Austens vergleicht, nicht ganz stimmig und authentisch, insgesamt etwas zu modern. Die Geschichte wird nicht durchgehend chronologisch geschildert, teils „springt“ die Handlung in den Zeiten hin und her. Mitunter werden Auszüge aus Janes Werken eingeschoben, die zur entsprechenden Szene vorher passen.

Jane Austen ist eine hochinteressante Protagonistin. Die intelligente Frau verfügt über eine besondere Beobachtungsgabe, ist ihrer Zeit definitiv voraus, denn sie strebt nach Selbstentfaltung und nicht nur nach der Ehe. Zu ihrer Mutter, die sie zwar in ihrem Bildungshunger unterstützt, aber sich dennoch eine Verlobung und Absicherung für ihr Tochter wünscht, hat sie ein kompliziertes Verhältnis. Jane hat viel Phantasie, schafft sich durch das Schreiben ihre eigene Welt:
„Wenn ich schreibe, ist es, als habe die Welt gewechselt. Und diese Welt verstehe ich besser als die, in der du und ich gerade herumlaufen.“ Auch wenn mir die Jane in diesem Buch durchaus sympathisch war, stelle ich sie mir noch lebendiger, scharfzüngiger und erfrischender vor, als sie in diesem Roman rüberkommt.

Als Liebhaberin sämtlicher Jane Austen-Romane war ich sehr gespannt auf diese Romanbiographie über die Frau hinter den großen Werken. Leider ist das Leseerlebnis kein Vergleich zu ihren Romane. Ich fand trotz des ansprechenden Themas keinen rechten Zugang zum Buch, mir fehlte ein deutlicher Spannungsaufbau. Die Geschichte war oft mehr zähflüssig als flüssig zu lesen. Einige Stellen überzeugten durchaus. Dass beschrieben wird, wie Jane auf die Ideen für ihre literarischen Figuren kommt, dass ihr Elizabeth Bennet gar erscheint und ihr eigenes Leben kommentiert, war beispielsweise für mich eine spannende Vorstellung. Dennoch habe ich lange für den Roman gebraucht. Er vermochte mich längst nicht so zu fesseln wie „Verstand und Gefühl“ oder „Stolz und Vorurteil“. Insgesamt eine durchschnittliche Romanbiographie, die zwar schön zeigt, dass zu einem erfüllten Leben auch damals nicht unbedingt eine Ehe gehörte, sondern dass es Jane auch auf andere Weise gelingt, glücklich zu werden, aber bei der der Funke, die Emotionen und die Leidenschaft, die Jane Austen für mich ausmachen, einfach nicht recht überspringen wollten.

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Veröffentlicht am 02.08.2022

Auf zum Drachenkampf mit ungewöhnlicher Superkraft- ein pupskomisches Reimmärchen

König Pups - Drachenalarm
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„Ich bin zwar wohl des Pupsens leid,
doch manchmal es mir Kraft verleiht!“

Seit König Pups mit Hilfe seiner extremen Darmwinde die Burg vor bösen Angreifern verteidigt hat, läuft es gut für den König ...

„Ich bin zwar wohl des Pupsens leid,
doch manchmal es mir Kraft verleiht!“

Seit König Pups mit Hilfe seiner extremen Darmwinde die Burg vor bösen Angreifern verteidigt hat, läuft es gut für den König und sein Volk. Doch dann bittet ihn ein Vater um Hilfe, dessen Tochter von einem fürchterlichen Drachen entführt wurde. König Pups verspricht, sich höchstpersönlich um die Angelegenheit zu kümmern. Ein Kampf gegen einen gefährlichen Drachen ist eine große Herausforderung. Ob König Pups dem gewachsen ist? Und werden seine gewaltigen Pupse dabei erneut zur Superkraft?

Autorin Bettina Rakowitz erzählt witzig, leicht, sehr unterhaltsam und eingängig in Reimen. Nach mehrmaligem Lesen werden die kleinen Zuhörer einige Passagen sicher rasch mitsprechen können. Die klaren, bunten Illustrationen passen sehr gut zur Geschichte, stellen die Handlung lustig und anschaulich dar. Die recht groß gedruckte Schrift ist gut lesbar. Dank des ausgeglichen Text-Bild-Verhältnisses fühlen sich sicher auch Leseanfänger ab sechs, sieben Jahren nicht von der Textmenge überfordert und werden zum Lesen motiviert. Zum Vorlesen eignet sich die Geschichte für Kinder ab vier Jahren.

König Pups startet mit neuem Selbstbewusstsein. Früher schämte er sich für seine übelriechenden Blähungen. Doch seit er ganz alleine gefährliche Feinde in die Flucht geschlagen hat, ist er mit der vermeintlichen Schwäche versöhnt. Die Sorgen seiner Untertanen nimmt der engagierte Monarch sehr ernst. Er stellt sich mutig und völlig unerschrocken dem Kampf gegen einen furchterregenden Drachen. König Pups ist ein ungewöhnlicher und sympathischer Superheld.

Pupse sind etwas Natürliches und nichts, wofür man sich schämen muss, auch wenn sie immens stinken. Wofür Pupse sonst noch alles gut sind, wird hier auf absolut witzige Weise erzählt. Wie im ersten Band zeigt sich, Schwächen können auch Stärken sein, wenn man sie akzeptiert.
Bettina Rakowitz ist erneut ein urkomisches, originelles, einfallsreiches Märchenabenteuer der etwas anderen Art gelungen, das sich trotz oder gerade wegen der Reime absolut flüssig liest. Ein wunderbares Vorlesevergnügen für alle, die über Pupse lachen können.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Nicht Fisch, nicht Fleisch - ansprechend gestaltetes Kochbuch mit nicht ganz überzeugendem Grundkonzept

Salate zum Sattessen
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Salate sind nur Beilage, manchmal eher notwendiges Übel, schließlich muss doch die Vitaminversorgung gewährleistet werden? Das Buch „Salate zum Sattessen“ macht Salate zum magischen Hauptgerichtestar und ...

Salate sind nur Beilage, manchmal eher notwendiges Übel, schließlich muss doch die Vitaminversorgung gewährleistet werden? Das Buch „Salate zum Sattessen“ macht Salate zum magischen Hauptgerichtestar und räumt mit dem Vorurteil auf, dass Salate oft nur eine Nebenrolle spielen.
21 Rezepte für besondere Salate finden sich in diesem Kochbuch unter dem Motto „Magic Cooking“. Nach einer kurzen Einleitung wird aufgetischt: „ganz pur“ z.B. „Tomaten-Melone-Salat“ oder „Kartoffelsalat mit Speck“, „ganz klassisch“ wie „Griechischer Salat mit Hähnchen“ oder „Cesar Salad mit Austernpilzen“ oder „ganz kreativ“ wie „Linsensalat mit bunter Bete“ oder „Qinoa-Salat mit Kürbis“. Zwischendurch gibt es allgemeine Abschnitte über den perfekten Salat, Dressings oder Toppings.

Die Rezepte und Texte sind schlicht und klar formuliert. Die Rezept sind auch für Anfänger problemlos nachzukochen, den „Antipasti-Nudelsalat“ habe ich beispielsweise ohne Schwierigkeiten zubereiten können. Dass im Buch immer wieder Begriffe rund um die Magie verwendet werden, wirkt auf mich allerdings etwas gekünstelt und zu gewollt. Die Magie des Buchs hat mich leider nicht erreicht.
Die Gerichte werden auf sehr ansprechenden Fotos perfekt in Szene gesetzt und machen großen Appetit. Die äußerliche Gestaltung ist insgesamt gelungen: kleines Format, stabile Bindung, dickeres Papier, recht hochwertige Aufmachung und ein attraktives Cover.

Zu jedem Rezept gibt es unter der Rubrik „eine fantastische Idee“ oder die „Prise Magie“ Tipps, z.B. kleinen Abwandlungen wie eine zusätzliche Zutat oder ein Alternativgewürz, die das Rezept noch schmackhafter oder raffinierter gestalten. Das gefällt mir.
Die Rezeptauswahl ist allerdings nicht besonders innovativ. Für viele Geschmäcker ist sicherlich etwas dabei, aber es finden sich hier meiner Meinung nach keine magischen „Rezeptneuheiten“.
Für den Preis von 14,99 Euro hätten es für mich außerdem durchaus noch mehr Rezepte sein können.
Nach welchen Kriterien welcher Salat in die Kategorien „Ganz pur“, „Ganz klassisch“ oder „Ganz kreativ“ eingeordnet wird, erschließt sich mir nicht. Ich hätte mir eine klarerer Einteilungen oder alternativ Hinweise am Rezept wie „mit Fisch“,„mit Fleisch“,„vegetarisch“ oder „vegan“ gewünscht. Insgesamt hat mich das attraktiv gestaltete Buch daher leider nicht ganz überzeugt.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Kurzweiliger, mitreißender historischer Kriminalroman mit interessanter Personenkonstellation

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Glück der Kinder (Hafenärztin 2)
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1911 kümmern sich die Ärztin Anne Fitzpatrick und die Pfarrerstochter und angehende Lehrerin Helene Curtius um Familien, die von Hamburg aus nach Amerika auswandern möchten. Helene unterrichtet dort teils ...

1911 kümmern sich die Ärztin Anne Fitzpatrick und die Pfarrerstochter und angehende Lehrerin Helene Curtius um Familien, die von Hamburg aus nach Amerika auswandern möchten. Helene unterrichtet dort teils stark traumatisierte Kinder, Anne widmet sich der medizinischen Versorgung der Auswanderer während der Quarantäne vor der Überfahrt. Als einige Kinder rätselhafte Symptome zeigen, ein Junge gar stirbt und es zu einem verdächtigen Todesfall im zwielichtigen Umfeld des Hafens kommt - ein Zuhälter wird ermordet- ruft das Kommissar Berthold Rheydt auf den Plan. Ob die Ereignisse zusammenhängen? Irgendetwas scheint hier ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuzugehen.

Autorin Henrike Engel schreibt gut verständlich und flüssig in der Vergangenheit. Abwechselnd schildert sie, wie Ärztin Anne, Pfarrerstochter Helene und Kommissar Berthold das Geschehen erleben.
Das Cover, eine vornehm gekleidete Dame vor einer historischen Hamburger Stadtansicht, erinnert stark an das Titelbild des ersten Bandes der Reihe „Die Hafenärztin“. Dass die beiden Bände zusammengehören, ist sofort offensichtlich. Den Titel des Buches „Ein Leben für das Glück der Kinder“ empfinde ich als kitschig,„aufgeblasen“ und unpassend, er wird meiner Meinung nach dem Inhalt des Buchs, das ich als historischen Kriminalroman bezeichnen würde, nicht gerecht.

Wiedersehen mit den vielfältigen Charakteren des ersten Bandes: Die engagierte Ärztin Anne Fitzpatrick scheint nicht die zu sein, für die sie sich ausgibt. Um ihre Vergangenheit macht sie ein großes Geheimnis, hat sie doch sogar ihren Geburtsnamen abgelegt. Anne geht ihrem Beruf mit Leidenschaft nach, kümmert sich mit großem Einsatz um die Kranken und Schwächeren. Pfarrerstochter Helene Curtius möchte Lehrerin werden und beruflich auf eigenen Beinen stehen. Eine Ehe sieht sie nicht als Erfüllung an, Unabhängigkeit hingegen schon. Mitunter mangelt es ihr noch an Lebenserfahrung, dann zeigt sie sich in manchen Situationen etwas naiv. Vor allem ihrem Vater ist Helenes moderne, emanzipierte Einstellung ein Dorn im Auge. Und dann ist da noch Kommissar Berthold Rheydt, der immer noch von den Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht wird und nach wie vor sehr unter dem Verlust seiner Familie leidet. Er ist alles anderer als ein makelloser, strahlender Held, stürzt sich mit Haut und Haaren in die Aufklärung seiner Fälle und macht sich im Beruf und beim Fußball schon mal mehr als die Hände schmutzig.
Einige der vorkommenden Charaktere erfüllen durchaus so manche Klischees, aber die recht unkonventionellen, auf unterschiedliche Art für ihre Zeit recht fortschrittlichen Hauptcharaktere machen immer wieder neugierig, vermögen auch zu überraschen. Im Zusammenwirken entfalten die drei eine interessante Dynamik, die Personenkonstellation des Romans gefällt mir insgesamt daher gut.


Was hat es mit den rätselhaften Todesfällen auf sich? Henrike Engel hat einen logisch nachvollziehbaren, raffinierten und mitreißenden Kriminalfall konstruiert. Nach und nach wird klar, wie die verschiedenen Einzelaspekte der Handlung miteinander verwoben sind, dabei kommt es durchaus zu einigen unvorhersehbaren Entwicklungen. Auch die Privatleben der drei Hauptfiguren, ihre Beziehungen zueinander stehen im Fokus des Romans. Die Autorin liefert den Lesern zudem ernste Themen zum Nachdenken: Menschenhandel oder die Fragen nach Gerechtigkeit, Moral, Schuld und Selbstjustiz. Mich hat auch der zweite Teil der Reihe prima unterhalten: ein fesselnder Fall mit aufregendem Finale, überzeugenden, faszinierenden Figuren, ein wenig Familiendrama und viel Gefühl. Ich bin gespannt, wie es mit Anne, Helene und Berthold weitergeht und kann diese Reihe allen, die historische Kriminalromane mit emotionalen Verwicklungen mögen, nur weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Die gefährlichste aller Familien und eine besondere Freundschaft - großartiges Debüt mit beeindruckender Erzählkraft

Die Familie
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„Wie es sich anfühlen kann, denkt Sofia. Wie leicht es sein kann, in die Rolle zu schlüpfen, die für einen anderen gemacht wurde.“

Es war einmal in New York: In den 1920er Jahren bekommen die Freunde ...

„Wie es sich anfühlen kann, denkt Sofia. Wie leicht es sein kann, in die Rolle zu schlüpfen, die für einen anderen gemacht wurde.“

Es war einmal in New York: In den 1920er Jahren bekommen die Freunde Carlo und Joey, die der Mafia angehören, fast zeitgleich ihre Töchter Antonia und Sofia. Die beiden Mädchen werden trotz ihrer Unterschiedlichkeit engste Vertraute, beste Freundinnen. Als Carlo versucht, bei der „Familie“ auszusteigen, verschwindet er spurlos. Antonia muss ohne Vater aufwachsen, auch ihre Mutter scheint daraufhin abwesend. Die Beziehung zwischen Sofia und Antonia entwickelt sich im Laufe der Zeit zunehmend kompliziert. Aber auch wenn nun eine Distanz zwischen den Freundinnen herrscht, werden die Mädchen durch die Umstände und ihre Geschichte immer miteinander verbunden bleiben.

Naomi Krupitsky schreibt in ungewöhnlichem und äußerst beeindruckenden Stil im Präsens. Sie erzählt glasklar und bildhaft, auch zwischen und hinter den Zeilen. Ein kurzer Satz sagt bei der Autorin viel mehr aus als das Offensichtliche, wie folgender Satz beweist: „Im Herbst 1928 gehen Sofia und Antonia zum ersten Mal in die Schule, und mit jedem Tag verdoppelt sich die Größe der Welt.“ Diese intensive Erzählweise schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Die Sprache wirkt dabei authentisch, mir gelang es problemlos, mich in die Geschichte hineinzuversetzen.

Beide Mädchen teilen dasselbe Los, sie sind von Geburt an Teil der „Familie“, gehen aber unterschiedlich damit um. Während sich Sofia eher spontan, temperamentvoll, ungestüm und wild gibt und andere ob ihrer Extrovertiertheit sofort für sich einnimmt, wirkt Antonia eher zurückhaltend und nachdenklich. Den Verlust ihres Vaters kann sie nicht verwinden. Aber auch Sofia ist nicht glücklich. Mit 17 fühlt sie sich beispielsweise so: „Siebzehn ist ein Abgrund. Sie empfindet eine Kluft zu ihren früheren Ichs, deren Kummer eindeutiger war. Und die Zukunft - mittlerweile so nah, dass die Mauern der Gegenwart unter deren Gewicht nachgeben- ist immer noch eine strudelnde Panik. Sofia kommt sich allein vor. Verbindungslos.“
Antonias Mutter bleut ihrer Tochter stets ein: „Lass die Finger von Männern mit Pomade im Haar!“, womit sie auf die Mitglieder der Mafia anspielt. Doch ihr eigenes Schicksal droht sich bei ihrer Tochter und deren Freundin zu wiederholen.

Wer sich einmal mit der Familie eingelassen hat, kommt nie wieder von ihr los. Diese Erfahrung macht Carlo, Antonias Vater, und auch den Mädchen ist die ständige Gefahr, in der sie sich befinden, sehr bewusst. Eine falsche Entscheidung könnte die letzte sein. Sofia und Antonia träumen von Flucht, wissen aber genau, dass diese unmöglich ist. Naomi Krupitsky beschreibt sehr eindrucksvoll, wie betroffene Familien von der Mafia kontrolliert, ja erdrückt werden. Die Mafia prägt die Mädchen auf unveränderliche Weise, auch wenn die furchtbaren kriminellen Machenschaften hier kaum direkt und detailliert dargestellt werden. Paradoxerweise scheinen die Mädchen sogar behütet aufzuwachsen, die Gefahr allerdings immer im Nacken. Als Carlos die Mädchen einmal vor dem Wasser warnt, könnte er eigentlich auch die Mafia meinen: „Mädchen, dreht dem Meer nie den Rücken zu, es ist verschlagen. Sobald ihr es aus den Augen lasst, schleicht es sich hinterrücks an.“
Es braucht kein Blutvergießen, um die schonungslose Grausamkeit der Mafia zu schildern.
Sie wird auch ohne explizite Gewaltszenen sehr deutlich spürbar.
Naomi Krupitsky verfügt über ein außergewöhnliches Erzähltalent, schildert mit wunderschöner Sprache die Geschichte einer schicksalhaften Verbundenheit, schreibt von Liebe, Verrat, Kriminalität, Flucht und letzte Auswege. Keine actionreicher, brutaler Mafiakrimi, sondern ein absolut lesenswertes, nahegehendes Porträt einer Freundschaft. Die Geschichte zweier Familien innerhalb der Familie. Ein großartiges Debüt.

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