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Veröffentlicht am 06.10.2021

Wunderbar gestaltetes Genuss- und Wohlfühlbuch - perfekt für eine erholsame Sofaauszeit

Ein Buch, vier Jahreszeiten
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Es gibt viele Bücher, die glücklich machen und das auf ganz unterschiedliche Arten, manche zum Beispiel, weil uns ihre Geschichten berühren, manche, weil sie uns „erhellen“, manche, weil sie einfach schön ...

Es gibt viele Bücher, die glücklich machen und das auf ganz unterschiedliche Arten, manche zum Beispiel, weil uns ihre Geschichten berühren, manche, weil sie uns „erhellen“, manche, weil sie einfach schön aufgemacht sind und manche, weil sie zeigen, wie wunderbar das Leben doch eigentlich ist. „Ein Buch, vier Jahreszeiten“ ist auch so ein „Glücklichmachbuch“, das verdeutlicht, dass jede Jahreszeit unvergleichlich ist und vielfältige Möglichkeiten bietet, das Leben zu genießen.
Auch das Buch selbst ist ein reiner Genuss, darin zu blättern hebt garantiert die Stimmung. Das Buch enthält Wohlfühlideen, Rezepte, Gedichte, Geschichte und weitere Tipps für jede Jahreszeit.

Schon das hübsche Cover überzeugt: ein weißer hochwertiger Leineneinband, der Titelzug ist in Goldschrift gedruckt. Rundherum sind Motive aus der Natur angeordnet, die für die verschiedenen Jahreszeiten stehen: Tulpen, Pilze, ein herbstlich gefärbtes Blatt, ein Tannenzapfen, ein aufgeschnittener Apfel oder ein Rotkehlchen.
Nach einem allgemeinen Vorwort wird die entsprechende Jahreszeit jeweils in einem „Brief“ begrüßt, es folgt eine „Schöne-Dinge-Liste für diese Jahreszeit“, ein Gedicht, ein Text zu den dazugehörige Monaten, eine Doppelseite über Garten und Natur in der jeweiligen Jahreszeit und viele weitere abwechslungsreiche Seiten mit Dekoideen, Rezepten, Bräuchen, Zitaten oder Geschichten.
Das Buch regt an, sich intensiv mit den Jahreszeiten zu beschäftigen, saisonale Aktivitäten zu unternehmen, die Natur zu beobachten und sich auf ihre Wunder einzulassen. Perfekt abgerundet wird das Ganze durch ansprechende teils ganzseitige Fotos und Illustrationen. Da wird eine schlichte Wäscheleine mit weißer Wäsche perfekt in Szene gesetzt und bringt zum Träumen.

Nicht jeden einzelnen Tipp des Buches werde ich beherzigen - auch wenn es nicht nachhaltig ist, werde ich zum Beispiel nicht auf einen echten Weihnachtsbaum verzichten - aber viele der Vorschläge möchte ich gerne umsetzen, Zimtschnecken nach dem Rezept aus dem Buch zu backen, steht zum Beispiel definitiv schon auf meiner To-Do-Liste für die nächsten Tage.
Dieses Buch lädt zu einem kleinen Couchurlaub ein: aufs Sofa setzen, das Buch aufschlagen, stöbern, sich in den Bildern und Texten verlieren und sich über das Gelesene und die Bilder freuen. Zweifelsohne hat jede Jahreszeit ihre besonderen Reize, man muss sie nur zu schätzen lernen. Dabei hilft „Ein Buch, vier Jahreszeiten“.
Ein wunderbares Wohlfühlbuch für sich selbst und zum Verschenken an Menschen, die man gerne mag und denen man etwas Gutes tun möchte.

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Veröffentlicht am 04.10.2021

Ansprechend gestaltetes Mitmachbuch für die Kleinsten mit tollem Dreh-Effekt zum Staunen

Dreh hin – Dreh her 2: Aufgewacht, kleiner Bär!
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Kleine Bären müssen am Morgen einiges tun, bevor es in den Kindergarten geht: Aufstehen, frühstücken, Zähne putzen, sich anziehen und Mama verabschieden. Die kleinen Leser dürfen ihm in „Aufgewacht, kleiner ...

Kleine Bären müssen am Morgen einiges tun, bevor es in den Kindergarten geht: Aufstehen, frühstücken, Zähne putzen, sich anziehen und Mama verabschieden. Die kleinen Leser dürfen ihm in „Aufgewacht, kleiner Bär!“ dabei helfen, sich fertig zu machen. Dabei müssen sie nur an einer Schlaufe ziehen und schon sind die einzelnen Schritte des Morgenrituals erledigt. Aus dem schlafenden Bär wird beispielsweise im Nu ein wacher Bär und auch der Kakao ist rasch ausgetrunken.

Die schlichte „Geschichte“ des Bären ist schnell erzählt. Der Text ist in einfachen, klaren und kurzen Sätzen formuliert. Kinder ab 18 Monaten werden sofort verstehen, worum es geht. Auf jeder Doppelseite sind vier Sätze abgedruckt. Drei Sätze auf der linken Seite erklären die Situation, ein Satz auf der rechten Seite spricht die Kinder direkt an und fordert sie auf, an der Schlaufe zu drehen und dem Bären zu helfen.
Das Buch ist etwas breiter als DIN A5-Format und recht handlich. Die hübschen, farbenfrohen Illustrationen des Buchs finde ich gelungen. Nicht nur der niedliche Bär ist darauf zu sehen, es ist auch gut zu erkennen, wie das Haus aussieht, in dem der kleine Bär lebt. Detailliert wird das Kinderzimmer, die Küche und das Badezimmer in strukturierten Bildern dargestellt. Auch einen Blick in den Garten der Kita können die Leser auf der letzten Seite werfen.
Die Seiten des Buches sind aus dünnerer, doppelter Pappe. Das Buch wirkt recht stabil, hält auch einer etwas gröberen, unsanfteren „Behandlung“ stand. Gut gefallen hat mir das runde Loch im Cover, durch dieses schaut man wie durch ein Fenster auf den kleinen Bären, der noch im Bett liegt.

Das Thema des Buchs, das Morgenritual, ist nichts Neues und Aufregendes, die Umsetzung und Gestaltung dieses Themas allerdings schon. Die kleinen Leser dürfen selbst aktiv werden, können so direkt die Handlung „beeinflussen“. Dass sich auf fast magische Weise die Bilder verwandeln, wird die Kleinen bestimmt auch beim wiederholtem Betrachten noch faszinieren. Sie werden garantiert viel Spaß dabei haben, die Szenen des Buches immer wieder zu verändern. Aufstehen, Anziehen oder Zähneputzen sind nicht bei allen Kindern beliebt und sorgen im echten Leben oft für Trotzanfälle, aber hier machen sie zur Abwechslung mal gute Laune und motivieren.
Insgesamt ein nettes, liebevoll aufgemachtes Mitmach-Buch mit beeindruckendem tollen Dreh-Effekt.

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Veröffentlicht am 04.10.2021

Ein großartiges Phantasiefeuerwerk

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt
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„Nicht alle Momente in der Zeit sind gleich. Es gibt welche, die alles verändern, die dich auf einen völlig anderen Kurs bringen und dein Leben für immer verwandeln. Momente, nach denen du nicht mehr der- ...

„Nicht alle Momente in der Zeit sind gleich. Es gibt welche, die alles verändern, die dich auf einen völlig anderen Kurs bringen und dein Leben für immer verwandeln. Momente, nach denen du nicht mehr der- oder dieselbe bist.“

Vincent erbt von seinem Großvater eine Schuhputzkiste. Gleich an seinem ersten Tag als Schuhputzer in der Stadt Barry erlebt er einen monumentalen Moment, der alles verändert. Er lernt Florence, die Besitzerin des großartigsten Hotels der Welt, und ihren Empfangschef Rupert kennen. Sie bieten ihm eine Anstellung in ihrem Hotel an, die er sofort annimmt. Seine Arbeit dort bereitet Vincent viel Freude. Er verbringt im Hotel eine unvergessliche Zeit, bis er einen folgenschweren Fehler begeht….

Lisa Nicol hat eine ganz besondere Art zu erzählen. Ihr lebendiger, bildhafter und humorvoller Schreibstil fesselt und lässt sich wunderbar lesen und vorlesen. So vergleicht sie Vincents Glück beispielsweise mit einem wachsenden Turm von Eiskugeln auf einer Eiswaffel und macht damit sehr deutlich, was Vincent empfindet. Sofort hatten meine Mitleser und ich das Gefühl, uns mitten in Vincents Welt zu befinden. Die Leser werden direkt angesprochen, immer wieder erwähnt die Verfasserin auch ihren Co-Autoren, der bei der Entstehung des Buches eine bedeutende Rolle spielte und dessen trauriges Schicksal uns sehr berührte.
Das farbenfrohe, etwas naive, aber sehr dekorative Titelbild, das Vincent und Florence zeigt, fällt sofort ins Auge und passt perfekt zur Geschichte.
Das Buch hat keine Bilder, die Schrift ist angenehm groß gedruckt. Die Geschichte richtet sich an Kinder ab zehn Jahren. Zum Vorlesen ist sie auch schon für jüngere Kinder geeignet.

Der elfjährige Vincent hat kein einfaches Leben. Seit sein vierjähriger Bruder Thom auf der Welt ist, dreht sich in der Familie alles nur um Thom, der nicht sprechen kann, ständig wütend ist und niemandem um sich herum richtig wahrnimmt. Vincent muss stets Rücksicht nehmen, der Junge ist außergewöhnlich emphatisch, sieht, was andere Menschen brauchen. Rupert nennt ihn einen Schuh-Schlüpfer, der in die Schuhe anderer schlüpfen kann, sich in sie hineinversetzen kann. Rupert lobt ihn: „Du spürst in deinem Herzen, warum jeder gelegentlich ein bisschen Großartigkeit braucht.“
Auch Florence weiß das, sie leitet mit elf Jahren ein Hotel, kümmert sich engagiert Tag und Nacht darum, dass dort alles rund läuft. Florence und Vincent sind zwei besondere Kinder, die schon bald eine innige Freundschaft verbindet. Im Hotel arbeiten einige weitere ungewöhnliche Charaktere wie die die tanzenden und gute Laune versprühenden Reinigungskräfte Luz und Tracee, Empfangsleiter Rupert, der stets die Ruhe und den Überblick bewahrt, oder Aufzugspianistin Zelda, die mir ihrer Musik begeistert und über ganz viel Lebenserfahrung verfügt.

Was für ein großartiges Hotel! Hier lautet das Motto: Jeder hat Großartigkeit verdient, denn „ein bisschen Großartigkeit verändert alles!“ Und was für Großartigkeiten dieses Hotel bietet: unglaubliche Zimmer, die Träume erfüllen, einen hoteleigenen Zoo voller exotischer Tiere oder die Möglichkeit, den Sternen nah zu sein, der Schwerkraft zu trotzen, zu fliegen oder für einen Augenblick wieder Kind zu sein.
Im The Grand werden Wünsche wahr. „Die meisten wählen nicht The Grand, The Grand wählt sie“ und schenkt ihnen Momente, sich großartig zu fühlen, ja großartig zu sein. Es geht dabei nicht um puren Luxus oder Reichtum, sondern um Streicheleinheiten für die Seele, um Seelenglücksmomente z.B. solchen mit Taschenhunden.
Autorin Lisa Nichols hat eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und monumentale Momente geschrieben, ein fulminantes Fantasiefeuerwerk, ein außergewöhnliches, poetisches Märchen, das auch seinen Lesern ein großartiges Gefühl schenkt und zum Nachdenken und Philosophieren anregt.
Aber alles auf einmal zu wollen und sogar die Zukunft kontrollieren zu wollen, funktioniert nicht. Irgendwann stürzt jeder Eiskugelturm auf der Eiswaffel ein. Vincent stellt in einem ganz anderen Zusammenhang treffend fest: „Es geht nicht ums Wissen! Es geht ums Sein!“
Ein Buch wie„Charlie und die Schokoladenfabrik“, ein Buch für alle, die gerne träumen, eine Schatzkiste voller phänomenaler Einfälle, die glücklich macht und sicher lange in Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 01.10.2021

Eine ganz besondere Rose - packende Romanbiographie der Ehefrau von Antoine de Saint-Exupéry

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels
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Wer kennt ihn nicht, Antoine de Saint-Exupéry, den Verfasser der weltberühmten Geschichte vom Kleinen Prinzen?
„Madame Exupéry und die Sterne des Himmels“ erzählt von Consuelo, der Frau an der Seite des ...

Wer kennt ihn nicht, Antoine de Saint-Exupéry, den Verfasser der weltberühmten Geschichte vom Kleinen Prinzen?
„Madame Exupéry und die Sterne des Himmels“ erzählt von Consuelo, der Frau an der Seite des berühmten Autors. Die junge Witwe lernt den Autor Anfang der Dreißigerjahre auf einer Party kennen. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Doch die Beziehung verläuft trotz der großen Gefühle der beiden füreinander nicht immer harmonisch und glücklich, häufig muss Consuelo Verletzungen ertragen. Antoine lässt sich nicht so leicht „zähmen“ wie der Fuchs des kleinen Prinzen. Als der zweite Weltkrieg ausbricht, wird es noch schwieriger, denn Antoine möchte aktiv seinen Beitrag leisten, um die Deutschen zu besiegen. Er trifft einen folgenschweren Entschluss.

Autorin Sophie Villard schreibt verständlich, angenehm und flüssig. Sie schildert teilweise chronologisch, wie sich die Beziehung von Antoine und Consuelo entwickelt. Immer wieder werden aber auch Kapitel eingeschoben, die vom Aufenthalt des Paares 1942 auf Long Island und der Entstehung des Kleinen Prinzen erzählen. Nach und nach erfahren die Leser die ganze Geschichte und können so diese Abschnitte „außer der Reihe“ immer besser einordnen.
Sehr gelungen finde ich die Gestaltung des Buches, das Cover mit Bildern aus Paris und der Rückenansicht einer Frau spricht mich an. Regelmäßig sind zwischen den Kapiteln wunderschöne und wichtige Zitate aus dem Werk des Autors abgedruckt, die auch einen Bezug zur Handlung haben und zum Nachdenken anregen.

Consuelo ist eine faszinierende Frau. Sie stammt aus El Salvador ist gebildet, klug, stark, temperamentvoll und selbstbewusst. Bei vielen Mitmenscheb ist die charmante Malerin aufgrund ihres einnehmenden Wesens beliebt. Sie lässt sich aber von Antoine verunsichern, dem sie unbedingt gefallen möchte, an dem sie mehr hängt als gut für sie ist. Er verletzt sie oft, Antoine ist ein leidenschaftlicher Mann, ein talentierter Künstler, im echten Leben scheint er sich allerdings nicht leicht zurecht zu finden. Consuelo nennt ihren Tonio einen Mann, „der in seiner Gedankenwelt immer noch im Garten des Schlosses seiner Kindheit auf Apfelbäume kletterte und auf der Wiese lag. Der für die Welt der Erwachsenen so wenig geschaffen war und sich deshalb immer so sehr in ihr verirrte.“ In Antoine „steckt“ mehr vom Kleinen Prinzen als ich vermutet habe. Auch wenn Antoine kein durchweg positiver Held ist, sich oft selbstbezogen und rücksichtslos verhält, war es für mich sehr erhellend, diesen Mann aus einer anderen Perspektive kennenzulernen und zu erfahren, was ihn bewegte, den Kleinen Prinz zu verfassen. Dass auch historische Persönlichkeiten wie Marc Chagall Auftritte haben, gefiel mir ebenso.

Das Leben von Madame Exupéry ist kein einfaches, unstet sind die Zeiten, ihr rast- und ruheloser Ehemann macht es ihr in ihrer Ehe zusätzlich schwer. Consuelo zieht es in kurzer Zeit von einem Ort zum anderen, sei es Paris, Casablanca oder New York. Wenn Consuelo gerade Fuß fasst, sich wohlzufühlen beginnt, heißt es für sie Weiterziehen. Auf ihren Mann, den sie so sehr liebt, kann sie sich nicht verlassen. Er ist ihr weder treu, noch steht er ihr in schwierigen Zeiten zur Seite. Das Leben mit Antoine de Sainte- Exupéry war eine große Herausforderung, das wird in diesem Roman sehr deutlich dargestellt.
Sophie Villard hat eine fesselnde, interessante und sehr lesenswerte Romanbiographie einer beeindruckenden Frau verfasst. Sie erzählt von einer komplizierten Beziehung zweier Menschen, die nicht mit und nicht ohne einander können. Besonders fasziniert hat mich dabei, welche große Rolle die Geschichte des Kleinen Prinzen spielt, die ich persönlich sehr mag und die mich nachhaltig beeindruckt hat. Ein Buch für alle, die den Kleinen Prinzen, gut gemachte historische Romane und tragische, außergewöhnliche Liebesgeschichten schätzen und für die eine Rose einzigartig ist.

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Veröffentlicht am 30.09.2021

Dramatischer als ein Hollywoodfilm

Elbstürme
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„Wie dumm wir beide waren, dachte er verzweifelt. Wie viel wir kaputt gemacht haben durch unsere Angst. All die Jahre, die wir nie zurückbekommen werden.“

Lilly hat Henry von Cappeln geheiratet und lebt ...

„Wie dumm wir beide waren, dachte er verzweifelt. Wie viel wir kaputt gemacht haben durch unsere Angst. All die Jahre, die wir nie zurückbekommen werden.“

Lilly hat Henry von Cappeln geheiratet und lebt 1890 mit ihm und Tochter Hanna in Liverpool. Ihre Ehe, zu der sie gezwungen wurde, frustriert sie. Henry behandelt sie oft grob und respektlos. Lilly kann Jo Bolten, den Vater ihrer Tochter Hanna, einfach nicht vergessen, auch wenn sie sein Verhalten bei ihrem Weggang verletzt hat. Jo ist in Hamburg geblieben und arbeitet noch immer für Ludwig Oolkert, mit dem er noch eine Rechnung offen hat. Als es in ihrer Familie zu einem Unglücksfall kommt, kehrt Lilly nach Hamburg zurück. Sie verspricht ihrem Mann Henry, Jo nicht wiederzusehen. Doch es soll anders kommen…

Autorin Miriam Georg schreibt lebendig und klar. Der flüssige Schreibstil liest sich angenehm und unkompliziert. Lillys Geschichte und die weiteren Handlungsstränge werden chronologisch in der Vergangenheit erzählt.

Das Besondere dieser Reihe sind ihre Figuren. Im Nachwort erläutert die Autorin, was sie ihr an ihren Charakteren wichtig ist: Selbst der skrupelloseste Antagonist ist für Miriam Georg nicht nur schlecht, er hat eine Geschichte und Gründe, warum er ist, wie er ist. In jeder Figur könne der Leser Teile von sich selbst wiederfinden. Ihre eigenen Anspruch was die Figuren betrifft hat Miriam Georg definitiv erfüllt. Ihre Charaktere sind interessant und recht vielschichtig: Lilly, die in ihrer Ehe gefangen ist und jeden Preis zahlen würde, um ihre Tochter zu retten, Jo, der absolut kein klassischer Held ist und in der „Unterwelt“ agiert, Henry, der zwei Gesichter hat, Lilys Vater Alfred Karsten, der sich stets konservativ gibt, der aber ein guter Mensch ist und richtig und falsch unterscheiden kann oder Lillys Bruder Franz, der unerbittlich gegenüber anderen ist und seinen eigenen Schmerz versteckt. Personen aus ganz verschiedenen sozialen Schichten treten auf, die damalige Hamburger Gesellschaft wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und dargestellt. Dienstmädchen bekommen genauso Raum wie ihre Herrinnen, auch historische Figuren wie „die Engelmacherin von Sankt Pauli“ Elisabeth Wiese tauchen auf.

Hamburg 1890 hatte verschiedene Gesichter, Reichtum, Pracht und Luxus auf der einen Seite Armut, Kriminalität und entsetzliche Zustände auf der anderen Seite. Lilly fasst es treffend zusammen: „Ich weiß, dass man in dieser Welt nicht immer die Wahl hat, wie man sein Geld verdient.“ „Es war keine Wahl. Für Frauen gab es keine Wahl.“ Nicht nur Lillys und Jos Beziehung steht im Fokus des Romans, auch zahlreiche andere fesselnde Handlungsstränge werden kontinuierlich fortgeführt. Immer wieder gibt es am Ende der Kapitel Cliffhanger, die es mir unmöglich machten, nicht sofort weiterzulesen. Dabei wird die Lebensrealität der Arbeiterfrauen genauso thematisiert wie der Opiumhandel oder der Kampf der Frauenrechtlerinnen. Das alles ist verpackt in eine äußerst mitreißende Geschichte. Mehr Spannung und Dramatik kann auch kein Hollywoodblockbuster bieten. Genau wie der Vorgänger „Elbleuchten“ ist „Elbstürme“ für mich ein gelungener Schmöker mit großem Unterhaltungswert.

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