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Veröffentlicht am 08.11.2024

Man hört niemals auf, sich danach zu sehnen, wohin man gehört

Als wir im Schnee Blumen pflückten
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Die Samin Mariddja lebt ganz im Norden Schwedens zusammen mit ihrem dementen Mann Biera. Sie erhält zu Anfang der Erzählung die Nachricht, dass der Unterleibskrebs, der in ihrem Bauch wütet, ihr vielleicht ...

Die Samin Mariddja lebt ganz im Norden Schwedens zusammen mit ihrem dementen Mann Biera. Sie erhält zu Anfang der Erzählung die Nachricht, dass der Unterleibskrebs, der in ihrem Bauch wütet, ihr vielleicht noch einige Monate Leben lässt, aber nicht sehr viel mehr.
Mariddja ignoriert diese Ankündigung und erzählt ihrem Mann nichts davon. Ihr innigster Wunsch ist es, den Jungen ihrer Schwägerin Risten noch einmal zu sehen, der als Kleinkind einige Jahre bei ihnen lebte, bevor die Schwägerin ihn ohne eine Erklärung einfach mitnahm und sie nie wieder Kontakt zueinander hatten.
Das Buch ist so geschrieben, dass wir auf der einen Seite Mariddja und ihren Mann Biera kennenlernen, dass es Rückblenden in Mariddjas Kindheit gibt, in die Zeit, als Biera sich um sie bemühte, in die Zeit, als die beiden so gerne ein Kind gehabt hätten. Die meisten Szenen spielen allerdings in der Jetzt-Zeit.

Auf der anderen Seite lernen wir Kaj und Mimmi kennen, beides Ärzte, die ihre Praxis in der Stadt für eine Landpraxis im Norden Schwedens aufgegeben haben und gerade versuchen, in ihrem neuen Wohnort heimisch zu werden. Kaj trauert um seine gerade verstorbene Mutter Laura, es gibt Szenen, in denen er sich zusammen mit seinem Bruder Gustav um den Nachlass kümmert, Szenen, als er sich an das Zusammenleben mit der Mutter erinnert. Laura war eine seltsame Frau, nie wirklich ganz da, etwas abgehoben, Künstlerin, oft in höheren Sphären schwebend.
Kaj hat das Gefühl, dass sie ihm etwas verheimlichte, eine bestimmte Zeit ihres Lebens war tabu, da durfte nicht darüber gesprochen werden.

Das Cover ist geschmackvoll und zeigt ein älteres Paar in einer wasserreichen Landschaft vor einer roten Holzhütte. Der Titel ist voller Poesie und gibt schon einen ersten Hinweis auf die unkonventionelle Art Mariddjas. Sie war schon als Kind für außergewöhnliche Ideen und die noch kreativere Erklärung dazu bekannt, warum also nicht im Schnee Blumen pflücken.

Sowohl Mariddja als auch Biera werden als etwas senil geschildert. Mariddja war schon immer etwas speziell gewesen, bei ihr hat es sich vielleicht nur gesteigert. Biera aber lebt in der Vergangenheit, ein freundlicher, alter, etwas verwahrloster Mann, der sich noch im Land der Samen wähnt und ihre Traditionen fortführt.

Es gab Ideen der Autorin, die ich gut fand und die mich zum Schmunzeln brachten. Siri von Apple eine Rolle in dem Buch spielen zu lassen, gefiel mir. Auch wenn ihre Kommentare meistens nichtssagend waren, so reichten sie für Mariddja vollständig aus. Spannend wird es nur dann, wenn Siri selbständig tätig wird und den Notdienst oder die Feuerwehr aktiviert.

Dadurch, dass die Autorin immer mal wieder alte Mythen in die Geschichte einwebt, gibt sie dem Buch manchmal einen spirituellen Touch.

Wenn man noch nie in Schweden war und so gar keine Beziehung zu dem Land hat, sind sowohl die Namen als auch Trachten, Musik oder Fortbewegungsmittel wie Schlitten fremd für den Leser. Mit „Kolt, Akkja und Joiken“ konnte ich bis zum Schluss nicht viel anfangen und ich hätte mir einen Anhang mit Erklärungen gewünscht. In diesem Anhang hätte vielleicht auch noch etwas Information über das Volk der Samen Platz gefunden. Im Buch ist es immer mal wieder am Rande erwähnt, dass es eine große Zwangsumsiedlung gab, die Hintergründe sind mir aber erst beim Recherchieren klar geworden.

Ich habe das Buch in wenigen Tagen durchgelesen, vielleicht hat es nicht ganz die Erwartungen erfüllt, die der Klappentext in mir geweckt hatte. Das mag aber damit zu tun haben, dass Schweden immer noch zu den weißen Flecken in meinem Reiseatlas gehört und ich wenig Zugang zu Menschen und dem Land habe.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Ist Blutrache der richtige Weg?

Solothurn trägt Schwarz
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Es handelt sich hier um den ersten Band der Solothurn-Reihe von Christof Gasser. Ich hatte vor ein paar Wochen bereits den bisher aktuellsten Band gelesen und wollte nun die Reihe von Anfang an verfolgen.

Ein ...

Es handelt sich hier um den ersten Band der Solothurn-Reihe von Christof Gasser. Ich hatte vor ein paar Wochen bereits den bisher aktuellsten Band gelesen und wollte nun die Reihe von Anfang an verfolgen.

Ein Zürcher Journalist wird schwer misshandelt an der Aare aufgefunden und stirbt kurz danach.

Er hatte zu der bosnischen Balkan Mafia recherchiert, die man hinter dem Anschlag vermutet. Die Erzählperspektive wechselt von der Kantonspolizei und ihrem Commissaire Dominik Dornach zu den Bosniern, von Pia, Dornachs Tochter und ihrer Freundin Manu zu Szenen in einer Klinik. Zunächst erschien mir das alles ziemlich verworren, es hat ein wenig gedauert, bis ich endlich den roten Faden aufgenommen hatte.

Es handelt sich bei „Solothurn trägt Schwarz“ um einen sehr actionreichen Krimi, der Spannungsbogen ist konstant hoch und es bleibt auch nicht bei einem Mord. Die Motive dafür waren allerdings ganz unterschiedlich, hier erfährt der Leser erst ziemlich zum Schluss, dass einzelne Personen im Visier mehrerer Personen mit bösen Absichten stehen.

Hin und wieder ahnt man ja schon in der Mitte eines Buches, in welche Richtung sich die Ermittlungen drehen werden. Gasser versteht es, Dornachs Erkenntnisse lange unter der Decke zu halten und sie erst mit Verzögerung mit dem Leser zu teilen. So sorgt er für Spannung bis zum Schluss.

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Veröffentlicht am 02.11.2024

Süßer Wein

Wilder Wein
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Der Klappentext kündigt Luc Verlains gefährlichsten Fall an – nun, das ist er sicher nicht. Da haben wir doch schon ganz andere Fälle miterlebt. Ich erinnere mich noch gut an den Fall, der im Baskenland ...

Der Klappentext kündigt Luc Verlains gefährlichsten Fall an – nun, das ist er sicher nicht. Da haben wir doch schon ganz andere Fälle miterlebt. Ich erinnere mich noch gut an den Fall, der im Baskenland spielte und ein ganz spannendes Finale hatte.

Nein, dieses Mal scheint er sich an Jean Luc Bannalec ein Vorbild genommen zu haben. Die gute Küche und vor allem der Wein nehmen viel Raum ein, außerdem werden die Dünenlandschaft südlich von Bordeaux und die wunderschönen Weindörfer ausführlich beschrieben. Der Krimi ist da fast Nebenhandlung, zumal es zu Anfang auch mehr nach einem tragischen Unfall aussieht.

Eine junge, sehr dem Bioweinbau verschriebene Winzerin wird tot in ihrem Gärkeller aufgefunden. Solche Unfälle passieren leider und so will auch der Dorfpolizist den Fall schnell zu den Akten legen. Er muss aber vorher die Kripo verständigen und der gerade neu nach Bordeaux gekommene Kollege Yacine hat den richtigen Riecher. Er nimmt seinen Chef Luc Verlain mit nach Sauternes. Den beiden kommt hier einiges komisch vor und sie beginnen zu ermitteln. Allerdings steht ihnen eine Mauer des Schweigens entgegen, man gibt zwar zu, dass die Winzerin das ganze Dorf mit ihren Biomethoden genervt hat, aber man würde sie deswegen doch nicht ermorden.

Luc muss einige Tricks einsetzen, um diese Mauer zu brechen und die Leute zum Reden zu bringen.

Für mich, die ich mich jedes Jahr schon auf einen neuen Aquitaine-Krimi freue, war dieser einer der schwächeren. Die Infos zum Weinanbau und hier insbesondere zum Sauternes fand ich aber interessant.

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Veröffentlicht am 01.11.2024

Sommer 1989 in der Prager Botschaft

Als wir nach den Sternen griffen
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Theresa Herolds aktueller Roman "Als wir nach den Sternen griffen" bedient sich der Wendezeit anno 1989 als Setting.

Wer kann sich nicht an den Satz des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich ...

Theresa Herolds aktueller Roman "Als wir nach den Sternen griffen" bedient sich der Wendezeit anno 1989 als Setting.

Wer kann sich nicht an den Satz des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher erinnern: Liebe Landsleute, wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen…… Der Rest des Satzes ging schon in Jubel unter:“ dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist“

Es geht um die Sommermonate 1989 in der Botschaft in Prag. Theresa Herold hat das Buch aus der Sicht der Botschaftsmitarbeiterin Judith und des ausreisewilligen Fotografen und Vaters einer dreijährigen Tochter Tobias geschrieben. Judith ist knapp über 30 und seit einem Jahr in Prag angestellt. Sie ist ganz froh, wieder in Europa zu sein und findet die Entwicklungen unter dem neuen Generalsekretär des ZK der KPDSU, Michail Gorbatschow spannend. Alle Länder des Ostblocks beginnen sich langsam zu öffnen, Ungarn hat bereits die Grenzzäune zu Österreich entfernen lassen, die Tschechen lassen auch Ostdeutsche in die westdeutsche Botschaft eintreten, nur die DDR verharrt in ihrer Bewegungslosigkeit.

Die Stimmung in der Botschaft, die ab Juni 1989 immer voller wird, ist sehr gut beschrieben. Man hat das Gefühl, selbst dabei zu sein und sich zwischen Koffern, Taschen, Zelten, Kisten, Schreibtischen einen Weg zu bahnen. Über die katastrophalen hygienischen Bedingungen hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht, sie sind äußerst plastisch geschildert. Ganz anders, als es die feine Adresse des Palais Lobkowitz hätte erwarten lassen. Die Autorin hat die langsame Entwicklung bis zur Eskalation sehr gut eingefangen . Am Anfang waren es nur einzelne, die wirklich wagten, sich aufzulehnen. Vor allem waren es diejenigen, denen man das Leben schon lange schwergemacht hatte, die in Sippenhaft genommen worden waren oder die man benachteiligte, weil sie sich nicht an den vom Staat propagierten Programmen für Jugendliche oder Erwachsene beteiligten oder nicht in die Partei eintreten wollten. Für diese steht Tobias stellvertretend. Diese wenigen lösten einen Tsunami im Land aus, die Botschaften in Budapest, Warschau und Prag füllten sich mit Menschen, die der DDR den Rücken kehren wollten. Ab Spätsommer kamen dann in Leipzig die Montagsdemonstrationen dazu, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuten. Das Momentum für den Aufstand war einfach gegeben und es wurde genutzt. Am Beispiel der Prager Botschaft sieht man, dass es nicht mehr darum ging, zu verhindern, dass die Botschaft überquoll sondern ab einem bestimmten Zeitpunkt war klar, dass der Überdruck ein viel größeres Rad in Bewegung setzte und schließlich die DDR zur Aufgabe zwang.

Botschafter Herrmann Huber, den wir auch aus dem Buch kennen, hat in seinen Erinnerungen diese Sommermonate 1989 festgehalten und Theresa Herold scheint sich sehr daran orientiert zu haben. Fiktion ist die Geschichte des ostdeutschen Fotografen Tobias und seiner dreijährigen Tochter Jasmin sowie der Botschaftsmitarbeiterin Judith, die sich in der Botschaft kennen und lieben lernten. ( https://prag.diplo.de/cz-de/botschaft/-/2176350 ) Selbst die Schultütenaktion für die Erstklässler hat tatsächlich wie beschrieben stattgefunden.

Für mich war das Buch ein Highlight dieses Leseherbstes. Aus den Erinnerungen von Herrn Botschafter Huber erfahren wir, dass die Botschaft sich noch ein weiteres Mal so füllte und es zu weiteren Ausreisewellen kam, bis die DDR endlich nachgab. Für mich zeigte es, dass es Veränderungen nur von innen geben kann. Hätten sich nicht so viele Menschen gegen das Eingesperrtsein aufgelehnt, wäre es nicht zu diesem schnellen Ende gekommen.

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Veröffentlicht am 31.10.2024

Spannender, temporeicher Krimi mit unerwarteten Wendungen

Solothurn hüllt sich in Schweigen
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Eine Informantin der Polizei wird kurz vor einem vereinbarten Treffen tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Wenig später findet man am Aareufer die Leiche eines jungen Mannes. Zunächst ist unklar, ob beide ...

Eine Informantin der Polizei wird kurz vor einem vereinbarten Treffen tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Wenig später findet man am Aareufer die Leiche eines jungen Mannes. Zunächst ist unklar, ob beide Fälle zusammenhängen, aber bald wird klar, dass beide jungen Leute mit einem deutsch-arabischen Familienclan in Verbindung standen.

Hauptmann Dominik Dornach, der schon in den Vorgängerbänden schwierige Fälle lösen konnte, wird mit diesem Fall betraut und kann sich auch hier wieder auf die „Mitarbeit“ seiner Tochter verlassen, einer Studentin der Rechtswissenschaften, die quasi undercover und auf eigene Faust Antworten auf ihre eigenen Fragen haben will. Denn auch sie kannte die junge ermordete Frau als Kommilitonin.

Das Buch ist spannend und temporeich, die Charaktere nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Das muss auch Dornachs Tochter Pia feststellen, die sich in ihrer Einschätzung auch mal hat täuschen lassen.

Das war mein erster Solothurn-Krimi von Christof Gasser. Ich war auf das Buch aufmerksam geworden, weil mir „Spiegelberg“, der in diesem Jahr erschienene Krimi gut gefallen hatte. Ich hätte besser mit Band 1 der Reihe angefangen, am Anfang hatte ich doch einige Schwierigkeiten, mich mit den einzelnen Personen vertraut zu machen. Aber das hat dem Lese-Spaß keinen Abbruch getan.

Meine einzige Kritik ist, dass eine Wendung, die mehrfach verwendet wird, am Schluss vom Leser bereits erwartet wird. So war die letzte Wendung nicht mehr wirklich eine Überraschung für mich.

Trotzdem bleibt ein positives Fazit: man sollte öfter mal über unsere südliche Grenze schauen, die Schweizer Krimi-Autoren schreiben spannend und gut.

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