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Veröffentlicht am 20.09.2019

Mein Toast auf Mr. Hannigen

Ein Leben und eine Nacht
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An der Hotelbar, in einer irischen Kleinstadt, sitzt Maurice Hannigen. Er ist 84 Jahre alt und blickt in dieser bewegenden Nacht auf sein Leben zurück. Dabei wird er fünf Mal das Glas erheben und auf Personen ...

An der Hotelbar, in einer irischen Kleinstadt, sitzt Maurice Hannigen. Er ist 84 Jahre alt und blickt in dieser bewegenden Nacht auf sein Leben zurück. Dabei wird er fünf Mal das Glas erheben und auf Personen anstoßen, die sein Leben gezeichnet, bereichert und auch verändert haben. Maurice war nie ein Mann der großen Worte, doch in dieser Nacht offenbart er Geheimnisse, die er lange vor sich selbst versteckt hat.
Anne Griffin die, für ihre Kurzgeschichten bereits ausgezeichnete, irische Schriftstellerin, legt mit „Ein Leben und eine Nacht“ ein unfassbar packendes und bewegendes Romandebüt hin. Wir begleiten Maurice durch sein Leben, werden Zeugen wichtiger Augenblicke, verweilen bei bedeutenden Personen und schreiten, dann weiter auf diesem, bei Gott, nicht gerade einfachen Lebensweg. All diese kleinen Begebenheiten bilden ein großes Ganzes, ein sehr bewegtes Leben. Diese Erlebnisse prägten und formten ihn und ließen Maurice zu dem Menschen werden, der er heute Abend in dieser Hotelbar nun einmal ist. Doch dieses Buch ist bei weitem keine Autobiografie, in der man chronologisch durch sein Leben schreitet. Es ist viel mehr wie ein Abend mit dem eigenen Vater/ Großvater. Das schwelgen in Erinnerungen, das Wiedererleben emotionaler Momente um hier und da kurz von der eigentlichen Geschichte abzukommen, weil ihm noch etwas viel Bedeutsameres in den Sinn kommt. Anne schönt absolut nichts in Maurice Leben und malt auch seine härtesten Stunden mit all ihrer Schärfe und Deutlichkeit. Er ist ein Protagonist, denn man einfach nur gernhaben kann. Sie verleiht ihm, durch ihre Ausdrucksstärke und den vielen liebevollen Details, so viel Lebendigkeit und charakterliche Tiefe, dass er unfassbar gut greifbar für den Leser wird. Er ist dickköpfig, etwas mürrisch, hat seine Fehlbarkeiten und Eigenheiten aber genau das macht ihn und seine Geschichte so authentisch. Man kann gar nichts gegen die Gefühle tun, die dieser Roman in einem auszulösen vermag. Ich habe geschmunzelt, gehasst aber vor allem habe ich geweint. Der klare Erzählstil, der ganz ohne Schnörkel, im richtigen Moment die passende Formulierung findet, um den Leser in den Bann zu ziehen. Sie lässt uns hautnah die Entscheidungen, die daraus resultierenden Konsequenzen und die damit verbundenen Gefühle spüren. Ein sehr tiefgründiger Roman, der trotz all seiner Traurigkeit auch Hoffnung macht. Ich hatte durchweg das Bedürfnis, meine Lieben in den Arm zu nehmen und „Danke für alles, ich hab dich so lieb!“ zu sagen. Für mich ist die wieder ins Gedächtnis gerufene Dankbarkeit das wichtigste, was ich aus diesem Buch mitgenommen habe. Dankbarkeit für all die lieben Menschen und der recht manierlich gemeisterten Krisen in meinem eigenen Leben. Etwas was in dieser Schnelllebigen und materiell orientierten Zeit zu oft aus dem Fokus gerät.
Fazit: Ein grandios traurig und ebenso authentischer Roman, der trotz aller Tränen, Liebe und Zuversicht bei mir hinterlassen hat. Ich kann das Buch nur empfehlen aber vielleicht sollten beim Lesen die Taschentücher Griffbereit liegen.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Vorsicht! Circe verfällt man wie aus Zauberhand

Ich bin Circe
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Die Tochter des mächtigen Sonnengottes Helios und der Okeanide Perse, ist anders als ihre Geschwister. Nicht nur ihr Charakter ist eigenwillig und ihr Denken ist unbändig, auch ihr Strahlen ist bei Weitem ...

Die Tochter des mächtigen Sonnengottes Helios und der Okeanide Perse, ist anders als ihre Geschwister. Nicht nur ihr Charakter ist eigenwillig und ihr Denken ist unbändig, auch ihr Strahlen ist bei Weitem nicht so göttlich und ihre Stimme kommt der einer Sterblichen gleich. Doch als wäre das alles nicht genug, empfindet sie auch noch Zuneigung für die Menschen und ist nicht bereit diese, wie es ihr als Halbgöttin vorbestimmt ist, zu peinigen und leiden zu lassen, nur um von eben jenen, Huldigung zu erfahren. Jedoch erzürnen ihr Denken und Handeln die Titanen und Götter gleichermaßen und erfordern Bestrafung. Circe wird auf eine Insel verbannt, um ihr unsterbliches Dasein in Einsamkeit zu fristen. Es wäre aber nicht Circe, wenn sie nicht gerade daraus Kraft und Mut schöpfen würde um sich ganz auf das Studium der Pflanzen und der Entfaltung ihrer Kräfte zu konzentrieren. Sie zähmt wilde Tiere, wirkt Zauber, erschafft Tränke und Sinnestäuschungen und wird über die Meere hinaus eine mächtige Hexe genannt. Einzig ihre Emotionen sind leidenschaftlicher und Intensiver als Ihr Zauberhandwerk. Im Taumel zwischen Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht wandert sie durch die Zeit ohne je völlig in einer Emotion zu zergehen. Sie ist klug, kühn und distanziert genug um aus jeder Lage einen Ausweg zu finden oder gar einen nutzen, aus ihr zu ziehen. Am Ende eines, trotz Verbannung, ereignisreiches Lebens und der metaphorischen Verwandlung ihrer Persönlichkeit, muss sie sich die Frage stellen: ist die göttliche Unsterblichkeit wirklich das, was sie bis in alle Ewigkeit erfüllen wird oder träumt sich schon lange von einem anderen Leben?
„Ich bin Circe“ ist, neben „Das Lied des Achill“, das zweite Buch aus Madeline Millers Feder. Die US-amerikanische Schriftstellerin lehrt, nach ihrem Master in Altphilologie Latein und Griechisch an Gymnasien und widmet sich nebenbei dem Schreiben. Auch für ihr zweites Buch stand wieder ein Stück von Homer Pate. Madeline Miller lässt Circe ihr Leben aus der Ich-Perspektive erzählen und bringt dem Leser ihre menschliche Emotionalität näher, wegen derer ihre Familie sie so verachtet hat. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass Circe anders ist. Anders als alle Titanen, Götter, Halbgötter und auch Nymphen vor ihr. Dies bekommt sie deutlich zu spüren. Doch ist es genau diese Einzigartigkeit, die ihren Willen beständiger und unzerbrechlicher macht. Ein Wille mit dessen sie im Stande ist, sich der Willkür der Götter entgegenzustellen und sich letzten Endes auch gegen diese zu behaupten. Madeline Miller vereint hier mehrere Sagen die sich um Circe ranken und webt so gekonnt Faden für Faden von Circes Leben, für den Leser als ein großes Ganzes zusammen. Man erlebt vor allem emotional, hautnah und ungeschönt ihren Widerstand, ihr Aufbegehren, ihre Liebe, ihren Fall, ihre Verbannung, ihr Erwachen, ihre Tragödien und die daraus resultierende Stärke. Auf dieser Reise begegnet man bekannten Sagen, Helden, Prinzen, Bauherren, Göttern und sogar Ungeheuern und kann alldem sehr gut, auch ohne tieferes Wissen über griechische Mythologie, folgen. Mich hat das Buch von Anfang an in seinen Bann gezogen. Der Schreibstil hat mich richtiggehend abgeholt und mich in diesen Mythos und seine Zeit hineinversetzt. Es war durchweg interessant und spannend Circes Geschichte und ihrer Entwicklung beizuwohnen. Leider fiel das Ende sehr kurz und knapp aus. Es war schade, dass die Geschichte so abrupt endete. Hier hätten es gern noch mal 100 Seiten sein dürfen.
Fazit: Für mich ein wirklich sehr gelungenes Buch über griechische Mythologie und der Weg einer Frau, die sich selbst befreite, weil sogar der göttliche Horizont zu klein für sie w

Veröffentlicht am 27.08.2019

Im Bann von Idlewild Hall

Die schwarze Frau
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Vermont, in einem abgeschiedenen Mädcheninternat erzählen sich 1950, Schülerinnen diverse Schauergeschichten. Doch eine dieser Geschichten hält sich hartnäckig, sie handelt von der schwarzen Mary. Als ...

Vermont, in einem abgeschiedenen Mädcheninternat erzählen sich 1950, Schülerinnen diverse Schauergeschichten. Doch eine dieser Geschichten hält sich hartnäckig, sie handelt von der schwarzen Mary. Als eines der Mädchen unter mysteriösen Umständen verschwindet, ist zu befürchten, dass Mary doch mehr ist, als eine reine Spukgeschichte. 64 Jahre nach diesem Vorfall kann sich die Journalistin, Fiona Sheridan dem Bann des längst geschlossenen und verlassenen Internats kaum entziehen. Sie war selbst nie Schülerin auf Idlewild Hall, dennoch verbindet sie seit 20 Jahren nichts als Schmerzen mit diesem Ort. Als bei den Renovierungsarbeiten des alten Gebäudes eine Mädchenleiche gefunden wird, geht für Fiona kein Weg mehr an der Wahrheit vorbei. Sie muss wissen, was hier passiert ist. Doch schafft sie es, Idlewild Hall seine dunklen Geheimnisse zu entlocken?
„Die schwarze Frau“ ist der, erste in Deutschland erschienene, Roman der kanadischen Autorin Simone St. James. Schon in der High-School schrieb sie ihre erste Gruselgeschichte. Sie war 20 Jahre in der Filmbranche tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. In diesem Buch switcht sie zwischen zwei Zeitebenen: 2014- Fionas Sicht und die aktuellen Geschehnisse und 1950- die Perspektive, der in 1950, in der Lehranstalt lebenden Mädchen. Auch Fionas Vergangenheit spielt eine Rolle und so interessant diese auch ist, übt das Internatsleben und die beklemmende Atmosphäre dessen, eine ganz eigene Faszination auf den Leser aus. Den Mädchen, die alle einen unterschiedlichen Grund für ihren Aufenthalt im Internat haben, fällt der Alltag an diesem Ort schwer. Idlewild Hall ist schließlich kein Elite Internat, sondern eher ein Ort für ungeliebte, ungewollte, uneheliche oder gar „schwer erziehbare“ Töchter. Doch die vier, so unterschiedlich sie auch sein mögen, raufen sich zusammen und stehen für einander ein, um diesen undenkbar tristen, fremdbestimmten Alltag und auch ihre Erinnerungen zu überstehen. Fiona will eigentlich nur eins, Gewissheit, was vor 20 Jahren mit ihrer Schwester, die Tod auf dem Sportplatz, des bereits stillgelegten Internates, gefunden wurde, passiert ist. Doch der erneute Leichenfund auf dem Grundstück und ihre Recherchen lassen ihr keine Ruhe und führen sie Stück für Stück in die düstere Vergangenheit. Durch die 440 Seiten zog sich neben der wirklich brillant konstruierten Story, dem interessanten Background und der stets unheilvollen Atmosphäre auf Idlewild Hall, auch durchweg vorhandene, stetig steigende Spannung. Der Schreibstil war sehr klar und flüssig zu lesen. Die Autorin nutzt das Potenzial ihrer Kulisse, einmal als düsteres, schauriges Mädcheninternat und zum anderen als verlassene Ruine mit spektakulärer „Lost Place“ Atmosphäre, voll aus. Trotz der Geistergeschichte um die „Schwarze Mary“ schafft sie es, sich nicht in Hokuspokus Details zu verstricken und fährt ihre Linie um die Mordfälle klar und nah an der Realität weiter. Obgleich der vielen zu Wort kommenden Charaktere, sind diese von Grund auf in ihren Wesenszügen verschieden und so wunderbar ausgearbeitet, dass man unweigerlich mit ihnen mitfühlt. Ohne sich in Einzelheiten zu verstricken oder den Leser gar mit unnötigen Informationen zu füttern, erzählt Simone St. James in ihrem Roman die Geschichte von Mut, Freundschaft, Schmerz und dem zusammen halt von 4 Mädchen, denen Fiona über den Strom der Zeit hinweg in Idlewild Hall manchmal näher ist, als sie glaubt.
Fazit: Ein Roman, der mich durchweg fesseln konnte. Tolle Story, gut durchdacht und nicht zu übertrieben. Die atmosphärischen Gruselelemente gaben dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen. Ein durch und durch gutes, empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 15.07.2019

Wenn das böse keine Fiktion mehr ist…

Wir haben schon immer im Schloss gelebt
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Merricat, ihre Schwester Constance und ihr Onkel Julian leben am Rande eines Dorfes, im Schloss der Familie Blackwood. Alle anderen Familienmitglieder sind tot, sie wurden vergiftet. Merricat liebt die ...

Merricat, ihre Schwester Constance und ihr Onkel Julian leben am Rande eines Dorfes, im Schloss der Familie Blackwood. Alle anderen Familienmitglieder sind tot, sie wurden vergiftet. Merricat liebt die Ruhe und Abgeschiedenheit im Schloss, doch seit Constance freigesprochen wurde, den Rest der Familie ermordet zu haben, lässt die Welt und besonders die Dorfbewohner ihnen keine Ruhe mehr. Zusätzlich wird die Einsamkeit der drei, durch das Auftauchen von Cousin Charles, empfindlich gestört. Auf Charles Weg, sich nicht nur Constance, sondern auch der Besitztümer der Blackwoods zu bemächtigen, eskaliert die Stimmung und endet verheerend.
Shirley Jackson war US-amerikanische Schriftstellerin, die vor allem durch Horrorromane und -geschichten bekannt wurde. Wie auch in anderen Romanen beinhaltet „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ Aspekte und Erfahrungen aus Jacksons privatem Leben, die sie versucht hat so zu thematisieren. Sie verarbeitet scheinbar in diesem Werk, die ihr und ihrem Mann widerfahrenen Antisemitischen und Antiintellektuellen Konfrontationen. Ein weiterer, wichtiger Aspekt dieser Geschichte ist das Thema Angststörungen, eine für Jackson nicht unbekannte, ernstzunehmende Erkrankung. Sie erschafft in diesem Werk eine sehr befremdliche Atmosphäre, fügt dem Ganzen eine böse Komponente bei und verdeutlicht die Auswirkungen und Konsequenzen von Gruppenhass und dessen Dynamik. Die Abschottung der Familie um sich all dem zu entziehen und die daraus resultierende Steigerung des Hasses, bis zur völligen Entgleisung. Sie setzt diesen negativen Emotionen aber bedingungslose, zum Teil unergründliche Liebe und Hingabe der beiden Schwestern entgegen. Wir erleben durchweg die Geschichte aus Merricats Perspektive, die zum Handlungszeitpunkt zwar schon das 18. Lebensjahr erreicht hat, sich aber in ihrer geistigen Entwicklung zum Teil deutlich in Verzögerung befindet. Durch Jacksons Erzählweise wirkt sie in manchen Momenten sogar noch sehr kindlich. Meine Vorstellung von der Richtung, in die diese Geschichte laufen könnte war eigentlich eine ganz klare. Für mich war das ungeklärte Verbrechen und der Giftmord an der Familie Blackwood von großem Interesse und ich dachte diesem wird im Laufe der Story das Hauptaugenmerk beigemessen. Tatsächlich war es für Jackson aber lediglich ein Stilelement welches als Böse Komponente fungierte und im Verlauf eher an Bedeutung verlor. Die Schilderungen der Autorin waren durchweg Interessant und sogar schockierend, gerade in Bezug auf die Dorfbewohner und deren Verhalten. Sprachlich und vom Schreibstil war es schon eine Herausforderung, da man der Geschichte aufmerksam Folgen musste um auch die besondere Beziehung der Familienmitglieder spüren und ansatzweise nachvollziehen zu können. Den Gesprächen der vier zu lauschen, war zum Teil etwas anstrengend, da Merricats kindliche Art, Onkel Julians gesundheitlicher Zustand und Constance Einigelung die Konversationen doch recht wirr wirken ließen. Alles in allem, wenn man sich auf die Kernaussage des Buches einlässt und nicht auf eine Geistergeschichte/ Kriminalfall und dessen Lösung wartet, ein sehr gelungenes Werk. In seiner weitreichenden Tiefsinnigkeit, ein Buch dessen Fokus nicht gleich offensichtlich ist, welches man aber selbst nach dem lesen nicht so leicht vergisst.
Fazit: Ein Romanklassiker, welcher mehr durch seine Aussage, als Horrorelemente besticht, denn hier ist die wirklich böse Kraft kein erdachtes Gespenst, sondern der Mensch an sich und sein handeln.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Diese Lieferung blieb leider ohne Atmosphäre

Die Lieferung
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Alles was übrig bleibt, ist eine Pizza auf dem Tisch. Sie ist unangerührt. Von der Frau, die sie bestellt hat fehlt jede Spur. Durch einen anderen Fall stoßen Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca ...

Alles was übrig bleibt, ist eine Pizza auf dem Tisch. Sie ist unangerührt. Von der Frau, die sie bestellt hat fehlt jede Spur. Durch einen anderen Fall stoßen Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald auf Hinweise, dass hinter der mysteriösen Entführung doch mehr stecken könnte als zunächst vermutet. Ein verstörter Täter, der seine Opfer überlistet und jahrelang gefangen hält.
Die Lieferung ist der neuste Thriller des deutschen Bestseller Autors Andreas Winkelmann. Ich war anfänglich positiv überrascht, ließ der Klappentext doch vermuten, dass es sich zum größten Teil nur um die „Lieferung“ und anschließende Entführung drehen würde. Dem war jedoch nicht so, nach dem Prolog lief die Geschichte aus einer ganz anderen Richtung an. Wie auch schon in anderen Romanen baut Andreas Winkelmann hier wieder verschieden Perspektiven ein. Neben dem Blickwinkel der Ermittler gibt es auch die des Opfers, die Sicht des Täters und rückblenden in dessen Vergangenheit. Was sicherlich als Abwechslung gedacht war brachte leider zu viele Informationen über das Wesen des Täters. So konnte man sich nie zur Gänze auf das Verwirrspiel der wechselnden Verdächtigen einlassen. Die Ermittlungen waren zwischendurch leider ein heilloses Namens- und Aktionen Chaos, nicht zuletzt auch weil Winkelmann zum Teil viel zu große Handlungssprünge macht. So hatte man als Leser ein ums andere Mal das Gefühl etwas überlesen zu haben. Mein größter Kritikpunkt ist aber die fehlende Atmosphäre. Nach dem mich der Anfang an „Tief im Wald und unter der Erde“ und „Blinder Instinkt“ erinnerte war die Hoffnung auf den ein oder anderen beklemmenden Gänsehaut Moment schon groß. In diesem Punkt hat er mich wirklich enttäuscht. Selbst in der Opferperspektive, die das meiste Potenzial bot um den Leser die verängstigte Stimmung spüren zu lassen, ließ er dies leider ungenutzt. Nach gefühltem ewigen hin und her der Verdächtigen wird auf den letzten 20 Seiten das „Wer? Wie? Und Warum?“ mehr oder weniger lieblos dahin gekleckert. Alles, was in diesem Buch mühevoll und detailreich ausgearbeitet oder angepriesen wurde, waren letzten Endes nur Erklärungen für Nebensächlichkeiten, deren Relevanz doch fragwürdig war. Leider blieb die Kulisse der Gefangenschaft auch weit hinter dem, was man aus ihr hätte rausholen können. Die Idee der Story und auch der Background des Antagonisten, war an sich interessant aber die Spannung ging im Verwirrspiel zum größten Teil flöten und die Auflösung der Identität des Täters ließ doch arg zu wünschen übrig. Da der Leser zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte diesen zu entlarven kam nicht mehr als ein „achso“ Effekt zustande. Schade, Andreas Winkelmann kann mehr aber diesmal hat es leider nicht gereicht. Der Schreibstil war flüssig und gut zu lesen, ging aber leider nicht tief genug um mich aus der Realität zu entführen.
Fazit: Kann man mal nebenbei lesen, hat das typische Winkelmann Schema aber muss man definitiv nicht gelesen haben. Die Lieferung bleibt leider dank fehlender Atmosphäre und zu vielen, aufwendig Konstruierten aber unwichtigen Details, weit hinter früheren Erfolgen.