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Veröffentlicht am 03.03.2021

Dunkle Geheimnisse im historischen London

Das Geheimnis der Themse
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„Der Fluss hat viele Gesichter.“

1894 sind Tom und Charlotte Ashdown seit zwei Jahren verheiratet und gerade in ein neues Haus in London gezogen. Zum kompletten Glück fehlt nur noch ein Kind, aber das ...

„Der Fluss hat viele Gesichter.“

1894 sind Tom und Charlotte Ashdown seit zwei Jahren verheiratet und gerade in ein neues Haus in London gezogen. Zum kompletten Glück fehlt nur noch ein Kind, aber das sensible Thema anzusprechen, vermeiden beide Ehepartner derzeit noch. Als Tom von einem alten Bekannten Sir Tristan Jellicoe zu einem Buchprojekt über magische Orte in London überredet wird, unterstützt auch Charlotte ihn bei den Recherchen und die beiden nähern sich einander wieder an. Ein kürzlicher Leichenfund an der Themse, dem „heiligen Fluss“, weckt in Charlotte und Tom besondere Neugier. Während ihrer Nachforschungen begeben sich die beiden in große Gefahr, merken es aber zu spät...

Susanne Goga schreibt angenehm und unkompliziert. Es war für mich nicht schwierig, in das dargestellte Geschehen hineinzufinden. Die Autorin schildert zunächst abwechselnd drei verschiedene Handlungsstränge, Charlottes und Toms Nachforschungen und ihr Eheleben, eine noch unklare, seltsame Zusammenkunft von Frauen und die Erlebnisse des Strandsuchers und Waisenjungen Alfie, der die Frauenleiche in der Themse findet. Die verschiedenen Aspekte der Geschichte werden im Verlauf stimmig miteinander verbunden.

Charlotte und Tom sind die Hauptfiguren des Romans. Sie lieben sich, haben aber Sorge, sich aufgrund ihrer Kinderlosigkeit voneinander zu entfremden. Der Auftrag Sir Tristans kommt beiden da gerade recht. Die Ehepartner sind vielseitig interessiert, gehen den Dingen auf den Grund und forschen dadurch recht effektiv und erfolgreich. Während Tom etwas bedächtiger vorgeht, agiert die umtriebige Charlotte ein wenig spontaner und mehr aus dem Bauch heraus. Trotz ihrer Kommunikationsschwierigkeiten hatte ich das Gefühl, dass Charlotte und Tom füreinander geschaffen sind und prima harmonieren.
Sehr gerne mochte ich auch die Figur des cleveren Alfie. Er schlägt sich durch, hat sich mit seinem harten Leben arrangiert und gibt dabei die Hoffnung nicht auf, eines Tages zur See zu fahren. Alfie ist kein blitzsauberer Held, eher ein sehr dreckiger, aber liebenswerter.
Mit Sir Tristan und seiner Tochter Iris bekommen Charlotte und ihr Mann es mit zwei recht undurchsichtigen Figuren zu tun. Und auch über Julia Danby, der Toten aus der Themse, gilt es noch mehr herauszufinden.

Handelt es sich beim Tod von Julia um einen Unfall, um Selbstmord oder gar um Mord? Als Charlotte und Tom während der Forschung zu Toms Buch auf den Todesfall stoßen, macht das das Ganze gleich noch spannender und erweitert den Plot um Krimielemente. Mitunter wirkt die Atmosphäre des Romans dabei ganz schön mystisch, düster, aufregend, nicht klar zu beschreiben. Dass ägyptische Mythologie bei der Aufklärung aller Geheimnisse eine so große Rolle in London spielen könnte, damit hatte ich nicht gerechnet. Und so manche Person entpuppt sich überraschenderweise als ganz anders als erwartet.
Ich wurde vom „Geheimnis der Themse“ durchgehend gut unterhalten, habe den kurzweiligen Roman mit Vergnügen gelesen. Für mich eine recht gelungene Fortsetzung von „Der verbotene Fluss“. Auch wenn Susanne Gogas neuester Roman durchaus ohne den Vorgänger zu verstehen ist, kann ich allen Lesern dennoch den Vorgänger sehr ans Herz legen. Dieser hat mir nämlich aufgrund seiner speziellen geheimnisvollen Stimmung, die mich an Jane Eyre erinnerte, noch einen winzigen Tick besser gefallen als dieses Buch, das ich aber ebenso lesenswert finde und gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Überdrehte Geschichte, schräge Charaktere und mittelkomische Gags

Wie man seine Eltern erzieht (Eltern 1)
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Luis muss mit seiner Familie umziehen. Seine neue Schule ist leider nicht so der Brüller: viele Streber, wenig Spaß. Dabei will Luis doch eigentlich Komiker werden. Doch plötzlich möchten seine Eltern ...

Luis muss mit seiner Familie umziehen. Seine neue Schule ist leider nicht so der Brüller: viele Streber, wenig Spaß. Dabei will Luis doch eigentlich Komiker werden. Doch plötzlich möchten seine Eltern nur noch gute Schulnoten sehen und verhindern Luis künstlerische Weiterentwicklung. Die Teilnahme am Talentwettbewerb, bei dem sich Luis gute Chancen ausrechnet, verbieten sie ihm sogar. Beim Theaterkurs lernt Luis Maddy kennen, die ihm helfen will, dennoch am Wettbewerb teilnehmen zu können. Außerdem gibt Maddy Luis vielversprechende und konkrete Tipps, wie man seine Eltern richtig erzieht, damit sie einem nicht mehr so auf die Nerven fallen. Luis startet den Versuch. Ob es ihm tatsächlich gelingt, das Verhalten seiner Eltern zu steuern?

Pete Johnson schreibt aus der Sicht des zwölfjährigen Luis. Die Geschichte wird in Form von Tagebucheinträgen in der ersten Person erzählt. Die Sprache, die Formulierungen wirken recht authentisch. Luis schreibt frech, flapsig und mit Humor, gibt immer wieder Kostproben aus seinem imaginären Bühnenprogramm. Wie das so mit Witzen ist, sind manche davon für mich lustig und manche nicht, Humor ist eben Geschmacksache. Das Buch enthält ein paar wenige kleinere Illustrationen zur Auflockerung. Ich halte die Geschichte für Leser ab zehn Jahren geeignet, Jungen und Mädchen werden dabei gleichermaßen angesprochen. Leser der Zielgruppe haben für manche Gags vermutlich mehr Sinn als ihre alten Eltern.

Luis steht kurz vor der Pubertät und verhält sich so, wie sich Jungen seines Alters schon mal verhalten. Er nimmt die Schule, Erwachsene und manche Regeln weniger ernst, hat genaue Vorstellungen, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen und verliert nie den Humor.
Den kompletten Gegensatz zu Luis stellt sein Mitschüler der Streber Theo dar, der dem Druck seiner Eltern ausgesetzt ist und für den gute Noten alles sind.
Luis Eltern sind für Eltern nicht untypisch. Sie legen Wert auf das, was andere von ihnen denken, versuchen sich hin und wieder in Konsequenz, halten das aber auch nur hin und wieder durch. Die Figuren werden recht überspitzt dargestellt. Das ist manchmal recht komisch, manchmal zum Kopfschütteln.

Ob Luis letztendlich seine Eltern erzieht? Und kommt er seinem Traum vom Leben als Komiker näher?
„Wie man seine Eltern erzieht“ basiert auf einer originellen Grundidee, war überwiegend recht kurzweilig zu lesen. Das Buch brachte mich zum Schmunzeln, hatte aber gerade anfangs auch seine Längen, da fehlte mir mitunter der rote Faden. Bei all der schrägen Überdrehtheit schwingen auch ernste Gedanken in der Geschichte mit. Theos Problematik ist sicherlich übertrieben dargestellt, aber alles andere als frei erfunden. Leistungsdruck stellt für einige Kinder durchaus ein großes Problem dar. Und so witzig die Vorstellung, seine Eltern zu erziehen, ist, ist Erziehung doch immer eine Gratwanderung für Kinder und für Eltern genauso.

Vom Hocker hat mich das Buch nicht gerissen, aber für die schnelle Unterhaltung und Ablenkung taugt es durchaus. Kinder haben ohnehin oft einen anderen Humor als Erwachsene und Kinder sind ja die eigentliche Zielgruppe. Ich kann mir vorstellen, sie werden bei Luis Tagebuch auf ihre Kosten kommen.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Spannender Thriller mit vielversprechender Grundidee, aber nicht ganz überzeugender Auflösung

Die App – Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.
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„Ich weiß nicht, ich...ich sitze im Wohnzimmer, schaue mich um und sehe nur Dinge, die ich kenne. Alles hier gehört mir oder Linda, mit den meisten Gegenständen verbinde ich eine Erinnerung oder eine Geschichte, ...

„Ich weiß nicht, ich...ich sitze im Wohnzimmer, schaue mich um und sehe nur Dinge, die ich kenne. Alles hier gehört mir oder Linda, mit den meisten Gegenständen verbinde ich eine Erinnerung oder eine Geschichte, Und doch fühle ich mich, als säße ich in einem fremden Haus. Kannst du das verstehen?“

Hendrik und Linda sind glücklich. Sie wohnen zusammen in einem modernen Haus in Hamburg-Winterhude und wollen bald heiraten. Doch als eines Nachts Chirurg Hendrik zu einem Notfall gerufen wird, verschwindet Linda spurlos. Hendrik verständigt die Polizei, doch die zeigt zunächst wenig Interesse an dem Fall und vermutet, Linda hätte Hendrik verlassen. Daraufhin postet Hendrik auf eigene Faust einen Suchaufruf im Internet, den Alexandra Tries liest und sich mit Hendrik in Verbindung setzt. Die junge Frau hat bei der Kriminalpolizei ein Praktikum absolviert und ist dabei auf ähnliche Vermissten-Fälle gestoßen. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass das Smart-Home-System Adam, das auch in Hendriks Haus installiert ist, mit Lindas Verschwinden zu tun hat. Hat sie recht? Wurde Linda tatsächlich überwacht und entführt?

Arno Strobel schreibt klar, flüssig und in recht einfacher Sprache. Er schildert hauptsächlich Hendriks Situation, seine Suche nach Linda. Immer wieder werden zur Abwechslung und zur Steigerung der Spannung aber auch Abschnitte eingeschoben, in denen erzählt wird, wie der Täter mit seinen Opfern verfährt, die Identität der Personen bleibt dabei aber verborgen.

Strobels Figuren werden nicht sehr ausführlich und vielschichtig dargestellt, aber das ist auch nicht notwendig. Die Personenkonstellation zeichnet sich schon wie in Strobels Thriller „Offline“ dadurch aus, dass die Leser sich immer wieder fragen, wem eigentlich zu trauen ist. Alle Figuren wirken ein wenig zwielichtig und dubios. Macht sich Hendrik vielleicht selbst etwas vor? Woher hat Alexandra ihre vielen Informationen und warum hilft sie Hendrik so uneigennützig? Wieso arbeiten die Kriminalkommissare und Kollegen Sprang und Kantstein nicht zusammen, sondern agieren teilweise hinter dem Rücken des jeweils anderen? Wer gehört hier eigentlich noch zu den Guten? Diese permanenten Zweifel an ihren wahren Absichten machen die Charaktere interessant und reizvoll.

Die Vorstellung, in einem komplett überwachten Haus zu wohnen, in dem Fremde in die Privatsphäre eindringen, ist wirklich mehr als beängstigend. Selbst das bloße darüber Lesen war für mich schon unheimlich, aber auch unheimlich spannend. Die diffuse, unterschwellige Bedrohung, der Hendrik ausgesetzt ist, konnte ich fast selbst spüren. Da war ich doch sehr froh, keine Smart-Home-App installiert zu haben und das Licht eigenhändig mit Hilfe eines klassischen, stinknormalen Schalters an- und ausknipsen zu können.
Wer steckt denn nun hinter den üblen Machenschaften? Und wo ist Linda? Über weite Strecken hat mich der Thriller wirklich gepackt und mitgerissen, die Seiten flogen nur so dahin.
Leider geht Strobel beim Erzählen seiner Geschichte am Ende die Puste aus, für mich kommt es kurz vor Schluss zu einem Bruch. Der rasante Plot verwandelt sich auf den wenigen letzten Seiten in einen lauwarmen Aufguss von bereits bekannten Motiven. Die Auflösung des Falls mit einer durchaus vielversprechenden Grundidee hat mich nicht überzeugt, vielmehr sogar etwas enttäuscht. Ich kann die Gedankengänge des Autors, seine Absichten durchaus nachvollziehen, hätte mir aber eine raffiniertere, durchdachtere Entwirrung der Handlungsstränge gewünscht. Leise Töne und Feinfühligkeit wären bei diesem eher krawalligen Roman, der bewusst auf Effekt setzt, sicher fehl am Platz, aber am Ende vermisste ich doch ein klein wenig Fingerspitzengefühl.
Insgesamt trotzdem ein kurzweiliger, unterhaltsamer Thriller zum schnellen Weglesen, der auf der Zielgeraden schwächelt.

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Veröffentlicht am 26.02.2021

Aufregendes Fantasy-Märchenabenteuer mit vielfältigen Figuren und einer ganz besonderen Freundschaft

Risa aus dem Schattenwald
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Risa, ein Waldglimpfmädchen, lebt gern im Schattenwald, den sie täglich mit ihrem besten Freund, dem Wolf Halgrimm, erkundet. Das Mädchen verfügt über eine ganz besondere Gabe, sie versteht die Sprache ...

Risa, ein Waldglimpfmädchen, lebt gern im Schattenwald, den sie täglich mit ihrem besten Freund, dem Wolf Halgrimm, erkundet. Das Mädchen verfügt über eine ganz besondere Gabe, sie versteht die Sprache der Bäume und die haben gerade Beunruhigendes zu erzählen. Es verschwinden nicht nur auf mysteriöse Weise Tiere aus dem Wald, die Grumpfknolle, die Nachbarn der Waldglimpfe, möchten angeblich auch noch Bäume im Schattenwald fällen, um das Land als Ackerland zu nutzen. Und das, obwohl ein Vertrag das friedliche Nebeneinander der beiden Völker schriftlich garantiert. Waldelfe Frigge macht sich ebenfalls Sorgen. Was ist da nur im Gange? Risa berichtet ihrem Vater Rune von den Neuigkeiten. Der ruft daraufhin den Rat der Weisen ein, doch die Weisen glauben nicht an eine Bedrohung. Als sich die Situation zuspitzt, beschließt Risa auf eigene Faust zu handeln und den Frieden zu sichern. Sie macht sich mit Frigge auf zum Vergessenen Moor. Ihr Weg führt sie durch unwegsame Gebiete voller Gefahren.

Die Autorinnen Rose und Szillat schreiben, wie sich das für einen Fantasy-Roman gehört, sehr bildhaft, fast wie aus einer anderen Welt. An den märchenhaften, aber durchaus verständlichen, klaren Erzählstil, mussten meine Mitleser und ich uns erst einmal gewöhnen, aber ungefähr nach den ersten zwanzig Seiten waren wir dann „drin in der Geschichte“ und empfanden die zeitlosen Formulierungen als stimmig.
Am Anfang bestimmter Kapitel sind wichtige Informationen zum Verständnis vom Leben im Schattenwald und dem aktuellen Geschehen abgedruckt. Da finden sich Landkarten, Verträge und nähere Informationen zu den verschiedenen Völkern. Auf diese Weise können sich die Leser den Schauplatz und die Kreaturen, mit denen es Risa zu tun bekommt, besser vorstellen, alles wird dadurch irgendwie „realer“. Jedem Kapitel ist außerdem eine kleine, detaillierte, geheimnisvolle Illustration vorangestellt, die einen Aspekt aus dem Kapitel zeigt. Mehrere Kapitel bilden jeweils einen größeren Leseabschnitt, einen „Pfad Risas“, der mit einem großen, sich über eine ganze Seite erstreckenden Bild beginnt. Diese Bilder sind wirklich besonders, einerseits zum Träumen schön, aber auch gleichzeitig ziemlich schattenhaft und dunkel.
Kinder, die die Geschichte eigenständig lesen möchten, sollten mindestens neun Jahre alt sein. Ansonsten könnte die Textmenge und der spezielle Schreibstil etwas überfordern, zum Vorlesen eignet sich die Geschichte allerdings auch schon für jüngere Zuhörer mit Ausdauer ab sechs, sieben Jahren.

Eine bunte Figurenmischung bewohnt den Schattenwald und das angrenzende Gebiet. Risa selbst ist ein mutiges Waldglimpfmädchen, das sich stets dafür einsetzt, dass es allen Lebewesen gut geht und dabei auch keine Gefahr scheut. Dass sie die Sprache der Pflanzen beherrscht, bringt Risa viele grüne Freunde ein. Ungerechtigkeit ist dem Mädchen ein Dorn im Auge. Begleitet wird Risa von der Waldelfe Frigge. Frigge redet viel und hat nicht die besten Umgangsformen. Sie wirkt oft grummelig, spart nicht mit Schimpfwörtern und nennt Risa schon mal gerne „kleiner, nichtsnutziger Waldglimpf“ oder „ungehobelte Walnuss“. Auch ihre empörten Ausrufe wie »Stinkender Schlammschnapper“ sind weniger bösartig gemeint als einfach amüsant und unterhaltsam zu lesen. Hinter der fluchenden, rauen Fassade von Frigge steckt ein herzensgutes Wesen. Zu Risas Freunden gehören neben dem treuen Wolf Halgrimm, der für Risa alles tun würde, auch noch der Mäusebussard Baltur. Die Gefährten finden auf ihrer langen Reise weitere überraschende Verbündete. Letztendlich sind Freundschaft und Zusammenhalt für sie überlebenswichtig, denn das Gespann trifft auch auf Feinde, die ihnen Böses wollen. Die können sie nur gemeinsam besiegen.

Was für eine besondere Welt haben sich die Autorinnen da ausgedacht! Der Schattenwald, der Auenwald, das Land der Steinriesen werden so plastisch beschrieben, meine Mitleser und ich entwickelten sofort eine klare Vorstellung davon, fühlten uns fast mittendrin. Risas Reise durch die Länder verläuft so spannend und aufregend, dass wir zwischendurch kaum zu atmen wagten. „Endlich mal eine richtige Abenteuergeschichte“ meinte meine neunjährige Tochter. Und das stimmt, „Risa aus dem Schattenwald“ ist ein echt tolles Fantasyabenteuer mit einzigartigem, märchenhaften Schauplatz, vielfältigen Figuren, großen Gefahren und einer mächtig starken Freundschaft.

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Wenn irgendwann jetzt wird: Von Lebenssekunden, die alles verändern

Lebenssekunden
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„Obwohl ich das seit Jahrzehnten mache, hat dieser Moment für mich nichts von seiner Spannung eingebüßt.“ Angelika nickte, ohne den Blick von dem Negativ abzuwenden.
„Wenn sich die Mitteltöne aus dem braunen ...

„Obwohl ich das seit Jahrzehnten mache, hat dieser Moment für mich nichts von seiner Spannung eingebüßt.“ Angelika nickte, ohne den Blick von dem Negativ abzuwenden.
„Wenn sich die Mitteltöne aus dem braunen Film schälen, man eine Ahnung bekommt, ob es gelungen ist, ob es was Besonderes ist oder Durchschnitt, ob man eine Lebenssekunde festgehalten hat oder man nur Material verschwendet hat...“

Die fünfzehnjährige Angelika Stein wird 1956 ohne Abschluss von einem Kasseler Gymnasium verwiesen. Sie träumt nun davon, Fotografin zu werden. Für sie ist klar: „Fotografieren ist mehr als nur auf den Auslöser drücken.“ Doch es ist für Mädchen nicht so einfach, einen Ausbildungsplatz in der Branche zu finden. Dann passiert ein schreckliches Unglück, das Angelika an ihrem Berufswunsch zweifeln lässt.
Währenddessen hat die junge Kunstturnerin Christine Magold in Ostberlin ganz andere Vorstellungen von ihrer Zukunft. Ihr Trainer und ihre Mutter drängen sie dazu, extrem hart zu trainieren und alles zu geben, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Christines Leben besteht nur noch aus Sport.
Über Bekannte sind Angelika und Christine indirekt miteinander verbunden. 1961 werden sie sich dann in einem unvergesslichen Moment auch persönlich kennenlernen.

Katharina Fuchs schreibt sehr klar, prägnant und angenehm, aber eher sachlich als emotional. Trotz des eher neutralen, beobachtenden Erzählstils gelingt es der Autorin auf beeindruckende Weise, ihre Leser zu erreichen, ja einzufangen. Ich fühlte mit den beiden Protagonistinnen, wurde von ihren Geschichten regelrecht mitgerissen.

Angelika geht eigentlich nur ihrer besten Freundin Irmgard zuliebe in die Schule, innerlich hat sie sich von der Schule längst verabschiedet. Als sie dann vom Direktor von der Schule „geworfen“ wird, ist sie fast erleichtert. Angelika ist eine Träumerin. Sie möchte wichtige Momente des Lebens festhalten, konservieren. Im Kopf kann sie das bereits. Denn alles, was sie einmal gesehen oder gelesen hat, vergisst sie nicht mehr. Angelika hat ein fotografisches Gedächtnis. Sie wird von anderen unterschätzt, so wie es Frauen generell damals häufig erging.
Christine in der DDR leidet. Sie wird nur auf ihre sportlichen Leistung reduziert, erträgt körperliche Schmerzen, Qualen, ja fast Folter, muss hungern, um als Aushängeschild für ihr Land in Wettkämpfen Erfolge zu erzielen. Was Christine selbst möchte, ist nicht wichtig. Ihre Träume für die Zukunft sehen ganz anders aus. Sie möchte raus aus dem Hamsterrad des ständigen Trainings, sehnt sich nach einer Liebe, die nicht sein darf: „Wann wird aus „Irgendwann“ ein „Jetzt“?, dachte sie. Eine feine Traurigkeit lag in dem Gedanken. „Irgendwann“ war ein seltsames Wort. Wenn man nicht aufpasste, konnte es leicht zu „Niemals“ werden.“

In Katharina Fuchs Roman wird Zeitgeschichte einmal aus westdeutscher, aus Angelikas Perspektive, einmal aus ostdeutscher, aus Christines Sicht dargestellt und das so anschaulich, als wäre man als Leser selbst dabei. Was im Geschichtsunterricht bloße Zahlen und ferne Ereignisse waren, wird hier lebendig, fast hautnah spürbar. „Lebenssekunden“ erzählt klar und mitreißend von zwei besonderen Frauenschicksalen und von beispielloser Solidarität in einer Zeit, die niemals vergessen werden sollte. „Jeder Moment ist Ewigkeit.“ Ein beindruckender Roman, der aufwühlt und dem ich mich nicht entziehen konnte. Sehr lesenswert!

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