Psychische Fallstudie, verkleidet in eine Geistergeschichte
Das Geheimnis von ShadowbrookClara Waterfield hat nun wirklich keine normale Kindheit. Sie leidet an Osteogenesis imperfecta, der Glasknochnkrankheit. Schon kleine Stöße oder harmlose Stürze lassen ihre Knochen brechen. Deshalb wird ...
Clara Waterfield hat nun wirklich keine normale Kindheit. Sie leidet an Osteogenesis imperfecta, der Glasknochnkrankheit. Schon kleine Stöße oder harmlose Stürze lassen ihre Knochen brechen. Deshalb wird ihr bis zum 18. Lebensjahr nicht erlaubt, das Haus zu verlassen, um sie vor zu vielen Knochenbrüchen zu schützen, da es im England Ende des 19. jahrhunderts bei dieser Krankheit gar keine Behandlungsmöglichkeiten gab außer der Versorgung der Brüche (auch heute ist diese Krankheit nach wie vor unheilbar). Als ihr endlich erlaubt wird das Haus zu verlassen, entdeckt sie die botanischen Gärten und besonders dessen Tropenhaus von Kew für sich. Wie besessen möchte sie alles über exotische Pflanzen lernen.
Als dort ein Brief eines wohlhabenden Gentlemans eintrifft mit der Bitte ihm ein eigenes Tropenhaus einzurichten, wird Clara gefragt, ob sie dafür zum Herrenhaus Shadowbrook reisen möchte. Doch kaum angekommen stellt Clara fest: in Shadowbrook spukt es, angeblich geht dort die letzte Überlebende der Familie Pettigrew, Veronique, um...
Erwartet hatte ich eine Mischung aus historischem Roman im England in der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg und einer Gruselstory. Bekommen habe ich das auch, wobei der Gruselanteil wirklich nicht sehr ausgeprägt ist und stattdessen in die wirklich grauenhaften Abgründe geschaut wird: in das Innere der Menschen von Shadowbrook und des angrenzenden Dorfes.
Das Buch entwickelte sich also deutlich anders als erwartet, aber trotzdem war es eine tolle Hörbucherfahrung. Susan Fletcher beschreibt Charaktere und zwischenmenschliche Beziehungen sehr detailreich und hat ein Händchen dafür überzeugende Atmosphären in ihren Szenen aufzubauen. Alexandra Sagurna hat eine großartige Stimme für diese Art von geschichte und hat immer das richtige Maß an Emotionalität getroffen. Das Einzige was mich mehrfach verwirrt hat, war ihre Aussprache bestimmter Wörter, so klingt Delhi bei ihr wie De-lieh und Sanatorium wie Sanetorium, aber das sind ja im Endeffekt Kleinigkeiten, ich war mir nie im Unklaren was eigentlich gemeint war.
Wer also damit leben kann, hier keine hundertprozentige Spukgeschichte zu bekommen und gern ein Buch über das gruselige und die Abgründe in den Menschen lesen möchte ist hier genau richtig!