Profilbild von Jule_liest

Jule_liest

Lesejury Profi
offline

Jule_liest ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jule_liest über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2019

Vom Suchen und Finden

Der Wind nimmt uns mit
0

Rezension zu „Der Wind nimmt uns mit“ von Katharina Herzog
Katharina Herzog schreibt in einem leichten, lockeren Stil, der sich flüssig lesen lässt und damit gut zu dieser Sommerlektüre passt.
Eine Sommerlektüre ...

Rezension zu „Der Wind nimmt uns mit“ von Katharina Herzog
Katharina Herzog schreibt in einem leichten, lockeren Stil, der sich flüssig lesen lässt und damit gut zu dieser Sommerlektüre passt.
Eine Sommerlektüre ist dieser Roman nämlich durch und durch. Dafür sorgt neben dem Erzählstil der Erzählort. Als Leser kann man sich gut auf die Insel La Gomera denken und mit der Protagonistin Maya die Insel entdecken. Auch die Liebesgeschichte kommt natürlich nicht zu kurz, wird Maya doch von Tobi, einem One-Night-Stand, schwanger und fliegt nach La Gomera um ihn dort zu finden. Und das, obwohl sie eigentlich gerade nicht nach La Gomera fliegen wollte, wo die Frau lebt, die sie jahrelang für ihre Mutter gehalten hat.
Was inhaltlich begeistert, ist, dass Maya Reisebloggerin ist. Mayas Lebensstil ist modern und spiegelt das Problem unserer Gesellschaft wieder. Wir wollen immer mehr, immer schneller, höher und möglichst viel erleben, bloß nicht anhalten und mal umsehen. Dieses Phänomen kann man nicht nur bei Reisebloggerin Maya beobachten, sondern auch bei den Influencern in unserer Realität.
Spannung erhält die Geschichte dadurch, dass sie aus zwei Perspektiven erzählt wird. Maya und ihre vermeintliche Mutter Karoline erzählen im Wechsel, wobei Karoline aus der Vergangenheit berichtet. So ergibt sich nach und nach das ganze Bild und für den Leser bleibt lange spannend, wie Maya zu Karoline gekommen ist.
Etwas anstrengend war zunächst, dass die Hippies auf der Insel sehr viel Esoterik mit in die Geschichte bringen. Das nimmt aber zum Glück im Laufe der Geschichte ab. Die Nebenfiguren sind aber wieder ein Pluspunkt der Geschichte. Sie bringen Vielfalt und bereichern sichtlich das Leben auf der Insel. Mit ihrer freundlichen Art sind sie auch für Maya da.
Insgesamt gilt: Wer diesen Roman liest, dem sollte bewusst sein, dass es sich um einen typisch leichten Sommerroman handelt, der recht vorhersehbar ist. Aber WIE das ganze zustande kommt, ist an einigen Stellen überraschend und vor allem bereitet es Freude. Wer sich, wie ich, für solche Romane begeistern kann, der ist mir „Der Wind nimmt uns mit“ gut beraten.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Vielschichtig

Die leuchtenden Tage am Bosporus
0

Rezension zu „Die leuchtenden Tage am Bosporus“ von Lucy Foley
Lucy Foley hat mit „Die leuchtenden Tage am Bosporus“ eine tolle Geschichte geschaffen. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Dass ...

Rezension zu „Die leuchtenden Tage am Bosporus“ von Lucy Foley
Lucy Foley hat mit „Die leuchtenden Tage am Bosporus“ eine tolle Geschichte geschaffen. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Dass eine der Perspektiven aus einer Gegenwart heraus erzählt, die viele Jahre nach der Hauptgeschichte stattfindet, irritiert zunächst. Hat man dies aber verstanden, sind die Perspektiven angenehm, weil so die verschiedenen Sichtweisen auf die Geschehnisse beleuchtet werden können, was die Geschichte so vielschichtig macht. Der Schreibstil ist schön. Er wirkt „verschnörkelt“, was gut zum Handlungsort passt. Es gibt viele Beschreibungen, die das Buch aber keinesfalls langatmig machen, sondern eine schöne Atmosphäre schaffen. Insgesamt ist die Geschichte spannend, auch wenn sie in der Mitte noch mittreißender hätte sein können.
Besonders ist der Hintergrund der Geschichte. Es geht um Istanbul, dass nun unter der Besatzung der Alliierten zu leiden scheint und um den Völkermord an den Armeniern. Beides habe ich so noch nie in einem Buch thematisiert gesehen. Beide Konflikte, sowohl der zwischen Alliierten und Türken also auch der zwischen Türken und Armeniern wird wunderbar deutlich. Interessant ist, dass der Konflikt zwischen Türken und Alliierten von Beginn von den Figuren vermittelt wird, indem sie den Leser an ihren Gedanken teilhaben lassen, der Konflikt zwischen Türken und Armeniern sich aber lange zwar andeutet, das ganze Ausmaß jedoch lange unausgesprochen bleibt, wie der Völkermord eben bis heute von der Türkei ignoriert wird.
Besonders ist auch die Protagonistin Nur. Außergewöhnlich gut gebildet für eine Frau ihrer Zeit und Herkunft, spürt der Leser von Beginn an ihren inneren Konflikt. Selbstbewusst und mit einer kritischen Haltung geht sie durch die Straßen Istanbuls. Sie steckt fest zwischen Wut und Vorurteil und dem Bewusstsein, dass nicht alle Menschen gleich sind. Es macht Spaß ihr dabei zuzusehen, wie sie ihre inneren Schranken überwindet. Ein bedeutender Sympathieträger in diesem Buch ist sicherlich zum einen der Junge, der zunächst etwas rätselhaft erscheint und später eine Kontur bekommt und George, dem britischen Militärarzt, mit dem Nur zufällig in Kontakt kommt. Er ist so anders als sie sich die britischen Militärs vorstellt. Spannend ist, dass schnell deutlich wird, dass er etwas verheimlicht. Was genau, muss schon jeder selbst herausfinden. In jedem Fall sorgt dies für Spannung. Grausam sind die Schilderungen des „Gefangenen“, der immer wieder seine Kriegserlebnisse schildert und der deutlich macht, dass die inneren Wunden die schlimmsten sind.
Auch wenn die Geschichte insgesamt im Mittelteil nicht so mitreißend war, wie ich es mir gewünscht habe, hat Lucy Foley hier einen tollen Roman geschaffen. „Die leuchtenden Tage am Bosporus“ besticht dabei vor allem mit einer außergewöhnlichen Geschichte, deren Vielschichtigkeit sich zum einen in der Geschichte selbst, und zum anderen in den Figuren finden lässt.

Veröffentlicht am 09.03.2019

Polarisierende Antiheldin

Lola
0

Rezension zu „Lola“ von Melissa Scrivner Love
„Lola“ ist ein interessantes Buch. Das liegt vor allem an der vielseitigen Hauptfigur. Lola ist keine gewöhnliche Protagonistin. Sie gehört nicht zu den Guten, ...

Rezension zu „Lola“ von Melissa Scrivner Love
„Lola“ ist ein interessantes Buch. Das liegt vor allem an der vielseitigen Hauptfigur. Lola ist keine gewöhnliche Protagonistin. Sie gehört nicht zu den Guten, ganz im Gegenteil. Als Kopf einer Drogengang befielt sie nicht nur Verbrechen und Gewalt, sondern führt sie auch selber aus. Dennoch ist sie nicht unsympathisch. Mit ihrer mexikanischen Herkunft und ihrer Kindheit in einer der schlimmsten Viertel L.A.s hat man schnell das Gefühl, dass sie nicht nur Täter ist, sondern auch Opfer. Ein Opfer ihrer Herkunft, nicht nur kulturell gesehen, sondern auch familiär. Dass sie von ihrer drogenabhängigen Mutter stark vernachlässigt und von Männern misshandelt wurde, wird dem Leser schnell klar. Die Stärke, die Lola aufbringt, ist daher fast schon bewundernswert, obwohl sie sich hinter ihrer harten Schale versteckt. Lola ist deshalb nicht unsympathisch, weil sie immer wieder zeigt, dass sie ihre Menschlichkeit nicht verloren hat. Ihre Taten rechtfertigt sie rational und für sie logisch, für unsereins sind es allerdings grausame Handlungen. Selbst gegen die eigene Familie richtet sie Gewalt, sofern es ihrer Meinung nach notwendig ist, um ihre Position in der Bande zu erhalten. Und dann zeigt sie sich von einer weichen Seite. Die Sehnsucht nach Familie und Stabilität wird immer wieder deutlich. Ihr Wunsch, die Menschen um sie herum zu beschützen, kreuzt sich mit dem Dilemma, dass sie gleichzeitig als knallharter Boss agieren muss. Lola ist eine Anitheldin, die man gerne eine Zeit begleitet, gerade weil sie polarisiert.
Schade ist, dass eine gewisse Spannung zwar dauerhaft gegeben ist, die Geschichte aber dennoch nicht so fesselt, wie man es von einem Thriller erwarten würde.
Dennoch besticht der Roman besticht insgesamt durch eine ungewöhnliche Hauptfigur, die in ihrem Drogenboss-Dasein immer wieder ihre Menschlichkeit zeigt. Lesenswert ist „Lola“ daher allemal. Nur einen schaurigen „Thriller“ sollte man nicht erwarten.

Veröffentlicht am 06.02.2019

Lädt zum recherchieren und nachdenken ein

Stella
0

Rezension zu „Stella“ von Takis Würger
Mit „Stella“ hat Takis Würger einen stark kontrovers diskutierten Roman geschrieben.
Zunächst ist der Schreibstil angenehm. Die Sätze sind kurz und prägnant, was ...

Rezension zu „Stella“ von Takis Würger
Mit „Stella“ hat Takis Würger einen stark kontrovers diskutierten Roman geschrieben.
Zunächst ist der Schreibstil angenehm. Die Sätze sind kurz und prägnant, was sie gut lesbar macht. Außerdem passt die Schlichtheit zur Kriegszeit, in der der Roman spielt. Positiv hervorzuheben sind zum einen die Kapitelanfänge, in denen immer ein sehr knapper Abriss über mal mehr mal weniger wichtige Geschehnisse steht, sodass die folgende Handlung gut eingeordnet werden kann. Zum anderen sind immer wieder originale Ausschnitte aus Verhandlungsakten in den Kapiteln vorhanden, die den Ernst des Themas der Judenverfolgung verdeutlichen. Der Roman braucht diese Ausschnitte, weil er vor allem durch diese Ausschnitte seine Tiefe erhält, da die Handlung hier und da oberflächlich bleibt. Dies liegt nicht zuletzt an den Figuren. Friedrich ist in Österreich mit einem liebevollen Vater und einer kaltherzigen, alkoholabhängigen Mutter und mit einem Vermögen im Rücken aufgewachsen. Er hört das Gerücht, dass in Berlin nachts Juden mit Möbelwagen abgeholt werden und fährt daraufhin in die Stadt um sich selber davon zu überzeugen. Friedrich trifft dort auf Stella, über die man lange wenig erfährt. Daher möchte auch ich hier nicht zu viel verraten. Eins ist jedoch sicher: Stella verbirgt von Beginn an etwas und man wird schnell das Gefühl nicht los, dass sie Friedrich ausnutzt, da sie sich schon von ihm aushalten lässt. Stella ist schwer zu fassen und lässt den Leser am Ende schockiert zurück. Friedrich wirkt während des ganzen Romans sehr naiv. Er reist nicht nur recht unbedarft in ein Land, dass gerade Krieg führt, sondern er sieht sich auch recht lange ohne zu kommentieren das Geschehen in der Stadt an und nimmt Stellas Verhalten einfach hin und lässt sich von Stella beeinflussen. Das kritische Hinterfragen und Reflektieren der Geschehnisse bleibt dem Leser überlassen, was mir persönlich gefällt. Allerdings sollte man sich dafür schon ein wenig in der Geschichte auskennen.
Interessant ist auch Tristan, den Friedrich in einer Bar kennen lernt und mit dem er sich mehrfach trifft. Er ist ein Charakter mit zwei Gesichtern, der eine interessante Perspektive in die Geschichte bringt.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, auch wenn mir Friedrich zu naiv ist. Der Roman macht die Gräueltaten der NS-Zeit durch die Ausschnitte aus den Akten und die Daten zu Beginn eines jeden Kapitels deutlich. Außerdem lagen die Figuren dazu sein, selbst zu recherchieren, da es Stella wirklich gegeben hat, auch wenn die Stella im Roman nicht vollkommen mit der historischen Person übereinstimmt. Die verschiedenen Figuren machen deutlich, dass wir als Leser nicht dem Urteil einer Figur trauen dürfen, sondern dass wir uns selbst ein Bild machen müssen. Die Akten sowie die Handlung ermöglichen es uns die Figuren aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Aufrüttelnd und (leider) aktuell

Mit der Faust in die Welt schlagen
0

Rezension zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel
Lukas Rietzschel schreibt aus der Sicht der Brüder Tobias und Philipp, die in einem kleinen Dorf in Sachsen aufwachsen. Ihre Kindheit ...

Rezension zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel
Lukas Rietzschel schreibt aus der Sicht der Brüder Tobias und Philipp, die in einem kleinen Dorf in Sachsen aufwachsen. Ihre Kindheit und Jugend wird beeindruckend geschildert und durch die Sichtweise authentisch. Zu Beginn erfährt der Leser die Geschehnisse aus kindlicher Perspektive, später aus der von Jugendlichen. Der Stil ist interessant. Zu Beginn muss man sich reinfinden, dann aber passt er toll zum Inhalt. Schlicht, klar und doch eindrucksvoll unterstreicht der Stil die karge Landschaft, die schlechte soziale Situation und die Perspektivlosigkeit, denen sich viele Menschen in der Geschichte ausgesetzt fühlen.
Die Brüder sind das Zentrum der Geschichte. Obwohl am selben Ort aufgewachsen, ist ihre Wahrnehmung zeitweise ähnlich und dann doch wieder unterschiedlich. Die Spannung wird dadurch gehalten. Man hofft mit den Protagonisten und wünscht ihnen Einsicht.
Während die Geschichte auf den ersten Seiten nur langsam in Fahrt kommt, werden später all die Probleme deutlich, was dem Buch guttut. Man möchte die ein oder andere Figur schütteln und wachrütteln, es wird aber auch deutlich, wie tiefgreifend die Probleme sind, sodass die Figuren in einigen Punkten machtlos sind.
Die Ignoranz der Erwachsenen ist erschreckend, wie auch viele weitere Situationen in dem Buch. Lukas Rietzschel schafft es den Leser zum Nachdenken anzuregen – über rechte Bewegungen, über Nazis, über die Beweggründe, die Jugendliche und Erwachsenen dazu bringen sich diesen Gruppen anzuschließen, darüber, wo das Nazi-Sein beginnt und was man dagegen macht. Ignorieren? –Keine gute Idee. Einschreiten? –Gefährlich. Dies alles geschieht, ohne dass der Autor selbst Bewertungen vornimmt. Der wachsame Leser aber erkennt die Probleme und wird sich automatisch inmitten vieler Fragen wiederfinden.
Meine Empfehlung: Lest dieses Buch! Es ist aktuell und wichtig und wir sollten viel häufiger darüber nachdenken, was genau gerade in unserer Gesellschaft passiert, in der Hetze, Hass und Gewalt zunehmen.