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Veröffentlicht am 18.10.2020

Den Kopf frei kriegen auf Island

Das Wörterbuch des Windes
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Ich muss zugeben, das Cover des Buches hätte mich auf den ersten Blick nicht neugierig gemacht. Man muss schon genauer hinsehen, um einen Bezug zum schroffen, rauen Island zu erkennen. Genau der Handlungsort ...

Ich muss zugeben, das Cover des Buches hätte mich auf den ersten Blick nicht neugierig gemacht. Man muss schon genauer hinsehen, um einen Bezug zum schroffen, rauen Island zu erkennen. Genau der Handlungsort war es aber, der dann den Ausschlag für mich gab, den Roman lesen zu wollen, da ich selbst den Norden sehr liebe und vor einige Jahren einmal rund um Island gereist bin.

Und auch die Rahmenhandlung hat mein Interesse geweckt. Swea hat in ihrem Leben viele Träume aufgegeben, eigentlich liebt sie die Kunst und wollte Malerin werden, aber dann suchte sie sich einen sicheren Beruf, um ihrem Mann Henrik sein Künstlerdasein zu ermöglichen. Aber ihre Ehe bröckelt, Henrik betrügt sie immer wieder und auf der gemeinsamen Reise nach Island, die eigentlich die Beziehung noch einmal kitten sollte, eskaliert alles und sie lässt ihn einfach am Straßenrand zurück und landet beim abgelegenen Haus des ehemaligen Lehrers Einar, der die letzten Jahrzehnte in Deutschland verbracht hat und dessen Untermieter Jón, der nicht gut durch die isländische Wirtschaftskrise gekommen ist. Einar bietet ihr an, erst einmal zu bleiben und so nutzt sie diese Chance, sich auf der wilden Insel den Kopf freipusten zu lassen und sich klar zu werden, wie ihr Leben wirklich aussehen soll, auch wenn dies bedeutet, die aus Deutschland gewohnte Sicherheit erst einmal aufzugeben.

Mir hat die Geschichte gut gefallen, Nina Blazon erzählt abwechselnd aus den Perspektiven von Swea und Einar, die beide etwas zu bewältigen haben. So kann man sich gut in sie hineinversetzen. Ihr Schreibstil ist angenehm lesbar und anschaulich. Man kann sich beim Lesen gut die wilde, wenig dicht besiedelte Landschaft und die unberührte Natur Islands, aber auch das kulturelle Leben in der Hauptstadt Reykjavik gut vorstellen und möchte am liebsten bald wieder dorthin reisen. Auch der Wandel, den die Insel in den letzten Jahren durch die stark angestiegenen Touristenzahlen durchmachte, und mit dem sich Einar erst noch anfreunden muss, wird immer wieder am Rande thematisiert. So ist es insgesamt ein sehr runder, nicht besonders kitschiger Roman, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Ein Kochbuch mit tollen Fotos, das Fernweh weckt

Uri Buri - meine Küche
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Uri Buri war mir bisher kein Begriff, auch wenn ich schon einmal in Israel war, aber nur in Tel Aviv und Jerusalem und nicht in Akko, wo sich Uris Restaurant Uri Buri befindet. Das Buch ist mir aber sofort ...


Uri Buri war mir bisher kein Begriff, auch wenn ich schon einmal in Israel war, aber nur in Tel Aviv und Jerusalem und nicht in Akko, wo sich Uris Restaurant Uri Buri befindet. Das Buch ist mir aber sofort aufgefallen, da ich die Farbgestaltung so ansprechend finde. Uri selbst ist natürlich auch eine eindrucksvolle Persönlichkeit, die die Aufmerksamkeit weckt. Dass sein Fachgebiet Fisch ist, wird auch gleich auf dem Cover deutlich. Da ich selbst Pescetarier bin und die mediterrane und orientalische Küche sehr mag, war mein Interesse natürlich geweckt.

Das Buch würde ich aber nicht als reines Kochbuch bezeichnen, auch Uri Jeremias, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, Persönlichkeit und seiner Lebens- und Kochphilosophie wird ein Teil gewidmet und es gibt auch einige ansprechende Fotos seiner Heimat und der Menschen in seiner Umgebung.
Ansonsten geht es erst einmal um die Grundlagen der Fischküche, was man beachten sollte, welche Fische gegeneinander austauschbar sind, etc. Und dann folgen, ebenfalls sehr ansprechend fotografierte, Gerichte, sowohl Beilagen als auch alle möglichen Variationen von Fisch und Meeresfrüchten und auch ein paar Desserts. Die größte Herausforderung in Deutschland dürfte dabei das Besorgen von frischem Fisch sein, wobei auch Rezepte mit gut erhältlichem Lachs oder ähnlichem dabei sind. Die restlichen Zutaten sind meist so gewählt, dass sie auch bei uns gut erhältlich sind. Zudem legt Uri Wert darauf, pro Gericht nicht zu viele verschiedene Zutaten zu verwenden und diese dennoch geschmackvoll zu arrangieren. Auf unnötigen Schnickschnack wird also verzichet und auch die Zubereitung ist, wenn man sich an die grundsätzlichen Regeln im Umgang mit Fisch hält und das nötige Equipment, wie eine gusseiserne Pfanne besitzt, nicht allzu kompliziert und aufwändig.

Mir gefällt das Kochbuch sehr gut, es macht auf jeden Fall Lust darauf, wieder einmal nach Israel zu reisen und dann auch Uris Heimatstadt und sein Restaurant zu besuchen und seine Küche vor Ort auszuprobieren. Seine Art mit seinen Mitmenschen und Mitarbeitern umzugehen, ohne Vorurteile, was Nationalitäten, Religionen oder sexuelle Orientierungen angeht, ist besonders in einem Land wie Israel sehr wichtig. Da ich aber wahrscheinlich nicht so bald nach Israel reisen kann / möchte, weil die politische Situation dort immer noch ungut ist, werde ich mich erst einmal zuhause selbst an einigen seiner Rezepte versuchen.

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Eine mutige Hebamme im Berlin der 20er und 30er Jahre

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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Bei "Scheunenkinder" handelt es sich bereits um den zweiten Teil einer Reihe um die Berliner Hebamme Hulda Gold, die nicht so schnell aufgibt, weder bei einer komplizierten Geburt, noch wenn ihr etwas ...

Bei "Scheunenkinder" handelt es sich bereits um den zweiten Teil einer Reihe um die Berliner Hebamme Hulda Gold, die nicht so schnell aufgibt, weder bei einer komplizierten Geburt, noch wenn ihr etwas seltsam erscheint. Ihre Klientinnen stammen meist aus ärmeren Familien, die unter schwierigen Umständen leben. Als ein neugeborenes Kind im so genannten Scheunenviertel, in dem überwiegend Juden leben, verschwindet, stellt Hulda Nachforschungen an und auch ihr Lebensgefährte, der Kommissar ermittelt wegen Kindern, die erst verschwunden sind und dann tot aufgefunden wurden.

Zugleich schwingt die Stimmung in Berlin um, die Nationalsozialisten beginnen den Judenhass zu schüren. Zudem hat Hulda auch weiterhin mit Ärzten zu kämpfen, die Hebammen nicht wirklich ernst nehmen und ihr jede Kompetenz absprechen und auch in Liebesdingen ist sie sich noch nicht so recht sicher. Trotzdem gibt sie nie so leicht auf.

Ich fand es sehr interessant in diese spannende Zeit in Berlin abzutauchen. Die Autorin schildert die Umstände damals sehr authentisch, sowohl was die Lebensumstände angeht, als auch den aufkeimenden Judenhass und das schillernde Nachtleben im Berlin der 20er Jahre. Auch die Arbeit der Hebamme wird anschaulich beschrieben. Dadurch konnte ich mich gut in die Zeit hineinversetzen. Die Protagonistin Hulda Gold ist mir sehr sympathisch und ich hoffe, es gibt noch einen weiteren Teil der Reihe.

Ich habe den Roman als Hörbuch angehört. Dieses wurde von der Schauspielerin Anna Thalbach eingesprochen, die die Handlung sehr lebendig und gut nachvollziehbar wiedergibt und auch den Berliner Tonfall sehr gut trifft.

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Veröffentlicht am 02.09.2020

Wiedersehen mit alten Bekannten

Ein Gefühl von Hoffnung
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Es handelt sich bei diesem historischen Roman von Eva Völler um den zweiten Band ihrer Ruhrpott Saga und so kommt es, für alle, die auch den ersten Band gelesen haben, zu einem Wiedersehen mit den bereits ...

Es handelt sich bei diesem historischen Roman von Eva Völler um den zweiten Band ihrer Ruhrpott Saga und so kommt es, für alle, die auch den ersten Band gelesen haben, zu einem Wiedersehen mit den bereits bekannten Protagonist/innen, allerdings etwa sieben Jahre später, Ende der 50er Jahre. Der Schauplatz ist aber der gleiche geblieben, ein kleiner Ort im Ruhrgebiet, dessen männliche Bewohner zu einem großen Teil im Bergbau arbeiten. Inge, die mittlerweile Buchhändlerin ist, ihre Halbschwester Bärbel, die sich am Gymnasium mit einem Lehrer herumärgern muss, der dem Nationalsozialismus nachtrauert und ihr siebenjähriger Halbbruder, dem die Grundschullehrerin abgewöhnen will mit Links zu schreiben, leben nach dem Tod ihrer Mutter weiter mit ihrer Großmutter, deren Enkel und Bärbels Vater, der seit dem Krieg geistig auf dem Stand eines Kindes ist, zusammen. Sie haben sich in der recht ungewöhnlichen Wohngemeinschaft recht gut arrangiert, aber es kommt dennoch immer wieder zu Problemen, die es zu bewältigen gilt und kleinen und größeren Dramen.

Ich fand es sehr interessant, nach dem ersten Band weiter am Leben dieser Familie und ihrem Umfeld, das in einigen Punkten sicher sehr typisch für die damalige Zeit war, teilhaben zu dürfen und zu erfahren, wie alles weiterging. Die Protagonist/innen waren mir alle auf ihre Art sympathisch und ich habe mit ihnen mit gelitten, bzw. mich mit ihnen über positive Ereignisse gefreut. Am Ende fand ich es dann schade, dass die Geschichte gefühlt so schnell vorbei war und ich Abschied nehmen musste. Der Schreibstil von Eva Völler ist gewohnt gut lesbar und ich würde mich über einen dritten Teil der Ruhrpott Saga sehr freuen.

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Veröffentlicht am 03.08.2020

Mutterliebe

Zwei fremde Leben
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Der Dresdner Autor Frank Goldammer widmet sich in seinem neuesten Roman dem Thema Zwangsadoptionen in der DDR der 70er Jahre.

Die Protagonistin Ricarda Raspe ist unerwartet schwanger, freut sich aber ...

Der Dresdner Autor Frank Goldammer widmet sich in seinem neuesten Roman dem Thema Zwangsadoptionen in der DDR der 70er Jahre.

Die Protagonistin Ricarda Raspe ist unerwartet schwanger, freut sich aber dennoch zusammen mit ihrem Verlobten auf ihr erstes Kind, das in einer Dresdner Klinik zur Welt kommen soll, in der auch ihr Vater als Arzt arbeitet. Doch bei der Geburt kam es angeblich zu Komplikationen, die zum Tod des Säuglings geführt haben sollen. Das tote Baby bekommt Ricarda aber nie zu Gesicht und so zweifelt sie daran, ob ihr Kind wirklich tot ist. Auch ihrem Vater traut sie zu, die Finger im Spielt gehabt zu haben, sie vermutet, er könnte das Baby ohne ihr Wissen zur Adoption freigegeben haben. Bei ihren Nachforschungen hilft ihr der Polizist Thomas Rust, dessen Frau zeitgleich in der Klinik war und der sich durchaus vorstellen kann, dass Ricarda Recht hat. Es ist aber schwer, in der DDR an verlässliche Informationen zu kommen und zudem ist das Ganze natürlich alles andere als ungefährlich. Von ihren Eltern und dem Kindsvater erhält Ricarda dagegen wenig Verständnis und Unterstützung, stattdessen redet man ihr ein, dass sie sich in etwas hineinsteigert, weil sie den Tod des Kindes nicht verkraftet. Doch 17 Jahre später beginnt eine junge Frau ihre echte Mutter zu suchen, ist sie vielleicht wirklich Ricardas Tochter?

Frank Goldammer beschäftigt sich mit einem Verbrechen, das in der DDR wirklich immer wieder stattgefunden und für viel Leid bei Müttern und Kindern gesorgt hat, auch noch Jahrzehnte später. Aber das ist nicht das einzige Thema des Romans, man gewinnt als Leser auch einen Eindruck vom Alltag in der DDR, mit all seinen Einschränkungen, der recht farblosen Tristesse der Großstadt Dresden und dem notwendigen Misstrauen, dass man teilweise selbst nahestehenden Menschen entgegenbringen musste aus Angst vor der Stasi und ihren perfiden Methoden. Die Protagonistin Ricarda ist trotz allem eine starke Kämpferin, die nicht aufgeben möchte, bis sie Klarheit darüber hat, was mit ihrem Kind geschehen ist. Polizist Thomas Rust ist schon allein deshalb sehr liebenswert, weil er trotz seines Berufes Mensch geblieben ist und sich von seinen eigenen Gefühlen und Instinkten leiten lässt, anstatt sich komplett vom Staat vereinnahmen zu lassen. Die verschiedenen Zeitebenen tragen zusätzlich zum Spannungsaufbau bei. Ich empfehle das Buch gerne allen weiter, die sich für das Leben in der DDR interessieren.

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