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Veröffentlicht am 18.03.2021

Wundervoller Abschluss einer wundervollen Reihe

Die Unausstehlichen & ich (Band 3) - Die Welt ist voller Wunder
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„Ich glaub, deshalb hab ich angefangen rotzusehen. Weil immer andere entschieden haben, was mit mir passieren soll. Jetzt also die größte Frage von allen: Warum fühlt es sich so schrecklich xxxxxx an, ...

„Ich glaub, deshalb hab ich angefangen rotzusehen. Weil immer andere entschieden haben, was mit mir passieren soll. Jetzt also die größte Frage von allen: Warum fühlt es sich so schrecklich xxxxxx an, dass ich auf einmal die Wahl habe, was mit mir passiert?“

Enni steht vor einer schweren Entscheidung. Aber vorher will sie den Saakser Geheimnissen endlich auf den Grund gehen. Warum darf ausgerechnet sie das Luxusinternat in den Bergen besuchen, auf dem abgesehen von Dante und ihr nur Kinder reicher Eltern gehen? Und weshalb existiert die Schule offiziell nicht? Um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, möchte sie in München die Stiftung aufsuchen, die ihr Schulgeld bezahlt. Einen Ausflug nach München würde Schulleiterin Halbach nie erlauben. Also beschließen Enni und ihre Freunde an einem Theaterwettbewerb teilzunehmen. Die Gewinner dürfen ihr Stück in München aufführen. Ob Ennis Plan aufgeht?

Vanessa Walder schreibt aus Ennis Sicht in Ich-Perspektive. Und das tut sie auf unnachahmliche Enni-Art, mit messerscharfen Analysen, perfekt passenden Vergleichen und Bildern, frech und erfrischend mit Witz und Humor und natürlich mit geschwärzten Flüchen. Ein typischer Enni-Satz: „Wenn die Augen das Fenster zu Seele sind, dann hat Viola Dahlem keine Vorhänge.“
Ihre Geschichte erzählt Enni diesmal ihrem Vater im Gefängnis, den sie um Rat fragt. Sie schildert ihm das aktuelle Geschehen in einem Brief.
Besonderes Gespür hat die Autorin für ihre hintergründigen Kapitelüberschriften, die gleichzeitig so viel und nichts aussagen.
Auch den letzten Band um Enni hat Barbara Korthues wieder sehr passend und prägnant illustriert, oft genügt ein kurzer Blick auf das Bild und es ist sofort klar, wie sich die Figuren gerade fühlen.
Die Reihe richtet sich an Leser ab neun/zehn Jahren.

Enni ist einfach Enni. Sie ist hochintelligent und klug, abgeklärt, hat viel mehr erlebt als sie sollte, anstatt einfach nur Kind sein zu dürfen. Sie weiß, wie das Leben funktioniert, beobachtet ihre Umwelt genau, ist Expertin in Sachen Gefühle anderer. Nur was die eigenen Gefühle betrifft, damit hat sie Probleme. Die kann sie nicht so klar analysieren, wie sie das sonst tut, die kann sie nicht einschätzen. Ihre eigenen Gefühle hat sie nicht im Griff. Daher sieht sie immer wieder rot. Aber Enni entwickelt sich weiter, in diesem Band ganz besonders und nicht nur, weil sie den Mut hat, Sachen von sich preiszugeben, die bisher niemand wusste. Enni steht jetzt vor einer nie dagewesenen Herausforderung. Sie darf selbst für sich entscheiden, was ihr mehr als schwer fällt.
Auch die anderen Charaktere sind einzigartig: die blinde „Eisprinzessin“ Lillith, die bisher durch besondere Härte und Unberechenbarkeit hervorstach, Dante, der im Rollstuhl sitzt, sich davon aber nicht abhalten lässt, an Gerüsten zu klettern, Karan mit seinem Riesen-Körper, der „falsch verpackt“ ist, Lucky, bei dem der Name Programm ist und Mattis, der nichts so sehr hasst, wie als schwach angesehen zu werden. Sie alle sind für Enni mehr als Freunde geworden. Selbstverständlich tauchen auch wieder einige alte Bekannte auf, manche davon ziemlich überraschend.

Was hat es nun mit dem Saakser Internat genau auf sich? Wer ist Dantes Vater? Wer zahlt Ennis Schulgeld? Und wie wird es für Enni weitergehen?
Was die bisherigen Bücher auszeichnet, wird auch in „Die Welt ist voller Wunder.“ fortgesetzt. Der neue Band ist derart spannend und voller mysteriöser Geheimnisse, dass es unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu legen. Wie ein Krimi ohne Mordfall, aber mit extra vielen ungelösten Rätseln und dazu ganz vielen Wundern, allen voran dem Wunder von der Kraft und der Macht außergewöhnlicher Freundschaft. Selten hat mich ein Buch, das Schicksal einer Figur so mitgerissen und so berührt. Die Gefühle fuhren beim Lesen Achterbahn, sogar das ein oder andere Tränchen habe ich verdrückt. Für Enni und all die anderen Kinder, die ohne eigene Schuld in kaum erträgliche, ausweglose Situationen geraten, die nie eine Wahl hatten und sich dennoch pausenlos fragen, was sie falsch gemacht haben.
„Die Unausstehlichen und ich“ ist eine wirklich besondere Reihe. Ihr Abschluss lässt mich und meine Tochter traurig und glücklich zugleich zurück. Traurig, dass wir Abschied von den liebgewonnenen Figuren nehmen müssen, dass Ennis Geschichte nun zu Ende ist und glücklich, dass sie genau so zu Ende erzählt wurde. Wir können die Reihe jedem nur ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 15.03.2021

Vielversprechender Auftakt: ein bisschen Harry Potter, noch mehr Magie und ganz viel Spannung

Akademie Fortuna - Wenn Wahrsagen so einfach wäre
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Annivarsary Fortune, genannt Sorry, ist aufgeregt. Endlich wird sie die Akademie Fortuna, die Schule für Wahrsagerei, besuchen. Als Tochter der Schulleiterin steht sie unter besonderer Beobachtung und ...

Annivarsary Fortune, genannt Sorry, ist aufgeregt. Endlich wird sie die Akademie Fortuna, die Schule für Wahrsagerei, besuchen. Als Tochter der Schulleiterin steht sie unter besonderer Beobachtung und unter großem Druck. Von ihr werden selbstverständlich gute Leistungen erwartet. Leider hatte Sorry bisher noch nie eine „große Vision“, sie kann nur voraussehen, was sich in ein paar Sekunden ereignen wird, kleinere Unfälle im Alltag, aber keine wegweisenden Voraussagen. Das darf aber niemand wissen. Wie soll sie da an der Schule bestehen können? Die Sterndeuterfamilie Astra wittert ihre Chance, endlich die Schulleitung übernehmen zu können. Und dann taucht auch noch unvermittelt ein neuer Schüler auf, Ben Dulum, ein Nekromant. Seit Jahren gab es keinen Nekromanten mehr an der Schule, denn Nekromanten gelten als geächtet, nachdem ihr Oberhaupt vor Jahren versuchte, alle anderen Wahrsager gegeneinander aufzubringen und die Herrschaft zu übernehmen. Sorry sollte Ben eigentlich meiden, doch der lässt sich davon nicht beirren. Auch Hausmeistertochter Missy Harp, eine Nichtseherin, schließt bald Freundschaft mit Sorry.

Sarah M. Kempten schreibt humorvoll, unkompliziert und recht verständlich. Für ihre Figuren hat sie sich besonders originelle Namen ausgedacht wie Euphoria Fortune, Crystal Glass oder Estrella Taurus, die oft voller Anspielungen stecken. Die Namen machen Spaß, verwirren aber jüngere Leser, die kein Englisch können, sicher ein wenig. Daher ist das Buch frühestens für Leser ab zehn Jahren zu empfehlen.
Die Aufmachung des Buch ist sehr ansprechend. Das Cover mit den Hauptfiguren in der Mitte ist ein Hingucker, wirkt sowohl düster und geheimnisvoll, hat aber auch helle, freundliche Aspekte. Alicia Räths Illustrationen sind sehr individuell. Sie geben die Grundstimmung und die Emotionen der Figuren treffend wieder. Es macht Spaß, sie genauer zu betrachten.

Sorry kann einem anfangs nur leid tun, meine Mitleser und ich konnten uns rasch mit ihr identifizieren. Sie hat eine für den Alltag äußerst praktische Fähigkeit. Ihre Visionen kleiner Alltagsunfälle kann verhindern, dass sich Leute verletzen. Aber diese Gabe gilt in der Akademie nichts. Sie soll sie gar verstecken. Klar, dass sie da über kein Selbstbewusstsein verfügt und in ständiger Angst lebt, entlarvt zu werden. An ihren Vater erinnert sich Sorry gern: „Jede Vorhersage ist ein Wunder“, hatte er Sorry getröstet, wenn sie es wieder einmal nicht geschafft hatte, eine große Vision heraufzubeschwören. „Jede deiner Vision wichtig: egal wie klein. Und wer weiß: Vielleicht bist du ja die Begabteste von allen.“ Doch leider ist ihr Vater tot und nun hat Sorry niemanden mehr, der an sie glaubt. Die Bekanntschaft zu Hausmeistertochter Missy Harp kommt gerade recht. Missy, die ziemlich tollpatschig ist, der ein Missgeschick nach dem anderen passiert und die lieber in der Akademie herumstreunt, anstatt in die Schule zu gehen, erkennt sofort, dass Sorrys Talent besonders ist und Unglück verhindern kann. Sie bestärkt Sorry. Und dann ist da auch noch der geheimnisvolle Ben, der Außenseiter mit dem Pendel, den Sorry mehr mag als sie dürfte.
Mitschülerin Estrella Taurus erweist sich bald als Sorrys Feindin. Sie sieht wie ihre gesamte Familie auf Sorry herab und lässt keine Gelegenheit aus, Sorry zu demütigen.

Ein wirklich interessantes Setting mit originellen Personen hat Autorin Sarah M. Kempen da konstruiert. Ähnlichkeiten mit Harry Potter sind unverkennbar. Hier gibt es keine verschiedenen Häuser wie Gryffindor oder Slytherin, dafür treten aber Vertreter der verschiedene Wahrsagedisziplinen wie Visionismus, Astrologie oder Chiromantie in Konkurrenz zueinander. Und Estrella Taurus erinnert mit ihrer unangenehmen Arroganz stark an Draco Malfoy, der ebenso stark unter dem Einfluss seines dominanten Vaters steht wie Estrella.
Ganz schön aufregend geht es in Sorrys Leben zu. Wird jemand hinter Sorrys Geheimnis kommen? Schaffen es die Taurus mit ihren Intrigen, an die Schulleiterstelle zu kommen? Und wer ist Ben Dulum wirklich und was hat er vor?
„Akademie Fortuna- Wenn Wahrsagen so einfach wäre“ ist eine packende Geschichte über eine starke Freundschaft, die nicht sein soll, mit viel Magie und Figuren, die mitreißen. Kein neuer Harry Potter, aber der gelungene, unterhaltsame Auftakt einer vielversprechende Reihe. Das Buch endet mit einem extremen Cliffhanger, der es mir und meinen Kindern ganz und unmöglich macht, die Fortsetzung nicht zu lesen.

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Veröffentlicht am 09.03.2021

Düster und rätselhaft

Der Mädchenwald
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Die dreizehnjährige Elissa ist eine begabte Schachspielerin. Während eines Schachturniers wird sie entführt und in einen dunklen Keller gesperrt. Eines Tages entdeckt Elijah ihr Gefängnis und besucht sie ...

Die dreizehnjährige Elissa ist eine begabte Schachspielerin. Während eines Schachturniers wird sie entführt und in einen dunklen Keller gesperrt. Eines Tages entdeckt Elijah ihr Gefängnis und besucht sie von nun an regelmäßig, aber heimlich, niemand sonst weiß Bescheid. Elissa wird von der Polizei gesucht, die noch ziemlich im Dunkeln tappt. Gleichzeitig versucht Elissa, sich selbst zu befreien und zu fliehen. Ob sie auf Elijahs Unterstützung bauen kann?

Autor Sam Lloyd schreibt verständlich und flüssig aus drei Perspektiven, aus Elissas, Elijahs und der der ermittelnden Polizistin Detective Superintendent Mairéad MacCullagh. Je mehr die Figuren erzählen, desto komplexer und „verstrickter“ wird der Fall.

Für die allesamt „tragischen“ Figuren im Roman „Der Mädchenwald“ empfand ich großes Mitleid. Polizistin Mairéad muss private Schicksalsschläge verarbeiten und ist nun mit diesem Entführungsfall beauftragt, der starke Nerven fordert. Elijah ist in völliger Isolierung aufgewachsen, kennt weder Internet noch Handys, er hat keine Ahnung von der realen Welt. Wie er mit dem Wissen um Elissa und ihren Aufenthaltsort verfahren soll, weiß er genauso wenig. Elissa selbst schwebt in tödlicher Gefahr. Was haben die Entführer vor? Das Mädchen ist hochintelligent, schmiedet detaillierte, durchdachte Pläne für ihre Flucht, sie gibt nicht auf. Aber reicht das, um ihr Leben zu retten? Was bedeutet die Beziehung von Elijah und Elissa für die weitere Handlung? Und welche Rolle spielt die mysteriöse Zauber-Annie aus der Schrottstadt?

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, in das Geschehen hineinzufinden. Es herrscht eine dunkle, deprimierende Grundstimmung. Mir fiel es schwer, die Situation der einzelnen Figuren genau einzuschätzen. Immer mehr Geheimnisse kommen im Verlauf des Romans ans Tageslicht, gleichzeitig wurde für mich trotzdem alles immer verworrener. Ich tappte noch mehr im Dunkeln. Ab der Mitte entwickelte der Plot Anziehungskraft. Ich wollte unbedingt wissen, wie alles zusammenhängt. Vieles wird am Schluss klarer, aber einige Rätsel behält der „Mädchenwald“ noch für sich.
„Der Mädchenwald“ spielt nach anfänglichen Längen gekonnt mit den Erwartungen der Leser. Wie in „Hänsel und Gretel“, auf das im Buch immer wieder angespielt wird, wirft der Autor seinen Lesern Brotkrumen hin, auf dass sie einen Weg aus dem Handlungswirrwarr finden. Aber wie im Märchen irren die Leser noch tiefer in den Sümpfen und Abgründen des „Mädchenwalds“ herum. Was ist überhaupt noch wahr und wirklich? Was findet nur in den Köpfen der Figuren statt?
„Der Mädchenwald“ ist ein komplex konstruierter, düsterer Roman. Schwer einzuordnen, aber durchaus interessant zu lesen. Weit entfernt von heiler Welt, eher die Hölle auf Erden, aber ein faszinierendes, geheimnisvolles literarisches Experiment, das herausfordert. Wer sich gerne überraschen lässt und mit Unausgesprochenem umgehen kann, dem sei dieser Roman empfohlen.

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Veröffentlicht am 08.03.2021

Spannend und interaktiv - ein motivierendes Mitmachleseabenteuer

Die chinesische Spiegelfalle
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Fridolin hat beim Basketballspielen die Büste seiner Mutter ruiniert. Jetzt möchte sie eine neue Büste und schleppt Fridolin mit zum Kunst- und Kuriositätenladen von Herrn Oratio. Während sich seine Mutter ...

Fridolin hat beim Basketballspielen die Büste seiner Mutter ruiniert. Jetzt möchte sie eine neue Büste und schleppt Fridolin mit zum Kunst- und Kuriositätenladen von Herrn Oratio. Während sich seine Mutter beraten lässt, darf Fridolin sich die Kuriositätenabteilung ansehen. Dummerweise passiert ihm da gleich das nächste Missgeschick. Er fasst einen alten Spiegel an und eher er sich versieht, kommt ein grünes Wesen, ein Goblin, aus dem Spiegel, das nun an Fridolin gefesselt ist. Die Fesseln lassen sich einfach nicht lösen, so sehr sich die beiden auch anstrengen. Vielleicht wissen aber die seltsamen Bewohner des Ladens wie z.B. das grüne ausgestopfte Krokodil Rat. Es muss aber schnell gehen. Nicht dass Fridolins Mutter noch mitkriegt, dass ihr Sohn schon wieder Mist gebaut hat...

Corinna Rindlisbacher formuliert gut verständlich und lebendig. Ihr klarer, kindgemäßer Schreibstil macht es den Lesern einfach, sich sofort in die Geschichte zu „beamen“. Das ist auch dringend notwendig, der Leser ist nämlich selbst Teil der Geschichte. Er muss sich in Fridolin hineinversetzen und entscheiden, wie es weitergehen soll. Am Ende eines Textabschnitts werden jeweils verschiedene Handlungsmöglichkeiten für Fridolin angeboten, der Leser wählt dann eine Möglichkeit aus, wie Fridolin entscheidet. Dadurch ist die Handlung nicht starr vorgeschrieben, sondern flexibel gestaltbar. Pascal Nöldners gruselige, treffende Illustrationen sorgen für die entsprechende unheimliche Atmosphäre. Die Bilder wiederholen sich handlungsbedingt immer wieder. Die äußere Gestaltung der Seiten mit gefärbten Seiten, schwarz umrandeten Seitenzahlen, teils in unterschiedlichen Schriftarten gedruckten Wörtern und den kleinen düsteren Zeichnungen finde ich gelungen.
„Die chinesische Spiegelfalle“ ist ein interaktives Mitmachbuch für Leser, Jungen wie Mädchen, ab neun Jahren.

Fridolin präsentiert sich als ein neugieriger, impulsiver, spontaner Junge, der manchmal erst handelt und dann denkt. Nicht so optimale Voraussetzungen, sich aus der Bredouille befreien zu können. Da besteht durchaus die Gefahr, sich noch tiefer ins Schlamassel reinzureiten. Goblin Pierre ist auch eher spontan und extrovertiert als bedächtig und vorsichtig. Er bringt mit seinen kreativen Ausrufen wie „Miefiger Moppelmist!“ zwischendurch immer wieder zum Schmunzeln. Auch wenn meine Tochter und ich uns natürlich wünschten, dass sich Fridolin und Pierre retten und Pierre dahin zurückkehren darf, wo er herkommt, mochten wir Pierres witzige, direkte Art sehr gerne.
Verschiedene spannende Figuren tauchen in der Geschichte auf, die dabei helfen könnten, Goblin Pierre und Fridolin voneinander zu befreien. Phantasievolle Charaktere wie ein Meermann, ein chinesischer Maulwurf oder Wahrheitssteine. Aber wissen die auch wirklich etwas und wenn ja, sollten Pierre und Fridolin ihnen vertrauen?

Manchmal braucht es Glück, manchmal Wissen. Man muss schon sehr genau lesen, um die richtige Antwort zu finden. Wenn einem etwas durch die Lappen geht, ist das aber nicht schlimm. Einen Ausweg für Fridolin gibt es immer, der kann halt mal bequem, mal unbequemer ausfallen. Im Unterschied zu anderen Exitbüchern benötigt man weder Stift noch Papier, um die Rätsel zu lösen. Hier kommt es auf genaues Lesen und Intuition an. Es gibt keine unterschiedlichen Rätseltypen, sondern immer nur Entscheidungsfragen.
Auch wenn wir nicht immer hundertprozentig richtig lagen und Fridolin bei uns leider
kein perfektes Happy End erleben konnte, hatten meine Tochter und ich großen Spaß mit der chinesischen Spiegelfalle.
Ein geheimnisvolles, sehr motivierendes, interaktives Spielebuch, das ein außergewöhnliches, phantasievolles Abenteuer im Kopf erleben lässt. Ein Langeweilekiller!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Eine heilsame Reise an einen ganz besonderen Ort

Solupp 1: Sommer auf Solupp
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„Verrückt, denkt Mari, dass man, um sich nicht mehr einsam zu fühlen, anscheinend zum abgelegensten Ort der Welt reisen muss.“

Eigentlich hat Mari sich sehr darauf gefreut, im Sommer auf ein Fußballcamp ...

„Verrückt, denkt Mari, dass man, um sich nicht mehr einsam zu fühlen, anscheinend zum abgelegensten Ort der Welt reisen muss.“

Eigentlich hat Mari sich sehr darauf gefreut, im Sommer auf ein Fußballcamp zu fahren. Nach Papas schwerer, überstandener Krankheit will sie einfach nur Spaß haben. Doch dann bucht Mama für die ganzen Ferien Urlaub auf der abgelegensten Insel der Welt, Solupp. Verständlicherweise ist Mari erst einmal wütend und hat gar keine Lust auf diese langweilige Insel. Doch dann ist alles ganz anders. Solupp ist voller Geheimnisse und Wunder und ehe sie sie sich versieht, steckt Mari mittendrin, im aufregendsten Sommer ihres Lebens mit Ponys, Meer, neuen Freunden und ganz viel Abenteuer, sogar einem Schatz.

Annika Scheffel schildert das Geschehen aus Maris Sicht in Maris ganz eigener Sprache mit Gefühl, Tiefsinn und Humor. Sie schreibt definitiv „schön“ und besonders, wobei manche ihrer Sätze eine Herausforderung darstellen. Sie enthalten viele Aufzählungen, sind so verschachtelt und lang, dass es für mich nicht immer einfach war, den Überblick zu behalten und sie flüssig vorzulesen. Vielleicht ist Mari aber manchmal auch innerlich so aufgewühlt, dass alles gleichzeitig aus ihr herausplatzt und sie dabei selbst den roten Faden verliert. Stimmig ist der Schreibstil auf alle Fälle. Die Autorin formuliert oft wunderbare, beeindruckend treffende und durchaus witzige Sätze wie „Wenn Joon die Glühbirne gerade erfunden hat, dann sieht Kurt aus wie der Oberkerzenhersteller, der kurz vor dem Bankrott steht.“
Ein wenig kommt mir das Buch aufgrund der Sprache wie eine Schatzkiste vor, mit vielen wertvollen Perlen, die unter den Schachtelsätzen verborgen sind. Ich empfehle es Lesern ab zehn Jahren.

Das idyllische Cover weckt bei den Lesern Erwartungen, die zunächst nicht erfüllt werden. Und auch die Fröhlichs machen ihrem Familiennamen anfangs keine Ehre. Sie scheinen bedrückt und oft traurig, denn hinter ihnen liegt eine schreckliche Zeit, in der Papa todkrank war und sich alles nur um seine Krankheit gedreht hat.
Mari ist ein sensibles Mädchen, sie hatte große Angst, ihren Vater zu verlieren, ist aber auch insgeheim manchmal wütend auf ihn, dass er so schwach, verletzlich und träge ist. Sie vermisst ihren starken Vater von früher. Mari und ihre Empfindungen werden für mich sehr plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Ebenso finde ich auch den Charakter Kurt, Maris älteren Bruder, sehr authentisch. Kurt ist während Papas Krankheit über sich hinausgewachsen, war für seine Geschwister stets der Fels in der Brandung, trägt jetzt aber nur noch schwarze Kleidung, sitzt immer in seinem Zimmer und wirkt dabei so verloren. Und dann ist da noch Bela, der jüngste der Geschwister, der mit seiner übersprudelnden Lebensfreude, seiner Phantasie, seiner Tatkraft, seinem Witz und seiner Unbeschwertheit das genaue Gegenteil von Kurt ist. Etwas von Belas Fröhlichkeit könnte auch Mama vertragen mit ihrem mechanischen „Wir-schaffen-das-Grinsen“, deren Lächeln seit der Krankheit nicht mehr die Augen erreicht und Papa sowieso, der körperlich immer noch schwach ist und keinen Elan mehr hat .
Auf der Insel lernen den Fröhlichs die kontaktfreudigen, sympathischen Kinder Ema und Joon, die stets nette und gastfreundliche Jolka und weitere Figuren kennen, die ihnen die Wunder der Insel näherbringen und sie so schrittweise zurück ins Leben führen.
Eigentlicher Star des Buches ist aber die Insel Solupp, die „große, inselförmige Krimskramsschublade voller Geheimnisse, Spuren vorheriger Besucher und Geschichten.“
„Die Luft hier riecht nach Sommer. Aber nicht wie der in der Stadt, nicht nach heißem Asphalt und nach brackigem Flusswasser und braunfleckigen Bananen, die Luft auf Solupp riecht nach Heckenrosen und Salzwasser und Sommersprossen und Karamelleis mit Sahne.“
Solupp gibt jedem Mitglied der Familie Fröhlich genau das, was es gerade braucht. Die Insel hat für die Fröhlichs definitiv Heilkräfte.

„Sommer auf Solupp“ ist völlig anders erwartet und gleichzeitig genauso wie erhofft. Anfangs macht es doch sehr traurig zu lesen, wie sehr die Fröhlichs unter der Krankheit des Vaters leiden. Maris Gefühle werden so eindrücklich beschrieben, dass ich sie beinahe selbst empfand. Ich hätte die Geschwister so gerne in den Arm genommen, um ihnen zu sagen, dass alles gut wird. Doch genau das hat dann Solupp erledigt. Solupp, bei dem es einem „immer mehr so vorkommt, als sei irgendwer sehr, sehr Großes einmal quer durch die Welt gestapft, hätte in jedem Land das, was ihm am besten gefällt, eingesammelt, mitgenommen und auf dieser kleinen Insel querbeet wieder ausgestreut.“ Annika Scheffel hat an den Anfang ihres Buchs ein Zitat aus Ronja Räubertochter gesetzt: „Hier stehe ich und spüre, wie der Winter aus mir herausrinnt.“ Selten hat ein Zitat so gut gepasst. Aus den Fröhlichs rinnt im Sommer auf Solupp der Winter heraus und die Leser haben das Glück, das das hautnah miterleben zu können.
Solupp ist die Idylle, die sich sicher viele wünschen, die einfach da ist und wirkt und die manche Geheimnisse auch für sich behält. Wer wollte da nicht Urlaub machen? Ich bin sicher, es gibt für jeden Menschen ein persönliches Solupp und jeder, der es noch nicht gefunden hat, sollte dieses Buch lesen.

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