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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.03.2020

Berührend und mit Lerneffekt

Libellenjahre
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Dieser Auftakt zu einer historischen Familiensaga umspannt die Jahre 1930 bis 1949, überwiegend chronologisch wiedergegeben, wobei 1934 bis 1938 nur im Zeitraffer abgebildet werden.
Der Fokus der Geschichte ...

Dieser Auftakt zu einer historischen Familiensaga umspannt die Jahre 1930 bis 1949, überwiegend chronologisch wiedergegeben, wobei 1934 bis 1938 nur im Zeitraffer abgebildet werden.
Der Fokus der Geschichte liegt auf Hauptfigur Constanze von Warthenberg. Aus reichem und angesehenem Hause stammend, jung, hübsch, klug, ohne Standesdünkel, emanzipiert, weltoffen, stark. Autorin Izabelle Jardin gelingt es, sie als liebenswert, verletzlich, unvollkommen darzustellen. War mein Herz erstmal erwärmt, konnte ich mich fantastisch mitfreuen, mitbangen, mitleiden.
Liebe ist reichlich enthalten, vielleicht manchmal ein bisschen romantisch verklärt, aber doch auch mit Reibungspunkten und Dramen, sodass es bodenständig und realistisch wirkt und ich die Daumen für diese Beziehung ganz fest gedrückt habe.
Meine Lieblingsnebenfigur ist die empathische und beratungsstarke Oma Charlotte.

Sehr spannend gerät die Verortung in den “Schlüsselstädten” Danzig, Königsberg und Berlin. Die Weltwirtschaftskrise spielt keine wichtige Rolle in diesem Werk. An vielen anderen Stellen gibt sich das Werk durchaus politisch. Gelungen finde ich die Konversation mit Vater Karl zu Beginn der 1930er. Sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf Gesprächskultur. Da lassen sich Kenntniszuwachs und Denkanstöße mitnehmen. Das Erstarken der Nationalsozialisten inklusive immer schlimmerer Repressalien an Juden und Polen wird erlebbar gemacht. Besondere historische Vorfälle wie z. B. die Bücherverbrennung sind einprägsam eingebettet. Sehr gut gefällt mir, dass die Autorin auf Rollenkonflikte von Staatsdienern und Polnischstämmigen eingeht. Vom Zweiten Weltkrieg bleibt dann niemand verschont. Man erlebt das Geschehen an der Front nicht live. Nichtsdestotrotz geraten die Schilderungen - live, über Briefe oder berichtend im Nachgang - sehr packend.

Stilistisch war es nicht rundum meins. Der allwissende Erzähler lässt in diverse Gedanken und Gefühlswelten eintauchen, gibt dabei viel preis, nimmt auch manchmal vorweg. Ich favorisiere es, zu rätseln und mir eigene Eindrücke zu verschaffen. Fährten sind für meinen Geschmack manchmal zu plakativ gelegt. Das hat Überraschungen/Wendungen verhindert, Entwicklungen vorhersehbar gemacht. Grandios sind die kurzen aussdrucksstarken Sätze, die es nicht nur in Kapitel 1 gibt und die den Mitfühlfaktor bei mir enorm steigerten. Ich vermisse ein erklärendes Nachwort zum Anteil von Fiktion und Wahrheit hinter dieser Handlung, idealerweise noch zur Motivation der Autorin und auf wie viele Bände die Reihe angelegt ist.

Hin- und hergerissen zwischen vier und fünf Sternen vergebe ich vier, weil mich Werke wie “Unter blutrotem Himmel” und “Tage des Sturms” stilistisch noch mehr angesprochen, noch mehr angerührt, überrascht und gebildet haben.

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Veröffentlicht am 07.03.2020

Unterhaltsame Eindrücke zu Indien 1922/23/24 - eigenständig lesbar

Die Rückkehr nach Assam
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Clarrie, Hauptfigur aus Band 1, bildet im Band 2 für die neuen Hauptfiguren Tilly und Sophie eine Verwandte, sodass auf den weiteren Werdegang von ihr und ihren Gefährten eingegangen wird. Für mich als ...

Clarrie, Hauptfigur aus Band 1, bildet im Band 2 für die neuen Hauptfiguren Tilly und Sophie eine Verwandte, sodass auf den weiteren Werdegang von ihr und ihren Gefährten eingegangen wird. Für mich als Fan schön. Wer an der ganzen Reihe interessiert ist, sollte in der richtigen Reihenfolge lesen, um nicht gespoilert zu werden. Vorkenntnisse zu Band 2 sind unnötig. Eine Frage bleibt offen. Vielleicht ein Anreiz, die Reihe weiterzuverfolgen.

Während Band 1 nur anfangs kurz in Indien verortet ist und ansonsten in Schottland, spielen hier 2/3 in Indien. Beiläufig lässt sich viel mitnehmen zu Natur, Wetter, Lebensverhältnissen, Gesellschaft, Arbeit, Familie inklusive Rollenbilder in Indien zu Beginn der 1920er. Angenehmerweise empfinde ich die Darstellungen zu sehr unterschiedlichen Regionen als ausgewogen und realistisch. Neben faszinierender Exotik wird auf physische und psychische Belastungen (extreme klimatische Bedingungen, beschwerliche Wege, Ausgrenzung, Krankheit, Mangel an Geburtshilfe und Ärztinnen) eingegangen. Es ist bestürzend, wenn Diskrimierung indischstämmiger Menschen im Rahmen der Kolonialherrschaft sowie Patriarchat erlebbar gemacht werden. Politische Strömungen sowie die arme Gesellschaft hätten für meinen Geschmack tiefergehender, anspruchsvoller ergründet werden können.

Figuren und Handlung haben mich unterhalten, aber - anders als bei Band 1 - nicht so berührt wie erhofft. Die beschriebene Liebe ist unromantisch. Der allwissende Erzähler gibt die Gedanken und Gefühle diverser Beteiligter übergangslos preis, oft nur oberflächlich. Viele (auch charakterliche) Entwicklungen sind vorhersehbar. Ich persönlich bevorzuge es, über Hintergründe und Motive spekulieren zu können. Es ist gut, dass manche Rätsel erst am Ende gelüftet werden, mit Überraschungen. Meine Lieblingsfigur ist Rafi Khan.

Unrund finde ich die Wortwahl zu körperlichen Merkmalen, vielleicht liegt es an der Übersetzung. Beispiel: “fleischige” Arme, Schultern, Männer. Redewendungen passen manchmal nicht. Formulierungen wie z. B. das aussetzende Herz empfinde ich als melodramatisch und kitschig.

Es reicht knapp für vier Sterne, weil ich das Ende als gelungen empfinde und den kurzweilig gestalteten Kenntniszuwachs zu schätzen weiß. Band 3 möchte ich gern kennenlernen.
Geeignet für Leserinnen, die Bücher wie die Hansen-Saga von Ellin Carsta mögen.

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Veröffentlicht am 15.02.2020

Intelligent, visionär, faszinierend: Sex, Kriminalität und Künstliche Intelligenz in 2091

Qube
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“Qube” knüpft an die Handlung von “Hologrammatica” drei Jahre später an mit einer bisherigen Nebenfigur als Hauptfigur sowie neuen interessanten Persönlichkeiten. Es ist für Verständnis und Lesefluss förderlich, ...

“Qube” knüpft an die Handlung von “Hologrammatica” drei Jahre später an mit einer bisherigen Nebenfigur als Hauptfigur sowie neuen interessanten Persönlichkeiten. Es ist für Verständnis und Lesefluss förderlich, Weltenbau und Begrifflichkeiten bereits zu kennen. Das Glossar im Anhang bildet eine willkommene Erinnerungsstütze. Als Fan habe ich mich über Bezugnahmen auf die im Vorgängerband im Fokus stehenden Charaktere Galahad Singh und Juliette Perotte gefreut.
Kapitelweise wechselt man - oft mit Cliffhanger - zwischen fünf Perspektiven, die ich alle gemocht habe: Calvary Doyle (Investigativjournalist), Torus Clifford (Millionär), Fran Bittner (Agent), Persia (Profi-Gamerin), Franek (Erwählter). Eine davon liest sich wie Fantasy. Ich musste mich zunächst einlesen und orientieren. Bei den rasch aufeinander folgenden Kapiteln, dem Vokabular und Ausführungen zu Zukunftstechnik gar nicht so einfach. Dann machte es mir riesigen Spaß, zu rätseln und mitzuverfolgen, wie sich die Handlungen verknüpfen. Dabei musste ich häufig breit grinsen, weil es nicht vorhersehbar, sondern wendungsreich und m. E. genial umgesetzt ist.
Ich liebe nach wie vor den Weltenbau. Autor Tom Hillenbrand beschränkt sich nicht auf realistischen Near-Future-/Science-Fiction-Flair bei für die Handlung wesentlichen Belangen. Auch beiläufig und in Alltagssituationen (Gestaltung von Mode, Wohnraum, Lebensmittel, Unterhaltung, Fortbewegung, …) ist es spürbar, sich im Jahr 2091 zu bewegen. Trotz dieses Detailreichtums schreitet die Geschichte zügig voran.
Abwechslungsreiche Elemente spielen eine Rolle: mafiöse Strukturen, nebulöse Motive, Macht und Geldgeschäfte, Agenten mit unterschiedlichen Identitäten, Reisen zu Himmelsgestirnen, digitalisiertes Bewusstsein, Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz, zeitgenössische Quests/Jump-and-Run-Games, virtuelle städtebauliche Alternate History Szenarien, …
Ich mag auch sehr die Bezugnahmen auf heute aktuelle Trends.
Das Buch vermittelt mir den Eindruck: Das bringt mich weiter. Es erweitert dank toller Gedankenspiele meinen Horizont und ist gleichzeitig lustig, spannend, extrem unterhaltsam.
Ich hoffe sehr auf weitere Bände im Hologrammatica-Universum.

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Veröffentlicht am 25.01.2020

Eigenständig lesbar, rätselhaft, ernsthafter als vom Autor gewohnt

Exodus 2727 - Die letzte Arche
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Im Mittelpunkt stehen drei Figuren: Auf dem Siedlungsraumschiff USS London, welches mit Millionen menschlicher sowie tierischer Embryonen ohne Funkkontakt zur Erde auf dem Weg zu einem erdähnlichen Planeten ...

Im Mittelpunkt stehen drei Figuren: Auf dem Siedlungsraumschiff USS London, welches mit Millionen menschlicher sowie tierischer Embryonen ohne Funkkontakt zur Erde auf dem Weg zu einem erdähnlichen Planeten ist, begegnen wir a) Jazmin: Single, Ärztin, Offizierin und b) Denis: verwitwet, Vater, Ingenieur. Zudem ist da c) Finch, idealistischer Polizist auf der Erde, der sich mit seinem reichen und mächtigen Vater zerstritten hat.

Ich mag es regelmäßig, mit Figuren mitzufiebern. Das fiel mir mit dem bodenständigen, familiär gebeutelten und liebenswerten Denis am leichtesten. Bei den Perspektiven von Jazmin und Finch, die einen emotionalen Schutzpanzer um sich errichtet haben, dauerte es länger, glückte schließlich.
Stückchenweise kommt man auf spannende Weise dahinter, was diese interessanten Charaktere verbindet.
Nebenfiguren sind elementarer Teil der Geschichte, bleiben in ihrer Charakterisierung aber oberflächlich. Wenn sie zu Schaden kamen, wird es kaum emotional gewürdigt. Hier hätte ich gern mehr “mitgefühlt”.
Es geht weniger spaßig zu als von Thariot gewohnt. Details wie z. B. Seitenhiebe gegen Trump und diverse saloppe Dialoge lassen den Urheber aber klar erkennen. Eine “Ulknudel” wie z. B. Scott in Solarian oder Kenan und Jonah in Nebula Rising gibt es nicht. Künstliche Intelligenz ist kein Garant für Humor, obwohl ich aufgrund des Namens “Vater” kurz darauf gehofft hatte. Fans der Genesis-Saga wissen, was ich meine.
Gereifte Figuren prägen die Handlung, verleihen Glaubwürdigkeit.

Der Klappentext spoilert ein bisschen. Die Geschichte ist übersichtlich, leicht lesbar, für Science-Fiction-Neulinge geeignet, zumal kein bisschen trocken, mit Raum für zwischenmenschliche Beziehungen. Nicht nur ich verdanke Thariot die ersten Schritte in dieses schöne Genre. Kenntnisse zu Weltraum und Naturwissenschaften sind laienkompatibel eingebettet, bringen einen Lerneffekt mit sich.

Enthalten sind Ausführungen, die sich wiederholen, keine neuen Erkenntnisse bringen. Es wird auch des Öfteren verbal erklärt, anstatt im Angesicht der Gefahr schnell zu handeln. Hier hätte ich mir ein höheres Erzähltempo oder mehr emotionalen Tiefgang gewünscht. Zum Weltenbau (Innovationen im Alltag, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft inkl. Rollenbilder) hätte ich mich über mehr Details gefreut, da sich vieles gegenüber heute nicht verändert zu haben scheint. Einige Handlungselemente kommen mir von anderen Werken des Autors bekannt vor. Neuerungen und viele tolle Rätsel im Kriminalstil lassen aber keine Langeweile aufkommen. Parallelen zum Film “Passengers” kann ich bekräftigen.

Das Ende entschädigt für vorangegangene Schwächen. Enthalten sind ein atmosphärischer, schlüssiger und emotionaler Showdown sowie die Beantwortung aufgeworfener Fragen.
Das Werk ist eigenständig lesbar. Gleichzeitig gibt es Potenzial für eine optionale Fortsetzung, die ich gern kennenlernen möchte und an der Thariot aktuell arbeitet.

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Veröffentlicht am 06.01.2020

Informativer und packender historischer Roman

Die Nachtigall
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Mir gefällt sehr, wie exemplarisch beleuchtet wird, wie es Frauen und Kindern im während des Zweiten Weltkriegs besetzten Frankreich erging. Sehr unterschiedlich sind sowohl die Persönlichkeiten der Schwestern ...

Mir gefällt sehr, wie exemplarisch beleuchtet wird, wie es Frauen und Kindern im während des Zweiten Weltkriegs besetzten Frankreich erging. Sehr unterschiedlich sind sowohl die Persönlichkeiten der Schwestern als auch ihre Umstände und Motivationen. Die eine im Widerstand, die andere als Mutter, Lehrerin und beste Freundin einer jüdischen Mutter.
Ich hatte keine Orientierungsschwierigkeiten, wusste sofort intuitiv, wen der beiden ich gerade begleite.
Auf die französischen Ausdrücke hätte ich lieber verzichtet. Da ich die Sprache nicht spreche, musste ich oft im Lesefluss innehalten, um mir die Bedeutung aus dem Sinnzusammenhang zu erschließen.
Die Nebenfiguren sind komplex und interessant ausgestaltet, sodass sie realen Persönlichkeiten nachempfunden sein könnten. Mit Hauptfigur Isabelle hatte ich anfangs Probleme. Einerseits wird sie so beschrieben, dass sie undiszipliniert ist und Gefühle nicht verstecken kann. Das passt gefühlt nicht mit der ihr zugedachten Rolle zusammen. Mit Lesefortschritt hat mich das glücklicherweise immer weniger gestört. Die Figuren gewinnen an Ecken und Kanten. Die Handlung wird immer spannender, enthält berührende Szenen (zumal es sich ganz ähnlich abgespielt haben muss) und einen langen, packenden Showdown.
Auch sehr stark gerät das Ende, bei dem mit zeitlichem Abstand die Geschehnisse aufgearbeitet werden.
Danke zudem für die Nachbemerkung der Autorin zu Hintergründen, Motivation, Recherche, allgemeingültigen schönen Gedanken.
Ein Leseerlebnis mit ein paar Längen und Ungereimtheiten, vor allem aber viel Herz und Informationsgehalt.
Folgende Werke rund um den Ersten und Zweiten Weltkrieg haben mich noch mehr angerührt und gebildet: Unter blutrotem Himmel (Sullivan), Sturz der Titanen (Follett), Was wir zu hoffen wagten (Saalfeld), Tage des Sturms (Zeiss).

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