Vom behutsamen Umgang mit Gemüse und Menschen - kleiner kulinarischer Wohlfühlroman mit schöner Botschaft
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach„Man ist nie allein, wenn man in der Lage ist, der Natur zu lauschen.“
Elsa und ihr Bruder Robert führen im Elsass einen renommierten Gasthof. Robert kennt nichts anderes als seinen Hof, ist leidenschaftlicher ...
„Man ist nie allein, wenn man in der Lage ist, der Natur zu lauschen.“
Elsa und ihr Bruder Robert führen im Elsass einen renommierten Gasthof. Robert kennt nichts anderes als seinen Hof, ist leidenschaftlicher Koch, besitzt einen prächtigen Gemüsegarten und hält Hühner. Er hegt und pflegt sein Gemüse mit großer Hingabe, geht mit ihm feinfühliger um als mit Menschen. Als Elsa Fatima und ihren Sohn Hassan als Aushilfen für den Gasthof einstellt, ist Robert zunächst wenig begeistert, stören die beiden doch die gewohnten Abläufe. Schließlich lässt Robert sich auf die neuen Bekanntschaften ein. Und dann stößt noch Fatimas Freundin, die englische Journalistin Maggie, dazu, die erreicht, was bisher niemand vermochte. Sie macht Robert neugierig auf das Leben außerhalb seiner eigenen Welt. Ob Robert sich hinaus wagt?
Autorin Julia Mattera erzählt in klarer, ausdrucksstarker Sprache im Präsens. Der Text ist in 18 Kapitel (und einen Epilog) gegliedert. Die verheißungsvollen Kapitelüberschriften wie „Cocas und anderes Ungemach“ verraten dabei nicht zuviel und fassen den Inhalt der folgenden Textabschnitte auf kreative Weise zusammen.
Robert ist eine sehr spezielle Hauptfigur, wirkt er doch recht verschroben und eigenbrötlerisch. Er lebt abgeschottet, schätzt die Berechenbarkeit seines Alltags, geht in seiner Arbeit auf. Den Zutaten seines Essens lässt er besondere Aufmerksamkeit angedeihen, er behandelt sein Gemüse mit Sensibilität und besonderem Respekt. Mit Menschen kann er längst nicht so gut umgehen. Was seiner Schwester Elsa nicht gelingt, Robert aus seinem Schneckenhaus zu locken, schaffen schließlich Fatima, ihr Sohn Hassan und vor allen Dingen Maggie.
Für Robert, den Einzelgänger, ist Maggie ein echter Lichtblick. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend, sie ist von „unglaublicher Lebensfreude beseelt“. Mit Maggie ist alles heiterer und bunter, doch das mag sich Robert anfangs nicht eingestehen. Obwohl sie so unterschiedlich sind, auf fast gegenteilige Art auf Menschen zugehen, scheinen Robert und Maggie eine besondere Verbindung zu haben. Insgesamt sind Maggie und Robert durchaus liebenswerte, sympathische, aber auch etwas zu „plakative“ und übertriebene, fast naive Charaktere.
Was Achtsamkeit bedeutet, lehrt Robert seine Leser auf besondere Weise. Er bringt auch den kleinsten Dinge Wertschätzung entgegen, ist mit Tieren und Pflanzen überaus geduldig und aufmerksam. Er lässt sich nicht hetzen, geht im Moment auf.
Robert muss aber erst lernen, dass man nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch Menschen behutsam behandeln kann.
Julia Mattera lässt ihre Charaktere so sein, wie sie sind. Das imponiert mir . Robert muss sich nicht ändern und verstellen. Er braucht nur einen kleinen Schubs, ein kleines bisschen Mut und Vertrauen, um seine Stärken, auch anderen zeigen und weitergeben zu können. Zuwendung überträgt sich auf andere, wird intensiver, wenn man sie teilt, heißt es im Buch.
Die Figuren haben wie Maggie viel Bedeutsames zu sagen: „Man trägt die Erinnerung an das Haus seiner Kindheit immer in sich. Sie verlässt uns nicht, wenn wir auf Reisen gehen und wenn. Wir uns alleine fühlen. Der Zauber der Sehnsucht besteht darin, dass sie niemals erlischt.“ Die Geschichte enthält viele solcher schöner, fast poetischer Passagen.
Dass es bereichernd ist, Menschen und Dingen Wertschätzung entgegenzubringen, ist eine elementare Botschaft des Romans. Allerdings wird sie mir zu oft direkt im Gespräch formuliert. Ich hätte mir mehr subtile Hinweise zwischen den Zeilen gewünscht. Auch ohne die Figuren ständig direkt und mitunter recht platt den Sinn der Handlung erklären zu lassen, wäre es sicher auch möglich gewesen, den Lesern etwas dezenter zu vermitteln, worum es hier geht.
Wie Robert in der Tätigkeit des Kochens aufgeht, seine Einstellung zum Essen gefällt mir, regt zum Nachmachen an. Genuss ist bei Robert nichts Beiläufiges, sondern Hauptrolle und Selbstzweck. Die vier Rezepte im Anhang sind ein passender Anhang, laden die Leser ein, einmal wie Robert zu kochen.
Trotz der Kritikpunkte ein locker-leichter, stimmungsvoller Wohlfühlroman voller zauberhafter Momente, der daran erinnert auch den kleinen Dingen und Augenblicken alle Aufmerksamkeit entgegenzubringen, um das Leben lebenswerter und genussvoller zu gestalten.