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Veröffentlicht am 09.06.2020

Die Konkurrenz schläft nicht

Im Glanz der Seidenvilla
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Wer den 1. Band der Seidenvilla-Trilogie noch nicht gelesen hat, der wird hier gespoilert !

Ein ganzes Jahr ist vergangen, seit Angela die Seidenweberei in Asenza gekauft hat. Es war ein Jahr voller ...

Wer den 1. Band der Seidenvilla-Trilogie noch nicht gelesen hat, der wird hier gespoilert !

Ein ganzes Jahr ist vergangen, seit Angela die Seidenweberei in Asenza gekauft hat. Es war ein Jahr voller Höhen und Tiefen, guter und schlechter Tage, aber gemeinsam mit ihren WeberInnen hat sie es geschafft. Die Weberei schreibt schwarze Zahlen und die Auftragslage ist sehr gut, weswegen Angela die Löhne anpassen und einen Rentenfonds für ihre Angestellten einrichten kann. Mit ihrem Lebensgefährten Vittorio läuft es trotz Fernbeziehung auch ganz gut. Ebenso mit Tess, ihrer mütterlichen Freundin, und ihrem Vater Lorenzo Rivalecca ist alles in bester Ordnung. Einzig bei Nathalie, Angelas Tochter, läuft anfangs nicht alles ganz so glatt. Aber gemeinsam bewältigen Mutter und Tochter auch dieses Problem.

Doch überall wo Licht ist, da ist auch Schatten.

Constanze, Vittorio Fontarinis Mutter, sieht die Verbindung zwischen Angela und ihrem Sohn nicht sehr gerne, sie hat sich auf Tiziana als zukünftige Schwiegertochter eingeschossen. Tiziana ist Architektin und Vittorio und sie kennen sich schon seit vielen Jahren. Ein gemeinsamer Auftrag erfordert es, dass Vittorio und Tiziana eine Zeit lang sehr eng zusammenarbeiten. Wie viel empfindet Vittorio tatsächlich für Tiziana?

Lidia hat schon im 1. Teil der Trilogie für Unruhe unter den WeberInnen gesorgt. Sie lässt auch dieses Mal keine Chance aus, um für sich selbst bessere Konditionen herauszuschlagen. Notfalls auch mit Druck und auf Kosten Anderer. Sie weiß, dass sie die beste Weberin der „Tessitura di Asenza“ ist. Lässt Angela sich auf ihre Bedingungen ein?

Und nicht zuletzt versucht Massimo Ranelli die Mitarbeiter der Seidenweberei abzuwerben. Sein enger Kontakt zu Constanze Fontarini ist nicht etwa der Grund dafür, dass einige Auftraggeber ihre Bestellung bei Angela stornieren?

Es wird auf jeden Fall nicht langweilig für Angela im malerischen Asenza.

„Im Glanz der Seidenvilla“ ist der 2. Teil der Seidenvilla-Trilogie von Tabea Bach. Band 1 „Die Seidenvilla“ erschien am 27.02.2020. Schön, dass der 2. Teil nicht lange hat auf sich warten lassen, denn so waren mir die Geschehnisse aus Teil 1 noch sehr präsent im Gedächtnis. Zwischen dem Ende von Band 1 und Band 2 liegt der Zeitraum eines Jahres, ansonsten wird die Geschichte nahtlos von der Autorin weitergeführt.

Es ist schön zu sehen, wie die Gemeinschaft der WeberInnen zusammenwächst und sie sich auch im privaten Bereich mehr und mehr gegenseitig helfen, aber auch Angela den Rücken stärken. Es herrscht jedoch nicht immer nur Sonnenschein, es gibt natürlich auch unschöne Momente in der Weberei.

Als Leser trifft man auf alle Charakter aus Band 1 und hier kommen nach und nach noch ein paar neue Personen hinzu. Die Autorin führt diese langsam in die Handlung ein und man kann jeden einzelnen mögen, oder auch nicht.

Tabea Bach erzählt auch diesen Teil der Geschichte so realistisch, dass man sich mit den einzelnen Personen durchaus identifizieren kann. Ich für meinen Teil wäre lange nicht so ruhig geblieben wie Angela, was Tiziana und Vittorio betrifft und auch die Bemühungen, die Vittorios Mutter hinter dem Rücken ihres Sohnes betreibt, um Angela aus seinem Leben zu befördern, hätte ich nicht so lange vor Vittorio verheimlicht. Angela lässt das alles sicherlich nicht kalt, aber sie behält immer die Ruhe.

Am Ende des Buches sind alle Handlungsstränge abgeschlossen, es bietet sich jedoch noch jede Menge Stoff für den 3. Teil der Seidenvilla-Trilogie.

Auch für diesen Band der Trilogie habe ich nur kurze Zeit gebraucht um ihn zu lesen, die Geschichte liest sich wieder einmal angenehm flüssig. Der 3. Band erscheint am 28.07.2020 und trägt den Titel „Das Vermächtnis der Seidenvilla“ und darauf freue ich mich sehr.

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Veröffentlicht am 04.06.2020

3. Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein

Tiefe Wunden (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 3)
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Als David Goldberg 1945 Deutschland verlassen hat tat er das, um sein Überleben zu sichern. In den USA wurde er zu einem wichtigen Mann in Washington, war über Jahrzehnte Berater des Weißen Hauses und ...

Als David Goldberg 1945 Deutschland verlassen hat tat er das, um sein Überleben zu sichern. In den USA wurde er zu einem wichtigen Mann in Washington, war über Jahrzehnte Berater des Weißen Hauses und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates. Er hatte mit der Rüstungsindustrie zu tun und hat sich aktiv für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel eingesetzt. Nach nunmehr 60 Jahren in Amerika bekommt Goldberg Heimweh nach Deutschland und deswegen beschließt er, seinen Lebensabend in seiner einstigen Heimat zu verbringen.

Aufgrund seiner zahlreichen geschäftlichen und freundschaftlichen Verpflichtungen in Deutschland, besitzt er seit knapp 20 Jahren ein Haus in der Nähe von Frankfurt, wo er auch hochgeschätztes Mitglied der Jüdischen Gemeinde ist. In diesem Haus findet ihn eines morgens seine Haushälterin in einer knieenden Haltung mit einem Loch im Hinterkopf. Auf einem Spiegel neben dem Toten ist mit Blut eine Zahl geschrieben: 1-6-1-4-5. Bei der Obduktion von Goldberg fällt dem Rechtsmediziner auf der Unterseite des linken Oberarms eine Tätowierung auf, wie sie nur Mitglieder der Waffen-SS hatten. Wie kann das sein, Goldberg war doch Jude?

Kurz darauf gibt es eine weitere Leiche: Hermann Schneider. In seinem Keller findet sich ein kleines Privatkino mit etlichen Ausgaben der „Deutschen Wochenschau“ aus den Jahren 1933 – 1945, Standarten und Fotos mit persönlicher Widmung von Hitler. Schneider wurde mit der gleichen Waffe und auf die gleiche Art und Weise erschossen wie Goldberg. Neben seiner Leiche findet sich ebenfalls die Zahl 1-6-1-4-5.

Die dritte Tote folgt auf dem Fuße. Es handelt sich um Anita Frings. Im Gegensatz zu den beiden Herren wird sie nicht zu Hause erschossen, sondern mit einem Rollstuhl aus der Seniorenresidenz „Taunusblick“ entführt und im angrenzenden Wald durch einen Genickschuss getötet. Der Täter macht sich die Mühe die alte Dame auszuziehen und auf ihren nackten Rücken mit ihrem Blut die Zahl 1-6-1-4-5 zu schreiben.

Was verbindet diese 3 Toten, außer der Zahl 1-6-1-4-5? Alle 3 waren Bekannte von Dr. Vera Kaltensee, die Hitler und das Dritte Reich gehasst hat und seit Jahren das Zentrum gegen Vertreibungen unterstützt.

Die Ermittler Pia Kirchhoff, Oliver von Bodenstein und das Team der K 11 der Regionalen Kriminalinspektion Hofheim müssen sich ganz schön ins Zeug legen, um diesen Fall zu lösen.

Bei „Tiefe Wunden“ handelt es sich um den 3. Fall der Bodenstein-Kirchhoff-Reihe, geschrieben von Nele Neuhaus. Den Krimi habe ich im Rahmen der Aktion „Bücher, nicht Boote“ - ein Gemeinschaftsprojekt der „Flüchtlingspaten Syrien“ und der Initiative „Autoren helfen“ erhalten. Also liegt dieses Buch seit dem 31.08.2016 auf meinem Stapel ungelesener Bücher (SuB).

Vor kurzem habe ich den 2. Band der Reihe „Mordsfreunde“ gelesen (leider nicht rezensiert), der mir sehr gut gefallen hat. „Tiefe Wunden“ jedoch hat mich ein wenig zwiegespalten zurückgelassen.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr gut, ich empfinde es wirklich als sehr angenehm, wie sie schreibt und wie sie sich ausdrückt, man kann die Geschichte flüssig lesen und sie erzeugt eine angenehme Art von Spannung.

Das Buch ist in mehrere Kapitel eingeteilt, die mit Tag und Datum überschrieben sind. Es beginnt am Samstag, dem 28. April 2007 und endet am 11. Mai 2007, der Epilog ist im September 2007.
Die Charaktere werden so plastisch geschildert, dass man sich ein Bild von jedem einzelnen machen kann. Von Bodenstein und Kirchhoff kannte ich ja schon aus dem Vorgängerband, allerdings sind es viel zu viele andere Personen, die hier in diesem Krimi miteinander agieren. Ich habe das Buch nicht in einem durch gelesen sondern ich musste es ab und an mal für 1 – 2 Tage aus der Hand legen. Bei der Wiederaufnahme der Lektüre brauchte ich erst mal eine geraume Zeit um mich zu orientieren, wer denn nun wieder wer ist und es ist mir tatsächlich nicht immer gelungen, sofort wieder den Durchblick zu erhalten. Ich weiß tatsächlich nicht, ob ich die Familienverbunde immer richtig auf die Reihe bekommen habe, denn irgendwann stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass der Stiefbruder gar nicht der Stiefbruder sondern der Sohn ist …. und ich glaube an der Stelle bin ich dann personentechnisch komplett ausgestiegen.

Ich habe generell ein Problem damit, wenn viele Leute in einem Buch auf der Bildfläche erscheinen, hier ist es aber nicht nur mein Problem, denn in vielen anderen Rezensionen fiel mir auf, dass auch andere Leser genau dieses Problem hatten.

Den Plot selbst fand ich sehr spannend und ich finde es faszinierend, dass Menschen 60 Jahre lang eine Fassade aufrecht erhalten können, die aus nichts anderem als Lug und Trug besteht und das Umfeld merkt nichts; selbst die eigenen Kinder leben ja nichts anderes als die Lüge ihrer Eltern, ohne es zu wissen.

Wer jetzt wen umgebracht hat und aus welchem Grund, das verrate ich nicht, ich verrate aber, dass es nicht bei den 3 Toten bleibt und der Schluss kam ganz anders daher, als ich vermutet habe.

Ich weiß, dass in diesem Kriminalfall eine Personenübersicht am Ende des Buches nicht so ganz einfach zu gestalten ist, da einige Personen eine Doppel-Identität haben und andere Personen nicht die sind, die sie zu sein scheinen. Aber eine Übersicht über die Bande der Kaltensee-Familie wäre für mich sehr hilfreich gewesen.

Auch wenn ich mit diesem Buch hier irgendwann ein klein wenig überfordert war, so war es sicherlich nicht mein letzter Krimi von Nele Neuhaus.

Veröffentlicht am 02.06.2020

4 Frauen, 4 Generationen, 4 Schicksale

Belmonte
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Wenn es kommt, dann kommt meist dicke. Der Tag fing schon schlecht an, weswegen Simona über ihr Leben nachdenkt und darüber, was sie wirklich will. Was wird ihre nonna Franca dazu sagen, dass sie gerade ...

Wenn es kommt, dann kommt meist dicke. Der Tag fing schon schlecht an, weswegen Simona über ihr Leben nachdenkt und darüber, was sie wirklich will. Was wird ihre nonna Franca dazu sagen, dass sie gerade ihren Job als Landschaftsgärtnerin verloren hat? Soll sie Sebastian heiraten? Warum sagt ihre Mutter Marina ihr nicht endlich, wer ihr Vater ist? Bisher hat sie sich eingeredet, dass diese Lücke in ihrem Leben sie nicht sonderlich stört, aber heute erscheint es ihr irgendwie in einem anderen Licht, nicht zu wissen wo ihre Wurzeln sind.

Sie wird in wenigen Tagen 30 Jahre alt – aber wer ist sie eigentlich und wie kann man existieren, wenn man nicht weiß, wer man ist?

Mitten in ihre Überlegungen hinein erhält sie die Nachricht, dass ihre nonna verstorben ist. Die Frau, die ihr mehr Mutter war, als ihre eigene Mutter es jemals war, ist für immer aus ihrem Leben gegangen.

Bei der Testamentseröffnung erfährt Simona, dass ihre Mutter Marina das Haus im Allgäu geerbt hat, sie hingegen hat eine Menge Bargeld und ein Haus in den italienischen Marken, in der Region Mittelitalien, geerbt. Simona hatte bisher überhaupt keine Ahnung, dass ihre Großmutter ein Haus in Italien besitzt und da es beruflich und privat gerade nicht ganz so gut läuft, fährt sie nach Belmonte um sich ihr Erbe anzuschauen und ein wenig Abstand zu ihrem Freund Sebastian zu bekommen.

Nach und nach lernt sie die Mitglieder der Familie Ferri kennen; die Familie, bei der nonna Franca aufgewachsen ist, nachdem ihre Mutter Teresa im Jahr 1951 spurlos verschwunden ist. Im Abstand von wenigen Tagen findet Simona Kassetten in ihrem Briefkasten. Auf diese Art und Weise erfährt sie die Lebensgeschichte ihrer Mutter Marina, ihrer Großmutter Franca und ihrer Ur-Großmutter Teresa.

Liegen ihre eigenen Wurzeln auch in Italien?

Ich habe die deutsch-italienische Familiengeschichte „Belmonte“ im Rahmen der NetGalleyDEChallenge 2020 gelesen. Es ist der erste Roman den ich bisher gelesen habe, der von Antonia Riepp geschrieben wurde. Ich liebe es, Familienschicksale dieser Art zu lesen und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.

Am Anfang wird die Geschichte aus der Sicht von Teresa und Simona erzählt, später kommt noch Franca hinzu.

Die Erzählung von Teresa beginnt im Jahr 1944 in dem sie, gemeinsam mit ihrer Freundin Marta, eine kleine Gruppe der Resistenza mit Lebensmitteln und anderen Notwendigkeiten versorgt. Ihr Bruder Claudio ist in diesem verdammten Krieg gefallen und ihre Eltern haben das Lachen verlernt. Das Leben ist unerträglich schwer und Teresa schildert den Alltag auf dem Hof, wie ihr Vater sie als 20jährige für einen Weinberg an den einarmigen Ettore Moretti „verkauft“ und wie sie sich auf dem Hof der Morettis abrackern muss.

Ab dem Jahr 1951 – das Jahr, in dem Teresa verschwindet – übernimmt Franca die Rolle der Erzählerin. Franca war damals 6 Jahre alt. Ihr Großvater hasst sie, ihre Großmutter hat nicht wirklich viel Zeit neben ihrer Arbeit auf dem Hof und so verbringt Franca immer mehr Zeit bei ihrer besten Freundin Irma. Nach einer schweren Krankheit ihrer Großmutter Alfonsina bleibt Franca dann ganz auf dem Hof der Familie Ferri. In den 1960er Jahren, Franca ist 15 Jahre alt, hört sie zum ersten mal von Deutschland. Im Januar 1965 wandert sie, gemeinsam mit Mateo Ferri, als Gastarbeiterin nach Kempten aus. Mateos Vater Salvatore ist schon seit 5 Jahren in Deutschland.

Die Erzählung von Simona handelt in der Gegenwart. Sie hat gerade ihren Job verloren, überdenkt die Beziehung zu ihrem Freund Sebastian und hat durch den Tod ihrer nonna eine Menge Geld und ein Haus in Italien geerbt. Durch die Kassetten, die ihre Großmutter für sie besprochen hat, und durch den Kontakt zur Familie Ferri in Belmonte, kommt sie ihrer eigenen Abstammung immer näher. Denn der Name ihres Vaters wird ihr von ihrer Mutter Marina bis heute vorenthalten. Marina waren ihre ständig wechselnden Liebschaften immer wichtiger als ihrer Tochter, weswegen Simona bei Franca aufgewachsen ist.

Die Autorin erzählt hier die Lebensgeschichte von 4 Frauen aus 4 Generationen – eines hatten sie alle gemeinsam: ein gestörtes Verhältnis zu ihren Müttern.

Der Schreibstil ist angenehm, die Geschichte liest sich flüssig weg und die Charaktere sowie ihre Lebensgeschichten sind logisch aufgebaut, auch wenn man nicht jede Handlung der Protagonisten verstehen/nachvollziehen kann. Wie fast in jedem Buch das auf 2 Zeitebenen geschrieben wird, gefällt mir auch hier die Vergangenheitsebene besser. Wahrscheinlich, weil ich die Probleme der Gegenwart selbst kenne.

Was mir beim Lesen einige Probleme bereitet hat, ist der familiäre Zusammenhang der einzelnen Personen, eben weil es sich um mehrere Personen in unterschiedlichen Generationen handelt. Ich wollte bemerken, dass eine Übersicht der handelnden Personen ganz nett wäre, habe aber in einer anderen Rezension gelesen, dass es in der Printausgabe wohl einen Stammbaum gibt, der im eBook leider nicht vorhanden ist. Wahrscheinlich befindet sich dieser auf der Seite, auf der bei mir der Hinweis „missing image/fehlendes Bild“ eingeblendet ist. Diese Übersicht hätte mir das Lesen an der ein oder anderen Stelle wirklich erleichtert.

Ansonsten habe ich mich wirklich gut unterhalten gefühlt. Ich konnte beim Lesen ein wenig italienisches Flair spüren, auch wenn es mir nicht unbedingt gefallen hätte zur damaligen Zeit zu leben.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Die Krankenschwester von St. Pauli, Teil 1, Hamburg 1885 – 1892

Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals
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Svantje ist 13 Jahre alt, als sie ihre Heimat – einen Bauernhof im Alten Land – verlassen muss. Zwei Ziegen ziehen den Wagen mit ihren Habseligkeiten, denn viel ist nicht geblieben, nachdem das letzte ...

Svantje ist 13 Jahre alt, als sie ihre Heimat – einen Bauernhof im Alten Land – verlassen muss. Zwei Ziegen ziehen den Wagen mit ihren Habseligkeiten, denn viel ist nicht geblieben, nachdem das letzte Elbhochwasser alles vernichtet hat, was ihnen gehörte. Das Haus wurde weggespült, das Vieh ist ertrunken und so machen sich Svantje, ihre Mutter und der 3 Monate alte Piet zu Fuß auf den Weg nach Hamburg, wo Vater Georg Claasen seit Jahren auf einer Schiffswerft arbeitet. In den letzten Jahren kam er nur zur Aussaat und für die Ernte auf den Bauernhof zurück. Ihr neues Zuhause ist eine kleine Wohnung im ärmlichen Gängeviertel im Hamburg.

Piet ist ein kränkliches Kind. Nachdem Svantje ihn einmal durch ihr beherztes Eingreifen ins Leben zurückgeholt hat, wächst in ihr der Wunsch Krankenschwester zu werden und durch die Anstellung ihrer Mutter im Hause Harkenfeld kann Svantje die Schwesternschule besuchen.

Nach ihrer Ausbildung erfordern es jedoch die privaten Umstände ihrer Eltern, dass Svantje erst 1 Jahr später als Krankenschwester arbeiten kann – für sie ist es kein Beruf, sondern Berufung und als im Hamburger Hafen und in den Armenvierteln die Cholera ausbricht, kann sie zeigen was in ihr steckt.

„Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ ist der 1. Band der „St. Pauli-Reihe“ der Autorin Rebecca Maly. Wer mich kennt bzw. wer meinem Blog schon länger folgt der weiß, dass ich die Bücher von Rebecca Maly liebe. Ich habe schon einige historische Romane von ihr gelesen, aber auch ihre Krimis, die sie unter ihrem Namen Rebekka Pax veröffentlicht.

Der Roman liest sich – wie von Rebecca Maly gewohnt – angenehm flüssig. Ihr Schreibstil ist schlicht, aber nicht einfach, und sie versteht es, den Leser für ein paar Stunden mitzunehmen in eine andere Zeit. Die Geschichte spielt sich über mehrere Jahre ab und wird aus 5 verschiedenen Perspektiven erzählt.

Zum einen ist da Svantje. Zu Beginn des Romans ist sie 13 Jahre alt und tauscht gerade ihr entbehrungsreiches Leben auf dem Bauernhof gegen das Leben in den Armenvierteln Hamburgs ein. Von Anfang an wird klar, dass es sich hier um eine starke Persönlichkeit handelt und sie ihren Weg gehen wird. Ganz einfach ist das jedoch nicht, weil die Kluft zwischen Arm und Reich damals noch riesengroß war. Svantje ist eine sehr sympathische Protagonistin, die immer ihr Wohl hinter das der Anderen stellt und sich selbst gerne mal vergisst. Zu allem Übel erkrankt ein ihr nahestehender Mensch sehr schwer an Cholera. Es ist fraglich, ob er die Seuche überlebt.

Dann gibt es Svantjes Jugendfreund Raik. Raik wohnt im gleichen Haus wie die Claasens und nach ihrer Ankunft in Hamburg freunden sich die Beiden sehr schnell an. Gemeinsam ziehen sie durch die Gängeviertel und verkaufen frisches Trinkwasser, welches sie auf einem Wagen mit sich führen. Dank Vater Claasen bekommt Raik einen Job auf der Werft der Harkenfelds und so kann er seine etwas unschöne und unehrbare Vergangenheit hinter sich lassen. Als sich die Hamburger Werftarbeiter gegen ihre Arbeitgeber auflehnen und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen und streiken, schließt Raik sich ihnen an. Aufgrund dieser Tatsache ist Raik ein rotes Tuch für Harkenfeld Senior. Es gibt da jedoch eine Sache, da sind die höhergestellten Harkenfelds auf „so einen“ wie Raik angewiesen.

Friedrich Falkenberg stammt aus höherem Hause, hat sich aber unabhängig von seinem Elternhaus einen Tuchhandel aufgebaut. Seine Reisen führen ihn nach China und Russland und er beabsichtigt, in Hamburg einen größeren Handel aufzuziehen. Bei einer Laterna Magica lernt er Svantje kennen und die beiden verlieben sich ineinander. Es vergehen jedoch einige Jahre, in denen Friedrich viel auf Reisen ist und die Beiden nur per Brief miteinander kommunizieren können. Als sie sich dann endlich ihrer Liebe sicher sind und heiraten wollen, verlangen die Eltern von Svantje eine einjährige Verlobungszeit, die Eltern von Friedrich wollen diese unstandesgemäße Liaison gleich ganz aufgelöst sehen, weswegen Friedrich bereit ist, mit seiner Familie zu brechen.

Richard Harkenfeld ist der zukünftige Erbe der Harkenfeld-Werft, sein Vater und er sind sich jedoch in vielen Dingen der Geschäftsführung ziemlich uneinig, was zu permanenten Rebereien führt. Dass Richard einige der Forderungen der Werftarbeiter als gerechtfertigt empfindet, empfindet der alte Harkenfeld als einen Affront. Aufgrund der gesundheitlichen Vorgeschichte seines Vaters, traut Richard sich jedoch nicht, die Veränderungen härter durchzusetzen. Er möchte nicht Schuld daran sein, wenn sein Vater einen Herzinfarkt erleidet. Richard ist übrigens der beste Freund von Friedrich Falkenberg und im Laufe der Geschichte erkennt er zumindest einen Teil seiner eigenen Bestimmung.

Zu guter Letzt erfahren wir einen Teil der Geschichte auch noch von Hilde Harkenfeld. Sie ist die Schwester von Richard und als „Tochter aus gutem Hause“ hatte sie zur damaligen Zeit nicht viel Mitspracherecht, was ihren weiteren Lebensweg betrifft. Ihr Vater möchte sie möglichst schnell unter die Haube bringen – auf jeden Fall soll sich die Heirat für die Schiffswerft auszahlen – und Hilde kann einer solchen Zwangsheirat leider nichts entgegensetzen. Da Svantje für kurze Zeit Hilde als Anstandsdame zu ihren Treffen begleitet hat, verbindet die beiden Frauen ein zartes Band der Freundschaft; selbstredend nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit, alles andere wäre gegen die guten Sitten. Als Hilde in Gefahr gerät, sind es jedoch nicht die Herren von edlem Geblüt, die sie finden ….

Neben Svantje mochte ich Hilde sehr gerne, denn hinter ihrer unnahbaren Fassade steckt ein wirklich liebenswerter Mensch, gefangen in den Verhaltensregeln der damaligen Zeit.

Rebecca Maly versteht es sehr gut, sowohl die Hintergrundgeschichten der einzelnen Familien, als auch die Lebenswege der 5 Protagonisten so geschickt miteinander zu verflechten, dass alles ein abgerundetes Bild ergibt. Das Buch endet mit einem fiesen Cliffhanger, was unsagbare Lust auf den Nachfolgeband macht, der schon am 02.06.2020 erscheint. Teil 3 erscheint auch noch in diesem Jahr, nämlich am 03.08.2020. Die Zeit bis dahin ist also erfreulicherweise recht kurz.

Ich persönlich habe einen kleinen Kritikpunkt, der jedoch nicht in die Endbewertung einfließt.

Als störend empfinde ich die Tatsache, dass die Autorin die ProtagonistInnen an einigen Stellen Plattdeutsch reden lässt. Dies jedoch nicht in ganzen Sätzen, sondern immer überwiegend nur einzelne Worte. z.B. „Da bekommen de Lüüd Fischsuppe umsonst“ oder „Dafür ist es noch zu früh am Daag“. Für mich würde es mehr Sinn machen, den ganzen Satz in Plattdeutsch zu schreiben oder aber, alles in Hochdeutsch. Sprechen Menschen tatsächlich 90 % eines Satzes korrektes Deutsch, um dann ein oder zwei Worte in Platt zu sagen? Ich weiß es tatsächlich nicht, mein Lesefluss kam jedoch an solchen Sätzen immer ein wenig ins Stocken.

Ansonsten empfinde ich „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schicksals“ als einen gelungenen Auftakt zur 3teiligen „St. Pauli-Reihe“ und ich erwarte voller Sehnsucht den nächsten Band.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Fairfield/Nebraska in den 1980er Jahren

Sommer der Wahrheit (Sheridan-Grant-Serie 1)
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Zu Beginn der Geschichte in „Sommer der Wahrheit“ ist die Haupt-Protagonistin Sheridan 15 Jahre alt. Sie wurde von Rachel und Vernon Grant adoptiert und gemeinsam mit den 4 eigenen Söhnen der Grants lebt ...

Zu Beginn der Geschichte in „Sommer der Wahrheit“ ist die Haupt-Protagonistin Sheridan 15 Jahre alt. Sie wurde von Rachel und Vernon Grant adoptiert und gemeinsam mit den 4 eigenen Söhnen der Grants lebt sie auf der Willow Creek Farm in Fairfield/Nebraska.

Rachel und ihr jüngster Sohn Esra nutzen jede Gelegenheit um Sheridan zu schikanieren. Das geht so weit, dass Rachel ihr verbietet sich mit ihren Freunden zu treffen oder Musik zu machen. Sie schafft es sogar, mit Hilfe von durch sie aufgewiegelten Eltern, dass die Aufführung eines Schul-Musicals verboten wird. Sheridan muss auf der Farm helfen, im Hühnerstall arbeiten und der einzige Mensch, der sie vor all dem bewahren könnte, ist ihr Stiefvater Vernon. Der ist jedoch aus beruflichen Gründen oft tagelang nicht zu Hause.

Manchmal flüchtet sich Sheridan, um ihre Ruhe zu haben, in ein leerstehendes Anwesen, das Riverview Cottage, wo sie eines Tages zufällig die Tagebücher einer Carolyn Cooper findet. In den 30 Jahren alten Aufzeichnungen findet Sheridan Hinweise, die mit ihrer Herkunft, aber auch mit ihren Adoptiveltern zu tun haben. Die Grants haben Sheridan all die Jahre erzählt, dass ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen. Die Wahrheit ist das auf jeden Fall nicht …..

Bei „Sommer der Wahrheit“ handelt es sich um den 1. Band der Sheridan-Grant-Reihe aus der Feder der Autorin Nele Löwenberg, der am 16. Juni 2014 zum ersten Mal im Ullstein-Taschenbuch-Verlag veröffentlicht wurde.

Ich kenne - und mag - die Kriminalromane der Autorin Nele Neuhaus, dass sie unter ihrem Mädchennamen auch Jugendbücher und Romane veröffentlicht hat, wusste ich bis vor kurzem nicht. In diesem Jahr wird die komplette Sheridan-Grant-Trilogie vom Ullstein eBooks-Verlag neu aufgelegt und in diesem Zusammenhang werden die Bücher dann auch unter dem Namen Nele Neuhaus veröffentlicht.

Sheridan lebt mit ihrer Adoptivfamilie in einem ziemlich öden Landstrich, außer Farmen gibt es dort nix und die Freizeitgestaltung für Jugendliche findet nur dann statt, wenn sie sie selbst in die Hand nehmen. Das führt dann auch schon mal dazu, dass man mit Freunden auf alten, stillgelegten Fabrikgeländen abhängt, Alkohol trinkt und raucht und von der Polizei verhaftet wird.

Sheridan erzählt ihre Geschichte in der Ich-Form über knapp 2 Jahre ihres Lebens hinweg. Sie erzählt vom Zusammenleben mit ihrer Adoptiv-Familie, den Schikanen ihrer Adoptivmutter und ihres Bruders, von ihren Freunden und denen, die nur vorgeben Freunde zu sein. Der Leser erlebt mit ihr ihren ersten - freiwilligen - Sex, dann auch den unfreiwilligen Sex, aus dem sich einige Komplikationen ergeben, die wirklich belastbare Freundschaft zu Nicolas, der nur für wenige Wochen in Fairfield seine Mutter besucht, ihre Freundschaft mit dem Reverend der Gemeinde und natürlich die Dinge, die sich nach dem Fund der Tagebücher von Carolyn Cooper in Sheridans Leben verändern.

Die handelnden Personen, sowohl Protagonisten als auch Antagonisten, sind sehr schön charakterisiert. Natürlich sieht man die Menschen in Sheridans Umfeld durch ihre Augen und entwickelt – genau wie sie - Sympathien und Antipathien für die Charaktere. Ich mag ihren Vater Vernon sehr gerne und ich hatte auch eine ganze Zeit lang den Gedanken, dass er eigentlich Sheridans biologischer Vater sein könnte. Ich kreide ihm jedoch sein „ich habe von alledem nichts gewusst“ an, denn es liegt einzig und alleine an ihm, über die Vorgänge auf der Farm informiert zu sein oder nicht. Er ist zwar beruflich sehr viel und sehr oft unterwegs, das entschuldigt sein Verhalten in meinen Augen jedoch nicht. Neben Vernon mag ich Nicolas sehr gerne, denn er steht genau für das, was Freundschaft bedeutet. Auch wenn das, was er für Sheridan tut, nicht unbedingt als normaler Freundschaftsdienst zu bezeichnen ist, denn das war schon eine Nummer größer. Bevor Sheridan sich richtig in ihn verlieben konnte, verlässt er Fairfield auch schon wieder. Über Rachel und Esra mag ich gar nicht viel schreiben – sie nutzen jede Gelegenheit, Sheridan das Leben schwer zu machen und sie sind recht erfindungsreich dabei. Esra bringt sich bei einer solchen Aktion dann auch selbst in Lebensgefahr; gerettet wird er von niemand anderem als seiner Stiefschwester Sheridan.

Ich könnte mich jetzt darüber auslassen, dass Sheridan mit 15 für ihren ersten Sex noch zu jung ist, oder über die Tatsache, dass ihre Sexpartner alle deutlich älter sind als sie – die Umstände lassen sich jedoch nicht ändern und in ihrem Kaff in Nebraska kommt wahrscheinlich nicht jeden Tag ein junger Mann im passenden Alter vorbei … manchmal muss man einfach mit dem klar kommen, was man vor der Nase hat.

Dass Sheridan selbst mit dieser Situation nicht zufrieden ist, zeigt sich in ihrem Gedanken, dass sie an ihrem 18. Geburtstag ihre Koffer packt und geht. Die Geschichte dazu erzählt sie dann im 2. Band „Straße nach Nirgendwo“, der schon auf meinem eBook-Reader darauf wartet, gelesen zu werden.

Der Schreibstil der Autorin Nele Neuhaus ist – wie aus ihren Krimis gewohnt – gut und angenehm zu lesen. Die Geschichte selbst fließt vor sich hin, es gibt keine großen Dramen, keine ansteigende und abschwellende Spannung, es ist einfach die Lebensgeschichte eines jungen Mädchens, das nach und nach erwachsen wird und auf diesem Weg sowohl schöne als auch unschöne Dinge erlebt. Ich fand gerade diese unaufgeregte Art der Erzählung schön, denn ab und an brauche ich solch ruhige Geschichten. Man darf hier auf keinen Fall den Fehler machen, den Roman mit einem Krimi von Nele Neuhaus zu vergleichen, das hat überhaupt nichts miteinander zu tun.

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