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Veröffentlicht am 09.06.2021

Was wäre wenn? Intensiver Roman über die Suche nach dem Glück und dem Sinn des Lebens

Die Mitternachtsbibliothek
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Nora Seed ist todunglücklich. Sie verliert ihren Job im Musikladen, zu ihrem Bruder, dem einzig lebenden Mitglied ihrer Familie, hat sie keinen Draht mehr und dann stirbt auch noch ihr Kater. Einsam und ...

Nora Seed ist todunglücklich. Sie verliert ihren Job im Musikladen, zu ihrem Bruder, dem einzig lebenden Mitglied ihrer Familie, hat sie keinen Draht mehr und dann stirbt auch noch ihr Kater. Einsam und verzweifelt beschließt Nora zu sterben und versucht, sich durch eine Tablettenüberdosis das Leben zu nehmen. Doch nach dem Selbstmordversuch kommt für sie nicht der Tod. Plötzlich befindet sie sich in einer riesigen Bibliothek mit zahlreichen Bücher und trifft dort auf die frühere Schulbibliothekarin Mrs. Elm, die ihr erklärt, dass in all den Büchern die Leben stecken, die Nora alternativ hätte führen können, wenn sie sich anders entschieden hätte, z.B. einen anderen Beruf gewählt hätte oder geheiratet hättet. Nora erhält die Möglichkeit, andere Leben zu erproben, zu erfahren, was hätte sein können. Ob sie dabei ein Leben findet, das sie glücklich macht?

Matt Haig erzählt die Geschichte aus Noras Sicht. Sein Sprachstil ist flüssig, klar und unkompliziert. Sprecherin Annette Frier liest Haigs Roman betont, abwechslungsreich und lebendig. Ihrem angenehmen und stimmigen Lesevortrag habe ich gerne zugehört.

Protagonistin Nora weckt Mitgefühl. Sie hat es wirklich nicht leicht: Sie verliert Ihre Eltern früh, ihr Bruder ist aus ihrem Leben verschwunden, all ihre Beziehungen scheitern, sie leidet unter Depressionen und mit Mitte 30 hält sie sich noch mit einem Aushilfsjob in einem Laden für Musikinstrumente über Wasser. Von ihrer früheren Leidenschaft fürs Schwimmen, ihrem Interesse an Gletschern oder ihrer Liebe zur Philosophie ist nichts mehr übrig geblieben. Alles scheint trostlos. Nora sieht keinen Ausweg. Sie hat das Gefühl, trotz ihrer vielen Talente und Fähigkeiten gescheitert zu sein. Während ihrer Reise in die verschiedenen Versionen ihrer Leben zeigt Nora ganz unterschiedliche Facetten von sich. Nora ist eine interessante, mitreißende, vielseitige Protagonistin. Sie ist die meiste Zeit des Romans über weder tot noch lebendig, wandert zwischen verschiedenen Leben hin und her. Das macht die Figur sehr ungewöhnlich.

Mrs Elm, die Bibliothekarin, erklärt Nora wie eine geduldige Lehrerin ihre Situation. Sie wirkt sehr weise, klug, unterstützt Nora, bringt sie zum Nachdenken und möchte sie anleiten, den für sie richtigen Weg zu wählen. Ich empfand Mrs. Elm als einen sehr angenehmen, fast philosophischen Charakter.

Gibt es ein Leben, das Nora glücklich macht?
Ich litt und bangt mit ihr, hoffte, dass sie aus ihrer tiefen Traurigkeit, die ich während des Hörens nachvollziehen, ja fast selbst mitempfinden konnte, herausfinden würde und eine neue Chance in einem neuen Leben bekommt.

Was wäre gewesen, wenn ich mich anderes entschieden hätte? Diese Frage hat sich sicherlich jeder schon mal gestellt. Matt Haig spielt mit diesem Thema, zeigt in Noras Fall auf, was hätte sein können. Ein überaus faszinierendes Gedankenspiel. Das Leben ist die Summe von Millionen von Entscheidungen und jede Entscheidung kann manchmal unsere oder ein anderes Leben komplett verändern. Ohne es zu wissen, berühren und bewegen wir so viele andere Menschenleben. Und manchmal scheint das Schicksal manche Menschen zu uns zu schicken. Eine schöne Vorstellung, dass wir ohne, dass es uns bewusst ist, das Leben anderer verbessern können. Denn niemand ist eine Insel.
Nora hat alle Möglichkeiten. Sie besucht zig Versionen ihres Leben, begegnet immer wieder neuen aber auch bekannten Menschen. Am Ende, nachdem ihr klar wird, was Leben, was Bereuen bedeutet, gelangt sie zu einer weitreichenden Entscheidung. Sie ist sich sicher, weiß nun, welches Leben sie führen möchte, was für sie Glück heißt. Glück geht nicht zwangsläufig mit Ruhm oder Erfolg daher. Es bedeutet, nicht zu hadern und einfach zu leben. Nach einer etwas genaueren Betrachtung entpuppt sich manches Grau häufig als viel farbenfroher als angenommen. Mitunter erinnerte das Hörbuch ein wenig an den Filmklassiker „Ist das Leben nicht schön?“. Traurig, aber auch mit zuversichtlichen, schönen Erkenntnissen.
Das Ende war für mich etwas zu erklärend, etwas zu „zerredet“, zu überladen. Einige Ausführungen und Erläuterungen empfand ich dabei als unnötig. Auch ohne viele Worte wäre die sehr wichtige Botschaft des Romans klar geworden, für mich wäre weniger hier mehr gewesen.
Dennoch ein besonderer, philosophischer, lebenskluger, mitreißender, trotz seiner oft nachdenklich stimmenden Schwermut leichter und zuversichtlicher Roman, der anregt über das Leben nachzudenken und der mir auf jeden Fall länger in Erinnerung bleiben wird. Eine Liebeserklärung an das Leben, das oft verletzt und schmerzt, mit all seinen dunklen Seiten, die es aber braucht, damit die hellen umso intensiver strahlen und leuchten können.

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Veröffentlicht am 04.06.2021

Bazilla is back - noch witziger und spannender als der erste Band

Bazilla - Feen-Internat in Gefahr
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Alle Feen auf dem Internat freuen sich schon seit Wochen riesig auf den alljährlichen Festball. Na ja fast alle Feen, Bazilla machen die Vorbereitungen und der Tanzunterricht absolut keinen Spaß, hat sie ...

Alle Feen auf dem Internat freuen sich schon seit Wochen riesig auf den alljährlichen Festball. Na ja fast alle Feen, Bazilla machen die Vorbereitungen und der Tanzunterricht absolut keinen Spaß, hat sie doch beim Tanzen zwei linke Füße. Doch dann kommt alles ganz anders. Es werden Menschen im Park gesichtet und die wollen doch wirklich die alten Bäume dort fällen, um neue Häuser zu bauen. Sollten die Menschen ihren Plan in die Tat umsetzen, dann wären die Feen im Internat nicht mehr sicher und müssten es verlassen. Bazilla setzt alles daran, die Bauarbeiten zu verhindern. Ob sie es schaffen wird, das Internat zu retten?

Autorin Heike Eva Schmidt schreibt gut verständlich, flüssig, lebendig und kindgemäß. Wie auch im ersten Band lockert sie ihre Geschichte mit „feentastischen“ und „feenialen“ Wortspielereien auf, das ist zwar nicht immer ganz einfach zu lesen, aber auf alle Fälle amüsant.
Angela Gstalters Bilder in Schwarzweiß passen perfekt zur Geschichte. Drollig, witzig, treffend, nett anzusehen. Die Illustrationen motivieren und machen Spaß.
Leser ab acht Jahren dürften keine Probleme haben, die Geschichte trotz der etwas umfangreicheren Kapiteln eigenständig zu erfassen. Zum Vorlesen ist das Buch auch schon für Sechsjährige geeignet.

Bazilla ist eine sehr nette, unkomplizierte, grundehrliche, liebenswerte Hauptfigur. Sie sagt, was sie denkt und mag es ganz feenuntypisch lieber schwarz als rosa, wuchs sie doch eigentlich bei einer Vampirfamilie auf und musste recht spät erfahren, dass sie keine Vampirin, sondern eine Fee ist. Bazilla fühlt sich als Feempirin. Die kleine Neufee hält sich nicht immer brav an Regeln, meint es aber stets gut und hat das Herz am rechten Fleck.
Molly, Bazillas beste Freundin, ist eine gute Fee wie sie im Buche steht. Sie ist sehr tolerant, verständnisvoll, hält immer zu Bazilla und verteidigt sie gegen andere „versnobte“ Feen mit Vorurteilen wie Philomena. Eine einzigartige, treue Freundin, die wohl jedes Kind gerne hätte.
Für Abwechslung sorgt Bazillas Vampirfamilie. Sie hat ganz andere Gepflogenheiten und Problemlösungsstrategien. Welch ein erfrischender, unterhaltsamer Kontrast: die zarten, eleganten Feen auf der einen und die dunklen, derben Vampire auf der anderen Seite!
Auch diesmal spielt Flederhamster Elvis wieder eine besondere Rolle. Elvis muss gar nicht sprechen können, um die Leser für sich einzunehmen. Er ist nicht nur extrem niedlich, er hat auch das außerordentlich wertvolle und hilfreiche Talent, immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Ob Bazilla es schafft, das Internat zu retten?
Sie ist zuverlässig um keine Idee verlegen und setzt sich mit allen Kräften ein, auch wenn es dabei nicht immer nach Plan läuft und so manches schief geht. Sehr spannend und mitreißend die Handlung.
Und nicht nur Elvis und Bazilla, auch Bazillas Vampirbruder Bronchus und der lebendige Wasserspeier Nöfnöf sorgen diesmal für sehr komische, skurrile Momente, die das Lachen nicht zu kurz kommen lassen.
Dass die Feen nicht für sich selbst, sondern nur für andere wünschen können, ist ein sehr sozialer Gedanke. Die kleinen Leser werden dabei angeregt, sich zu überlegen, wie sie andere glücklich machen können und nicht nur sich selbst. Andere glücklich zu machen, macht oft auch selbst glücklich und kann durchaus erfüllend sein. Das beweist Bazilla eindrücklich.
In „Feen-Internat in Gefahr“ wird auch die problematische Entwicklung angesprochen, dass viele Grünflächen, die für Tiere und Pflanzen Heimat und überlebenswichtig sind, großen Bauprojekten zum Opfer fallen. Ein hochaktuelles, brisantes und bedeutsames Thema.
Die Reihe richtet sich vermutlich mehr an Mädchen als an Jungen, ist aber nicht ganz so „rosa“ wie andere Feenbücher, schließlich haben auch Vampire ihren Auftritt und Bazilla ist eine absolut untypische, recht burschikose Fee.
Bazillas zweites Abenteuer hat meine Mitleser und mich erneut überzeugt. Ein witziges Buch mit originellen, liebenswerten Figuren, viel Spannung, wichtigen aktuellen Themen, motivierend und interessant verpackt, einer starken Freundschaft und natürlich Elvis, dem heimlichen Superhelden. Für uns war dieser Band sogar noch ein bisschen unterhaltsamer und packender als Band eins. Darum freuen wir uns jetzt schon auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Provokant und herausfordernd, aber wichtig

Drei Kameradinnen
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„Die weltoffene Metropole aber ist jetzt der Ort, an dem du deine Sprache leise sprichst, dein Dragoutfit erst im Taxi anziehst, deine Kippa zu Hause lässt.“

Kasih, Hani und Saya sind schon seit der Schulzeit ...

„Die weltoffene Metropole aber ist jetzt der Ort, an dem du deine Sprache leise sprichst, dein Dragoutfit erst im Taxi anziehst, deine Kippa zu Hause lässt.“

Kasih, Hani und Saya sind schon seit der Schulzeit Freundinnen. Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht, im Alltag immer wieder diskriminierende Situationen erlebt, mussten oft doppelt so hart arbeiten wie andere, um ihre Ziele zu erreichen. Die drei Frauen sind zu einer Hochzeit eingeladen, treffen sich nach langer Zeit wieder, denken gemeinsam an vergangene Zeiten. Am Abend der Hochzeit kommt es zu einer schlimmer Brandkatastrophe. Und Saya, die so engagiert gegen Rassismus kämpft, scheint am Feuer nicht ganz unschuldig. Was geschah wirklich?

Autorin Shida Bazar schreibt alles andere als gefällig und einnehmend aus der Sicht von Kasih in Ich-Form. Es ist nicht immer leicht, ihren Gedanken zu folgen, geht sie doch nicht streng chronologisch vor, sondern bringt ihre Gedanken mitunter ungefiltert und ungeordnet zu Papier. Sie erzählt zudem von Ereignissen, die nicht wirklich stattgefunden haben, aber stattfinden hätten können. Da ist es eine ziemlich Herausforderung, den Überblick zu behalten. Für die Leser wird es oft unangenehm. Immer wieder ist von „wir“ und „ihr“ die Rede. „Wir“ das sind Kasih und ihre Freundinnen, „ihr“ die Leser, die trotz nach außen getragener Toleranz und Gutmenschlichkeit, tief drinnen vorurteilsbehaftet und rassistisch sind, meint zumindest Kasih.

„Die drei Kameradinnen“, die wie im Krieg die Kameraden gemeinsame Kämpfe im Alltag ausfechten müssen, sind recht unterschiedliche Charaktere. Hani ist anpassungsfähig, arbeitet extrem hart und viel, lässt sich in ihrem Job als „Mädchen für alles“ ausnutzen, ohne sich zu beschweren. Pädagogin Saya hingegen ist permanent wütend. Sie hat sich vorgenommen, gegen jede Art von Rassismus, sei er offen oder versteckt, zu kämpfen:
„So wird die Welt nicht besser. Ich will aber nicht tun, als wäre die Welt in Ordnung, das ist doch das, was die weiße Dominanzgesellschaft von uns will. Sie will, dass wir so müde werden, dass wir aufhören, darüber zu reden, und dass wir nicht weiterkämpfen. Wir haben allen Grund zu kämpfen! Wir müssen dafür kämpfen, nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden.“
Saya ist besessen davon, Nazis zu jagen, liest im Internet Chatprotokolle, geht dabei aber so rigoros vor, dass sie mitunter übers Ziel hinausschießt und jeden weißen Mann als Feindbild betrachtet. Kasih, die dritte im Bunde, hat einen Einserabschluss in Soziologie und findet dennoch keinen Job. Sie zeigt sich in ihren Schilderung nicht als die ruhige, zurückhaltende, angepasste Person, die sie möglicherweise im „echten“ Leben sein mag. Als Erzählerin wirkt wie „auf Krawall gebürstet“, scheut nicht davor, ihre Leser verbal zu attackieren und zu beschuldigen.
Wenn sie hingegen von sich und ihren persönlichen Erlebnissen schreibt, wirkt sie ganz anderes als die Person, die durch die Handlung führt und ihre Leser angreift. Wer Kasih wirklich ist, bleibt unklar und undurchsichtig.
Die drei Freundinnen kennen sich sehr gut, wissen, was die jeweils anderen ausmacht und umtreibt. Sie sind wie ein „Schutzraum“ für einander, in dem sie sein dürfen, wie sie sind. Aber so intensiv die Verbindung ist, sie hat auch negative Aspekte: „Was bringen uns unsere Schutzräume, wenn wir uns in ihnen eher unseren hässlicheren Seiten hingeben?“

Herausfordernd, provokant, krawallig, aber auch irgendwie beeindruckend. So war mein erster Eindruck, als ich anfing, den Roman zu lesen. Es ist durchaus ein Statement, seine Leser zu attackieren, ihnen ständig unter die Nase zu reiben, dass sie eben nicht alles verstehen können, weil sie keine Ahnung habe, wie Migranten in Deutschland leben. Weil sie nicht wissen, dass Migranten ständig mit Rassismus konfrontiert sind, der oft nicht offensichtlich, aber selbstverständlich ist. Anfangs fühlte ich mich von Kasih angesprochen, musste zugeben, dass auch ich -wie jeder andere Mensch - Vorurteile habe. Doch je härter und anklagender der Ton wurde, desto mehr habe ich mich von ihrem „Ihr“ distanziert, wollte mir den Schuh nicht mehr anziehen. Gibt es denn überhaupt ein „Ihr“ und „Wir“? Kasih schreibt selbst: „Wir sind nicht so anders. Das denkt ihr nur, weil ihr uns nicht kennt.“ Grenzen verschwimmen. Und natürlich ist Kasihs Sicht selbst auch eine subjektive und Kasih zeigt anschaulich mit ihrem häufigen „Ihr“ und „Wir“, dass sie ebenfalls ausgeprägte Vorurteile hat.

Dieses lauten Buch endet mit einem noch lauteren Paukenschlag, aber für mich nicht unbedingt mit einem stimmigen. Die Intention der Autorin kann ich durchaus verstehen, aber dennoch empfand ich das Ende nicht als „rund“ und überzeugend.
Das Buch ist in vielerlei Hinsicht ein Experiment. Shida Bayzar hat viel zu sagen, nutzt dabei unkonventionelle, ungewöhnliche Mittel, verliert sich allerdings manchmal in Nebensächlichkeiten, schweift dann ab und schaffte es nicht immer, mich bei der Stange zu halten. Sie möchte berechtigterweise für wichtige Themen sensibilisieren, tut dies aber auf etwas zu provokante, laute, plumpe und aggressive Weise. „Drei Kameradinnen“ ist ein etwas anderes Buch, das zweifellos Eindruck auf mich gemacht hat, wenn auch nicht durchgehend im positiven Sinn. Ein Buch, das mich gleichermaßen zwiegespalten, rat- und sprachlos, betroffen, ein wenig verärgert und sehr nachdenklich zurücklässt.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Eine Gute-Laune-Geschichte so bunt wie eine Blumenwiese

Lea Lavendel und das Gänseblümchenwunder (Lea Lavendel 1)
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Eigentlich will Lea nur den Fußball zurück haben, den sie beim Spielen ins Nachbargrundstück geschossen hat. Doch dummerweise hat der Ball die Scheibe eines Gewächshauses zerdeppert und die merkwürdige ...

Eigentlich will Lea nur den Fußball zurück haben, den sie beim Spielen ins Nachbargrundstück geschossen hat. Doch dummerweise hat der Ball die Scheibe eines Gewächshauses zerdeppert und die merkwürdige Nachbarin Hortensia Pfeffer besteht darauf, dass Lea für den Schaden aufkommt. Frau Pfeffer besitzt einen außergewöhnlichen Garten mit ganz vielen exotischen und weniger exotischen Pflanzen. Lea bietet Frau Pfeffer an, bei der Pflege ihrer Pflanzen zu helfen, um ihre Schulden abzuarbeiten. Die ältere Frau ist erstmal skeptisch, doch dann stellt sich heraus, dass Lea genau wie Hortensia Pfeffer über ein seltenes Talent als Pflanzenflüsterin verfügt und sich mit Blumen unterhalten kann. Als der Bürgermeister Hortensias wundervollen Garten dem Erdboden gleich machen möchte, versucht das Lea unbedingt zu verhindern. Und schon steckt sie mittendrin in einem besonderen, magischen Abenteuer.

Corinna Wieja schreibt kindgemäß, lebendig und sehr unterhaltsam. Sie erzählt aus Leas Sicht in Ich-Form. Über die lustige Ausdrucksweise des Gänseblümchens Bella wie „herrhimmelisch“, oder „gebrummsummselt“ haben meine Mitleser und ich uns sehr amüsiert. Wahrhaft witzelisch diese Wortwahl! Sehr ansprechend ist auch die Gestaltung des Buchs, andersfarbige Überschriften in unterschiedlicher Schriftart, dezente Verzierungen und farbenfrohe, lustige, ausdrucksstarke Illustrationen. Das Buch hat handliches DIN A5-Format.
Leser ab acht Jahren werden die Geschichte schon selbstständig erfassen können, zum Vorlesen ist sie auch für jüngere Kinder ab fünf, sechs Jahren geeignet.

Lea ist ein aufgewecktes, neugieriges, abenteuerlustiges Mädchen, mit dem sich Kinder sicher prima identifizieren können. Lea hat ein Herz für Pflanzen, weiß das aber selber noch gar nicht, weil sie sich bisher noch wenig mit Pflanzen beschäftigt hat. So geht es vermutlich einigen Lesern auch.
Hortensia Pfeffer wirkt auf den ersten Blick sehr seltsam, schrullig und streng. So ist die lebenslustige, humorvolle, unkonventionelle Pflanzenliebhaberin, wenn man sie erst richtig kennenlernt, aber gar nicht. Im Gegenteil, wir würden uns eine solche Nachbarin wie Hortensia Pfeffer auch wünschen.
Die außergewöhnlichsten, originellsten Figuren der Geschichte sind die sprechenden Pflanzen, die Pflanzengefährten Gänseblümchen Bella, Papageienblume Hektor oder die Linde Titania. Blumen, die reden können, wo gibts denn sowas? Diese ver„sprechen“ natürlich eine ganz besondere Handlung.

Werden Lea und Hortensia Hortensias Garten retten können und dabei vielleicht sogar einen Schatz finden? Und was hat der Bürgermeister eigentlich wirklich vor?
Lea Lavendel und Hortensia Pfeffer entführen die Leser in ein turbulentes, spannendes, phantasievolles und zeitweise ganz schön zauberhaftes Abenteuer. Und nebenbei wird die leider ziemlich realistische Vergrauung der Vorgärten auf humorvolle Art thematisiert. Auch die verschiedenen faszinierenden Superkräfte von Pflanzen werden dabei herausgestellt. Und alle im Buch vorkommenden Blumen gibts wirklich in echt, auch wenn sie wohl nur für die wenigsten unter uns sprechen können...Die Geschichte macht große Lust darauf, sich näher mit Pflanzen und dem Gärtnern zu befassen. Das ist auch für Kinder sehr spannend, motivierend und lehrreich, wenn sie selber mit anpacken und einfach ausprobieren. Am Ende des Buchs finden sich noch zwei Gute-Laune-Rezepte zum Nachmachen.
„Lea Lavendel und das Gänseblümchenwunder“ ist eine Geschichte so bunt und vielfältig wie eine Blumenwiese. Empfehlenswert für alle Fans der Pflanzenwelt mit grünem Daumen und für solche, die es noch werden wollen.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Ein besonderer Roadtrip zu Fuß mit interessanten Bekanntschaften und vielen Kindheitserinnerungen

Als wir uns die Welt versprachen
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„So ist das mit den Erinnerungen: Sie entscheiden selbst, wann der Moment gekommen ist, sich zu zeigen. Manchmal lenken sie die Hände schneller als der Verstand. Manchmal folgt das Herz dem Kopf oder es ...

„So ist das mit den Erinnerungen: Sie entscheiden selbst, wann der Moment gekommen ist, sich zu zeigen. Manchmal lenken sie die Hände schneller als der Verstand. Manchmal folgt das Herz dem Kopf oder es verliert sich in ihnen.“

Edna und Jacob gehören zu den Schwabenkindern. Sie stammen aus Bergdörfern und werden von ihren bitterarmen Familien vor dem zweiten Weltkrieg als Arbeitskräfte an einen Bauern in Oberschwaben verkauft. Das Leben auf dem Hof ist für beide hart und schrecklich. Sie nehmen sich vor, gemeinsam mit dem Papagei Emil zu fliehen. Jahrzehnte später erfährt Edna, die mittlerweile eine alte Frau ist, aus der Zeitung, dass Jacob einen Unfall hatte und in Ravensburg verletzt im Krankenhaus liegt. Sie macht sich zu Fuß von Südtirol aus auf den Weg, um Jacob im Krankenhaus zu besuchen und um ein Versprechen zu erfüllen, das sie ihm als Kind gab. Unterwegs trifft sie auf einige interessante Menschen und führt mit ihnen intensive Gespräche

Romina Casagrandes Roman „Als wir uns die Welt versprachen“ liest sich angenehm und unkompliziert. Die Autorin schildert Ednas aktuelle Situation, ihre Reise nach Ravensburg und lässt sie in Rückblenden von ihrer Kindheit erzählen. Dabei webt sie immer wieder viele schöne weise, traurige, manchmal fast poetische Sätze zum Nachdenken und Genießen in ihre Geschichte mit ein.

Edna ist eine wirklich besondere Frau mit extrem starken Willen. Die Zeit auf dem Bauernhof ist für sie mit schrecklichen Erinnerungen und harter Arbeit verbunden. Sie hat dort nie ihren Platz gefunden, hielt sich stets für unzulänglich: „Ednas Bestimmung schien es zu sein, rastlos von einem Ort zum anderen zu schwirren wie eine Biene auf der Suche nach ihrem Stock, bemüht, alles gut zu machen, da sie doch zu nichts gut war.“
Zu Jacob hat Edna eine besondere Verbindung, teilt mit ihm besondere Momente:
„Obwohl sie noch Kinder waren, wussten Edna und Jacob bereits, dass man für jeden Augenblick des Glücks einen Preis bezahlen muss. Und sie waren plötzlich sehr glücklich, während sich ihr Lächeln in den Augen des anderen spiegelte und sie das Gleiche dachten. Aber sie wussten nicht, welche Rechnung ihnen das Schicksal am Ende präsentieren würde.“
Die Figur Edna hat mir imponiert. Obwohl sie schon sehr alt ist, unter körperlichen Gebrechen leidet, hat sie ihren Mut und ihre Tatkraft nicht verloren. Sie tut alles, um zu Jacob zu kommen. Eine beeindruckende Frau, ein Weggefährte fasst es treffend zusammen: „Sie haben alles daran gesetzt, so schnell wie möglich an ihr Ziel zu kommen. Das nennt man Beharrlichkeit. Klar, das hat sicher auch was von Verrücktheit, aber nur für Menschen mit wenig Phantasie. Dabei ist es doch eine Frage von Herz. Und von Mut. Sie haben ihren Traum und kämpfen dafür. Wie die Allergrößten.“
Gefallen hat mir auch die Figur Agnes, die sich um Edna kümmert und sich engagiert für sie einsetzt. Eine treue Freundin, die Ednas Freundschaft verdient hat und umgekehrt auch in Edna eine gute Freundin gefunden hat.

Ednas Reise ist ein wie ein Roadtrip zu Fuß, eine Art Pilgerreise. Edna trifft auf ganz unterschiedliche Leute, denen sie Teile ihrer Geschichte erzählt und die Edna wichtige Gedankenanstöße mitgeben. Jede Begegnung verändert einen Menschen, inspiriert ihn, das wird hier sehr deutlich. Allerdings haben die Begegnungen auch viel Märchenhaftes an sich, sie wirken nicht wirklich realistisch, müssen sie vielleicht aber auch gar nicht. Letztendlich weiß Edna:
„„Das wirkliche Leben war kein Märchen. Manchmal geschahen die Dinge ohne logischen Zusammenhang, man musste darauf achten, den Felsbrocken auszuweichen und sich nicht erschlagen zu lassen.“
Das Schicksal der Schwabenkinder ging mir sehr nahe. Grausam, dass auf den Höfen so vielen Kindern ihre Kindheit gestohlen wurde, viele Kinde mussten entsetzlich leiden, einige bezahlten mit dem Leben. Romina Casagrande macht auf diesen unbekannten Teil der Geschichte Südtirols zurecht aufmerksam.
Auch wenn nicht alle Stationen von Ednas Reise hundertprozentig überzeugend geschildert wurden, so hat mir Ednas Geschichte doch recht gut gefallen. Sie liefert einige Anregungen zum Nachdenken über das Leben und macht trotz mancher dunkler Kapitel Mut: „Wo etwas endet beginnt das Neue und was zuweilen grausam erscheint, geschieht manchmal um Gutes zu bewirken. Nur eins ist wichtig, Frau Edna, man darf nie stehen bleiben. Und ich glaube, dass sie diese Lektion gut gelernt haben.“

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