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Veröffentlicht am 17.06.2024

Richtig gut!

Cosy Secrets – Der kupferne Schlüssel
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Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton ...

Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton gibt es ein malerisches wunderschönes Sehnsuchts-Setting. Da sind Charaktere mit Persönlichkeit die ich alle schnell ins Herz geschlossen habe. Mit Rae schenkt uns Franzi Kopka eine sympathische Hauptperson die ich bereits nach wenigen Kapiteln, fast schon unheimlich, relatable fand. Das "Gegenstück" Archer ist zum dahinschmelzen mit absolut integerem Charakter.
Sprachlich ließt sich "Cosy secrets" leicht und flockig, keine unnötigen Verkünstelungen an denen eins sich stoßen könnte. Es ist ein unverstelltes, natürliches Erzählen, fastals würde ich einer Freundin zuhören. "Cosy", also gemütlich, trifft es wirklich gut. Trotzdem gibt es immer wieder Sätze, für die ich mir Stift und Papier genommen habe um sie als Zitate rauszuschreiben, weil sie einfach so treffend, so gut waren.

Besonders gefallen hat mir die Art wie Menschlichkeit in die Schreibweise und Geschichte einfließt, immer wieder justiert Rae ihre Interpretationen, Bewertungen und Überzeugungen ohne dabei ihre (alten) Gefühle und Erinnerungen abzuwerten. Fast beiläufig wird die Komplexität menschlichen Miteinanders anerkannt und Hoffnung darauf geweckt, dass es trotz bzw weil wir alle nicht perfekt sind funktionieren kann.

Wer, wie ich, in seinen Büchern kein großes Interesse an sexueller Körperlichkeit hat, sollte dieses Buch in der Hinsicht ausgewogen finden. Es ist definitiv nicht übermäßig viel "spice", wohl aber eine Menge (an)schmachten. Was ich wiederum ziemlich süß fand. Der Fokus liegt deutlich auf den Gefühlen.

Nach "honesty" ist dies mein zweiter Roman von Franzi Kopka und auch ein sehr anderes Genre. Und, was soll ich sagen, mit diesen beiden Büchern hat sie sich in meine Liste der Lieblingsautor*innen befördert. Insbesondere "Cosy secrets" hat mir sehr gut gefallen und war genau die Mischung aus Spannung, Liebe und leichter Unterhaltung, die ich gerade gebraucht habe.

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Veröffentlicht am 28.04.2024

mit Emmy trauern

Wohin das Licht entflieht
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Schon das Cover mit der Metallic-Folie ist so wunderschön und fein gestaltet, es sollte nicht überraschen, dass dieses Buch mehr ein kleines Kunstwerk als irgendeine Story ist. Sara Barnard beschenkt uns ...

Schon das Cover mit der Metallic-Folie ist so wunderschön und fein gestaltet, es sollte nicht überraschen, dass dieses Buch mehr ein kleines Kunstwerk als irgendeine Story ist. Sara Barnard beschenkt uns Lesende mit einer authentischen Erzählung voller emotionaler Wucht zu einem Thema, bei dem sonst eher Distanz und erhobene Zeigefinger dominieren. Emmy, die Protagonistin, hat ihre Schwester durch Suizid verloren. „Wohin das Licht entflieht“ nimmt uns mit durch die Trauer und das Leben danach. Barnard spielt mit der Typographie, der Textart, dem Schreibstil um die Nuancen dessen, was hier passiert greifbar zu machen. Emmys Geschichte berührt unmittelbar und das liegt zum großen Teil an dieser Gestaltung. Das ganze Buch transportiert eine warme, ruhige Gelassenheit in der Begleitung von Emmys Weg, auf dieser Grundlage fällt es leicht sich auf die Gefühle und das Geschehen einzulassen. Alles darf sein, auch wenn nicht alles gut oder richtig ist. Die Liebe der Autorin zu ihrer Protagonistin ist tröstlich auch für mich als Leser.

Durch Emmys Perspektive lernen wir die anderen Protagonisten kennen, allen voran natürlich ihre verstorbene Schwester. Diese deutliche perspektivische Zentrierung fand ich im Endeffekt sehr hilfreich, auch wenn ich zwischendrin nur zu gerne die Gedanken und Gefühle anderer Charaktere unmittelbar wissen wollte. Wenn Zeitungsartikel oä gezeigt werden, waren sie immer so eingebunden, wie Emmy sie gesehen hat. Mit der Zeit verändert sich Emmys Blick und wir Lesende dürfen und müssen zusammen mit ihr langsam die Komplexität begreifen. Denn das sind Themen rund um Prominenz, Showbusiness, Suizid und Trauer und ich rechne es der Autorin hoch an, wie sie damit umgegangen ist. Am Ende ist es rund. Am Ende ist Emmys Schwester (natürlich) immer noch tot und da ist immer noch Trauer aber da ist auch Leben. Dieses Buch macht Mut, gerade indem es das nicht plakativ vor sich her trägt, nicht dem Anfang das Ende vornwegnimmt, sondern indem es aushält. Das sprachlich so ansprechend rüber zu bringen ist eine große Leistung.

Dieses Jugendbuch lohnt sich nicht für Jugendliche.

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Veröffentlicht am 05.04.2024

überraschend wie überzeugend viel Romantik in einer (noch) nicht ganz so düsteren Dystopie

Honesty. Was die Wahrheit verbirgt
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Mit "Honesty" hatte ich viel Lesefreude! Mit Meander (kurz Mae) und aus ihrer Sicht erleben wir den dystopischen Staat Sestiby, der gob das ehemalige Deutschland umfasst. In Sestiby sagt jede*r die Wahrheit, ...

Mit "Honesty" hatte ich viel Lesefreude! Mit Meander (kurz Mae) und aus ihrer Sicht erleben wir den dystopischen Staat Sestiby, der gob das ehemalige Deutschland umfasst. In Sestiby sagt jede*r die Wahrheit, dank der verpflichtenden Einnahme eines Medikamentes. "Schlechte" Gefühle wie Neid, Wut, Eifersucht und Hass, aber auch Trauer unterbrindet dieses Medikament ebenfalls. Nur bei Mae nicht, seit sie denken kann fühlt sie und muss aufpassen dafür nicht angeklagt zu werden, denn nur, wenn alle unter der Wirkung des Medikaments stehen, kann es Zusammenleben und Frieden geben, oder?

Gleich zu Beginn wird eine der Stärken des Buches deutlich: die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander. Mae und ihre Familie sind schnell ins Herz geschlossen, auch die weiteren, im Verlauf des Buches eingeführten wichtigen Charaktere machen Spaß und haben Persönlichkeit und treten als glaubhafte Akteure ihrer selbst auf, auch wenn wir mit Mae bangen und zweifeln und Vertrauen gewinnen und verlieren. Dass einige Charaktere nicht-binär oder schwul/Lesbisch oder aromantisch sind passiert ganz nebenbei, Franzi Kopka ist hier eine coole casual queer representation gelungen die über Nebencharaktere hinausgeht, auch Maes Väter sind ein Schwules Ehepaar. Mir gefällt besonders, dass Sestiby deswegen nicht ein Deut weniger dystopisch ist, im Gegenteil, queere Identitäten werden genauso knallhart nach Logik des Systems in Gesetze eingebunden.

"Honesty" kommt mit einer interessanten Mischung aus Bedienen von tropes und klassischen Elementen sowie den Brüchen damit. Eine KI, ein überwachender Staat, eine Pandemie als Hintergrund, Denglische Begriffe wie "HealFix" und Elemente die deutlich an einzelne relevante Werke erinnern, wie zb. die Aufteilung von Sestiby in Ringe die den sozialen Status festlegen. Gleichzeitig steht Mae mit ihrem Problem von Anfang an nicht alleine da, sondern hat den Rückhalt ihrer Famile. Außerdem achtet Franzi Kopka auf eine weitestgehend ent-genderte Sprache indem sie, nicht das weiter verbreitete gender-Sternchen, sondern, das Partizip ("Aufsehende"/"Behandelnde") nutzt. Ich habe allerdings nicht lange gebraucht um mich in diesen sprachlichen Stil einzufinden.
Im Klappentext angeteasert, liefert sie eine enemies-to-lovers Geschichte, die mich überzeugt hat. Wer diese trope nicht mag sollte das Buch lieber sein lassen, denn neben der Dystopie findet erstaunlich viel Romantik Platz auf den Seiten. In der ersten Hälfte stehen diese ganzen Aspekte auch noch etwas unverbunden nebeneinander, aber mit der Zeit ergibt sich immer mehr ein Gesammtbild, was ich insbesondere vor dem Hintergrund der Trilogie und noch kommenden Bände auch ok finde. Es dauerte eben etwas, so war mehr Zeit zu flirten. Die angelegten politischen Themen werden sicherlich noch tiefer Thema werden, wenn es weitergeht.

"Honesty" war durchaus anders als erwartet, aber enttäuscht bin ich nicht. Immer wieder landeten Sätze treffsicher und brachten mich zum lachen, zum frösteln oder vor Spannung schnell weiter lesen. Ich hatte meinen Spaß und hoffe sehr ihn in der restlichen Trilogie fortsetzen zu können.

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Veröffentlicht am 10.07.2024

Vom Person sein unter brutalen Umständen

Nach uns der Sturm
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Vanessa Chan legt hier ein starkes Debüt vor. Nichts an den Themen dieses Buches ist leicht, alles erfordert große Konzentration und emotionale Kapazität, sofern die Themen nicht abgetan werden sollen. ...

Vanessa Chan legt hier ein starkes Debüt vor. Nichts an den Themen dieses Buches ist leicht, alles erfordert große Konzentration und emotionale Kapazität, sofern die Themen nicht abgetan werden sollen. Die Erzählung ist offen und beschönigt nicht, ist aber gleichzeitig auch nicht darauf aus zu schocken nur um eines Schocks willen. Die Menschlichkeit unserer Hauptcharaktere trägt die Erzählung.

Die Erzählperspektive wechselt nach jedem Kapitel, so lesen wir aus der Perspektive von Cecily während der britischen und japanischen Besetzung und aus den Perspektiven ihrer Kinder. Dieses Zusammenspiel der Perspektiven ist meiner Meinung nach einer der besten Aspekte des Buches, aber er war für mich auch der anstrengendste. Einige Kapitel fühlen sich in sich rund an, als könnten sie auch alleine stehen und sind nur aufgrund der menschlichen Verwobenheit in Familie und Geschichte Teil eines größeren Ganzen. Das hat mich beeindruckt, denn die jeweiligen Persönlichkeiten, Ausgangslagen und Herangehensweisen der einzelnen Familienmitglieder werden so sowohl in ihrer Selbstständigkeit als eben auch ihrem Zusammenhang deutlich. Insbesondere in der Darstellung von Cecily, als der Grundsteinlegerin ihrer Familiengeschichte, berührt die Entscheidung nicht chronologisch zu erzählen. Manchmal bekommt eine nicht-chronologische Erzählwiese so etwas von „Vorherbestimmung“ oder Unfreiheit der Charaktere, Vanessa Chan schafft es, diesen Fallstrick komplett zu umgehen und Cecily’s Handeln als ihr Handeln wertzuschätzen ohne den Kontext und das nicht-wissen-können um die Zukunft auszublenden. Die Schuldfrage bleibt eine Gewissensfrage für Cecily selber, als Leser kommt bei mir nicht das Bedürfnis auf zu urteilen. Die Autorin hält hier eine Balance die mich beeindruckt hat.

Sprachlich liest sich das Buch in der Übersetzung gut und flüssig. Ich mag, dass die sprachliche Gestaltung unverschnörkelt ist. Sie fühlt sich an, wie an der Hand gehalten werden, sie lenkt deutlich, aber ohne Aufhebens meine Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Alles in allem ein Buch für das ich mir Zeit nehmen musste aber eben auch gern genommen habe.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

differenziert ohne dabei unkritisch zu werden

Unter Verrückten sagt man du
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Lea de Gregorio legt mit „Unter verrückten sagt man du“ ein sehr tief recherchiertes, dichtes und trotzdem von persönlicher Erfahrung und Überzeugung getragenes Buch vor. Dir Fülle an Zitaten und Referenzen ...

Lea de Gregorio legt mit „Unter verrückten sagt man du“ ein sehr tief recherchiertes, dichtes und trotzdem von persönlicher Erfahrung und Überzeugung getragenes Buch vor. Dir Fülle an Zitaten und Referenzen von medizinischen, soziologischen, philosophischen Konzepten erfordert viel Mitdenken und Vorwissen und wird zum Teil ermüdend. Angesichts des Gegenwindes von Gegnern des Buches sind sie aber auch ein solides Fundament und Mauer gegen „die hat ja keine Ahnung“ Aussagen. Es ist traurig, dass es das braucht und De Gregorio geht auf genau diese epistemischen Angriffe und saneistischen Gesellschaftsmuster ein. Ihre eigenen Erfahrungen werden immer wieder reflektiert und rückgebunden, sie ist sehr sorgsam darin graphische Beschreibungen oder „Schockmomente“ und Zuspitzungen zu vermeiden ohne die Realität der eben auch gewaltsamen Geschichte und Gegenwart des Psy-systems und die Folgen dessen zu leugnen. Das Bemühen um Ausgewogenheit und Fairness, darum deutlich zu sein ohne vor den Kopf zu stoßen, wird an vielen Stellen deutlich. Mich haben die späteren Kapitel mehr angesprochen als die ersten, was sicherlich auch an meinen eigenen Interessensgebieten im Thema liegt. Ich habe unterstrichen, an mehreren Stellen „Wiederfindezettel“ verteilt und ein paar Sätze bzw Abschnitte so gut und mutig und treffend gefunden, dass ich sie abgeschrieben habe. „Unter verrückten sagt man du“ ist in vielerlei Hinsicht keine leichte Lektüre, dieses Buch fordert seine Leser*innen heraus, bietet ihnen aber auch viel. Ich möchte es gerne empfehlen!

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