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Veröffentlicht am 07.03.2022

Familiengeheimnisse

Flüchtiges Glück
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Ulla Mothes neuester Roman befasst sich einerseits mit der deutsch-deutschen Vergangenheit vor und nach der Wende, aber auch mit der Geschichte einer Familie, die von den politischen Umständen beeinflusst ...

Ulla Mothes neuester Roman befasst sich einerseits mit der deutsch-deutschen Vergangenheit vor und nach der Wende, aber auch mit der Geschichte einer Familie, die von den politischen Umständen beeinflusst wurde. Der Titel "Flüchtiges Glück" ist dabei mindestens in zweifacher Hinsicht passend gewählt, weil es einerseits um Flucht (nicht hauptsächlich, aber auch aus der DDR und später aus Afghanistan, sondern vor allem auch vor der eigenen Schuld), andererseits aber auch um die Vergänglichkeit von Glück geht. Die Gestaltung des Covers hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, die Farbgestaltung spricht mich an und sie passt zu einem Roman, der auch in den 70er und 80er Jahren in der DDR spielt.

Insgesamt wechselt der Roman aber auf den verschiedensten Zeitebenen, den letzten ca. 20 Jahren der DDR, der Zeit um den Jahrtausendwechsel und der Gegenwart. In der aktuellen Zeit ist die 23-jährige Studentin Milla schwanger von Navid, der aus Afghanistan geflohen ist, nachdem ein Großteil seiner Familie dort ermordet wurde. Milla dagegen ist wohlbehütet bei ihrer Mutter Jola und einem homosexuellen Männerpaar in einer Berliner WG aufgewachsen. Sie kennt aber ihren leiblichen Vater nicht, weil ihre Mutter ein Geheimnis um ihn macht. Navid drängt Milla nun dazu, herauszufinden, was in ihrer Familie vorgefallen ist, damit ihre Familiengründung quasi ohne ungeklärte Altlasten beginnt. So kommen immer mehr Details aus dem Leben von Millas Großmutter, die anscheinend für die Stasi tätig war und deren damalige Nachbarn ans Tageslicht und dies alles steht wiederum im Zusammenhang dazu, dass Milla ihren leiblichen Vater nicht kennt. Es geht aber auch um die Umweltverschmutzung im ehemaligen Chemiedreieck um Bitterfeld.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Es war bereits mein zweites Buch der Autorin und auch diesmal hat sie es toll hinbekommen, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verknüpfen und sogar Parallen aufzuzeigen. Alles wirkt sorgfältig recherchiert und die Personen sind sehr überzeugend gestaltet. Durch die verschiedenen Zeitebenen wird zusätzlich Spannung erzeugt. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und die Sprache sehr anschaulich und öfter auch symbolkräftig. Dadurch kann man sich sehr gut in die Beteiligten hineinversetzen. Ulla Mothes ist es durch ihre vielschichtigen Charaktere auch gelungen, deutlich zu machen, dass es bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit nicht ausschließlich Gut oder Böse gibt, sondern auch viel dazwischen.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Auf der Zielgeraden...

Dschinns
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Hüseyin, der einst als Gastarbeiter nach Deutschland kam, hat es geschafft, sich seinen Traum zu verwirklichen. Mit sehr harter Arbeit und Entbehrungen hat er es geschafft, zum Renteneintritt ausreichend ...

Hüseyin, der einst als Gastarbeiter nach Deutschland kam, hat es geschafft, sich seinen Traum zu verwirklichen. Mit sehr harter Arbeit und Entbehrungen hat er es geschafft, zum Renteneintritt ausreichend Geld für eine Eigentumswohnung in Istanbul zusammen zu haben. Doch ausgerechnet, als er dort alles für die Ankunft seiner Frau und der vier Kinder, der jüngste unter ihnen noch im schulpflichtigen Alter, vorbereitet, fällt Hüseyin tot um und seine Familie muss sich nun um seine Beerdigung kümmern.

Der Tod des Familienoberhaupts führt dann auch dazu, dass sich alle mit ihrem eigenen bisherigen Leben auseinander setzen. Alle haben ihre "Baustellen", Wünsche und Geheimnisse, selbst Hüseyins Witwe Emine. Manches erinnert an eine "typische" Gastarbeitergeschichte, wenn es die überhaupt gibt. Viele Probleme gibt es aber in jeder anderen Familie auch in ähnlicher Form und man kann sich beim Lesen darin teilweise wiedererkennen und auch Hüseyins eigenes Schicksal stimmt auf jeden Fall nachdenklich, da uns das ebenso ereilen kann, wie er sich für seine Familie und seinen Lebenstraum kaputt geschuftet hat und nun seinen verdienten Ruhestand nicht mehr genießen kann.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm lesbar und es gelingt ihr gut, das, was sie mitteilen möchte, in passende Worte zu fassen, sodass man sich als Leser in die Beteiligten hineinversetzen kann. Was das Cover angeht, hätte es für mich aber gerne mit einem passenden Bild unterlegt sein dürfen, anstatt auf die recht auffällige Kombi aus Farbe und Schriftart zu setzen.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Ein See-Ungeheuer namens Big Ben

Sea Monsters – Ungeheuer weckt man nicht (Sea Monsters 1)
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Finn lebt auf einer kleinen Insel im Norden Schottlands, hat aber Angst vor dem Meer, seit er einmal fast ertrunken ist. Eines Tages bekommt die kleine Dorfschule seiner Heimatinsel eine neue Schülerin, ...

Finn lebt auf einer kleinen Insel im Norden Schottlands, hat aber Angst vor dem Meer, seit er einmal fast ertrunken ist. Eines Tages bekommt die kleine Dorfschule seiner Heimatinsel eine neue Schülerin, die gleichaltrige Poppy, die mit ihren Eltern aus Glasgow zurückgekommen ist, um die Großmutter zu unterstützen. Im Rahmen einer Mutprobe für das Mädchen wecken die Kinder der Klasse anscheinend ein mächtiges See-Ungeheuer und versetzen so die ganze Insel in Aufregung. Finn muss seine Angst vor dem Meer überwinden, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Ich finde die Geschichte sehr gelungen. Sie spielt an einem abgelegenen, spannenden Ort, der sich für derartige Abenteuer anbietet. Die Mischung aus fantastischen Elementen, Abenteuer und einer realistischen Geschichte um Ängste und deren Überwindung gefällt mir gut. Die beiden Hauptpersonen sind zudem sehr sympathisch und junge Leser:innen können sich gut mit ihnen identifizieren. Sowohl Jungen als auch Mädchen. Der Schreibstil ist gut lesbar und es ist Spannung vorhanden, aber es wird nicht zu gruselig oder nervenaufreibend für die Altersgruppe. Illustrationen lockern alles auf und sorgen zudem dafür, dass man sich manches Detail besser vorstellen kann. Ich würde das Buch jungen Leser:innen in der 3. und 4. Jahrgangsstufe empfehlen, was sich auch in etwa mit der Altersempfehlung des Verlags deckt.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Eine geschichtsträchtige Flasche Champagner

Kaiserstuhl
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Brigitte Glasers neuer historischer Roman spielt auf mehreren Zeitebenen und an verschiedenen Orten. In Freiburg, wo die Protagonistin Henny zunächst mit ihrem Vater und nach dessen Tod dann alleine, eine ...

Brigitte Glasers neuer historischer Roman spielt auf mehreren Zeitebenen und an verschiedenen Orten. In Freiburg, wo die Protagonistin Henny zunächst mit ihrem Vater und nach dessen Tod dann alleine, eine Weinhandlung betreibt, am Kaiserstuhl bei ihrer Schwiegermutter (mit deren Sohn Henny kriegsbedingt aber nur sehr kurz verheiratet war) und ihrem Ziehsohn Kaspar und in der Champagne. Rückblicke entführen in die Zeit des Nationalsozialismus und der Resistance mit der extrem angespannten Lage zwischen Deutschland und Frankreich bis hin zum Krieg. Die eigentliche Handlung findet aber in der Zeit der Wiederannäherung Frankreichs an Deutschland unter Charles de Gaulle statt.

Die männliche Hauptperson Paul lebte eine Zeit lang mit Henny, deren Schwiegermutter und Kaspar zusammen, Pauls Leidenschaft gilt dem Kino, er erhält aber den Auftrag, eine besondere Flasche Champagner aus dem Jahr 1937 zu Charles die Gaulle zu schaffen, da diese Flasche ein Symbol für die wiederaufkeimenden Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sein soll. Aber auch für Henny hat diese Flasche eine besondere Bedeutung, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Und auch noch andere Personen sind hinter dieser Flasche her.

Zunächst fiel mir der Einstieg in den Roman etwas schwer, weil mir erst noch der Überblick über die verschiedenen Personen fehlte und es recht häufig zu Perspektivwechseln und Zeitsprüngen kommt. Das gibt sich aber mit der Zeit und nachdem sich die Zusammenhänge immer mehr herauskristallisierten, fand ich die Geschichte sehr spannend und fesselnd, auch wenn die Handlung stellenweise doch etwas komprimiert hätte werden können. Es war interessant, mehr über das schon immer besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zu erfahren und die spannende Zeit der Wiederannäherung aus der Perspektive von Henny und Paul mizuerleben. Mein Verhältnis zu den beiden Hauptpersonen blieb dabei aber relativ distanziert, da ich mich nicht voll mit all ihren Handlungen identifizieren konnte, auch wenn ich nachvollziehen konnte, warum sie sich so verhielten. Nichtsdestotrotz ist "Kaiserstuhl" ein sehr interessanter Roman, der mir die deutsch-französische Geschichte und die Welt des Champagners wieder ein Stück näher gebracht hat. Das Cover ist passend zum Thema und zur Zeitebene der Geschichte gewählt.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Ein tragischer Nachwende-Held

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Michael Hartung war in der DDR bis zu dem Vorfall, der im Mittelpunkt der Handlung steht, zunächst bei der Staatsbahn tätig und wurde anschließend zwangsversetzt. Nach der Wende setzte er dann mehrfach ...

Michael Hartung war in der DDR bis zu dem Vorfall, der im Mittelpunkt der Handlung steht, zunächst bei der Staatsbahn tätig und wurde anschließend zwangsversetzt. Nach der Wende setzte er dann mehrfach auf neue Technologien, die irgendwann dann auch wieder nicht mehr zeitgemäß waren. Zuletzt auf eine Videothek, an der er, mehr aus Verzweiflung weiter festhält, obwohl diese mittlerweile natürlich ein Draufzahlgeschäft ist.

Eines Tages taucht ein Journalist bei ihm auf, um dessen Stelle es ebenfalls nicht allzu gut bestellt ist und der dringend eine gute Story anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung braucht. So wird aus dem Versehen Michael Hartungs, der in der DDR eine Weiche beschädigt und so versehentlich einen Zug in den Westen umgeleitet hat, plötzlich ein Akt des Widerstands und Hartung wird zum in Talkshows und von Politikern gefeierten Helden, der wegen seiner selbstlosen Tat im Stasi-Gefängnis leiden musste. Das beschert ihm neben dem Ruhm auch einen kleinen Geldsegen, den er dringend braucht, um die Mietschulden seiner Videothek bezahlen zu können und so spinnen er und der Journalist immer weiter an seiner "Helden-Geschichte".

Maxim Leo ist es in seinem Roman sehr gut gelungen, seinen Protagonisten so zu gestalten, dass er trotz alles Scheiterns, für das man ihn als Leser bemitleidet, und seiner leicht schrulligen Art auch liebenswerte Seiten aufweist. Er schreibt auf eine sehr humorvolle und unterhaltsame Art und Weise und fängt die Stimmung von Michael Hartung, der irgendwie doch nie komplett im wiedervereinigten Deutschland Fuß gefasst hat, sehr gut ein und regt zugleich auch zum Nachdenken an, über den Umgang von Westdeutschen mit Menschen, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind und mit der DDR-Vergangenheit allgemein, die ja nicht nur aus heldenhaften Fluchthilfe-Geschichten bestand, die bei bestimmten Jubiläen immer wieder aufgewärmt werden.

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