Wachsmann bietet eine umfassende Analyse der nationalsozialistischen Lager
Gefangen unter HitlerAls ich „Gefangen unter Hitler“ von Nikolaus Wachsmann in die Hand nahm, war ich darauf gefasst, ein tiefgründiges und schweres Thema zu ergründen. Und das wurde auch erfüllt. Wachsmanns akribische Untersuchung ...
Als ich „Gefangen unter Hitler“ von Nikolaus Wachsmann in die Hand nahm, war ich darauf gefasst, ein tiefgründiges und schweres Thema zu ergründen. Und das wurde auch erfüllt. Wachsmanns akribische Untersuchung der NS-Gefängnisse eröffnet eine neue Perspektive auf das nationalsozialistische Terrorregime, die bislang oft übersehen wurde.
Das Buch beginnt mit einer Einführung in den Strafvollzug der Weimarer Republik, was hilfreich ist, um die Entwicklungen unter den Nazis besser zu verstehen. Schon hier wird deutlich, wie die Nazis die bestehenden Systeme übernommen und pervertiert haben, um ihre Ideologie durchzusetzen. Wachsmann beschreibt, wie die Justiz nach der Machtergreifung bereitwillig mit der Polizei konkurrierte, um den höchsten Grad an Rechtsbruch und Willkür zu erreichen. Das Buch geht auf die brutale Realität der Gefängnisse ein, in denen Menschen willkürlich inhaftiert und zu Tode gefoltert wurden.
Ein besonders erschreckendes Kapitel befasst sich mit dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“. Die Häftlinge wurden zu maximaler Arbeitsleistung gezwungen und anschließend entweder hingerichtet oder in Konzentrationslager gebracht, wo sie häufig starben. Diese systematische Ausbeutung und Vernichtung von Menschenleben wird von Wachsmann detailliert und sachlich dargestellt, was die Gräueltaten umso eindringlicher macht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle der Justiz während des Krieges. Hier zeigt sich, wie die Justiz sich noch radikalisierte, als die militärische Niederlage absehbar wurde. Besonders eindrücklich ist die Beschreibung, wie Häftlinge kurz vor Kriegsende lieber ermordet wurden, als sie den Alliierten zu überlassen.
Wachsmann räumt auch mit der Vorstellung auf, dass in den NS-Gefängnissen eine gewisse Form von Recht und Ordnung geherrscht habe. Er zeigt, dass die Justiz sich dem Terrorregime vollends untergeordnet hatte und sich selbst aktiv an den Verbrechen beteiligte.
Das Buch ist zwar dicht gepackt mit Informationen und nicht immer leichte Kost, aber die Struktur und Klarheit von Wachsmanns Argumentation machen es zu einer lohnenden Lektüre. Besonders beeindruckend ist die Tiefe der Recherche, die Wachsmann betrieben hat. Viele der Quellen und Details sind bisher kaum beachtet worden, und es ist ihm gelungen, diesen oft vergessenen Opfern des NS-Regimes eine Stimme zu geben.
Wachsmanns Buch ist nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Geschichtsforschung, sondern auch ein Mahnmal gegen das Vergessen. Es ist ein unverzichtbares Werk für alle, die sich ernsthaft mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandersetzen wollen. Der Stil ist zwar manchmal etwas hölzern, besonders zu Beginn, aber das tut der Qualität und Bedeutung des Inhalts keinen Abbruch.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass „Gefangen unter Hitler“ mich tief beeindruckt und oft erschüttert hat. Es ist ein Buch, das trotz seiner Schwere wichtig zu lesen ist, um die ganze Bandbreite des nationalsozialistischen Terrors zu verstehen. Wachsmann hat es geschafft, eine bisher vernachlässigte Dimension der NS-Verfolgung ans Licht zu bringen und ein umfassendes Bild des Grauens zu zeichnen. Ein lesenswertes und unverzichtbares Werk für jeden, der sich mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen möchte.