Lebensmitte!
Morgen kann kommen15 Jahre haben Ruth und Gloria sich nicht mehr gesprochen. Die Schwestern sind an Ruths Hochzeit mit Karl im Streit auseinander gegangen und haben sich seither gemieden. Nun liegt die Ehe von Ruth und ...
15 Jahre haben Ruth und Gloria sich nicht mehr gesprochen. Die Schwestern sind an Ruths Hochzeit mit Karl im Streit auseinander gegangen und haben sich seither gemieden. Nun liegt die Ehe von Ruth und Karl in Trümmern und Ruth trifft Gloria im Haus der Grosseltern. Dort trudelt auch noch Erdal ein, der mitten in einer Midlife-Crisis steckt und Rudi, der in der Nähe wohnt und auf seinen Tod wartet. Die beiden Schwestern sprechen zum ersten Mal seit dem Zerwürfnis über das Vorgefallene und erkennen beide, dass alles ganz anders war als gedacht.
Die Autorin versteht es, in kurzen und prägnanten Sätzen den Figuren sehr viel Leben einzuhauchen. Immer wieder liest man fantasievolle Sätze mit Worten wie «… mit seinem Sosein» oder «Er leidet unter Realitätsüberhöhung».
Die Geschichte artet nie in eine grosse Gefühlsduselei aus. Im Vordergrund stehen Träume, Wünsche, Hoffnungen und Kummer der Schwestern. Beide stecken in der Lebensmitte und so beschäftigt sie unweigerlich die Frage, was sie mit der zweiten Hälfte anstellen wollen.
Da ist Ruth, als Anhängsel von ihrem Mann Karl, der als Schauspieler gewohnt ist, dass alle nach seiner Pfeife tanzen. Ruth holt sich gegen den Willen von Karl einen Hund aus dem Tierheim und muckt zum ersten Mal in der 15-jährigen Ehe auf. Fassungslos habe ich auf diese Ehe geblickt und hätte Ruth oft am liebsten geschüttelt, damit sie aufwacht und endlich ihr Leben lebt, statt Karl darüber bestimmen zu lassen, wie sie zu leben hat. Karl ist auch die Figur, die mir am meisten Emotionen entlockt hat. Denn Karl ist nicht nur unsympathisch, sondern ein Schönling, der von Frauen keine hohe Meinung hat. Damit hat er bei mir für ordentlich Empörung gesorgt.
Ruths Schwester Gloria, die ihren Namen nach dem Zerwürfnis geändert hat, ist ein Freigeist. Sie gestaltet ihr Leben, im Gegensatz zu ihrer Schwester, so wie es ihr passt. Ungebunden, Sohn August ist längst erwachsen, macht sie was sie will.
Bezeichnend für die unterschiedlichen Lebensmodelle der Schwestern ist die jeweilige Körperfigur. Ruth, die sich seit 30 Jahren durch die Tage hungert, um Mann Karl zu gefallen. Gloria, die zu ihrer Fülle steht, will und muss niemandem gefallen und isst was und wann sie möchte.
Die ganze Story ist durchzogen mit dem Thema Feminismus und enthält interessante Dialoge zum Thema Gleichberechtigung.
Leider stockt die Handlung über weite Passagen und seitenweise werden oben genannte Gefühle der Schwestern erörtert. Die Nebenfiguren Rudi, Erdal und seine Cousine Fatma lockern die Familiengeschichte zwischen den beiden Schwestern auf. Allerdings wurde Fatmas Verbindung mit den Schwestern sehr weit hergeholt. Hier spielt ein Foto, das Ruth zufällig in einem Münchner Drogeriemarkt findet, eine tragende Rolle, was mir zu konstruiert war.
Dieses Buch wurde als «zum Lachen» angepriesen. Mein Humor ist bedauerlicherweise nicht geweckt worden. Lachen musste ich kein einziges Mal. Hingegen haben mir die Überlegungen zu Beziehungen, Freundschaft und seinen Weg finden, gefallen.