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Veröffentlicht am 16.04.2024

Coming-of-Age meets Comedy - grandios gut!

Zierfische in Händen von Idioten
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Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus ...

Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus einer Kurzschlussreaktion heraus auf zum Roadtrip ihres Lebens.

1996 war ich gerade einmal 8 Jahre alt und damit 10 Jahre jünger als die Hauptprotagonistin. Das Feeling aber, das man beim Lesen hat, versetzt einen schlagartig zurück in diese Zeit und in die eigene Jugend. Als ich dann 18 war, hatten viele meiner Freunde einen Golf Bon Jovi - Edition, die Lieder von ihm hat man auch noch gehört, Macarena konnte ich ebenfalls tanzen (ja, okay, ich kann es immer noch…) und das erste, was mein Bruder und ich uns im Holland-Urlaub im Supermarkt ausgesucht haben, war Hagelslag.
Kommt dir alles auch irgendwie bekannt vor und du hast gleich Kopfkino? Dann ist dieses Buch genau das Richtige für dich!

Ich habe mich in einer Minute beömmelt vor Lachen und im nächsten Moment bleibt dir ebendieses Lachen im Hals stecken. Dieser Balanceact zwischen ernster und berührender Coming-of-Age Geschichte und Komik ist unfassbar gut gelungen, eben weil ich mich in einigen Situationen wieder erkannt habe.
Ich will gar nicht mehr über die Geschichte verraten, weil die Situationen, in die die vier hineingeraten, viel über Emotionen und Situationskomik funktionieren, die man nicht mal eben so zusammenfassen oder nacherzählen kann. Da hilft nur eines: selbst lesen und zwar unbedingt! Große Leseempfehlung!

PS. Wer, wie ich, aus Sorge um die Titel-gebenden Zierfische aka Seepferdchen zögert zum Buch zu greifen, kann unbekümmert sein!

Veröffentlicht am 02.04.2024

Wunderschöne Geschichte für alle, die Bücher lieben

Die Vermesserin der Worte
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Ida, von Beruf Autorin, bringt seit Monaten kein Wort mehr zu Papier. Als langsam aber sicher das Geld knapp wird und die Schreibblockade anhält, nimmt sie einen Job als Haushälterin bei der alten Ottilie ...

Ida, von Beruf Autorin, bringt seit Monaten kein Wort mehr zu Papier. Als langsam aber sicher das Geld knapp wird und die Schreibblockade anhält, nimmt sie einen Job als Haushälterin bei der alten Ottilie Selig an. Während Ottilie anfangs sehr eigenbrötlerisch und verschlossen daherkommt, entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine Freundschaft. Denn eines verbindet sie beide: die Liebe zu den Worten.

Dieser kleine Einblick kann in kleinster Weise das widerspiegeln, was diese Geschichte ausmacht. Es ist die Hingabe und Liebe zur Welt der Bücher und der Geschichten.
— „Denn ein Mensch, der zu einer ersten Begegnung ein Buch mitbrachte, dem würde sie zu Beginn immer einen Vertrauensvorschuss gewähren. Das war ein ungeschriebenes Gesetz unter Lesenden.“ (Seite 33) —
Ida beginnt der an Demenz erkrankten Ottilie eine Geschichte zu erzählen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren und sich gleichzeitig auch selbst die Frage zu beantworten, warum sie nicht mehr schreiben kann. Alles dreht dabei um die Frage, ob man Fantasie und Worte messen kann, weil Ida sich leichter fühlt, seit ihr ebendiese Worte fehlen. Hier möchte man, ohne in die Geschichte eingetaucht zu sein, sofort NEIN !brüllen. Selbstverständlich ist das nicht messbar! Doch die Autorin stellt diese Frage immer wieder so geschickt, dass ich am Ende denke, ja, vielleicht kann man es messen, nur nicht so wie wir es kennen, mit Zahlen und Gewichten, sondern mit Geschichten, Gefühlen, Emotionen und Erinnerungen.

Für mich lebt das Buch von seiner unfassbar sanften und liebevollen Erzählweise, die davon ablenkt, dass der Plot an sich und das Ende nicht überraschen. Du weißt, welche Charakterentwicklung dich erwartet und wie es ausgehen wird, wenn du die ersten Seiten gelesen hast, aber was mich überrascht und in den Bann gezogen hat, war, wie berührend und einfach nur schön geschrieben es ist.
Diese Buch ist für alle, die es genießen, dass das Geschichtenerzählen im Vordergrund steht, Worte ein Leben ausmachen und Bücher alles verändern können. Eine große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.03.2024

Toller Ausflug in den Wald

Waldgeheimnisse
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Das Leben des Ökosystems Wald gepackt in ein interessantes, kurzweiliges, lehrreiches und obendrein optisch ansprechendes Buch.
Präzise und auf den Punkt kommt hier ein Fakt nach dem anderen auf den Tisch, ...

Das Leben des Ökosystems Wald gepackt in ein interessantes, kurzweiliges, lehrreiches und obendrein optisch ansprechendes Buch.
Präzise und auf den Punkt kommt hier ein Fakt nach dem anderen auf den Tisch, sodass keine Langeweile aufkommt. Am Anfang geht es viel darum wie der Wald funktioniert und wie Bäume aufgebaut sind. Das sollte der ein oder andere vielleicht noch aus dem Biologieunterricht kennen, aber wusstet ihr zum Beispiel, dass ein ausgewachsener Baum an einem Sommertag etwa 500 Liter Wasser braucht? Wenn ich da so an diese Bewässerungssäcke an Bäumen denke, die man mittlerweile im Sommer hin und wieder sieht, sind die wohl eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Interessant auch das Zusammenspiel von Mensch und Wald und die Zukunftsaussichten, die gegeben werden. Toll ist, dass man sich bei der Lektüre keinesfalls durch lange Texte ackern muss. Immer wieder gibt es kleine Info Boxen, „Probier‘s aus“ - Challenges und, was ich besonders gelungen fand, Mythos Facts, die den Text auflockern.
Das Buch lädt wirklich in den Wald ein, man möchte sofort raus und Spitzwegerich und Brombeeren sammeln (nein, du wirst nicht am Fuchsbandwurm sterben, wenn du etwas aus dem Wald isst!) und Barfuß über das Laub gehen.
Wir wohnen ca 500m vom Wald entfernt und wir sind wirklich gerne dort zum Spazieren, Schnecken beobachten, Laub rascheln und Moos streicheln. Nach diesem Buch sehe ich den Wald noch einmal mit anderen Augen und werde meine Adleraugen nach dem nächsten Elsternest offen halten, ob ich es jetzt wirklich von dem eines Eichhörnchens unterscheiden kann…

Kurz und knapp: für alle Waldfans und die, die es werden wollen eine riesengroße Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.03.2024

Wunderbare Coming of Age Geschichte mit viel Humor und Herz

Der Markisenmann
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Die 15-jährige Kim muss, aus sagen wir mal erzieherischen Maßnahmen, die Sommerferien bei ihrem, ihr unbekannten, Vater verbringen. Aus der schicken Villa in Köln zieht sie also für 6 Wochen zu Ronald ...

Die 15-jährige Kim muss, aus sagen wir mal erzieherischen Maßnahmen, die Sommerferien bei ihrem, ihr unbekannten, Vater verbringen. Aus der schicken Villa in Köln zieht sie also für 6 Wochen zu Ronald Papen, der in Duisburg eine Industriehalle hat, die ihm gleichzeitig als Zuhause und Lagerort für seine Markisen dient.

Auch wenn Kim am Anfang sehr extrem auftritt, so ist sie dennoch ein liebenswerter Charakter. Sie ist einfach ein Teenager, dem meiner Meinung nach schlichtweg der Rückhalt und die bedingungslose Liebe ihres Elternhauses fehlt. Und Ronald Papen, der zurückgezogen in seiner, sich selbst auferlegten Askese lebt, hat genau das zu geben. Doch warum hat er dann die Familie verlassen, als Kim zwei Jahre alt war? Das erfahren wir erst ganz zum Schluss. Bis dahin durchlebt man einem heißen Sommer am Rhein-Herne-Kanal zwischen Beton, Schlaglöchern und Rosis Pilstreff. Und natürlich Markisen.

Dieses Buch ist eine wahrlich schöne Coming-of-Age Geschichte mit viel Humor und noch viel mehr Herz. Die Erzählung ist wunderbar flüssig und trotz dessen, dass wirklich ernste Themen (die ich nicht alle verraten kann ohne zu spoilern) aufgegriffen werden, leicht. Mich hat das Buch an Paradise Garden erinnert, auch wenn das deutlich melancholischer war, und wer dieses mochte, wird Der Markisenmann lieben. Eine ganz große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 04.03.2024

Spannend, mitreißend und unglaublich atmosphärisch

Lichtspiel
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Kehlmann erzählt hier über das Leben von G.W. Papst, einem bekannten Regisseur der 30er Jahre, der während des zweiten Weltkrieges auch Filme für das nationalsozialistische Deutschland gemacht hat.
Pabst ...

Kehlmann erzählt hier über das Leben von G.W. Papst, einem bekannten Regisseur der 30er Jahre, der während des zweiten Weltkrieges auch Filme für das nationalsozialistische Deutschland gemacht hat.
Pabst wird als sympathischer Mann dargestellt, der in etwas hineingerät, das er nicht mehr kontrollieren kann.
Das Buch lebt von der Atmosphäre und hin und wieder verschwimmen Fiktion und Realität. Die Erzählweise und Sprache schafft so ein lebendiges Bild, dass man sich selbst wie im Film vorkommt. Das ganz gipfelt in der Flucht aus Prag 1945, die Pabst wie ein Filmdreh kommentiert. Grandios!

Das gesamte Thema des Filmes im Nationalsozialismus, und dabei insbesonde einzelnen Szenen, wie die Ausnutzung von KZ-Inhaftierten als Komparsen, sind schwere Kost, weil es ein Gefühl von absoluter Hilflosigkeit auslöst. Mich hat insbesondere die Figur von Jakob berührt, der Sohn von Pabst, der erst durch verschiedene Länder und von Schule zu Schule geschleift wird, versucht seinen Weg zu gehen und nicht unter die Räder zu kommen, bevor er dann in einem Internat der HJ-Gehirnwäsche anheim fällt. Er ist ein einfühlsamer und intelligenter Junge, der ein großes Talent für (abstrakte) Zeichnungen hat und dessen einzige Schuld es ist in der falschen Zeit geboren worden zu sein.

Kurzum ein absolut fesselnder Roman, der mich berührt hat und vor allem durch seine Atmosphäre besticht. Ganz große Empfehlung für alle, die Winter der Welt oder Das Neunte Gemälde so sehr mochten, wie ich.