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Veröffentlicht am 12.08.2021

Wehret den Anfängen

Heimatsterben
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"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. ...

"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. Sie verspricht Tilde, besonders auf ihre Schwester Trixie aufzupassen. Deren Mann Felix Graf von Altdorff ist Kanzlerkandidat einer nationalistischen Partei, deren Mitbegründer er war. Dafür hatte er quasi auch den "Segen" von Tilde, bei der seine Frau Trixie und Hanna aufwuchsen. Obwohl Hanna sich immer sehr gut mit ihrer Oma verstand, hatte diese in vielen Bereichen nämlich ebenfalls sehr konservative Ansichten, geprägt durch ihre Kriegs- und Fluchterfahrung. Überraschend bittet Felix die eigentlich liberal und pro-europäisch eingestellte Hanna dann auch noch, ihn bei seiner politischen Arbeit zu unterstützen. So ist Hanna hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Werten und dem Versprechen am Sterbebett ihrer Großmutter.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Obwohl die Geschichte fiktiv ist und die Handlung ins Jahr 2023 verlegt wurde, weist sie dennoch erschreckend viele Bezüge zur aktuellen politischen Situation auf und vieles erscheint nicht komplett unrealistisch. In Hanna als Protagonistin mit ihrer Zerissenheit zwischen ihrer Familie und ihren eigenen Idealen kann ich mich sehr gut hineinversetzen und auch die weiteren Charaktere wurden überzeugend ausgestaltet und in manch einer Person erkennt man Züge von Menschen aus dem eigenen persönlichen Umfeld oder der Politik wieder. Der Roman macht auf eine erschreckende Weise deutlich, wie schnell der Wahlerfolg einer nationalistischen Partei, die sich nach außen hin den Anschein gibt, demokratisch zu sein und deren Führungsriege vielleicht nicht einmal komplett unsympathisch ist, dazu führen kann, dass Grundrechte nicht mehr gelten. Der Titel des Roman ist sehr passend gewählt und auch der Sinn der Covergestaltung erschließt sich im Rahmen der Lektüre. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und fesselnd.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Eine Frau sucht ihren Weg

Ein Koffer voller Schönheit
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Anne Jensen hat den Zweiten Weltkrieg überstanden, ihr Mann Benno ist zumindest körperlich unversehrt aus dem Krieg zurückgekommen und relativ kurz nach Kriegsende bekamen sie Zwillinge, Benno ernährt ...

Anne Jensen hat den Zweiten Weltkrieg überstanden, ihr Mann Benno ist zumindest körperlich unversehrt aus dem Krieg zurückgekommen und relativ kurz nach Kriegsende bekamen sie Zwillinge, Benno ernährt die kleine Familie in Lüneburg als Tischler, wie auch schon sein Vater und sein Großvater. Ein alter Freund bringt ihn dann aber dazu, mit ihm zusammen ein Möbelhaus zu eröffnen, wodurch er nicht nur weniger Zeit für seine Familie hat, sondern seiner Frau auch immer fremder wird. Da die Zwillinge auch langsam selbstständiger werden, sehnt sie sich Ende der 50er Jahre nach einer neuen Aufgabe und Bestätigung und ihre Schwiegermutter bringt sie schließlich auf die Idee, die erste deutsche Avon-Beraterin zu werden und Kosmetik an die Frauen zu bringen, die nicht von den Möglichkeiten einer Großstadt umgeben sind. Dieser Einstieg ins Berufsleben gestaltet sich Ende der 50er Jahre, als Frauen noch die Zustimmung ihres Ehemannes brauchten, um arbeiten zu dürfen, und eine "emanzipierte Frau" viel Tratsch und Klatsch ausgesetzt war, nicht ganz einfach.

Ich fand die Geschichte sehr interessant, da ich gerne Romane lese, die in der jüngeren deutschen Vergangenheit spielen. Allerdings hat die Kurzbeschreibung etwas andere Erwartungen an die Handlung bei mir geweckt. Ich dachte, die Tätigkeit der Avon-Beraterin, deren Verkaufsstrategie und die Tücken und Vorzüge dieses Systems würden mehr Platz einnehmen. Meiner Meinung nach ist die Thematik aber eher die Frauenrolle der späten 50er Jahre, verbunden mit Beziehungskonflikten und psychischen Spätfolgen des Krieges und Annes neue Tätigkeit spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ich persönlich fand es interessant, das alles aus der Perspektive Annes, die mir sehr sympathisch ist, mitzuerleben, hatte aber eigentlich etwas andere Erwartungen an die Handlung. Mehr Leichtigkeit, Schminktipps und Partystimmung in den Wirtschaftswunderjahren. Nichtsdestotrotz habe ich das Buch mit Interesse und sehr zügig gelesen. Die Autorin schreibt sehr anschaulich und gut nachvollziehbar. Durch Perspektivwechsel konnte man sich sowohl in Anne als auch in ihren Ehemann Benno gut hineinversetzen.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Ein neues Leben

Wir für uns
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Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ...


Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ist sich unsicher, ob sie das Baby auch gegen den Willen Bengts bekommen möchte. Durch einen Zufall lernt sie Kathi kennen, die mit 70 ihren Mann Werner beerdigen musste und sich nun ziemlich einsam fühlt. Ihr Sohn Max ist aus dem Haus und es sind wohl keine Enkelkinder mehr zu erwarten. Den Dorfladen, der einmal ihr Lebensinhalt war, hat sie vor zwölf Jahren auf Werners Wunsch hin auf gegeben. Die beiden Frauen stellen fest, dass sie einen Draht zueinander haben und so ergeben sich neue Perspektiven. Dazu tragen auch Melanie und ihre Tochter Nela, die mit Trisomie 21 geboren wurde und der verwitwete Familienvater und Biobauer Tom bei. Außerdem beginnen beide Frauen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen, um mit dieser abschließen zu können.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, besonders in Josie kann ich mich sehr gut hineinversetzen, aber auch Kathi kann ich gut verstehen. Mir gefällt es, wie auf den ersten Blick recht verschiedene Menschen einander finden und sich gegenseitig gut tun und sich so etwas zutrauen, was sie ohne einander vielleicht nicht gewagt hätten. Der Roman weist auch eine ordentliche Portion Tiefgang auf, es ist kein seichter Liebesroman, auch wenn das Thema Liebe natürlich auch eine Rolle spielt. Ich finde es auch gut, wie das Thema Trisomie 21 und die Möglichkeit, vorab mit einem Bluttest die Gewissheit über einen Gendefekt zu bekommen, angesprochen werden, ohne dies moralisch zu bewerten. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, sodass ich das Buch quasi in einem Rutsch durchgelesen habe.
Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ist sich unsicher, ob sie das Baby auch gegen den Willen Bengts bekommen möchte. Durch einen Zufall lernt sie Kathi kennen, die mit 70 ihren Mann Werner beerdigen musste und sich nun ziemlich einsam fühlt. Ihr Sohn Max ist aus dem Haus und es sind wohl keine Enkelkinder mehr zu erwarten. Den Dorfladen, der einmal ihr Lebensinhalt war, hat sie vor zwölf Jahren auf Werners Wunsch hin auf gegeben. Die beiden Frauen stellen fest, dass sie einen Draht zueinander haben und so ergeben sich neue Perspektiven. Dazu tragen auch Melanie und ihre Tochter Nela, die mit Trisomie 21 geboren wurde und der verwitwete Familienvater und Biobauer Tom bei. Außerdem beginnen beide Frauen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen, um mit dieser abschließen zu können.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, besonders in Josie kann ich mich sehr gut hineinversetzen, aber auch Kathi kann ich gut verstehen. Mir gefällt es, wie auf den ersten Blick recht verschiedene Menschen einander finden und sich gegenseitig gut tun und sich so etwas zutrauen, was sie ohne einander vielleicht nicht gewagt hätten. Der Roman weist auch eine ordentliche Portion Tiefgang auf, es ist kein seichter Liebesroman, auch wenn das Thema Liebe natürlich auch eine Rolle spielt. Ich finde es auch gut, wie das Thema Trisomie 21 und die Möglichkeit, vorab mit einem Bluttest die Gewissheit über einen Gendefekt zu bekommen, angesprochen werden, ohne dies moralisch zu bewerten. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, sodass ich das Buch quasi in einem Rutsch durchgelesen habe.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Deine Zeit läuft ab...

Die Karte
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In Hamburg wird die junge Anwältin Eva beim abendlichen Joggen brutal ermordet, ihre Partnerin, die Ärztin Laura Windmüller, erhält während deren Todeskampf eine Nachricht, dass ihrer Freundin die Zeit ...

In Hamburg wird die junge Anwältin Eva beim abendlichen Joggen brutal ermordet, ihre Partnerin, die Ärztin Laura Windmüller, erhält während deren Todeskampf eine Nachricht, dass ihrer Freundin die Zeit davon läuft. Der Täter filmt zudem alles für die Polizei und stoppt die Zeit bis zum Eintritt des Todes. Im Laufe der nächsten Tage und Wochen kommt es zudem zu weiteren Morden an Läuferinnen, die anscheinend einzige Gemeinsamkeiten ist, dass diese ihre Laufstrecken tracken und in Foren öffentlich teilen. Hauptkommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald versuchen, unterstützt durch einen IT-Forensiker, dem Täter auf die Spur zu kommen und weitere Morde zu verhindern.

Der Thriller widmet sich auf jedem Fall einem wichtigen Thema und macht dem Leser bewusst, dass man nicht jeden seiner Schritte öffentlich im Internet teilen sollte. Die Spannung, wer der Täter ist, bleibt auf jeden Fall bis quasi zum Schluss erhalten, wobei mir manche Zusammenhänge dann doch etwas zu konstruiert waren. Da hätte ich lieber auf die eine oder andere Nebenperson und ihre Geschichte verzichtet. Die Morde sind brutal, weil sie doch realitätsnah sind, werden aber gerade noch so beschrieben, dass es mir nicht zu extrem war beim abendlichen Lesen. Die beiden Ermittler:innen Jens Kerner und Rebecca Oswald sind mir sympathisch und ich finde es gut, dass auch ihr Privatleben eine gewisse Rolle spielt, was sie nahbarer macht. Der Erzählstil mit verschiedenen Perspektiven förderte auf jeden Fall die Spannung, war aber dennoch gut verständlich und nicht verwirrend.

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Veröffentlicht am 11.08.2021

Etwas schräger Liebesroman mit liebenswerten Charakteren

Dich hab ich nicht kommen sehen
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Die Juristin Mari Thaler tritt nach einer Fehlgeburt einen neuen Job in Berlin an und braucht deshalb schnell eine neue Wohnung. Schon die Besichtigung gestaltet sich recht unkonventionell und so ist dann ...

Die Juristin Mari Thaler tritt nach einer Fehlgeburt einen neuen Job in Berlin an und braucht deshalb schnell eine neue Wohnung. Schon die Besichtigung gestaltet sich recht unkonventionell und so ist dann auch ihre etwa gleichaltrige Vermieterin samt Bruder, Freund und kleinem Sohn. Aber alle nehmen sie sehr herzlich auf und behandeln sie eher als Freundin als als Mieterin und sorgen sich auch um Mari, die nach den harten Zeiten ziemlich dünn geworden ist. Besonders Alexandras Bruder Leo lässt nicht locker und scheint Mari sehr zu mögen (und sie ihn auch), macht im entscheidenden Moment aber dann meist einen Rückzieher.

Mir gefiel der erste Teil der Geschichte mit den etwas skurrilen, aber total liebenswerten Protagonist:innen am Schauplatz Berlin, der auch immer wieder erkennbar war, sehr gut. In Mari konnte ich mich gut hineinversetzen, wie sie die Fehlgeburt verkraften muss und zugleich auch in ihrem Beruf nicht wirklich glücklich ist. Zugleich ist sie aber auch sehr kreativ und denkt sich liebenswerte Phantasietiere für Toby aus, den sie für den Sohn ihrer Vermieterin hält. Man muss sie einfach mögen, genau wie die anderen Hauptpersonen. Ich finde es auch schön, dass es sich hier um keine allzu kitschige Liebesgeschichte handelt, sondern andere Dinge wichtiger sind und auch eine gute Dosis Tiefgang vorhanden ist. Es ist auch schön mitzuerleben, welchen Wandel Mari im Laufe der Handlung durchmacht und privat und beruflich mehr Selbstbewusstsein entwickelt. Gegen Ende wurde mir aber alles etwas zu wirr und unrealistisch mit zusätzlich dazu konstruierten Problemen und ich fand es auch eher unnötig, dass das Essverhalten von Mari so sehr thematisiert wurde.

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