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Veröffentlicht am 25.01.2024

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

Die Schuld
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Samuel W. Gailey - Die Schuld
(Polar Verlag)

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

North-Carolina, im Jahre 2005. Als die Eltern der 15-jährigen leidenschaftlichen ...

Samuel W. Gailey - Die Schuld
(Polar Verlag)

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

North-Carolina, im Jahre 2005. Als die Eltern der 15-jährigen leidenschaftlichen Schwimmerin Alice O’Farrell das Haus verlassen um ihren 20. Hochzeitstag zu feiern, ist die Jugendliche mit ihrem vierjährigen Bruder Jason allein zu Hause. Gerade als Alice mit dem Entfernen seiner Nagellackschmierereien in ihrem Zimmer beschäftigt ist, beschließt der kleine unbeaufsichtigte Racker, eine Runde im Wäschetrockner zu drehen. Dass das nicht gut gehen kann, versteht sich von selbst. Mit dem Resultat, dass Alice die längste Zeit einen Bruder hatte. Szenenwechsel. Sechs Jahre später. Aufgrund ihrer Schuldgefühle von zu Hause abgehauen und zur Alkoholikerin avanciert, ist von Alices einstmaliger, aufstrebender Tragfähigkeit nicht viel mehr übrig geblieben, als ein psychisches und physisches Wrack. Sie arbeitet als Barkeeperin im Frisky Pony, einem Striplokal in Harrisburg. Schon viel zu lange. Zeit weiterzuziehen. Die Umwelt erfolgreich ausgeblendet, die Gefühle unterdrückt, den Kater vom alltäglichen Besäufnis kategorisiert, startet sie in den Tag. Und mit ihr Terry Otis. Seines Zeichens Geschäftsführer des Frisky Pony. Zumindest war er das, bevor er neben Alice, nackt im Bett seines Trailers, in seiner eigenen Kotze erstickte. Als sie die Tasche mit dem Bargeld und den illegalen Substanzen neben ihm entdeckt, beschließt sie kurzerhand die Cops zu rufen. Doch diejenigen, die kurz darauf an die Tür des Wohnwagens klopfen, sind keine Cops. Eigentlich das glatte Gegenteil. Jetzt steckt Alice in Schwierigkeiten. Doch aus dieser Affäre kann sie sich erfolgreich herauswinden. Als anschließend tatsächlich die Cops anklopfen, ist das Massaker perfekt und Alice längst auf der Flucht. Samt einer Tasche voller Bargeld, die immer wieder Begehrlichkeiten hervorruft.

Im amerikanischen Original bereits im Jahre 2019 unter dem Titel "The Guilt We Carry" erschien, geht "Die Schuld" von der Startzeile an straight forward. Das sarkastisch-humorige Sprachvermögen, dem sich der US-amerikanische Schriftsteller Samuel Gailey zu Beginn seines Zweitwerks bemächtigt, verfliegt im weiteren Verlauf der 312-seitigen Road Novel immer mehr, zugunsten eines weit tiefgründigeren und anspruchsvolleren erzählerischen Stils. Trotz melancholischer Zwischentöne trägt "Die Schuld" in der Darstellung der Charaktere oder der Gewaltszenen anfangs dick auf, dafür sorgt Gailey innerhalb seiner nervenaufreibenden, gleichwohl rasanten Dynamik aber auch für ordentlich Spannung und Action. Dabei wagt der Autor, der in einer Kleinstadt im Nordosten Pennsylvanias aufwuchs und heute auf der abgelegenen Orcas Island lebt, immer wieder emotionale Rückblicke in Alices herzzerreißende Vergangenheit, sowie in die Gedanken- und Gefühlswelt der Borderlinerin. Mitleid kommt mit der gebeutelten Alice auf und man beginnt mit ihr mitzufühlen. Enttäuscht von sich selbst, dem Leben an sich, ihrem Umfeld und ihren Mitmenschen im Allgemeinen, hat sie den Glauben an Freundschaft und Gerechtigkeit, in einem moralisch verkommenen Amerika in den Anfängen des 21. Jahrhunderts, schon früh verloren. Ihre ausgeprägte Alkoholsucht ist da nicht gerade förderlich. Nicht alle, der leicht skurril gehaltenen Akteure, meinen es schlecht mit ihr. So lernt Alice auf ihrer Flucht vor der Vergangenheit und den eigenen Dämonen, den großväterlichen Rattenfänger Elton oder die ebenfalls von zu Hause ausgerissene Delilah kennen, die sich ihr unaufgefordert anschließt.

Doch Alice, die aufgrund ihres Wesens, ständig mit ekelhaften Junkies, bemitleidenswerten Außenseitern und strohdoofen Hillbillys aneinander zu geraten scheint, zieht den Ärger nun mal an, wie die Scheiße Fliegen. Und da sie eine Menge Kohle mit sich herumträgt, die ihr nicht gehört, sitzt ihr alsbald der wortgewandte, kleinwüchsige und brutale Drogenboss Sinclair, samt seines proportional überdimensionierten "Mädchen für alles" krampfhaft im Nacken. Während sich Alice und ihre neu erworbene Freundin Delilah immer weiter in die Scheiße reiten, wird Sinclair auf der Suche nach seinem Geld regelrecht investigativ.

Von subtilem Heimweh und einer ungewissen Sehnsucht geplagt, ist Alices Leidensweg eine gewisse Selbstkasteiung. Die aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel "Die Schuld", die sich ausnimmt wie ein cinematischer Rausch, erinnert entfernt an den, im letzten Jahr verstorbenen Cormac McCarthy. Sie ist auch ein trauriges Psychogramm über Einsamkeit, Angst, Verletzbarkeit, Alkoholsucht, Mobbing, Hilflosigkeit, Missbrauch, Ausweglosigkeit, Rassismus, Schutzbedürftigkeit, Mord, Totschlag und letzten Endes natürlich auch über die jeweilige Schuld, die jeder einzelne als strafende Bürde mit sich trägt.

(Janko)

https://www.samuelwgailey.com/
https://www.facebook.com/SamuelWGailey/
https://www.instagram.com/samuelwgailey/

Brutalität/Gewalt: 67/100
Spannung: 73/100
Action: 71/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 50/100
Atmosphäre: 62/100
Emotion: 63/100
Humor: 09/100
Sex/Obszönität: 16/100

LACK OF LIES - Wertung: 83/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 16 Jahren (aufgrund der Kausalitäten und der relativ expliziten Gewalt)

Samuel W. Gailey - Die Schuld
Polar Verlag
Kriminalroman
ISBN: 978-3-948392-96-3
312 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Originaltitel: The Guilt We Carry (2019)
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf
Erscheinungstermin: 15.01.2024
EUR 26,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die Schuld" beim Polar Verlag: https://polar-verlag.de/my-product/samuel-w-gailey-die-schuld/

Leseprobe: https://polar-verlag.de/my-product/leseprobe-49/

Original Trailer zum Buch (english): https://youtu.be/1pib3NtCUMk

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.01.2024

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Wonderland - Ein Albtraum
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Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
(Festa Verlag)

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Adirondack Mountains, im nordöstlichen Teil des US-Bundesstaates New York. Die 41-jährige Orla Moreau ...

Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
(Festa Verlag)

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Adirondack Mountains, im nordöstlichen Teil des US-Bundesstaates New York. Die 41-jährige Orla Moreau und ihr drei Jahre jüngerer Ehemann Shaw Bennett haben einen Hof fern ab jeglicher Zivilisation erworben, um gemeinsam mit ihren beiden Kindern Eleanor Queen und Tycho dem Stress und der Hektik ihres ehemaligen Wohnsitzes in Manhattan zu entgehen. Zwischen Bergen, Wäldern, Flüssen und Tälern wollen sie die Tage auskosten, die Ruhe und den Frieden mitten im Nirgendwo genießen und letztlich zu sich selbst finden. Die abenteuerlustige und lebensbejahende Familie, die mit den üblichen Problemen der modernen Gesellschaft hadert, richtet sich in ihrem Farmhaus und dem dazugehörigen Grundstück mitten im Wald, auf ein mehr oder minder entbehrungsreiches Leben ein. Und das wird es definitiv werden! Hinter ihrem Haus steht, wie ein Fels in der Brandung, eine große, über 500 Jahre alte Weymouth-Kiefer. Das riesige, alles überragende Ungetüm scheint sich als Muse in Shaws Gemüt zu schleichen. Der immergrüne Baum manifestiert sich in den Träumen des 38-jährigen Familienvaters, lässt ihn besser malen, ihn vitaler erscheinen und immer aufgeregter werden. Dementgegen brechen sich beklemmende, gar bedrohliche Empfindungen bei Orla und ihrer neunjährigen Tochter Bahn. Seltsame Vorkommnisse, Gerüche, die es nicht geben dürfte, undefinierbare Geräusche, schwer einzuordnende Gefühle, Halluzinationen, Trugbilder, plötzlich auftretende und sich genauso schnell wieder legende Wetterphänomene und eine frostklirrende, todbringende Kälte. Das alles wirkt sich äußerst verstörend auf die vierköpfige Familie aus.

Die lebensnah inszenierte Folk-/Psycho-Horror Story "Wonderland - Ein Albtraum", der US-Amerikanerin Zoje Stage, besitzt jede Menge Mystery-Elemente. Dabei jongliert die 1969 in Pittsburgh, Pennsylvania geborene Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Regisseurin hin und wieder mit der Sprache und taucht ihre leicht verständliche Syntax schon mal in Metaphern. Stage lässt neben der fabelhaft ausgeschmückten winterlichen Kulisse auch gerne beklemmende und bedrohliche Komponenten in ihren erzählerischen Stil einfließen. Sie skizziert ihre Charaktere ausgiebig und haucht ihnen gekonnt Leben und Emotionen ein. So verbreitet sich schnell ein cozy Feeling, das innerhalb seiner 496 Seiten immer wieder von unbehaglichen Momenten und schaurigen Illusionen durchdrungen wird. Der raffiniert geplottete Nervenkitzel, aus Familiengeschichte, Mystery-Horror und verstörenden Passagen, bleibt dabei permanent ereignisreich, fesselnd und mit kleineren Ausnahmen authentisch.

Die Moreau-Bennetts reagieren hypersensibel und sehen Dinge, die nicht da sein sollten. Immer wieder prasseln paranormale Empfindungen auf sie ein. Eine besitzergreifende, machtvolle Entität scheint mit ihnen kommunizieren zu wollen, aber diese vergeistigte Form der Kommunikation will nicht so recht in Gang kommen und fängt an völlig nach hinten loszugehen. Alsbald liegen die Nerven der Familie blank und sie verlieren deutlich an Bodenhaftung. Als Orla und Shaw tiefer in die Geschichte rund um ihren frisch erworbenen Grund eintauchen und darüber spekulieren, worum es sich dabei handeln könnte, wird es immer unheimlicher. Lebensbedrohliche Wetterkapriolen schlagen unbarmherzig zu und zwingen die vier im Haus zu bleiben. Die verkopfte Orla versinkt nahezu permanent in ihrer Gedankenwelt, die sich geradezu krankhaft neurotisch um ihrer aller Schicksal dreht. Während sie verzweifelt versucht, die Familienbande zusammenzuhalten, bricht ihr beinahe der Boden unter den Füßen weg, denn nicht nur Shaw verändert sich nachhaltig. Die Ereignisse überschlagen sich endgültig, als Orla, Shaw, Eleanor Queen und Tycho versuchen das Wesen zu überlisten und das Grundstück für immer zu verlassen. Mit fatalem Ausgang.

Die verwirrenden Geschehnisse im Umfeld des Hauses erinnerten mich in gewisser Weise an eine Mischung aus "Old Country" von Matt und Harrison Query, "The Ceremonies" von T.E.D. Klein und "Das Jahr der Hexen" von Alexis Henderson. Psychologische Komponenten spielen eine ebenso tragende Rolle, wie Phänomene aus schwarzer und weißer Magie. Zoje Stages 2020 im Original unter dem Titel "Wonderland" erschienener zweiter Roman ist für mein Empfinden jedoch einen Tacken zu verspielt. Die US-amerikanische Bestsellerautorin sinniert mir zu häufig und zu ausgiebig über dies und jenes. So hätte sie Orlas omnipräsente Gedankengänge bezüglich des "Wie", "Was" und "Warum" und das langatmige Geplauder rund um ihren Seelenzustand, deutlich abkürzen können. Dafür hätte sie ihren Plot gerne noch etwas düsterer, bedrohlicher und blutiger ausgestalten können. Dennoch muss man neidlos anerkennen, dass Mrs. Stage ihre interessanten und übernatürlichen Ideen zu einem starken Gesamtkonstrukt zusammensetzt. Dabei arbeitet die Autorin, die viele Jahre in Rochester im US-Bundesstaat New York gelebt hat, gerne mit Cliffhangern, die sie strategisch sinnvoll anbringt. Zoje Stage lebt heute wieder in ihrer Heimatstadt Pittsburgh.

(Janko)

https://zojestage.blogspot.com/
https://www.facebook.com/ZojeStageAuthor
https://www.instagram.com/zoje.stage_author/

Brutalität/Gewalt: 22/100
Spannung: 74/100
Action: 66/100
Unterhaltung: 82/100
Anspruch: 30/100
Atmosphäre: 62/100
Emotion: 63/100
Humor: 04/100
Sex/Obszönität: 02/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 78/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahren (aufgrund der allgemeinen Thematik und der, allerdings nicht allzu expliziten Gewaltszenen)

Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
Festa Verlag
Spukhausgeschichte
Buchreihe: Festa Must Read - Band 50
ISBN: 978-3-98676-093-9
496 Seiten
Hardcover in der Festa-Lederoptik, mit Leseband
Originaltitel: Wonderland (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Claudia Rapp
Erscheinungstermin: 06.12.2023
EUR 24,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN (eBook): 978-3-98676-094-6
Erscheinungstermin: 11.11.2023
EUR 7,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Wonderland - Ein Albtraum" beim Festa Verlag: https://www.festa-verlag.de/wonderland-ein-albtraum.html

Leseprobe: https://www.festa-verlag.de/mpattachment/file/download/id/682/

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Veröffentlicht am 10.01.2024

- solider, atmosphärischer Thriller in Schnee und Eis -

SCHNEEFIEBER
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Giles Kristian - Schneefieber
(Penguin Verlag)

- solider, atmosphärischer Thriller in Schnee und Eis -

Lyngenalpen, in der Provinz Troms, Nord-Norwegen. Nach dem tragischen Unfalltod ihrer Tochter Emilie ...

Giles Kristian - Schneefieber
(Penguin Verlag)

- solider, atmosphärischer Thriller in Schnee und Eis -

Lyngenalpen, in der Provinz Troms, Nord-Norwegen. Nach dem tragischen Unfalltod ihrer Tochter Emilie möchten Erik Amdahl, seine Frau Elise und ihre verbliebene Tochter Sofia als Familie endlich wieder zusammenfinden und nach vorne blicken können. Da bietet sich das Angebot, eine Hütte in den norwegischen Lyngenalpen zu mieten, natürlich an. Skifahren, Polarlichter und vollkommene Ruhe in absoluter Abgeschiedenheit inklusive. Kurz nach Ankunft von Familie Amdahl berichten Elises Bekannte Karine und ihr Ehemann Lars Helgeland, bei einem gemeinsamen Abendessen in ihrem Haus, von Nowotroizk Nickel. Einer russischen Bergbaugesellschaft, die in der Gegend eine alte Kupfermine gekauft und sich die Schürfrechte in Koppangen, westlich der Stadt gesichert hat. Karine und Lars machen keinen Hehl daraus, dass sie sich um die Umwelt und den Lebensraum der Volksgruppe der Samen, der sie selbst angehören, große Sorgen machen. Als Erik und seine Tochter Sofia am nächsten Morgen zu einer Skitour rund um die Gletscher der Lyngenalpen aufbrechen, wissen Sie nicht, in welche Gefahr sie sich begeben. Als sich die beiden, aufgrund einer Verletzung dazu gezwungen sehen, zum Haus der Helgelands zurückzukehren, werden sie Zeugen eines kapitalen Verbrechens. Erik und Sofia befinden sich von nun an in großer Gefahr. Eine traumatische Jagd auf Leben und Tod durch den frostkalten Februar Norwegens beginnt, auf die Vater und Tochter, im Rahmen der Trauerbewältigung sicherlich gerne verzichtet hätten.

Normalerweise eher im Bereich des Historien-Romans beheimatet, gibt Giles Kristian mit "Schneefieber" sein Thriller-Debüt. Im Jahre 2022 unter dem Originaltitel "Where Blood Runs Cold" erschienen, liefert der 1975 in Leicestershire geborene Schriftsteller, mit seinem 368-seitigen Spannungsroman, einen soliden, rasanten und atmosphärischen Thriller in Schnee und Eis ab. Durch seine wechselnde Stimmung zwischen Behaglichkeit und Beklemmung hält der Brite mit norwegischer Abstammung eine überwiegend mitreißende und actiongeladene Stimmung aufrecht. Die atmosphärischen bis bedrohlichen Einschübe bezüglich des jeweiligen Ambientes aus Schnee und Kälte, sind mit Bedacht gewählt und mehr als nur schmückendes Beiwerk. Denn auch sie werden letzten Endes zur tödlichen Gefahr. "Schneefieber" bezieht viele seiner Emotionen aus der lebensbedrohlichen Lage, in der sich Erik und seine Tochter Sofia befinden, aus den Unsäglichkeiten des winterlichen Sturms hoch im Norden Norwegens, sowie aus Träumen und Rückblicken in die Vergangenheit, als die dreiköpfige Familie noch eine vierköpfige war. Es menschelt also. Für den richtig großen Wurf ist mir "Schneefieber", mit seinen kleineren Durststrecken, dann aber doch etwas zu vorhersehbar und unspektakulär geraten. Der belletristische Unterhaltungsroman geht zugegebener Weise runter wie Öl, ist allerdings auch nicht viel mehr als ein gewöhnlicher, unterhaltsamer Thriller von der Stange geworden, der nahezu ohne Ecken und Kanten auskommt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als leichte Thrillerkost für kalte Wintertage.

(Janko)

https://www.gileskristian.com/
https://www.facebook.com/GilesKristian/
https://www.instagram.com/GILESKRISTIAN/

Brutalität/Gewalt: 37/100
Spannung: 70/100
Action: 66/100
Unterhaltung: 78/100
Anspruch: 21/100
Atmosphäre: 68/100
Emotion: 63/100
Humor: 02/100
Sex/Obszönität: 01/100

LACK OF LIES - Wertung: 79/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahre (aufgrund der relativ expliziten Gewalt)

Kristian Giles - Schneefieber
Penguin Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-328-10985-3
368 Seiten
Taschenbuch, Broschur
Originaltitel: Where Blood Runs Cold (2022)
Aus dem Englischen von Ulrike Clewing
Erscheinungstermin: 15.11.2023
ca. EUR 12,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-30028-9
Erscheinungstermin: 01.11.2023
EUR 3,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Schneefieber" beim Penguin Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/SCHNEEFIEBER/Giles-Kristian/Penguin/e605806.rhd

Leseprobe: https://www.penguin.de/leseprobe/SCHNEEFIEBER/leseprobe_9783328109853.pdf

Trailer zur englischen Originalausgabe: https://youtu.be/xrLfQBPMgA8

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Veröffentlicht am 15.12.2023

- maritimer und mystischer Psycho-Horror mit SciFi-Elementen -

DIE RUINEN DES WAHNSINNS
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Tim Curran - Die Ruinen des Wahnsinns
(Luzifer Verlag)

- maritimer und mystischer Psycho-Horror mit SciFi-Elementen -

Endlich wieder Futter vom Corpse King. Wie sehr habe ich mich danach verzehrt..., ...

Tim Curran - Die Ruinen des Wahnsinns
(Luzifer Verlag)

- maritimer und mystischer Psycho-Horror mit SciFi-Elementen -

Endlich wieder Futter vom Corpse King. Wie sehr habe ich mich danach verzehrt..., nach diesem herausragenden und einnehmenden Wesen der Horror-Kunst, dass Tim Curran seit jeher innewohnt. Seine intensive und eigentümliche Art Horror und Visionen zu beschreiben scheint vollkommen, düster und endgültig. Der neueste, mit SciFi-Elementen gespickte, maritime und mystische Psycho-Horror des US-amerikanischen Virtuosen, der Ende 2022 im amerikanischen Original unter dem Titel "The Sunken City" erschienen ist, macht dabei keine Ausnahme. Bereits mit den ersten Seiten taucht man tief in "Die Ruinen des Wahnsinns" ein.

Kharkov-Station an den antarktischen Ausläufern der Dominion-Kette. Als die verlassene Forschungsstation wiederaufgebaut und in Betrieb genommen wird, sollen Techniker mithilfe eines Thermalbohrers einen Schacht bis in den annähernd 1 ½ Kilometer unter dem Eis liegenden Vordog-See bohren. Sie sollen 300 Meter unter der Wasseroberfläche Beobachtungen anstellen. Hier unten herrscht nämlich alles andere als trostlose Schwärze. Hier herrscht vielmehr das blühende Leben. Doch was die Forscher am Grund des gigantischen Gewässers entdecken, wurde bereits vor Millionen von Jahren errichtet. Es handelt sich dabei um die Ruinen des Wahnsinns, eine unterseeische Stadt, die ein enormes Magnetfeld besitzt, dessen Kraftwirkung in den Spitzen dreimal stärker als das natürliche Magnetfeld des Südpols ist. Und es wird stetig stärker. Vier Tiefseetaucher der Navy sollen dort hinabtauchen, um zu erforschen, was es mit diesem Magnetfeld auf sich hat. Doch dort unten im Abyssal des fiktiven Vordog-Sees erwartet sie ein unsägliches Grauen.

Dass Tim "Corpse King" Curran auf Abkürzungen steht, dürfte spätestens seit "Bioterror" bekannt sein. Das nervt schon hin und wieder ein wenig und gipfelt in Höhepunkten wie diesem:

"Orr saß in seinem Sessel und sann über all das nach. Das DSU und das DSSP. Das DSSD und ONR. ONI und NSF und SPO. AUV’s und ROV’s. Und all das, während er in der Einsatzzentrale des LSB saß." (Zitat S. 33)

Für "Die Ruinen des Wahnsinns" bemächtigt sich der US-amerikanische Horror-Autor, der mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Escanaba/Michigan lebt, im Allgemeinen eher einer trivialen Sprache, die jedoch von Beginn an von einer unterschwelligen, sich stetig steigernde Spannung getragen wird. Die Charaktere, wie auch das Lokalkolorit werden ebenfalls nur relativ schwach beleuchtet, was ein wenig zu Lasten der Emotionalität geht, aber der mitreißenden Horror-Story ansonsten nicht wirklich groß im Wege steht. Die Emotionalität fährt der Corpse King alleine schon durch die subtilen Beschreibungen der multiplen Gefahren ein. Der 288 Seiten umfassende Psycho-Trip "Die Ruinen des Wahnsinns" kommt hierbei mit erstaunlich wenig Gewalt aus. Tim Curran spielt vielmehr seine Psychospielchen mit den Navy-Angehörigen, sowie mit seiner Leserschaft. Leider birgt der Roman in der deutschen Übersetzung ziemlich viele grammatikalische Fehler, die sicherlich vermeidbar gewesen wären, hätte man die Korrekturen nochmals gegengelesen.

Die labyrinthisch aufgebaute unterseeische Stadt wirkt sich desaströs auf das zentrale Nervensystem aus. Wie eine surreale, permanente Gefahr. Ein maritimer Wahnsinn. Kopfschmerzen, Übelkeit, seltsame Träume, Déja-vu-Gefühl, Schlaflosigkeit, seltsame Stimmen, telepathische Visionen, Trugbilder und Halluzinationen sind die Folge. Angst, Paranoia und Beklemmung greifen um sich. Und so verlieren sämtliche Team-Mitglieder an Deck des LSB, sowie in der Unterwasserstation "Neptun" allmählich den Verstand. Der Flottenadmiral der Navy Orr fühlt sich obendrein auch noch permanent beobachtet. Dort in der Tiefsee hausen Entitäten, die so alt sind wie die Zeit selbst. Diese nichtstofflichen Wesen, die die Wissenschaftler "die Alten" oder "die Gespenster" tauften, machen keinen Hehl daraus, dass sie die Menschen alles andere als willkommen heißen. Anstatt auf Kommunikation mit den Eindringlingen zu setzen, verwenden sie und die übrigen Tiefseebewohner die mentalen Fähigkeiten der Navy-Angehörigen gegen sie selbst. Dabei gerät selbst das psychologisch trainierte Team von Tauchern an seine Grenzen und sogar weit darüber hinaus. Die Alten verwirren die Sinne in grausamen Metamorphosen des Geistes und bereiten den Tauchern beklemmende, halluzinogene Irrfahrten. Eine eindeutige Warnung, nicht weiter in ihr Habitat vorzudringen. Das Team gerät dabei in eine Spirale aus Angst und Psychosen, die jeden einzelnen von ihnen innerlich verzehrt und seine ganz private Hölle vorhält. Das gesamte Team bemerkt recht schnell, dass es mit seinem Eindringen in den Vordog-See einen tödlichen Fehler begangen hat, denn etwas unvorstellbar Exorbitantes erwartet sie in den verstörenden Tiefen.

(Janko)

http://www.corpseking.com/
https://www.facebook.com/tim.curran.77

Brutalität/Gewalt: 26/100
Spannung: 78/100
Action: 62/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 30/100
Emotion: 40/100
Atmosphäre: 62/100
Humor: 07/100
Sex/Obszönität: 11/100

LACK OF LIES - Wertung: 83/100

Tim Curran - Die Ruinen des Wahnsinns
Luzifer Verlag
Horrorthriller
ISBN: 978-3-95835-784-6
288 Seiten
Taschenbuch
Originaltitel: The Sunken City
Aus dem amerikanischen Englisch von Peter Mehler
Erscheinungstermin: 23.06.2023
EUR 13,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-95835-785-3
Erscheinungstermin: 23.06.2023
EUR 4,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die Ruinen des Wahnsinns" beim Luzifer Verlag: https://luzifer-verlag.de/titel/1738

Leseprobe: https://luzifer-verlag.de/leseprobe/1738

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2023

- subtiler Horror-Fantasy-Roman der besonderen Art -

November
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Thomas Olde Heuvelt - November
(Heyne Verlag)

- subtiler Horror-Fantasy-Roman der besonderen Art -

Der November ist mit Abstand der mieseste Monat im Jahr. Zumindest für die Bewohner der Bird Street. ...

Thomas Olde Heuvelt - November
(Heyne Verlag)

- subtiler Horror-Fantasy-Roman der besonderen Art -

Der November ist mit Abstand der mieseste Monat im Jahr. Zumindest für die Bewohner der Bird Street. Den Rest des Jahres haben sie das Glück gepachtet. Sämtliche Nachbarn sind gesund, gebildet, erfolgreich, talentiert, glücklich und reich. Doch zu welchem Preis? Alljährlich im November wendet sich nämlich das Blatt für diesen Teil der fiktiven US-Kleinstadt Lock Haven, in Washington State. Im Monat der dunklen Tage schlägt alles ins Gegenteil um. Plötzlich herrschen Depressionen, Unvermögen, Missgeschicke, Krankheit und Tod. Realität und Schrecken verschwimmen zu Furcht, Visionen und Wahnsinn. In dieser Zeit werden sämtliche Karten neu gemischt, denn die Bird Street Bewohner haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie nennen ihn den Buchhalter. Und der fordert seinen Tribut. Alljährlich. Im November.

Thomas Olde Heuvelt, der niederländische Meister der subtilen Fantastik besitzt diesen einnehmenden, atmosphärischen und empathischen Charme, der ihn allseits beliebt und zu etwas ganz Eigentümlichen macht. Seine komplexen Werke sind in der Regel tiefgründiger Art, feinfühlig, hinterhältig, manchmal auch böse und stets niveau- und fantasievoll. Seine cinematischen Beschreibungen sprechen alle Sinne an und sind gelinde gesagt grandios. So umgibt den modernen, übernatürlichen Horror-Fantasy-Thriller "November" von Anfang an eine düstere und bedrückende, gleichwohl erhabene Aura. Er ist jedoch einen ordentlichen Tacken verspielter, als der grandiose Vorgänger "Echo", was dem Fantasy-Teil mehr Spielraum lässt, im Gegenzug dazu aber für Einbußen in Sachen Tiefgang und Seriosität sorgt. Das kontrastiert stark mit den immer wieder eingeschobenen, schrecklichen Visionen und Halluzinationen, die die 4-köpfige Familie Lewis da Silva plagen. Nicht zuletzt dadurch hatte ich mit der zwar einfühlsamen, gleichwohl ausladenden Einleitung so meine Probleme. Andererseits sorgt Olde Heuvelt mit diesem Umstand dafür, dass die Fantastik hier nach und nach in den Authentizitätsbereich hineingesogen wird. Das ist schon hohe Erzählkunst. Das muss man dem 1983 in Nijmegen geboren Bestsellerautoren schon lassen. Leider wirkt "November" auf mich zu Beginn etwas wirr, ungeordnet und konzeptlos, da mir Thomas Olde Heuvelt zu oft thematisch hin und her springt, ständig um den heißen Brei herumredet, und lange Zeit nicht auf den Kern der Sache kommt. Mit Fortschreiten des Novembers wird die Story allerdings immer ernster, düsterer und boshafter.

Ralph Lewis da Silva, angesehener Richter am King Country Superior Court in Seattle und seine Frau Luana, die gerade Karriere an der Uni macht, plagen Mitte November 2022 arge Sorgen. Noch immer hat die Nachbarschaftsvereinigung im Snoqualmie National Forest kein Opfer dargebracht und die Zeit schreitet unaufhaltsam voran. Schon setzen die ersten unangenehmen Vorfälle ein. Die Situation während der dunklen Tage spitzt sich allmählich zu. Stress setzt unter den Nachbarn ein. Je näher sich die Bewohner der Bird Street auf das Ende des Novembers zubewegen, je verzweifelter, verstörender, verwirrter und abartiger nehmen sich aus. Nur das eine gemeinsame Ziel, das sie allesamt verfolgen, hält die Gruppe noch zusammen. Doch wird sie schon schnell an weit auseinanderdriftende moralischen und ethischen Auffassungen zugrunde gehen. Sie müssen dem Buchhalter ein Opfer bringen, denn Krankheit, Verderben und Verwesung ziehen bereits in ihre Körper, ihre Geister und ihre Seelen ein. Doch ihr besudeltes Gewissen treibt sie in eine Spirale aus Schuldgefühlen, Angst und Wahn und die Heimsuchung der übernatürlichen Art wird ihr aller Abstieg in ihre ganz persönliche Hölle sein!

Die traumatischen Rückblicke in Luana Perreira da Silvas Vergangenheit, im Elend São Paulos, die II. Weltkriegs-Visionen ihres 10-jährigen Sohnes Django, die traumatische Todessehnsucht ihrer 15-jährigen Tochter Kaila, sowie die Initiierung und die Emotionalität der Opfergabe, haben es definitiv in sich, sind zum Teil regelrecht schockierend und schweben nochmal auf einer völlig anderen Genre-Ebene. Aufgrund Olde Heuvelts virtuosen, fantastischen und bildhaften Erzählkunst, greifen selbige jedoch ineinander wie Ebbe und Flut. Der 640 Seiten starke Horror-Fantasy-Roman "November" handelt vom Wert des Glücks, vom Leben, von Altruismus, von Fantasie, von physischer und psychischer Gesundheit und davon, was es bedeutet, selbstbestimmt und in Würde zu sterben. Aber auch vom Suizid, von Depressionen, vom Egoismus, von Moral und Ethik, sowie davon den Preis dafür im Leben zu zahlen. Das letzte Hemd hat zwar keine Taschen, das Gewissen aber unerträglich schwer belastet mit ins Grab nehmen zu müssen, ist eine erdrückende Bürde. Thomas Olde Heuvelt hat hier so einige subtile Schockmomente eingebaut, die immer mal wieder eine deutliche Kerbe im emotionalen Empfinden seiner Leserschaft hinterlassen. Doch die filigran ausgearbeitete Geschichte "November" hat noch deutlich mehr zu bieten...

(Janko)

https://www.oldeheuvelt.com/
https://www.facebook.com/thomas.oldeheuvelt.7
https://www.instagram.com/thomasoldeheuvelt/

Brutalität/Gewalt: 52/100
Spannung: 66/100
Action: 57/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 60/100
Atmosphäre: 80/100
Emotion: 80/100
Humor: 08/100
Sex/Obszönität: 11/100

LACK OF LIES - Wertung: 80/100

Thomas Olde Heuvelt - November
Heyne Verlag
Horror-Fantasy
ISBN: 978-3-453-32144-1
640 Seiten
Paperback, Broschur
Originaltitel: November (2022)
Aus dem Niederländischen von Janine Malz
Erscheinungstermin: 01.11.2023
EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-26865-7
Erscheinungstermin: 01.10.2023
EUR 14,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"November" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/ebook/November/Thomas-Olde-Heuvelt/Heyne/e581574.rhd

Leseprobe: https://www.penguin.de/leseprobe/November/leseprobe_9783453321441.pdf

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