Guter Erzählstil, unterhaltsam, ohne mitzureißen
Vicious LoveIch bin in meiner Meinung zwiegespalten.
Ich mag den LYX-Verlag, und von der Buchreihe hatte ich viel Gutes gehört. Der Klappentext passt gut zum Inhalt und weckte bei mir positive Assoziationen zum wunderbaren ...
Ich bin in meiner Meinung zwiegespalten.
Ich mag den LYX-Verlag, und von der Buchreihe hatte ich viel Gutes gehört. Der Klappentext passt gut zum Inhalt und weckte bei mir positive Assoziationen zum wunderbaren Film „Eiskalte Engel“.
Daumen hoch für den Erzählstil: Kapitelweise wechselnd begibt man sich in den Bewusstseinshorizont von Emilia und Vicious, 28 Jahre alt, deren Lebenswege sich in New York zum zweiten Mal kreuzen. Bereits im Alter von 18 Jahren hatten sie in Los Angeles über mehrere Monate interagiert, mit unerfreulichem Ausgang. In einigen an passender Stelle gesetzten und als Rückblenden gekennzeichneten Kapitel lernt man Wunden, Vorbehalte und Hoffnungen zu verstehen. Neugierig machend, ohne Verständnisschwierigkeiten flüssig lesbar. Keine doppelten Szenenwiedergaben, sodass es nicht langweilig wird. Lob dafür, dass sich die Kapitel je nach Perspektive im sprachlichen Ausdruck unterscheiden und zum jeweiligen Charakter passen.
Ich nehme an, dass die Autorin viel Inspiration aus den berühmten Werken „Ein ganzes halbes Jahr“ und „Shades of Grey“ gezogen hat. Nicht nur die Mainstream-Liebesroman-Motive „Bindungsunfähiger reicher sexy Mann und herzensgute mittellose hübsche Frau“ und „Boss und Angestellte“, sondern auch Verhaltensstörungen nach Misshandlung in der Kindheit, Tetraplegie, ausgefallener Kleidungsstil ...
„Egal, was Vicious für mich empfand, meine Gefühle für ihn kannte ich ganz genau. Und es war kein Hass. Bei Weitem nicht.“ Dieses Zitat aus dem Buch rund um die These, dass Liebe und Hass nahe beieinander liegen, zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Roman.
Ein Highlight ist der neckische Schlagabtausch. Gut hat mir gefallen, dass bei der Tagesgestaltung und bei erotischen Vergnügungen (die im Übrigen nicht in allen Details wiedergegeben werden und auch nicht im Mittelpunkt stehen) nicht immer alles glatt lief und dass Gefühlsentwicklungen auch ein paar Wochen Zeit eingeräumt werden, was für eine höhere Identifikation sorgt.
Getrübt durch viele andere Eindrücke: Vic setzt seinen Reichtum und Einfluss gezielt als Lock- und Druckmittel ein. Sowohl er als auch seine Freunde und Geschäftspartner erachten Frauen als etwas beliebig Austauschbares, geben sich rücksichtslos und unsympathisch und sind gerade deshalb megaerfolgreich. Ohne Konsequenzen, ohne Reue, das lässt Moral vermissen. Dass ein im Fokus stehender Rechtsanwalt sich in öffentlichen Einrichtungen Joints dreht, geht zulasten des Realismusfaktors. Die charakterliche Entwicklung ist absehbar, und auch ansonsten ist der typische dramaturgische Aufbau erkennbar, sodass Wow-Effekte ausbleiben, Überraschungen nur im Kleinen auftreten. Über weite Strecken empfand ich die Gefühlslagen (von sehr düster bis naiv-lieb) sogar als gut umgesetzt, besonders bei intensiven Einblicken hinter die Fassade, wie in Kapitel 9. Dennoch schlichen sich unweigerlich aufgrund des aus meiner Sicht überzogenen Verhaltens solche Gedanken bei mir ein: Emilia hat einen besseren Mann verdient. Eine schlimme Kindheit schafft Verständnis, ist aber kein Freifahrtschein.
Der Roman ist eigenständig lesbar. In den anderen Romanen der Reihe verschiebt sich der Fokus auf diejenigen, die im Auftaktband nur Nebenfiguren waren. Ich freue mich über die gewonnenen Eindrücke. Da ich aber nicht vollends gepackt und berührt werden konnte, werde ich die Reihe nicht weiterverfolgen.