Mehr Psychologie als Spannung
Dark Memories - Nichts ist je vergessenZu Beginn möchte ich sagen, dass der Klappentext meiner Meinung nach ein falsches Gefühl über die Geschichte vermittelt. Die Geschichte behandelt zwar Jennys Vergewaltigung, aber Jenny selbst ist nicht ...
Zu Beginn möchte ich sagen, dass der Klappentext meiner Meinung nach ein falsches Gefühl über die Geschichte vermittelt. Die Geschichte behandelt zwar Jennys Vergewaltigung, aber Jenny selbst ist nicht die Hauptperson. Das ist Alan Forrester, der Psychiater von Jenny, der auch als Erzähler fungiert.
Der Erzählstil ist sehr analytisch und distanziert. Es ist flüssig zu lesen und die psychologischen Dinge sind für mich als Laie gut erklärt, ohne das es sich anfühlt als würde ich ein Fachbuch lesen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Alan auf einer Fachtagung sitzt und seinen Kollegen einen faszinierenden Fall vorträgt. Dabei analysiert er nicht nur seine Patienten, sondern auch sein eigenes Verhalten und seine Familie. Wobei er sich selbst ständig lobt und mir das Gefühl vermittelt, dass er sich selbst als Genie fühlt. In einem der späteren Kapitel fiel das Wort "Selbstbeweihräucherung", was ich sehr gerne für Alan übernehme, da es seinen Eindruck auf mich gut zusammenfasst. Er ist ein interessanter, aber unsympathischer Charakter.
Alan lernt Jenny ein Jahr nach der Vergewaltigung kennen als sie seine Patientin wird. Die Geschichte dreht sich die ersten 160 Seiten aber erstmal um die Eltern Charlotte und Tom und wie diese mit der Situation umgehen. Dabei werden dann die wichtigsten Kindheitserfahrungen der beiden offengelegt und erklärt, welchen Einfluss diese auf das Verhalten der beiden haben. Nebenbei erfährt Alan über den leitenden Detective Parsons wie die Ermittlungen verlaufen. Neben der Familie taucht auch noch Sean auf, ein Ex-Soldat, der genau wie Jenny seine Erinnerungen aufgrund der medikamentösen Behandlung verloren hat und damit nicht klar kommt. Nach circa 40% des Buches ist Jenny selbst noch kein einziges Mal zu Wort gekommen und mir war unklar, wie die ganzen Informationen über Charlotte, Tom, Parsons, Sean und Alan selbst zusammenhängen und warum ich die Vergangenheiten als Leser so genau wissen muss. Dazu kam, dass Alan die Geschichte nicht chronologisch erzählt, sondern hin und her springt. Das war verwirrend. Teilweise wurden Sachen erzählt und es endete damit, dass Alan meint, dass er erst noch dies und jenes erzählen müsste, damit das grade erzählte verständlich wird. Die Spannung war an dem Punkt fast am Nullpunkt angekommen und ich habe über einen Abbruch nachgedacht. Letztendlich aber dem Buch doch noch ein Chance gegeben und weitergelesen. Eine Wendung nahm die Geschichte dann nach 52% der Geschichte (ja, ich habe es ausgerechnet) und die Spannung kam zurück. Ich war neugierig wie Alan auf die Enthüllung reagiert, was seine Pläne sind und ob und wie er seine Macht als Psychiater nutzt. Jetzt wurde mir auch klar, warum fast die Hälfe des Buches nicht Jenny gewidmet ist, sondern den Charakterdarstellungen der anderen Personen.
Alan war mir sehr schnell sehr unsympathisch und dies steigerte sich durch seine Handlungen und seinen ständigen Eigenlob. Ich würde ihn selbst als Psychopathen einschätzen und die Macht, die er als Psychiater hat, tut ihm definitiv nicht gut. Ehrlich gesagt habe ich irgendwann begonnen zu hoffen, dass seine Pläne schief gehen. Die anderen Charaktere konnten mich auch nicht berühren. Selbst Jenny ist soweit in den Hintergrund gerückt, dass ich nicht mit ihr mitfühlen konnten. Durch den Erzählstil konnte man zwar super die Handlungen verstehen, weil man alles psychologisch analysiert bekam, aber dadurch konnte ich auch keine Beziehung zu den Personen aufbauen.
Kurz gesagt, der Klappentext und auch die Aussage "Der Thriller des Jahres. Alles andere können sie vergessen." haben Erwartungen erweckt, die das Buch nicht erfüllen konnte. Es war langatmig geschrieben und die Charaktere nervten. Das Ende konnte mich allerdings noch überraschen.