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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.12.2020

1933 bis 1944: Faszinierende und vielfältige Eindrücke, hoher Informationsgehalt

Die Sehnsucht nach Assam
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Dies ist der eigenständig lesbare Band 3 einer historischen Familiensaga über und vorrangig für Frauen, verortet in Indien und Großbritannien, von 1933 bis Ende 1944.
Als Fan der Reihe freue ich mich, ...

Dies ist der eigenständig lesbare Band 3 einer historischen Familiensaga über und vorrangig für Frauen, verortet in Indien und Großbritannien, von 1933 bis Ende 1944.
Als Fan der Reihe freue ich mich, dass hier die Tochter Adela der Hauptfigur Clarrie aus Band 1 beim Erwachsenwerden und auf dem Weg zu Liebe und beruflicher Bestimmung in den Fokus gerückt wird. Die meisten Szenen bilden ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle ab, gelegentlich auch diejenigen anderer Figuren. Briefverkehr bildet ein gelungenes Stilmittel. Zu nahezu allen Haupt- und Nebenfiguren aus dem Auftaktband erfährt man etwas zum weiteren Lebensweg. Auch diverse Charaktere aus Band 2 (Sophie, Tilly, James, Rafi, …) sind dabei, ein zentrales Rätsel wird auf überraschende Weise gelöst.

Highlights sind das Erlebbarmachen der Unterschiede in Atmosphäre, Flora und Fauna, Wetter, Architektur, gesellschaftlichen Strukturen (Geschlechterrollen, Kasten, Kolonialherrschaft), Bildung und Kultur (Schulen/Internate, Theater, Kinos, Unterhaltung für Soldaten, …): Teeplantage, Dschungel, Berge, Slums, Jagd, Adelshaus, Nomaden, verschiedene indische und britische Städte, … - überwiegend auch betrachtet im Wandel der Zeit, hier vor und während des Zweiten Weltkriegs.

Im ersten Drittel des Romans habe ich Längen wahrgenommen. Gefühle sind eigentlich seit Jahren offensichtlich, der Verlauf inklusive Missverständnisse absehbar, aber die Beziehungen stagnieren. Adela ist auch nicht auf Anhieb Sympathieträgerin, weil sie manchmal stur, launisch, vergnügungssüchtig oder naiv wirkt. Dann zieht das Tempo deutlich an, die Handlung wird gehaltvoll und sehr interessant. Die Persönlichkeitsentwicklung mehrerer Figuren ist realistisch und spannend mitzuverfolgen. Wer Band 1 und 2 kennt, profitiert vom Vorwissen und bestehenden emotionalen Bindungen. Nach und nach wuchs mir Adela doch noch ans Herz. Es gibt bei Figuren und im Umfeld viele neue und gleichzeitig stimmige Facetten kennenzulernen. Meine Neugierde war enorm und wurde bestens befriedigt. Ich fühlte mich in die Situationen hineingesogen, konnte mir alles lebhaft vorstellen. Es gelingt der Autorin super, Sinneseindrücke und Wissen nebenbei zu vermitteln. Was eine abwechslungsreiche Verortung und den Informationsgehalt angeht, ist dies der bisher beste Teil der Reihe. Beispielsweise wusste ich bisher nichts über den Zweiten Weltkrieg in und um Indien. Ich war traurig, als das (für den eBook-Preis von ca. 4 Euro sehr lange) Buch endete. Der rote Faden ist erkennbar, die Erzählstränge sind gut abgerundet, wobei ein zentrales Problem offen bleibt und dann wahrscheinlich im vierten Band, den ich lesen möchte, geklärt wird. Gute vier Sterne.

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Veröffentlicht am 12.12.2020

Emotional und informativ, wenig Thrill

Die verstummte Liebe
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Die historische Familiensaga schlägt einen beachtlichen Bogen von 1879 bis 1946, beleuchtet vor allem die Oberschicht im ländlichen England und die gehobene Mittelschicht (Arztfamilie) in Hamburg. Im Mittelpunkt ...

Die historische Familiensaga schlägt einen beachtlichen Bogen von 1879 bis 1946, beleuchtet vor allem die Oberschicht im ländlichen England und die gehobene Mittelschicht (Arztfamilie) in Hamburg. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht von Geburt an der familiäre und charakterliche Wandel der fiktiven Helen Mitchell.

Stärken:
- ausgeprägte Grauschattierung in der Charakterzeichnung bei Haupt- und Nebenfiguren, überzeugende Persönlichkeitsentwicklung bei Helen und James
- Intimität der Gefühlslagen von Helen, zu Herzen gehend
- bodenständig, realistisch, ohne Effekthascherei, dabei nie langweilig
- stringent erzählt, roter Faden erkennbar, leicht lesbar auch für Personen ohne Vorkenntnisse
- überzeugende Recherche, beiläufiger Kenntniszuwachs: Erscheinungsbild der Wohnungen, Häuser, Ländereien und Städte (Mobilität, Elektrifizierung, Personal, etc.), Geschlechterrollen in Familie, Ausbildung und Beruf, Alltag, Medizin, Reisehindernisse und Ressentiments gegen Engländer in Deutschland und Deutsche in England, …
- gutes erklärendes Nachwort

Schwächen:
- Vorhersehbarkeit von Schlüsselereignissen durch Klappentext, nicht-chronologischen Erzählstil und wenn man „Im Lautlosen“ und/oder „Die Stimmlosen“ bereits kennt (mindert Spannung)
- Ende wird erst richtig rund, wenn man „Im Lautlosen“ und „Die Stimmlosen“ ergänzend liest (es ist aber auch kein fieser Cliffhanger, wesentliche Fragen sind beantwortet)

Ich war emotional dabei und freue mich über den Kenntniszuwachs, vergebe vier Sterne und werde gern mehr von der Autorin Melanie Metzenthin lesen.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Liest sich zäh, viel Agenten-Action, wenig Herz und Hintergrund

Die Republik
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Autor ist Markus Heitz, bekannt als Fantasy-Autor, hier mit dem Pseudonym Maxim Voland.
Der spannende Klappentext (DDR 2.0) animierte mich, das Buch lesen zu wollen. „Was wäre gewesen, wenn … ?“-Szenarien ...

Autor ist Markus Heitz, bekannt als Fantasy-Autor, hier mit dem Pseudonym Maxim Voland.
Der spannende Klappentext (DDR 2.0) animierte mich, das Buch lesen zu wollen. „Was wäre gewesen, wenn … ?“-Szenarien bieten regelmäßig die Chance auf Thrill, Kenntniszuwachs und Denkanstöße. Gelungene Beispiele: „NSA – Nationales Sicherheitsamt“ von Andreas Eschbach, „Der Anschlag“ von Stephen King, „Vaterland“ von Robert Harris, „Flug 39“ von Phillip P. Peterson.
Dass ich Ende der 1980er geboren und im Westen aufgewachsen und wohnhaft bin, ließ mich hier auf neue, wertvolle Eindrücke hoffen.

Leider wollte kein Lesefluss und -genuss aufkommen, selbst wenn Dramatisches passierte. Es blieb mir egal, wer überlebt und stirbt. Die meisten Figuren wirken unsympathisch und distanziert. Viele Vertreter von Stasi und ausländischen Geheimdiensten sind dabei, schwer auseinanderzuhalten, wenn man kühle Berufsgespräche mitbekommt, jedoch keine Gefühle mit ihnen verbindet. Das Personenverzeichnis im Anhang unterstützt, gleicht aber den Mangel an Hintergründen und Motiven nicht aus.

Schusswechsel, Stunts und anderes Agenten-Zeugs gibt es dafür in allen Details, wofür ich mich nicht begeistern konnte. Es herrscht eine bedrückende, bedrohliche Atmosphäre, gut eingefangen z. B. bei Christophers Grenzübertritt. Um an James Bond heranzureichen, ist es nicht international genug, auch wenn es in anderen Ländern spielt, es fehlen Futuristisches, technische Innovation, Charisma, Glamour und Erotik.

Der Alternative-History-Aspekt blieb mir zu dünn. Es tauchen beiläufig DDR-typische Gegenstände auf, die sich zusätzlich in einem sehr langen Glossar nachschlagen lassen. Anderweitige Unterschiede im Alltag und wie der alternative sozialistische Überwachungsstaat in einer globalisierten Welt funktioniert, hätte ich gern mehr beleuchtet gehabt. Maxim Voland hat es verpasst, beispielsweise Parallelen zu China einzubetten und damit zum Nachdenken zu bringen.

Es war viel Herumblättern nötig, um alles zu verstehen (vielleicht geringen DDR-Vorkenntnissen geschuldet). Die zweite Hälfte habe ich quergelesen, weil mir die Lust vergangen war. Wenig visionär, viel actionreicher Geheimdienst-Krimi. Kein Werk, das nachhallt, mich berührt oder gebildet hätte. Knappe drei Sterne.

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Veröffentlicht am 03.12.2020

Wenig Thrill, mit Emotionen und Denkanstößen

Der neunte Arm des Oktopus
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Dies ist ein Klima-Thriller, teils im Stil einer fiktiven Dokumentation. Politische Entscheidungen, Intrigen, gegensätzliche Interessen sind zentrale Themen. Lesezeit: etwa 7 bis 8 Stunden. Ein allwissender ...

Dies ist ein Klima-Thriller, teils im Stil einer fiktiven Dokumentation. Politische Entscheidungen, Intrigen, gegensätzliche Interessen sind zentrale Themen. Lesezeit: etwa 7 bis 8 Stunden. Ein allwissender Erzähler gewährt überwiegend chronologisch mit schnellen Szenenwechseln vielfältige Einblicke in eine fiktive Klimawende im Zeitraum 2018 bis 2025, anhand erfundener Figuren sowie realer Persönlichkeiten wie Kamala Harris, Putin und Xi (sog. G3). Fiktive Medienberichte, Interviews, Reden usw. sind eingestreut. Durchbrochen wird die Chronologie von einem Erzählstrang im Jahr 2100, der eine veränderte Lebenswirklichkeit darstellt und die zurückliegende Klimapolitik reflektiert.

Das Buch trifft den Nerv der Zeit um eine mutigere Klimapolitik, die durch wissenschaftliche Erkenntnisse, Prognosen und Fridays for Future zuletzt neuen Aufwind erfahren hat. Mit der Abwahl von Trump ist es zeitlich perfekt verortet, damit sich sagen lässt: Die Handlung ist nicht übertrieben utopisch, durchaus im Bereich des Vorstellbaren.

Für mich persönlich hätten die Szenen gern länger und die gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Veränderungen differenzierter dargestellt sein können. Ich hätte mich gern noch mehr hineingefühlt. Thrill kommt erst im letzten Drittel auf. Vielleicht lag es daran, dass der Klappentext und die Kapitel im Jahr 2100 ein bisschen spoilern (Vorhersehbarkeit). Motive sind vereinfacht. Oft zeigt sich eine Schwarz-Weiß-Zeichnung: Egoistische Ausbeuter und Waffenhändler auf der einen Seite, Gutmenschen auf der anderen.

Die Abschnitte um die „Bösen“ haben mir am wenigsten gebracht.
Der Koch ist unterhaltsam und bietet Identifikationspotenzial.
Als Fan von Science-Fiction- und Nahe-Zukunft-Thrillern mag ich es, hineinzuschnuppern, wie sich Dirk Rossmann das Jahr 2100 vorstellt: Mobilität, Essen, Berufe, Ökodesign, …
Der Oktopus unterstreicht die Wichtigkeit von Zusammenarbeit und entfaltet positiven Symbolcharakter.
Meine Highlights sind die fesselnden Kapitel, die Auswirkungen von Klimawandel und -politik anhand der armen Bevölkerung erlebbar machen und emotional würdigen. Starke Frauenbilder vermitteln ein Gefühl von Hoffnung, Selbstbewusstsein und Fortschritt.
Die Kapitel um reale und fiktive Politiker, die Medienberichte usw. sind interessant, teils inspirierend, manchmal zu oberflächlich. Mehr Hintergrund zum Umdenken, wie Machtkämpfe und Umbrüche im Land ablaufen, welche Konflikte bestehen, hätte bereichert. Wer bisher mutigere Klimapolitik kritisiert, wird den Roman als zu aufdringlich, einseitig und unfundiert wahrnehmen und sich kaum umstimmen lassen. Es beeindruckt aber durchaus die Vielzahl angerissener Probleme und Lösungsansätze (Geburtenkontrolle, Abrüstung, …), was Anstöße für eine Vertiefung anhand anderer Medien bieten kann. Wer es eindringlich auf unaufdringliche Weise, actionarm, ohne Politik, Geheimdienste, Schießereien mag, empfehle ich „Die Letzten ihrer Art“ von Maja Lunde.

Aufgezählte Nachteile lassen sich auch als Vorteil verstehen:
Der Roman ist leicht verständlich, eingängig, in kleinen Häppchen konsumierbar, unterhaltsam, nie langweilig, so temporeich erzählt, dass er für eine breite Bevölkerung und als Schullektüre taugt.

Das Buch hat ein gelungenes Ende inklusive Ausblick für die Figuren und hallt positiv nach. Danke auch für das Nachwort, in dem sich der Autor Dirk Rossmann zur Motivation und Entstehung des Romans erklärt.

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Veröffentlicht am 17.11.2020

Familiensaga-Auftakt nach Schema F

Das Unrecht der Väter
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Dies ist ein Auftaktband mit offenem Ende. Die Autorin Ellin Carsta schätzt die Länge der neuen Familiensaga auf acht Bände.
Beleuchtet wird gehobenes Bürgertum für einige Wochen im Spätsommer/Herbst 1936, ...

Dies ist ein Auftaktband mit offenem Ende. Die Autorin Ellin Carsta schätzt die Länge der neuen Familiensaga auf acht Bände.
Beleuchtet wird gehobenes Bürgertum für einige Wochen im Spätsommer/Herbst 1936, verortet hauptsächlich im ländlichen Raum nahe München, teils in Berlin.

Erzählstil, Handlung, Figuren, Dialoge, Atmosphäre usw. finde ich mittelmäßig, seicht. Es fehlt das Besondere und das Überraschende. Irgendwie hat man das alles schon mal gelesen. Manchmal war ich geneigt, abzubrechen, weil mich die Geschehnisse nicht fesselten, nicht zu Herzen gingen. Dann gab es mal wieder stärkere Szenen, in denen Grauschattierung in der Figurenzeichnung hervorblitzt, Spannung und Gefühle generiert werden, zum Beispiel in Kapitel 16. Das ließ mich ohne Reue durchhalten bis zum Schluss.

Ein Personenverzeichnis, am besten als Stammbaum, wäre hilfreich. Nach und nach gelingt es aber auch so, zu ergründen, wie alle zueinander verwandschaftlich und emotional stehen. Sympathien und Antipathien bilden sich schnell und ändern sich auch nicht wirklich, weil die Figuren recht holzschnittartig angelegt sind:
Ein Fortschritt ablehnender Familien- und Unternehmensmonarch, dem gegenüber ein kreativer, durchsetzungsschwacher Sohn. Eine Tochter, die Nazitum und Judenverfolgung kritisch beäugt, ansonsten aber ziemlich planlos durch’s Leben geht bzw. reitet. Eine Ehefrau mit Lügen um ihre Identität. Das Glück der Frauen hängt stark vom Wohlwollen der Männer ab, sie sind vor allem dazu da, hübsch auszusehen, Kinder zu bekommen und Personal anzuweisen. Titelgebend sind drei Weltkriegsveteranen mit abgründigem Geheimnis, welches in Gesprächen und Gedanken - ziemlich gestelzt - ausgespart wird, um zum Rätseln zu animieren. Wahrscheinlich wird es letztendlich eine Tötung ohne politisches Mandat gewesen sein.

Was Kenntniszuwachs angeht, sehe ich für geschichtlich halbwegs gebildete Personen keinen Mehrwert.

Das Ende wirkt überstürzt. Es verärgert, dass lebensverändernde Entscheidungen aus einem Impuls heraus getroffen werden, die eigentlich nicht zum Charakter passen. Dann werden im Epilog noch einige Monate in 1936 und 1937 im Zeitraffer dargestellt. Das klärt ein paar (aber nicht die wichtigsten) offenen Fragen, hakt einige Krisenherde eher unbefriedigend ab, wahrscheinlich um im Folgeband „Die Stärke der Töchter“, der für den 23. März 2021 angekündigt ist, den Fokus auf neue Ereignisse zu legen. Ich vergebe knappe drei Sterne. Wie bereits bei den späten Bänden der Hansen-Saga hätte ich gern mehr Tiefe und Anspruch erlebt.

Um die Bewertung in Relation zu setzen, hier meine Buchbewertungen mit ähnlichem Thema und Verortung:
Ella Zeiss - Wie Gräser im Wind, Von Hoffnung getragen - 5 Sterne
Michaela Saalfeld - Was wir zu hoffen wagten, Als wir im Regen tanzten - 5 und 4 Sterne
Andreas Izquierdo - Schatten der Welt - gute 4 Sterne
Izabelle Jardin - Libellenjahre - gute 4 Sterne (Figuren, Handlung, Atmosphäre und Kenntniszuwachs besser)
Peter Prange - Eine Familie in Deutschland - knappe 4 Sterne (Figuren auch klischeehaft, Handlung gehaltvoller und informativer)
Ulrike Renk - Jahre aus Seide - 2 Sterne (langatmig und Schwarz-Weiß, abgebrochen)

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