✎ Sally Perel - Ich war Hitlerjunge Salomon
Ich war Hitlerjunge SalomonIch war total gespannt auf dieses Buch - versprach es doch mal eine andere Sicht auf eine Zeit, die man sooo schnell wohl nicht wieder vergisst und vergessen sollte.
Anfangs war ich auch noch recht angetan. ...
Ich war total gespannt auf dieses Buch - versprach es doch mal eine andere Sicht auf eine Zeit, die man sooo schnell wohl nicht wieder vergisst und vergessen sollte.
Anfangs war ich auch noch recht angetan. Der Schreibstil ist angenehm. Der Text wird nicht unnötig unterbrochen oder in die Länge gezogen. Aber genau das ist auch ein Kritikpunkt: Ich hätte mir manchmal mehr Details gewünscht - vor allem, was Sally Perels Gefühle angeht. Zwar versucht er teilweise mit Worten zu beschreiben, was in ihm vorging, aber so richtig kam das bei mir nicht an.
Es gab natürlich auch Textstellen, die mich berührt haben:
"Ich wollte leben, noch eine Stunde, einen Monat, vielleicht ein Jahr überleben, wollte einfach am Leben bleiben." (S. 134)
"Eines Abends fragte mich ihre Mutter: »Warum behandelt ihr Deutschen die Juden so grausam?«" (S. 121)
"Ist es schon schwierig, ein Jude zu sein, so ist es noch viel schwieriger zu versuchen, keiner zu sein." (S. 179)
Wie man sieht, gab es gewiss Situationen, die mich nicht kalt ließen. Aber dem Text fehlt einfach die Lebendigkeit, die man ihm durch Bilder zum Beispiel geben könnte. Auch habe ich in einer anderen Rezension gelesen, dass es wohl ein Interview am Ende des Buches bei manchen Ausgaben gibt - dies hatte ich leider auch nicht.
Ich denke, man kann dieses Buch ruhig mal lesen, denn Sally Perel wird einer der wenigen sein - oder der Einzige?!? -, der diese Zeit als 'Schaf im Wolfspelz' überlebt hat. Es ist wirklich mal eine andere Sicht und nicht schlecht. Es war auch mal interessant, nicht immer von den Grausamkeiten in den Konzentrationslagern zu lesen, sondern auch mal die Gleichgültigkeit vor den Mauern beschrieben zu bekommen. Aber nehmt eine Ausgabe, in die ein bisschen mehr Recherche und Nacharbeit investiert wurde und nicht der Text einfach runtergeschrieben steht..
©2016
weitere Zitate:
"In der Uniform meiner Feinde durch eine Kugel meiner Verbündeten zu sterben! Welch groteske Tragödie!" (S. 109)
"Ich habe mich ganz und gar meinem Selbsterhaltungstrieb überlassen." (S. 134)
"Ich litt unter permanenter Verfolgungsangst." (S. 212)
"[...] Wahlspruch eines unserer Lehrer [...]:»Wir brauchen keine Gelehrten, wir brauchen möglichst viele Vaterlandsverteidiger.«" (S. 225)
"[...] auf einem Plakat [...] verkündete der Führer: »Dein Körper gehört der Volksgemeinschaft, deine Pflicht ist Gesundheit.«" (S. 225)
"»Ja, ich gebe es zu, man hat uns getäuscht. Das Drama ist, daß sich die Bevölkerung, allen voran die Jugend, von der Propaganda der Obrigkeit so leicht hinters Licht führen läßt und fest an die Aufrichtigkeit des eigenen Landes glaubt.« Seine Naivität machte mich stumm." (S.294)
"Ich war bestürzt über das erschütternde Desinteresse und die Gleichgültigkeit, die wenige Meter vor den Ghettomauern herrschte." (S. 331)
"Sogar die Tatsache, mich mit anderen Juden in einem Ghetto wiederzufinden, schien mir weniger schlimm als meine ständige Einsamkeit." (S. 372)
"Ich hatte das Gefühl, frei zu sein, doch frei wie ein zum Tode Verurteilter in einer Zelle ohne Gitterstäbe und Türschloß." (S. 376)
"Der Lehrer rief mich auf und bat mich, die Notwendigkeit der Vernichtung der jüdischen Rasse zu erklären." (S. 384)