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Veröffentlicht am 06.10.2018

Was Krieg anrichtet

Piccola Sicilia
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Rezension zu „Piccola Sicilia“ von Daniel Speck
Daniel Speck hat mit „Piccola Sicilia“ einen interessanten und schön zu lesenden Roman geschaffen. Zunächst ist der Stil angenehm und flüssig. Das Thema ...

Rezension zu „Piccola Sicilia“ von Daniel Speck
Daniel Speck hat mit „Piccola Sicilia“ einen interessanten und schön zu lesenden Roman geschaffen. Zunächst ist der Stil angenehm und flüssig. Das Thema und die Beschreibungen sorgen dafür, dass man nur so in die Geschichte gesogen wird und sich Tunis und das Stadtviertel Piccola Sicilia gut vorstellen kann. Die Sprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind gut gemacht, weil sie inhaltlich miteinander verknüpft sind und die Geschichte in der Vergangenheit immer recht lange erzählt wird, sodass man sich gut hineinfinden kann in die Zeit und die Geschehnisse. Toll ist auch, dass auf verschiedenen Ebenen einiges passiert, also sowohl zwischenmenschlich als auch in dem Land selbst, da es während des Zweiten Weltkrieges spielt. So bleibt die Spannung erhalten und für den Leser stellen sich viele Fragen, die der Autor nach und nach auflöst, sodass die Spannung stets bleibt. Beeindruckend sind die Schilderungen des Zusammenlebens von Christen, Muslimen und Juden und der Veränderung durch den Einfluss des Zweiten Weltkrieges. Der Autor schafft es, den Leser zu erschüttern und die tiefgreifenden Folgen des Krieges in der Gesellschaft darzustellen.
Der Roman besticht in seiner Erzählweise aber auch durch viele kluge Passagen, die man sich als Zitate markieren kann, da sie zum Nachdenken anregen. Die Figuren stellen so ihre Sichtweisen dar und als Leser beginnt man ebenfalls zu reflektieren. Das Buch ist eine Schatztruhe voll schöner Gedanken.
Inhaltlich möchte ich wenig schreiben, um nichts vorweg zu nehmen. Daher auch nur kurz zu den Charakteren: Nina, die Enkelin von Moritz, wirkt verloren. Sie ist sympathisch und man wünscht ihr, dass sie findet, was sie sucht.
Yasmina und Victor sind interessante Charaktere. Keine leiblichen Geschwister, da Yasmina adoptiert ist, wachsen sie gemeinsam auf und hängen sehr aneinander. Victor ist eher der Lebemann, Yasmina eine Träumerin mit Dickkopf. Der Krieg verändert ihr Leben, wie das aller Menschen. Wie, dass möchte ich nicht verraten. Albert und Mimi, die Eltern der beiden sind ebenfalls spannend. Vor allem Albert besticht mit Weisheiten. Er ist Arzt und kann nicht gut ohne seine Arbeit. Seine wissenschaftliche Art auf die Welt zu schauen, lässt ihn auch die Religionen differenziert betrachten, was der Geschichte guttut. Sein Blick auf die Welt öffnet auf den Blick des Lesers. Dann wäre da noch Moritz, der in der Propagandaabteilung für die Nationalsozialisten nach Tunis gelangt. Auch seine Art, die Dinge zu sehen, bereichert die Geschichte. Er begreift seine Arbeit bald als zweischneidiges Schwert und fragt sich stets, was Filme und Bilder auslassen, was sie nicht zeigen. Auch ihn verändert der Krieg.
Insgesamt ist „Piccola Sicilia“ ein toller Roman, der einerseits durch seine Erzählweise, andererseits durch die Thematik besticht. Auch wenn man viel über die Geschichte des Nationalsozialismus weiß und einige Bilder gesehen hat, zeigt dieser Roman, dass die Taten der Nazis doch nie ihren Schrecken verlieren. Außerdem gut nachvollziehbar dargestellt sind die Folgen, die der Krieg für die Juden hatte. Hass frisst sich eben doch schnell ein, für Vertrauen braucht es viel länger.
Mein Tipp: Lest dieses Buch! Erst recht diejenigen, die Geschichten mit Zeitsprüngen mögen, in denen die Tragweite historischer Ereignisse deutlich werden und die Geschichten mögen, die den Leser zum Nachdenken anregen und voll sind mit guten Zitaten.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Aufrüttelnd und (leider) aktuell

Mit der Faust in die Welt schlagen
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Rezension zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel
Lukas Rietzschel schreibt aus der Sicht der Brüder Tobias und Philipp, die in einem kleinen Dorf in Sachsen aufwachsen. Ihre Kindheit ...

Rezension zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel
Lukas Rietzschel schreibt aus der Sicht der Brüder Tobias und Philipp, die in einem kleinen Dorf in Sachsen aufwachsen. Ihre Kindheit und Jugend wird beeindruckend geschildert und durch die Sichtweise authentisch. Zu Beginn erfährt der Leser die Geschehnisse aus kindlicher Perspektive, später aus der von Jugendlichen. Der Stil ist interessant. Zu Beginn muss man sich reinfinden, dann aber passt er toll zum Inhalt. Schlicht, klar und doch eindrucksvoll unterstreicht der Stil die karge Landschaft, die schlechte soziale Situation und die Perspektivlosigkeit, denen sich viele Menschen in der Geschichte ausgesetzt fühlen.
Die Brüder sind das Zentrum der Geschichte. Obwohl am selben Ort aufgewachsen, ist ihre Wahrnehmung zeitweise ähnlich und dann doch wieder unterschiedlich. Die Spannung wird dadurch gehalten. Man hofft mit den Protagonisten und wünscht ihnen Einsicht.
Während die Geschichte auf den ersten Seiten nur langsam in Fahrt kommt, werden später all die Probleme deutlich, was dem Buch guttut. Man möchte die ein oder andere Figur schütteln und wachrütteln, es wird aber auch deutlich, wie tiefgreifend die Probleme sind, sodass die Figuren in einigen Punkten machtlos sind.
Die Ignoranz der Erwachsenen ist erschreckend, wie auch viele weitere Situationen in dem Buch. Lukas Rietzschel schafft es den Leser zum Nachdenken anzuregen – über rechte Bewegungen, über Nazis, über die Beweggründe, die Jugendliche und Erwachsenen dazu bringen sich diesen Gruppen anzuschließen, darüber, wo das Nazi-Sein beginnt und was man dagegen macht. Ignorieren? –Keine gute Idee. Einschreiten? –Gefährlich. Dies alles geschieht, ohne dass der Autor selbst Bewertungen vornimmt. Der wachsame Leser aber erkennt die Probleme und wird sich automatisch inmitten vieler Fragen wiederfinden.
Meine Empfehlung: Lest dieses Buch! Es ist aktuell und wichtig und wir sollten viel häufiger darüber nachdenken, was genau gerade in unserer Gesellschaft passiert, in der Hetze, Hass und Gewalt zunehmen.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Tolle Grundidee spannend umgesetzt

Glamour Girl 1. Wer liebt, verliert
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Rezension zu „Glamour Girl – Wer liebt, verliert“ von Evelyn Uebach

Als ich begonnen habe das Buch zu lesen, wollte ich eigentlich nur kurz reinschauen. Ganz schnell hatte ich aber die ersten 100 Seiten ...

Rezension zu „Glamour Girl – Wer liebt, verliert“ von Evelyn Uebach

Als ich begonnen habe das Buch zu lesen, wollte ich eigentlich nur kurz reinschauen. Ganz schnell hatte ich aber die ersten 100 Seiten gelesen. Der Schreibstil ist spannend und lässt sich flüssig lesen. Evelyn Uebach wirft dem Leser immer wieder kleine Hinweise hin, sodass man sich fortwährend Gedanken um den Ausgang der Geschichte macht, um dann doch wieder überrascht zu werde.
Die Geschichte besticht durch eine interessante Grundidee und tolle, unterschiedliche Charaktere. Sie spielt in Deutschland, was zunächst eine schöne Abwechslung ist, da ja doch viele Geschichten in Amerika oder England spielen. Die Gesellschaft ist aber von Grund auf anders. Es gibt verschiedene Glamourgesellschaften, die von reichen Familien geführt werden und die im krassen Kontrast zu unserer Leistungsgesellschaft stehen. Es muss gefeiert werden und dass jede Nacht. Dafür erhält die Nacht sogar eine 13te Stunde. Die Regeln in dieser Gesellschaft, in der man unterschiedlich Mietglied sein kann, sind so abstrus, dass man häufiger lachen muss. Es gibt Mitglieder, die auf einem Gelände wohnen und dem Oberhaupt der Gesellschaft gehorchen müssen. Viele Ideen unserer Gesellschaft werden integriert und erhalten dabei teilweise urkomische Namen. Auch die Rituale dieser Gesellschaft sind zum Lachen. Die möchte ich hier auch nicht verraten, da das einiges an Spaß nehmen würde. Die Geschichte ist jedoch ernst und spannend.
Nun zu den Charakteren. Die Protagonistin Vicky ist selbstbewusst, vorlaut und loyal. Mit ihrer Art bereichert sie auch die Grundidee der Geschichte, weil sie der Gesellschaft kritisch gegenübersteht. Ohne diese kritische Reflexion hätte mir das Buch nicht halb so gut gefallen, weil es teilweise so abstrus und die Mädchen fast grausam dämlich sind, dass es für mich schwierig geworden wäre, der Geschichte zu folgen und sie ernst zu nehmen. So aber ist sie interessant und fesselnd. Vicky stürzt sich kopfüber in ihre Mission und bringt damit Schwung in die Gesellschaft. Hier und da übertreibt sie es etwas, aber auch hier bemerkt sie es selbst. Vicky ist sympathisch und als Leser fiebert man mit ihr mit.
Der Protagonist Robin ist das Oberhaupt der Gesellschaft, der eine Partnerin, die Erstharmonie, sucht. Robin ist schwer zu durchschauen. Er wirkt arrogant und gefährlich, dann wieder liebevoll und intelligent. Clea, eine der zehn Harmonien die mit ihm auf dem Gelände der Gesellschaft leben, ist in ihn verliebt. Dass Vickys Beitritt zu den Harmonien da für Zündstoff sorgt, ist logisch.
Doch das Buch wird in erster Linie nicht durch die Suche nach der Erstharmonie interessant, sondern durch die vielen Geheimnisse, die Robin und seine Familie umgeben. Geschickt streut Evelyn Uebach kleine Hinweise in die Geschichte, die die Spannung steigern. Immer wieder kommt Neues an Licht, was den Blickwinkel des Lesers verändert und neue Verwirrung stiftet.
Insgesamt ein tolles Buch. Ich warte schon auf Band 2. „Glamour Girl“ kann ich allen Lesern ans Herz legen, die Geschichten mögen, deren Gesellschaftsstruktur von der unseren abweicht, in der eine Liebesgeschichte untergebracht ist, in der es aber auch wirklich spannend zugeht, weil einige Figuren Geheimnisse haben, die nicht so leicht zu erfassen und durchdringen sind.

Veröffentlicht am 25.08.2018

Wohlfühlbuch

Redwood Love – Es beginnt mit einem Blick
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Rezension zu „Redwood Love – Es beginnt mit einem Blick von Kelly Moran
Redwood Moran ist eine Kleinstadt in Oregon mit absolut liebenswerten Charakteren. Kelly Morans Schreibstil ist angenehm und typisch ...

Rezension zu „Redwood Love – Es beginnt mit einem Blick von Kelly Moran
Redwood Moran ist eine Kleinstadt in Oregon mit absolut liebenswerten Charakteren. Kelly Morans Schreibstil ist angenehm und typisch für einen Liebesroman wie diesen. Auch deshalb lässt sich der Roman schnell lesen.
Was das Buch ausmacht, ist daher nicht der Schreibstil, sondern die Atmosphäre, die durch die Charaktere und die Geschichte an sich hervorgerufen wird. Redwood ist eine kleine Stadt mitten in Oregon, in der man sich nur wohlfühlen kann. Obwohl sie klein ist, gibt es dort alles was man braucht und vor allem fühlt man sich wegen der Menschen dort schnell zu Hause. Die Bewohner geben aufeinander acht, sodass das Gefühl entsteht, dass niemand dort vollkommen allein ist.
Jetzt aber zu den Charakteren: die Protagonistin Avery ist einfach nur sympathisch. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um ihre autistische Tochter Hailey und beißt sich durchs Leben. Sie ist engagiert und liebevoll. Ihre Tochter Hailey ist entzückend und ihr ganzer Stolz. Das Gespann zeigt, wie anstrengend das Leben mit einem autistischen Kind sein kann, aber auch, wie wertvoll jedes Kind auf dieser Welt ist.
Jede Liebesgeschichte braucht mindestens einen interessanten, gutaussehenden Mann. In Redwood gibt es gleich drei davon. Die Brüder Cade, Flynn und Drake O´Grady führen die Tierarztpraxis der Stadt und haben alle ihren eigenen Charme. Cade ist der Frauenscharm, Flynn ist stumm und Drake sehr verschlossen. Der Fokus liegt in diesem Band auf Cade. Sein Charme zieht nicht nur Avery an, sondern auch andere Frauen der Stadt, was für einige Situationen sorgt, in denen man schon sehr schmunzeln muss.
Es gibt auch einige Nebenfiguren, die das Buch unterhaltsam machen. Dazu gehören Die Mutter, sowie sie Tanten der O´Grady Brüder, die sich in der Stadt sehr engagieren und liebend gerne in andere Angelegenheiten einmischen. Sie sind es auch, die hauptsächlich den Twitter-Account der Stadt mit den neusten Geschehnissen füllen, sowohl öffentlicher als eher privater Natur.
Das Zusammenspiel all dieser, auf ihre Art liebenswerten, Figuren sorgt dafür, dass man gar nicht anders kann, als sich in Redwood und seine Bewohner zu verlieben.
Die Geschichte um Avery und Cade wird sanft erzählt und lädt zum Träumen ein. Die Spannung entsteht auf ganz eigene Art. Im Endeffekt wird dem Leser recht schnell deutlich, auf was für ein Ende das Buch hinausläuft, aber das Interessante an diesen Büchern ist ja oft der Weg dahin.
Insgesamt ist Redwood Love ein Wohlfühlbuch für Liebhaber romantischen Geschichten, die die Figuren gerne dabei begleiten, wie sie sich entwickeln, aus der Reserve gelockt werden und verlieben. Ich fühle mich dort in jedem Fall heimisch und kann es kaum erwarten, dorthin zurück zu kehren.

Veröffentlicht am 23.08.2018

Interessant, aber nicht überragend

Ida
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Rezension zu Ida von Katharina Adler
Das Hörbuch Ida, welches von Petra Morzé gelesen wird, ist angenehm zu hören. Die Sprecherin liest mit österreichischem Akzent, was die Figuren authentischer macht, ...

Rezension zu Ida von Katharina Adler
Das Hörbuch Ida, welches von Petra Morzé gelesen wird, ist angenehm zu hören. Die Sprecherin liest mit österreichischem Akzent, was die Figuren authentischer macht, da sie schließlich Österreicher sind. Etwas verwirrend waren zunächst die Zeitsprünge, denen man aufgrund ihrer Unregelmäßigkeit nicht so gut folgen konnte.
Im Zentrum der Erzählung steht Ida, die ich weder als besonders sympathisch, noch unsympathisch beschreiben kann. Sie wirkt etwas merkwürdig und labil, wobei die Frage entsteht, woher dies kommt. Ida jammert häufig über so allerlei körperlicher Beschwerden, bei denen ständig die Frage mitschwingt, ob sie psychischer oder physischer Natur sind.
Interessant ist Idas gesellschaftliches Leben. Es gibt einige Figuren, wie etwa ihre Cousine Elsa oder die Freunde ihrer Eltern, die sie ihr Leben lag immer mal wieder trifft, im Guten wie im Schlechten. Aufmerksamkeit verdient auch ihre Beziehung zu ihrem Bruder Otto, den sie sehr idealisiert. Das sorgt wiederum für so einige Situationen mit Frauen in der Nähe ihres Bruders, in denen ihr Verhalten unhöflich und fast unmöglich wird.
Ida macht in jedem Fall eine Entwicklung durch, auch wenn bestimmte Verhaltensmuster immer wieder erkennbar werden. Genaueres sei hier ausgelassen, um nicht zu viel zu verraten. Ihre Beziehung zu ihrem Sohn spielt da eine Rolle und mach deutlich, wie eine gewisse Grundhaltung das Leben beeinflussen kann, sowohl positiv als auch negativ.
Etwas schade ist, dass ihr Kontakt mit Freud doch verhältnismäßig wenig Raum einnimmt. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Die Behandlung ist aber interessant geschildert und aus heutiger Sicht kann man nicht anders, als über Freuds Behauptungen schmunzeln, so verdreht wirken sie teilweise.
Insgesamt ist es ein interessantes Hörbuch, das wenige Schwächen aufweist. Wer sich für Persönlichkeiten der Geschichte oder speziell für das Leben der Frau hinter dem Fall Dora interessiert, der sollte hier mal reinhören.