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Veröffentlicht am 11.11.2021

Unsichtbare Heldin trifft auf schüchternes Mädchen: turbulent, originell und sehr witzig

Isa und die wilde Zorra 1: Sei mutig wie ein Puma!
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Isa ist schrecklich schüchtern und unsicher, sie hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Jeden Abend liest ihr Vater ihr Geschichten von Zorro, dem berühmten Helden vor. Gerne wäre Isa selbst so mutig wie ...

Isa ist schrecklich schüchtern und unsicher, sie hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Jeden Abend liest ihr Vater ihr Geschichten von Zorro, dem berühmten Helden vor. Gerne wäre Isa selbst so mutig wie Zorro, dann würde sie aktiv gegen Ungerechtigkeit kämpfen. In ihrer Klasse, in der die Zwillinge Anne und Anna das Sagen haben, ist Isa nicht sonderlich beliebt. Vor der morgigen Klassenfahrt auf den Ponyhof graut es ihr daher sehr, zumal sie nicht reiten kann und sogar Angst vor Pferden hat. Doch dann springt auf einmal ein Mädchen mit schwarzem Umhang, Degen und Maske durchs Fenster ins Klassenzimmer: Zorra, Zorros kleine Schwester, ist gekommen, um Isa zu helfen. Isa ist allerdings die einzige, die sie sehen kann…

Autor Rüdiger Bertram erzählt kindgemäß, abwechslungsreich und sehr humorvoll. Das Buch ist ein Comic-Roman, häufig zeigen Heribert Schulmeyers dynamische, treffende Comicbilder meist mit Sprechblasen, wie es nach einem Textabschnitt weitergeht. Die witzigen Illustrationen machen Spaß und motivieren.
Kinder ab acht Jahren können das Buch sicher selbstständig lesen. Die Schrift ist ein bisschen größer, der Zeilenabstand zur besseren Lesbarkeit etwas weiter.

Isa ist eine prima Identifikationsfigur für schüchterne, ängstliche Kinder. Sie hat ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, kann es nicht leiden, wenn sich andere falsch und fies verhalten, traut sich aber nicht, einzugreifen. Zorra ist genau das Gegenteil von Isa. Unerschrocken, mutig, tatkräftig, spontan und sehr selbstbewusst. Von ihr kann Isa noch sehr viel lernen. Zorra bringt Isa oft ziemlich in die Bredouille, aber das ist genau der Schubs, den die ruhige Isa gebraucht hat. Zorra zeigt Isa auf ihre unkonventionelle eigene Art, dass auch in ihr eine Heldin schlummert, sie muss sie nur wecken. Die beiden entwickeln sich zu einem unterhaltsamen Gespann, das mit den bösartigen Zwillingen Anne und Anna ernstzunehmende gemeine Gegenspielerinnen hat.

Viele Kinder haben unsichtbare Freunde, Isas neue unsichtbare Freundin ist aber eine waschechte Heldin. Eine Klassenfahrt auf den Reiterhof mit Superheldin im Gepäck ist nicht nur aufregend, sie kann auch ganz schön gefährlich werden. Isa vorherige Bedenken waren durchaus berechtigt, aber sie kann sich dem Abenteuer einfach nicht entziehen und galoppiert mitten hinein. Und plötzlich ist Zorra nicht mehr die einzige Heldin. Heldinnen können nämlich ganz unterschiedlich sein.
Vor allem ist diese Freundschaftsgeschichte aber irre witzig: wenn die betreuenden Lehrkräfte Frau Bade und Herr Wanne heißen, da muss Spaß vorprogrammiert sein. Als Running Gag taucht immer wieder eine ebenfalls unsichtbare Band auf, die Zorra besingt, sich aber partout nicht merken kann, dass Zorra „die Rächerin der Armen“ und nicht etwa „die Sprecherin der Aale“ ist. Da kommt es zu allerlei lustigen Wortverwechslungen, die meine Mitleser stets zum Lachen brachten. Und dass Zorra mit ihrem Lasso Rache an den Hinterteilen von Bösewichten übt und zielgenau trifft, oder mit ihrem Degen auf Hosenrückseiten ihr Z hinterlässt, das ist ebenfalls eine ziemlich lustige Vorstellung.
Das Dreamteam Rüdiger Bertram und Heribert Schulmeyer hat erneut ein unterhaltsames, schräges, komisches Freundschaftscomicabenteuer voller Phantasie geschrieben, das großen Spaß und Mut macht. Die Zwei können es einfach, hoffentlich arbeiten sie noch lange zusammen.

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Veröffentlicht am 10.11.2021

Chaotischer, schräger und sehr witziger Hörspaß

Niemals den roten Knopf drücken
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Nach ihrem Vulkanabenteuer und der Sache mit den Robotern machen sich die Freunde Egon und Jojo nun auf die Suche nach Dinosauriern. Bei einem Forscherausflug finden sie einen riesigen Knochen, der bestimmt ...

Nach ihrem Vulkanabenteuer und der Sache mit den Robotern machen sich die Freunde Egon und Jojo nun auf die Suche nach Dinosauriern. Bei einem Forscherausflug finden sie einen riesigen Knochen, der bestimmt von einem echten Dinosaurier stammt und dann tauchen im Düsewäldchen auch noch mysteriöse, gigantische Fußspuren auf. Echte Dinos in Düsedau? Klar, dass der Forscherclub nicht ruhen kann, bis die Wahrheit ans Licht kommt.

Kathi Naumann erzählt aus Egons Sicht, in Form eines Forschertagebuch. Die Geschichte ist lebendig, abwechslungsreich, kindgemäß und vor allem sehr witzig formuliert. Zwischendrin gibt es auch etwas zu lernen, schließlich sind die Jungs ja echte Forscher. Sprecherin Tanja Bunke liest verständlich, für mich aber ein wenig überbetont und etwas unnatürlich. Ihr Vortrag erinnerte mich an einen Zeitungsjungen aus dem letzten Jahrhundert, der permanent lauthals und aufgeregt die neuesten sensationellen Schlagzeilen verkündet. Im Hintergrund sind immer wieder Geräusche zu hören, die zur Handlung passen: Fernsehmusik, Gequassel, Morsezeichen oder Gebell.
Das Hörbuch richtet sich an Kinder ab sieben Jahren.

Egon und Jojo sind zwei wunderbare, sympathische Hauptfiguren. Egon ist selbstbewusst, spontan, neugierig, wissbegierig und abenteuerlustig. Sein Freund Jojo möchte auch gerne den Dingen auf den Grund gehen, gerät aber leicht in Panik und ist sehr ängstlich, ein Running Gag, der vielmehr witzig als beängstigend wirkt. Während Opa Erwin die Kinder in ihrem Forscherdrang unterstützt und ihnen zuverlässig mit Rat und Tat zur Seite steht, ist Jojos Mutter Frau Haase eine Helikoptermutter wie sie im Buche steht. Sie macht sich ständig übertriebene Sorgen um Jojo und sorgt so immer wieder für absurd-komische Momente.

Ob Jojo und Egon den Dinos auf die Spur kommen? Schaffen sie es gar, die Dinos in ihrer Falle zu fangen? Und werden sie den roten Knopf drücken?
Ziemlich spannend, turbulent, chaotisch, schräg und phantasievoll geht es im neuesten Abenteuer des Forscherclubs zu. Auch wenn ich die Sprecherin als etwas anstrengend und teils penetrant empfand, ist „Niemals den roten Knopf drücken oder die Dinos drehen durch“ ein gelungener, origineller Hörbuchspaß. Hoffentlich forschen Egon und Jojo noch lange weiter.

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Veröffentlicht am 10.11.2021

Die Anfänge des Kinos in Deutschland und eine besondere Liebesgeschichte

Der Traumpalast
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„Das ist die Kunst des Regisseurs“, erwiderte Tino. „Er schafft in unseren Köpfen eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. So ähnlich wie der liebe Gott. Der gaukelt uns ja manchmal auch Dinge vor, die ...

„Das ist die Kunst des Regisseurs“, erwiderte Tino. „Er schafft in unseren Köpfen eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. So ähnlich wie der liebe Gott. Der gaukelt uns ja manchmal auch Dinge vor, die nicht existieren. Zum Beispiel im Traum. Oder in der Liebe“.

Konstantin Reichenbach, der aus einer erfolgreichen Bankiersfamilie stammt, kehrt 1917 aus dem Krieg zurück. Mit einer Vision. Er möchte in Deutschland eine Filmgesellschaft gründen, eine Traumfabrik, die Hollywood Paroli bieten kann. Doch die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland ist nicht stabil, Tino braucht einflussreiche Verbündete.
Rahel Rosenberg will unbedingt Journalistin werden, doch ihre Texte werden bisher immer von dem verantwortlichen Redakteur abgelehnt. Rahel arbeitet daher als Krankenpflegerin in einem Lazarett, wo sie Konstantin Reichenbach kennenlernt. Beide mögen sich auf Anhieb, aber ihre Beziehung verläuft nicht ohne Komplikationen.

Peter Prange schreibt abwechselnd aus der Sicht seiner Protagonisten Konstantin „Tino“ Reichenberg und Rahel, aber auch aus der Perspektive von Tinos Mutter Constanze Reichenberg oder Tinos Freund und Geschäftspartner Erich Pommer. Pranges Schreibstil ist klar strukturiert, gut verständlich und lässt sich flüssig lesen. Der Text ist in viele kurze Kapitel unterteilt, die oft genau dann enden, wenn es besonders spannend wird. Danach findet meist ein Schauplatz-, Perspektiv- oder Situationswechsel statt. Die äußere Aufmachung des sehr dicken „Wälzers“ finde ich gelungen. Das Cover zeigt ein „Filmtheater“, wie es typischerweise in den Zwanziger Jahren aussah, auf dem Vorsatzpapier ist der Traumpalast, der UFA-Palast am Zoo in Berlin abgebildet.

Peter Pranges Hauptfiguren sind interessant und alles andere als durchschnittlich, sie haben das Zeug für eine echte Hollywoodliebe. Dass sich beide auch als Verlobte noch siezen, spricht Bände. Rahel ist intelligent, gebildet, leidenschaftlich, ehrgeizig, stolz und schön. Auch Tino weiß genau, was er will. Er hat ein besonderes berufliches Ziel, für das er fast alles tun würde, privat droht er allerdings, „verloren“ zu gehen. Während Rahels Eltern ihre Tochter vergöttern, entspricht Tino nicht den Erwartungen seiner Eltern. Er muss es ohne ihre Unterstützung schaffen.
Rahel und Tino sind typische Prange-Charaktere, sie sind nachvollziehbar und authentisch gezeichnet, aber bleiben immer auch ein kleines bisschen unnahbar, werden eher auf nüchterne, sachliche als auf emotionale Art beschrieben, sind daher nicht durchweg sympathisch. Sie lassen der Phantasie noch etwas Raum.
Neben fiktiven Figuren wie die beiden Hauptfiguren oder Tinos „schwierige“ Mutter Constanze, wirken viele historische Figuren mit: Erich Pommer, Emil Georg von Stauß, Alfred Hugenberg, Major Alexander Grau und viele weitere. Dass fiktive Figuren auf real historische treffen, finde ich sehr spannend.

Peter Prange erzählt sehr ausführlich, wie es zur Entwicklung der UFA kam, dabei spielen aber eher das Geschäftliche, die Firma selbst, die politischen Entwicklungen Hauptrollen, die Leidenschaft für den Film und die Kunst ist nur ansatzweise zu spüren. Filme sind Träume, aber gleichzeitig eben auch knallhartes Geschäft. Den Konflikt zwischen Kunst und Wirtschaftlichkeit stellt ein Dialog zwischen Tino und Erich Pommer treffend dar:
„Geld regiert die Welt.“, erklärte er. „Film ist ein Geschäft wie alles andere auch.“
Pommer hatte dafür nur ein verächtliches Schnauben „Film ist kein Geschäft! Film ist Kunst!“
„Aber Kunst geht nach Brot. Sonst ist es zur Brotlosigkeit nur ein Schritt.“
Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass die Filme inhaltlich noch etwas mehr in den Fokus gerückt werden, dass die Emotionen beim Filmemachen und Anschauen noch deutlicher durchkommen.

Im Nachwort erklärt der Autor, welche Frage ihn beim Schreiben umtrieb: „Wie war es möglich, dass die Generation meiner Großeltern, aufgewachsen in einer Kulturnation wie Deutschland und mit Goethe und Kant im geistigen Gepäck, in den zwanziger Jahren Hitler den Weg zur Macht ebnen und ihm in die Barbarei des Nationalsozialismus folgen konnte?“.
Diese Frage spielt in „Der Traumpalast- Im Bann der Bilder“ eine ganz entscheidende Rolle. Die komplexen politischen Zusammenhänge, die Anfänge der Entwicklungen, die Hitlers späteren Aufstieg ermöglicht haben, werden sehr genau geschildert, für mich manchmal zu detailliert und umfangreich. Mich erreicht Peter Prange vor allem dann, wenn er von Menschen erzählt, die durch die Geschichte beeinflusst werden, die konkret die Geschichte leben und erleben.
Auch wenn die Handlung mitunter etwas gestraffter hätte erzählt werden können - gerade wenn es ums nüchterne Geschäft, die komplexe Wirtschaftssituation und um Politik geht - hat mich der Roman durchaus gepackt und gut unterhalten. Nicht der beste Roman des Autors, „Eine Familie in Deutschland“ hat mich noch mehr überzeugt und emotional mitgenommen, aber eine durchaus interessante und lesenswerte Lektüre. Ich bin sehr gespannt, wie es mit Rahel und Tino weitergeht.

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Veröffentlicht am 10.11.2021

Vom Zerbrechen einer Familie - ein aktuelles Problem aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet

Wenn ich wiederkomme
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„Manchmal erscheint mir Liebe wie ein Luxus.“

Daniela ist Mutter und lebt in einfachen Verhältnissen in Rumänien. Um ihren Kindern Angelica und Manuel eine gute Ausbildung ermöglichen zu können, zieht ...

„Manchmal erscheint mir Liebe wie ein Luxus.“

Daniela ist Mutter und lebt in einfachen Verhältnissen in Rumänien. Um ihren Kindern Angelica und Manuel eine gute Ausbildung ermöglichen zu können, zieht sie nach Mailand, wo sie einen alten Mann rund um die Uhr pflegt. Ihren Verdienst schickt sie nach Hause. Doch in der alten Heimat gibt es große Probleme. Ihr Sohn Manuel, der in der Pubertät steckt, tut sich in der Schule sehr schwer. Als auch noch sein geliebter Großvater stirbt, verzweifelt er an der Situation und es kommt zu einem tragischen Unglück.

Autor Marco Balzano schreibt klar und gut verständlich in der ersten Person. Er wechselt die Erzählperspektive, schildert das Geschehen zunächst aus der Sicht Manuels, dann aus Danielas und schließlich aus Angelicas. Es wird chronologisch erzählt, was aktuell passiert, aber immer wieder fließen auch Erinnerungen der Figuren in die Geschichte mit ein. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen der Charaktere wird die Handlung im Verlauf um mehrere Aspekte erweitert. Eine Geschichte hat nie nur eine Seite, sondern stets mehrere und jeder Beteiligte wird sie anders erleben und erzählen. Das zeigt Marco Balzano mit seinem Roman sehr deutlich.

Die drei Hauptfiguren werden vom Autor vor allem in Hinblick darauf, was Danielas Weggang für sie konkret heißt, dargestellt. Auch wenn der Autor in der Ich-Perspektive schreibt, werden seine Figuren recht sachlich beschrieben, sie „erreichten“ mich als Leserin nicht immer emotional. Daniela ist Mutter, sie ist für ihre Kinder verantwortlich. Verantwortung bedeutet für sie vor allem, seinen Kindern ein Leben ohne materielle Entbehrungen zu ermöglichen. Die Kinder sollen eine gute Ausbildung bekommen, sich nicht „arm“ fühlen müssen. Dafür arbeitet sie sehr hart, gönnt sich kaum eine Pause, ist für ihre Arbeitgeber immer verfügbar, „entwurzelt“ sich und riskiert, sich von ihren Kindern zum entfremden.
Sohn Manuel „kämpft“ mit der Pubertät, zeigt sich emotional und impulsiv. Der Junge kommt ohne seine Mutter nur schlecht zurecht. Er verliert immer mehr Konstanten in seinem Leben, soll auf eine teure Schule gehen, obwohl er lieber die Landwirtschaftsschule besuchen würde. Er fühlt sich oft vollkommen alleine auf der Welt.
Seine ältere Schwester Angelica „kapiert“ nach Manuels Ansicht „die Welt“, sie muss früh Verantwortung übernehmen, kommt zuverlässig ihren Pflichten nach, kümmert sich. Wie ein „Lastesel“ tut sie, was getan werden muss, ohne sich zu beschweren. Doch irgendwann muss auch der stärkste Mensch einmal schwach sein dürfen.
Auf Danielas Mann Filip ist wenig Verlass. Aber Opa Mihal wird zum Fels in der Brandung, er sorgt sich um die Kinder und hat viele Lebensweisheiten in petto wie „Im Gehen löst man Probleme.“ Angelica erinnert sich an einen Satz von ihm: „Opa hat mal gesagt, wer sich wäscht und saubere Kleider trägt, der ist nie arm. Arm ist, wer den Dingen hinterherrennt, die alle wollen.“


Dass osteuropäische Frauen ihre Familien verlassen, um in Italien oder anderen Ländern ältere Leute zu Hause zu pflegen oder andere körperlich anstrengende Tätigkeiten zu verrichten, ist sehr traurig, aber leider gang und gäbe. Ich habe mir bisher nie Gedanken gemacht, was das für die betroffenen Frauen und ihre Kinder wirklich bedeutet.
Marco Balzano macht mit „Wenn ich wiederkomme“ auf dieses Problem aufmerksam. Er erzählt umfassend, mit welchen Schwierigkeiten die Familien der Pflegerinnen konfrontiert sind und stellt dabei immer wieder die Frage, was Liebe und Glück ausmachen. Was ist ein „besseres“ Leben? Braucht es materielle Sicherheit, um lieben zu können oder ist Liebe und füreinander Dasein nicht die Voraussetzung für echtes Glück? Kann man aus der Ferne lieben? Balzanos Figuren würden diese Fragen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen sehr unterschiedlich beantworten und auch die Leserinnen und Leser werden sehr gründlich darüber nachdenken, wenn sie die komplette Geschichte gelesen haben. Fest steht aber, Danielas Entscheidung hat dramatische Folgen, kostet einen hohen Preis und verändert Identitäten. „Niemand gibt uns die Zeit zurück, die wir woanders verbracht haben.“ Besonders deutlich wurde mir während des Lesens wieder einmal eines. Von außen betrachtet scheint es manchmal so einfach, über andere zu urteilen. Wer nicht selbst betroffen ist, kann viel leichter werten. Wichtig ist es aber, alle Seiten zu beleuchten, Verständnis für alle Beteiligten aufzubringen und hierfür leistet Balzano mit seinem bemerkenswerten Roman auf alle Fälle einen Beitrag. Diese Familiengeschichte musste genau so erzählt werden. Für mich ein lesenswertes und wichtiges Buch, das mich noch länger beschäftigen wird.

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Veröffentlicht am 09.11.2021

Motivierender München-Reiseführer und packender Kinderkrimi in einem

Kommissar Kugelblitz - Kugelblitz in München
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Kommissar Kugelblitz freut sich auf ein paar unbeschwerte Tage in München, seine Nichte Bonny hat ihn zu Feier ihres 13. Geburtstag eingeladen. Doch schon bald rückt der Geburtstag und Kugelblitzs geplante ...

Kommissar Kugelblitz freut sich auf ein paar unbeschwerte Tage in München, seine Nichte Bonny hat ihn zu Feier ihres 13. Geburtstag eingeladen. Doch schon bald rückt der Geburtstag und Kugelblitzs geplante Auszeit in den Hintergrund. Ronny, Bonnys Vater der ebenfalls bei der Polizei arbeitet, ist einem Ring von Drogenhändlern auf der Spur. Und Kugelblitz trifft zufällig auf einen Verdächtigen, den er schon aus Hamburg kennt. Klar, dass K K da nicht einfach untätig zusehen kann. Und schon steckt er mitten in neuen Ermittlungen…

Ursel Scheffler schreibt in sehr einfachen, kurzen und klar verständlichen Sätzen im Präsens. Das Buch hat ein kleines, handliches Format. Auf der Umschlaginnenseite ist eine Karte mit Münchens wichtigen Sehenswürdigkeiten abgedruckt. Max Walther hat zur Geschichte passende Schwarz-Weiß-Bilder gezeichnet, sie zeigen wichtige Szenen, Personen und Schauplätze.
Kommissar Kugelblitz mit bayrischer Flagge und Gamsbarthut ist auf jeder Seite zu sehen. Die Kapitel enden jeweils mit drei Krimifragen. Die Antwort muss mit der am Lesebändchen befestigten Lupe im Lösungsfeld entschlüsselt werden. Allerdings ist die Lösung nur bei wirklich gutem Licht genau zu erkennen.
Die Schrift ist größer gedruckt, der Zeilenabstand ist etwas weiter. Optisch erinnert der Text an Erstlesebücher, allerdings sind die Kapitel länger als bei Büchern für Leseanfänger. Kinder ab acht Jahren werden die Geschichte sicher schon eigenständig lesen können. Die wenig anspruchsvolle Sprache erleichtert dabei das Verständnis, thematisch ist die Geschichte aber eher für Kinder ab zehn Jahren geeignet. Sehr gut kann ich mir die Reihe auch als Klassenlektüre vorstellen: sie richtet sich auch an schwächere Leser, der Text regt zum gemeinsamen Lesen, Rätseln und Diskutieren an.

Alle wichtigen Figuren werden vorne im Buch vorgestellt. Kommissar Kugelblitz sieht recht gemütlich aus, was an seiner Vorliebe für Süßes liegen mag. Aber gemütlich ist KK definitiv nicht. Wenn es um seinen Beruf geht, den er mit großer Leidenschaft ausübt, ist Kugelblitz sehr engagiert und wird sogar in seinem Urlaub aktiv. Kugelblitz schaltet schnell, kombiniert wie kein zweiter, ist findig, kennt die besten Tricks. Er ist ein Kommissar wie aus dem Bilderbuch. Mit seiner wissbegierigen, aufgeweckten Nichte Bonny können sich die jungen Leserinnen und Leser sicher identifizieren. Dass auch Kriminelle und ihr Leben näher beleuchtet werden, finden meine Mitleser und ich reizvoll. Wie die Drahtzieher des Drogenschmuggels agieren, wird interessant dargestellt.

Der große Coup, um den es in „Kugelblitz in München“ geht ist ganz schön komplex. Ein spannender Fall, bei dem Kugelblitz zeigt, was er so alles drauf hat. Zweifellos sind die Ermittlungen sehr packend, allerdings ist das Thema „Drogenkriminalität“ für Kinder doch noch sehr abstrakt. Bonnys Lehrer erklärt zwar genau, gut nachvollziehbar und sehr plausibel die Gefahren von Drogen, aber Drogen sind glücklicherweise kein Thema aus dem Leben der Zielgruppe. Der Fall ist gegen Ende nicht vollständig abgeschlossen, was für meinen Sohn nicht ganz befriedigend war. Der Inhalt bezieht sich teilweise auch auf den Vorgängerband.
Trotzdem uns die Handlung mitgerissen hat, hätte ich mir ein Thema gewünscht, zu dem die Kinder einen konkreteren Bezug hätten aufbauen können.
Sehr gut hat mir hingegen die Verbindung von regionalen Besonderheiten und Kriminalfall gefallen. Kugelblitz macht mit Bonny eine Münchentour und stellt seiner Nichte die bayrische Landeshauptstadt auf eine persönliche Weise vor. Man erfährt dabei viel Unterhaltsames und Wissenswertes über die Sehenswürdigkeiten, zum Beispiel über den Teufelstritt in der Frauenkirche. Kugelblitz Stadtführung ist alles andere als langweilig. Im Anhang des Buchs werden einige bekannte Münchner Sehenswürdigkeiten genauer beschrieben, außerdem gibt es noch eine Sammlung von 100 bayrischen Ausdrücken. Eine sehr amüsante Zusammenstellung!
Wer nach München fährt, ist gut beraten dieses Buch mitzunehmen und vor Ort den Schauplatz der Geschichte zu erkunden. Das wird definitiv eine lebendige, besondere Stadterkundung, wenn man dabei nachliest, was KK über manche Orte zu erzählen hat. Auch wenn mich das Thema des Falls nicht hundertprozentig überzeugt, finde ich das Buch insgesamt durchaus überzeugend: spannend, informativ und lehrreich, actionreich, motivierend, zum Miträtseln und Nachdenken und vor allem kurzweilig. Für uns sicher nicht das letzte Buch aus der Reihe.

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