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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.12.2021

Sisi 1853 bis 1867 - Vom Niedergang einer aus Liebe geschlossenen Ehe

Sisi - Kaiserin wider Willen
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Der Roman hat mir mittelgut gefallen. Wahrscheinlich liegt es an meiner Erwartungshaltung. Die Reihe propagiert starke Frauen. Dass die Erstveröffentlichung in die Vorweihnachtszeit fällt, suggeriert hierzu ...

Der Roman hat mir mittelgut gefallen. Wahrscheinlich liegt es an meiner Erwartungshaltung. Die Reihe propagiert starke Frauen. Dass die Erstveröffentlichung in die Vorweihnachtszeit fällt, suggeriert hierzu passende Lektüre mit Romantik, Herz, warmer Atmosphäre. Jeder kennt die Sissi-Filme mit Romy Schneider, die genau dafür stehen. Und ich muss wehmütig feststellen, dass der Roman offenlegt, wie geschönt und romantisch verklärt diese geliebten Filme sind, die um Weihnachten herum laufen. Die Autorin bewegt sich nah an historisch belegten Fakten. Großes Lob dafür, dass am Ende des Romans eine Einordnung zu Fakten und Fiktion vorgenommen wird. Es geht viel darum, wie Sisi - kaum richtig erwachsen und mit zu wenig Unterstützung durch den Kaiser - zermürbt wird durch das höfische Protokoll und die strenge Schwiegermutter. Vom Volk geliebt und doch über weite Strecken in der Opferrolle – realistische Eindrücke, die weh tun, traurig stimmen.
Die meisten Figuren wirken unsympathisch. Humor sucht man vergeblich.
Der Sprach- und Erzählstil bietet wenig Anlass zu Kritik. Ich konnte mir Orte, Kleidung, Atmosphäre gut vorstellen. Mir missfiel, dass ein Schlüsselereignis kaum aufgearbeitet und ein Zeitsprung von vier Jahren vollzogen wird.
Dankbar bin ich für Wissen rund um Geschichte, Politik und Gesellschaft in den Jahren 1853 bis 1867. Es ist spannend, wenn man wie ich mit wenig Vorwissen liest. Ich fühlte mich am Ende des Romans animiert, in weiteren Quellen zu Sisis Leben und der beschriebenen Epoche nachzulesen. Für „Kenner“ wiederum könnte der Roman zu wenig gehaltvoll sein.
Fazit: Düsterer als gedacht, entzaubert die Sissi-Filme, stilistisch gut, aufwendig recherchiert.

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Veröffentlicht am 12.11.2021

Anregender Nahe-Zukunft-Thriller um eine Spionin im globalen Epizentrum der Überwachung

Every
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Dieser Nachfolgeroman zu „The Circle“ ist eigenständig lesbar. Man schlüpft in die Perspektive der jungen Erwachsenen Delaney, die versucht, den monopolhaften Internet-Giganten „Every“, der aus Zusammenschlüssen ...

Dieser Nachfolgeroman zu „The Circle“ ist eigenständig lesbar. Man schlüpft in die Perspektive der jungen Erwachsenen Delaney, die versucht, den monopolhaften Internet-Giganten „Every“, der aus Zusammenschlüssen von Konzernen wie Google, Facebook und Amazon entstand, von innen heraus zu zerschlagen. Sie erwartet, dass von ihr mitentwickelte Apps, die Tagesablauf, Kommunikation, Wohnen, Mobilität und Konsumverhalten prägen, die Freundschaft, Schönheit usw. algorithmisch messen, einen Aufschrei hervorrufen. Doch stattdessen schätzen viele Menschen die Bequemlichkeit und den Beitrag zum Klimaschutz und zur Verbrechensbekämpfung.

Das im Vergleich zur eBook-Ausgabe leicht gekürzte Hörbuch ist 15 Stunden und 13 Minuten lang. Tempo und Aussprache des Sprechers Torben Kessler wirken angenehm und gut verständlich. Ich konnte der Handlung während der Hausarbeit und dem Arbeitsweg gut folgen und kam immer schnell wieder hinein. Der ironische Unterton passt zu vielen Szenen, wirkt aber manchmal auch deplatziert und überhandnehmend. Die Pausen zwischen Sinnabschnitten sind gut, nur in ganz seltenen Fällen etwas zu kurz, sodass ich irritiert war, mich in einer neuen Szene zu befinden. Positiverweise werden die Kapitelüberschriften mitgesprochen.

Die Hauptfigur gefiel mir mittelgut. Ich störte mich ein bisschen daran, dass Delaney ihre Bemühungen mit eigenen Ideen konterkariert und wenig aus Fehlern lernt. Wes und Kiki erlebte ich als individuelle, interessante Nebenfiguren mit spannender Entwicklung.
Die Handlung empfand ich als eingängig, anschaulich und unterhaltsam, oft amüsant, gespickt mit zahlreichen kreativen Ideen. Im Mittelteil hätte gestrafft und fokussierter erzählt werden können. Es kommt klar heraus, dass der Autor Dave Eggers kein Fan von E-Commerce-Giganten ist. Der erhobene, moralisierende Zeigefinger wirkt nicht zuletzt durch den sprachlichen Ausdruck omnipräsent, was auch zu einer gewissen Vorhersehbarkeit führt. So einseitig und überspitzt wie einiges dargestellt wird, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass es in der Realität so reibungslos ablaufen würde. Im Ergebnis werte ich den gesellschaftskritischen Thriller für einen breiten Adressatenkreis als wertvollen Beitrag zur Sensibilisierung und als Denkanstoß für anregende Diskussionen. Lese-/Hörempfehlung.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Aktueller, spannender, wendungsreicher Politthriller zum Miträtseln und mit Herz

State of Terror
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Ich lese nicht oft Politthriller und brauchte zunächst ein bisschen, um bei allen Figuren und Orten durchzublicken. Aber blickt man jemals so richtig durch? Dank des eingängigen Erzählstils hatte ich spätestens ...

Ich lese nicht oft Politthriller und brauchte zunächst ein bisschen, um bei allen Figuren und Orten durchzublicken. Aber blickt man jemals so richtig durch? Dank des eingängigen Erzählstils hatte ich spätestens mittig zu jeder Figur ein Bild vor Augen, mit jeweiligem Amt oder Aufgabe, dienstlichen und privaten Beziehungen. Aber ein Herausstellungsmerkmal des Thrillers ist, dass sich unheimlich oft die Vertrauensfrage stellt. Welche Allianzen und Zweckbündnisse gibt es? Wer spielt falsch und warum? Bildet die Fährte ein Komplott?
Wohltuend wirkt, dass es nicht nur um Hass, Gewalt, Terror und politisches Intrigenspiel geht. Inmitten turbulenter und bedrohlicher Zustände blitzen auf passende Weise Freundschaft, Liebe und Menschlichkeit hervor. In dieser Hinsicht mochte ich Gil und ganz besonders Betsy.
Hillary Clinton gönnt sich offensichtlich augenzwinkernde Seitenhiebe in Richtung eines gewissen Ex-Präsidenten (Parallelen natürlich rein zufällig ). Es sei ihr gegönnt. Mir gefällt die persönliche Note und das über weite Strecken stimmige Einbetten in die fiktive Handlung.
Negativ fällt auf, dass teils klischeehafte Feindbilder bemüht werden.
Der Inhalt trifft den Nerv der Zeit. Beschriebene Abläufe lassen Expertise erkennen. Dass die Außenministerin in der Hauptrolle ständig in vordester Front dabei ist, strapaziert die Realitätsnähe, doch ich möchte darüber nicht meckern, weil das Mehr an Dramatik der Leserschaft zugutekommt.
Lob für die gut portionierten Leseabschnitte, die viele Pausen ermöglichen.
Das Miträtseln hat Freude gemacht. Manchmal lag ich richtig, wurde aber auch überrascht. So soll das sein. Herzerwärmende Momente machen die düstere und von Ängsten geprägte Atmosphäre erträglich. Vor allem in der zweiten Hälfte ist es an allen Fronten so spannend, dass ich das Buch nur ungern zur Seite legte. Das Ende klärt aufgeworfene Fragen und wird durch ein Nachwort gelungen abgerundet. Ich vergebe 4 Sterne mit Tendenz zu 5 Sternen und eine Leseempfehlung, auch für Neulinge im Genre.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Alternativwelt mit abgründigem Bildungs- und Gesellschaftssystem – aufwühlend, mit Denkanstößen

Q
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Dieser dystopische Thriller spielt in den USA in einer alternativen Realität des Jahres 2019. Die „von oben“ auferlegte und ständig variable Q-Bewertung jedes Bürgers hat große Bedeutung für Alltag und ...

Dieser dystopische Thriller spielt in den USA in einer alternativen Realität des Jahres 2019. Die „von oben“ auferlegte und ständig variable Q-Bewertung jedes Bürgers hat große Bedeutung für Alltag und Zukunft. Relevant sind insbesondere Bildung, Familieneinkommen und systemkonformes Verhalten. Es erzeugt heftige Gefühle, mitzuerleben, wie sich das auswirkt (Leistungsdruck, Anreize, Regulierung usw.) und in welche Richtung sich das System während der betrachteten Tage entwickelt.
Die Idee zur Handlung weckt Assoziationen zum spannenden Nahe-Zukunft-Thriller „Die Optimierer“ von Theresa Hannig sowie heute zu beobachtenden Ansätzen in China (Überwachung, Punktesystem).
Geschildert wird alles aus Sicht einer 44-jährigen privilegierten Mutter, der eine Abwärtsspirale droht. Einige Kapitel bilden dabei deutlich gekennzeichnete Rückblenden mit Schlüsselereignissen. Das ist abwechslungsreich und sehr packend. In einigen Situationen hätte ich selbst anders gehandelt, teils konnte ich sie aber auch verstehen. Ich hatte sie gut als junges Mobbingopfer vor Augen. Wie sie Fehlentscheidungen reflektiert, lässt mitfühlen. Vieles animiert zum Nachdenken, wie ein Staatsapparat auf Sorgen eines Teils der Bevölkerung reagieren könnte und was alles schiefgehen kann.
Von den Figuren mag ich besonders Ruby Jo. Sie erhellt die düstere Stimmung mit Herz und Humor.
Die aufgezeigten Parallelen zum Nationalsozialismus und zu medizinischen Eingriffen in den USA im 20. Jahrhundert sind einerseits informativ, wirken andererseits manchmal bremsend und zu gewollt. Ein Nahe-Zukunft-Szenario mit Weichenstellungen im Jetzt hätte ich als noch aufregender empfunden, bloß hätte das die eingebetteten Zeitzeugenberichte aus der NS-Zeit unmöglich gemacht.
Logikschwächen offenbaren sich, wenn es um die Anzahl der näher im Fokus stehenden Schulen geht und dass sich bisher niemand für die dortigen Zustände interessiert haben soll. Einige Ansätze (z. B. zur Familienplanung) finde ich unrealistisch.
Das Potenzial der Idee hätte durch Seitenblicke noch besser ausgeschöpft werden können. Wie wirken sich beispielsweise Krankheiten oder Behinderungen aus? Was bedeutet das System für Zu- und Abwanderungen und für Beziehungen zu anderen Staaten? Das Ende mit Wow-Effekt beantwortet viele, aber nicht alle Fragen. Einen zweiten eigenständigen Roman in der gleichen Welt würde ich lesen wollen.
Fazit: Eingängig, düster, spannend, aufwühlend, mit wertvollen Denkanstößen. Leseempfehlung für einen breiten Adressatenkreis.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Anregender Jugendthriller um Empathie, Toleranz und Mut dank neuer Perspektiven

Game Changer – Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, alles falsch zu machen
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Die eigenständige Geschichte ist flüssig lesbar und leicht verständlich, wie es sich für einen Jugendthriller gehört. Erzählt wird chronologisch in der Vergangenheitsform aus der Ich-Perspektive eines ...

Die eigenständige Geschichte ist flüssig lesbar und leicht verständlich, wie es sich für einen Jugendthriller gehört. Erzählt wird chronologisch in der Vergangenheitsform aus der Ich-Perspektive eines durchschnittlichen Jugendlichen aus einer US-Kleinstadt der heutigen Zeit. Das schafft Identifikationspotenzial für den Hauptadressatenkreis. Besonders ist, dass Ash beim rückblickenden Bericht seine Leserschaft direkt adressiert. Ash nimmt schubweise Veränderungen wahr an seinem direkten Umfeld, dann an der Welt, dann an sich selbst. Und versucht, verbessernd einzugreifen. Er ist dabei selbstkritisch und offen, was ihn sympathisch macht. Unterschiede bei Reichtum/Armut, Macht, Hautfarbe, Familienstruktur, sexueller Orientierung und dem Geschlecht werden beleuchtet und Auswirkungen auf das Verhalten, Fühlen und Denken greifbar gemacht.
Es ist über die gesamte Länge unterhaltsam, mit Spannung, Gefühlen, ein bisschen Humor und einigen eindringlichen Zitaten. Ich mag die Kapitellängen mit treffenden und neugierig machenden Überschriften. Große Auswirkungen kleiner Veränderungen faszinieren. Schwer durchschaubare Nebenfiguren wie z. B. Katie animieren zum Rätseln. Bestimmt super als Schullektüre, sensibilisierend und für vertiefende Diskussionen und Rollenspiele.
Als Erwachsene war ich rückblickend etwas ernüchtert, weil ganz große Gefühle und Impulse zu kurz kamen und es in Gänze betrachtet etwas zu gewollt und zu vorhersehbar geblieben ist. Werke wie „The Hate U Give“ entfalten da ganz andere Potenziale, aufzurütteln und umdenken zu lassen. Für zahlreiche Jugendliche ist es bestimmt ein wertvoller Überblick zu gesellschaftlichen Schieflagen mit Denkanstößen. Für anspruchsvolle und erwachsene Leserinnen und Leser gibt es bessere vertiefende Lektüre.

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