Der Neue auf dem Schulhof
Der NeueDas tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, ...
Das tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, verguckt er sich in die allseits beliebte Desdemona, die bei Tracy Chevalier Dee heißt, und gerät dadurch in ein gefährliches Intrigenspiel, das schlussendlich nur Opfer kennt. „Der Neue“ ist als Teil des Hogarth Shakespeare Projekt die Neuinterpretation des Othello und wird von Tracy Chevalier, die einfach einen tollen Schreibstil hat, wunderbar in die Moderne übertragen. Chevaliers Othello heißt Osei, kurz O, und kommt als Neuer an die Schule. Dieser Schauplatz für die Othello-Geschichte ist meiner Meinung nach ideal gewählt, denn durch das Setting unter Halbwüchsigen werden die Urinstinkte des Menschen, die in der Pubertät den zwischenmenschlichen Umgang regieren können, wunderbar deutlich und die Konflikte der Figuren entstehen nicht nur vor einem rassistischen Hintergrund. Ausgrenzung, Cliquenbildung und Mobbing greifen in unserer Gesellschaft nicht nur in der Schule um sich, finden dort aufgrund der verschiedenen Charaktere und Unsicherheiten jedoch besonders guten Nährboden.
Mir gefällt an Tracy Chevaliers Plot nicht nur die Aktualität, sondern auch die Tiefe der Figuren. Obwohl die gesamte Handlung an einem Tag spielt und das Buch eher dünn daherkommt, gewinnt die Figur des Ian (Jago im Original) hier beispielsweise an Tiefe, da auch seine Perspektive menschlicher beleuchtet wird. Bei einem Kind oder Jugendlichen ist man als Leser einfach mehr geneigt, schlechtes Handeln zu verzeihen und trennt Verhalten und Charakter möglicherweise noch besser. Wie die Protagonisten im Buch hätte auch ich die Geschichte in einem Tag durchleben können, habe mich jedoch zwischendurch gezwungen, das Buch nochmal wegzulegen. Das Ende ist mir eine Spur zu offen, vielleicht auch ein wenig zu frei, daher gibt es einen kleinen Abzug. Für Fans von Chevaliers gutem Schreibstil und modernen Klassikern kann ich das Buch in jedem Fall weiterempfehlen.